Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.11.1981, Az.: 13 U 98/81
Unfallhelfermandat; Anspruch auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen; Wahrnehmung berechtigter Interessen; Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.11.1981
- Aktenzeichen
- 13 U 98/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1981, 12650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1981:1111.13U98.81.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 03.04.1981 - AZ: 2 O 515/80
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 1981
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 3. April 1981 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 4.000,00 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank geleistet werden.
Tatbestand
Die klagenden Rechtsanwälte vertreten gegenüber der beklagten Versicherung mehrere Mandanten, die durch Verkehrsunfälle geschädigt sind. Diese Mandanten sind oder waren Kunden der Autovermietung ... Sie haben mit dieser jeweils Kreditverträge abgeschlossen und sie beauftragt, aus den Krediten die Rechnungen für die Kraftfahrzeugreparaturkosten, die Mietwagenkosten und die Sachverständigen-, Bergungs- und Abschleppkosten zu bezahlen. Zur Sicherheit haben sie der Autovermietung ... die ihnen aus den Verkehrsunfällen entstandenen Schadensersatzansprüche abgetreten.
Die Autovermietung ... macht den Abschluß solcher Kreditverträge davon abhängig, daß die Unfallgeschädigten einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen. Ihr Außenstellenleiter in ... empfiehlt den Geschädigten, die in diesem Bereich keinen Anwalt kennen, neben zwei anderen Praxen auch die Sozietät der Kläger. Er läßt sich von den Geschädigten einen vorgedruckten Auftrag unterschreiben, in dem die Autovermietung ... angewiesen wird, im Namen des Geschädigten die betreffenden Anwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen. Diesen Auftrag sendet die Autovermietung ... gemeinsam mit einem Unfallbericht, dem Kreditvertrag und gegebenenfalls weiteren Unterlagen mit einem Formularschreiben an den betreffenden Anwalt zur weiteren Veranlassung. Die Kläger wenden sich dann mit einem Schreiben an die Unfallgeschädigten, mit dem sie um Unterzeichnung und Rücksendung der beigefügten Vollmachtserklärung bitten.
Zwischen den Parteien ist streitig, inwieweit die Kläger in den einzelnen Fällen darüber hinaus unmittelbar Kontakt mit ihren Mandanten hatten und von diesen informiert wurden.
Die beklagte Versicherung lehnte die Bezahlung der von den Klägern für ihre Mandanten geltend gemachten Kredit- und Rechtsanwaltskosten in einzelnen Fällen mit der Begründung ab, daß "Unfallhilfe betrieben" (Schreiben vom 19. Juni 1980, Bl. 12 d.A.) werde oder es sich "um ein sogen. Unfallhelfermandat" (Schreiben vom 27. Juni 1980, Bl. 13 d.A.) handele. Nachdem die Kläger deswegen mit Schreiben vom 18. Juli 1980 eine schriftliche Entschuldigung der beklagten Gesellschaft gefordert hatten, erhob die Beklagte in einem Schreiben vom 4. August 1980 (Bl. 16 d.A.) den gleichen Vorwurf auch wegen weiterer Fälle und bezeichnete "als die eigentliche Organisatorin des Unfallhelferringes" die Firma ....
Die Kläger haben daraufhin Klage erhoben mit dem Antrag, der Beklagten die Behauptung zu untersagen, sie würden Unfallhelfermandate führen oder sich an einem Unfallhelferring mit der Autovermietung ... beteiligen. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die beanstandeten Behauptungen seien wahr.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Kläger. Sie vertreten die Ansicht, für die Feststellung des Landgerichts fehle es an einer sachlichen Grundlage. Die Kunden der Autovermietung ... würden in dem genannten Auftragsformular ausdrücklich auf die freie Anwaltswahl hingewiesen. Da sie, die Kläger, die Unterlagen für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche bereits durch die Autovermietung ... erhielten, bedürfe es im Regelfall bei Sachschäden keiner weiteren Informationserteilung durch die Mandanten. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche werde den Geschädigten jedoch nicht aus der Hand genommen. Wenn es erforderlich sei, würden die Mandanten aufgefordert, Instruktionen zu erteilen; sie, die Kläger, unterrichteten die Mandanten auch unmittelbar.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Vorstandsmitglieder festzusetzenden Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft zu untersagen, durch ihre Mitarbeiter ausdrücklich oder sinngemäß behaupten zu lassen, sie, die Kläger, würden Unfallhelfermandate führen und sich an einem Unfallhelferring mit der Auto Vermietung ... aus ... beteiligen,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, zu behaupten bzw. durch ihre Mitarbeiter behaupten zu lassen, daß sie, die Kläger, Unfallhelfermandate führten und sich an einem Unfallhelferring mit der Autovermietung ... aus ... beteiligten,
weiter hilfsweise,
festzustellen, daß die vorstehenden Behauptungen hinsichtlich der Schadensfälle
- 1.
