Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.05.1998, Az.: XV 478/96
Zulässigkeit der Einordnung von Einkünften eines teils auf Provisionsbasis und teils auf Festgehaltsbasis beschäftigten Versicherungsvertreters als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ; Folgen eines Enthaltens von Urlaubsregelungen, Krankengeldregelungen und Regelungen über die Altersversorgung im Vertragsverhältnis ; Defintion eines Gewerbebetriebes; Folgen der Einräumung einer unternehmerischen Initiative und eines unternehmerischen Risikos
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.05.1998
- Aktenzeichen
- XV 478/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20377
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0528.XV478.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 EStG
- § 1 GewStG
Fundstellen
- DStRE 1999, 219-220 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 1999, 1425
Verfahrensgegenstand
Gewerbesteuermeßbetrag 1990
Amtlicher Leitsatz
Einkünfte einesteils auf Provisionsbasis, teils auf Festgehaltsbasis beschäftigten Versicherungsvertreters, der auf seine Kosten zwei Büros mit jeweils einer Angestellten unterhält, stellen auch dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, wenn das Vertragsverhältnis Merkmale eines Angestelltenverhältnisses enthält, wie Urlaubs- und Krankengeldanspruch und eine Altersversorgungsregelung.
In dem Rechtsstreit
hat der XV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. Mai 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Verbraucherberaterin ...
ehrenamtlicher Richter Dipl.-