Schadennummer 30 kr 80/523068, Geschädigter: A. H., S., ...,
- 2.
Schadennummer 93 kr 80/100652, Geschädigter: F. S., A., ...
- 3.
Schadennummer 30 kr 80/523136, Geschädigter: Dr. W. P., B., ...,
- 4.
Schadennummer 30 kr 80/461531, Geschädigter: E. S., A.,
- 5.
Schadennummer 30 kr 80/391720, Geschädigter: J. K., ... H.,
- 6.
Schadennummer 30 kr 80/513378, Geschädigter: J. R., ...
- 7.
Schadennummer 30 kr 80/101908, Geschädigter: K. W., ...
- 8.
Schadennummer 30 kr 80/516052, Geschädigter: B. H., ...
- 9.
Schadennummer 93 kr 80/502301, Geschädigter: H. S., ...
- 10.
Schadennummer 30 kr 80/523251, Geschädigter: N. B., ...
- 11.
Schadennummer 30 kr 80/522275, Geschädigter: H. W., B.,
nicht zutreffen,
hilfsweise,
ihnen Vollstreckungsnachlaß, notfalls gegen Sicherheitsleistung zu gewähren mit der Maßgabe, daß die Sicherheit auch durch Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Ansicht, die beanstandeten Äußerungen könnten ihr auch deshalb nicht untersagt werden, weil sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe.
Die Parteien haben im übrigen nach Maßgabe der gewechselten Schriftsätze verhandelt, auf deren Inhalt zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet.
1.
Es kommt nicht darauf an, ob die Autovermietung ... für die von ihr mit den Unfallgeschädigten geschlossenen Verträge der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes bedarf und ob sich die Kläger an einer ohne Erlaubnis betriebenen Unfallhilfe beteiligen. Denn den Klägern steht ein Anspruch auf Unterlassung dieses Vorwurfs, auch wenn er als ehrenkränkend anzusehen ist, schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt. Die Beklagte hat die Vorwürfe, es werde "Unfallhilfe betrieben" und die Klägerin führten "Unfallhelfermandate" in ihren Schreiben vom 19. und 27. Juni 1980 zur Abwehr der von den Klägern für ihre Mandanten geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz von Kredit- und Rechtsanwaltskosten erhoben. In ihrem Schreiben vom 4. August 1980 hat die Beklagte diesen Vorwurf gegenüber den Vorhaltungen der Kläger verteidigt.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß dem in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung eines Vorbringens zusteht, das der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung einer Partei in einem Zivilprozeß dient (vgl. BGH, NJW 1971, 284; BGH, Betrieb 1973, 818). Denn dieses Vorbringen wird in dem betreffenden Zivilprozeß geprüft; der Schutz der Partei, gegen die es sich richtet, ist hierdurch gewährleistet. Es wäre auch nicht mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör zu vereinbaren, wenn ein Vorbringen durch ein Unterlassungsurteil verhindert werden könnte (vgl. Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, S. 124). Aus den gleichen Gründen besteht in aller Regel auch kein Anspruch darauf, eine zur Rechtsverteidigung aufgestellte Behauptung oder eine hierzu vertretende Ansicht in der vorprozessualen Auseinandersetzung zu unterlassen; denn auch dadurch würde das Vorbringen in einem zukünftigen Verfahren verhindert oder entwertet (vgl. BGH, NJW 1977, 1681 (1682) [BGH 14.06.1977 - VI ZR 111/75] m.w.N.).
Mit ihrer Äußerung, die Kläger beteiligten sich an einer Unfallhilfe, hat die Beklagte ihre Ansicht über das im wesentlichen unstreitige Zustandekommen der betreffenden Mandate der Kläger zum Ausdruck gebracht. Nach dem Sinnzusammenhang wertet die Beklagte die Übernahme der Mandate in dem beschriebenen Verfahren als Beteiligung an einer durch die Autovermietung ... ohne Erlaubnis betriebenen Rechtsberatung, hält die Kreditverträge und die Mandate deshalb für nichtig und lehnt die Erstattung der den Unfallgeschädigten daraus entstandenen Kosten ab. Es kommt nicht darauf an, ob diese Ansicht der Beklagten richtig ist; aus den genannten Gründen und auch im Hinblick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung steht es ihr in jedem Fall frei, diese Ansicht zu äußern.
Die Äußerungen der Beklagten erscheinen in ihrem Zusammenhang auch nicht als eine allein auf eine Ehrenkränkung zielende Abwertung der Kläger, die auch zur Abwehr der von diesen geltend gemachten Ansprüche nicht zulässig wäre (vgl. BGH, Betrieb 1973, 818 (819) = MDR 1973, 304). Denn den Äußerungen fehlt vom Standpunkt der Beklagten aus gesehen schon nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht jede sachliche Grundlage. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung durch einen Kreditgeber auch dann vorliegen, wenn die an ihn abgetretenen Schadensersatzansprüche im Rahmen eines einheitlichen, auf die Übernahme der Schadensregulierung ausgerichteten Verfahrens durch einen Rechtsanwalt eingezogen werden, den der unfallgeschädigte Kreditnehmer beauftragt hat (BGHZ 61, 317, 322) [BGH 06.11.1973 - VI ZR 194/71]. Auch wenn der Kreditgeber dem Unfallgeschädigten die Auswahl unter mehreren vorgeschlagenen Rechtsanwälten überläßt, schließt dies nicht aus, daß das Einzugsverfahren auf das Zusammenwirken von Rechtsanwalt und der kreditgebenden Stelle ausgerichtet ist und es wirtschaftlich gesehen der Kreditgeber ist, der die Forderungen einziehen läßt (vgl. BGH, VersR 1978, 1041 = NJW 1978, 2100). Dafür, daß auch das von der Autovermietung ... betriebene Verfahren nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung darstellt, bestehen aus der Sicht der Beklagten Anhaltspunkte. Denn unstreitig werden die Kläger im Namen der Unfallgeschädigten zunächst von der Autovermietung ... beauftragt und informiert. Auch wenn die Unfallgeschädigten in dem von ihnen bei der Autovermietung ... zu unterzeichnenden Auftragsformular auf die freie Anwaltswahl hingewiesen werden, ist diese Wahl tatsächlich dadurch eingeengt, daß sie häufig in dem betreffenden Bereich keinen Anwalt aus eigener Kenntnis nennen können, die Autovermietung ... den Abschluß des Kreditvertrages jedoch von der Beauftragung eines Anwalts abhängig macht. Das von den Klägern an die Mandanten gerichtete Schreiben erscheint, nachdem ihnen der Auftrag bereits durch die Auto Vermietung ... erteilt worden ist und sie von dieser durch den Unfallbericht informiert sind, nur noch als die Bitte um die Erteilung einer formalen Vollmacht. Unstreitig ist auch, daß die Kläger die Beklagte aufgefordert haben, Zahlungen unmittelbar an die Autovermietung ... zu leisten (vgl. Schreiben vom 26. August 1980, Bl. 54 d.A.).
2.
Die von den Klägern hilfsweise gestellten Anträge auf Feststellung sind unzulässig; denn es fehlt an einem neben der Unterlassungsklage bestehenden Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklagen wären aus den genannten Gründen auch nicht begründet.
3.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 und § 709 ZPO. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsnachlaß nach § 712 ZPO sind nicht gegeben.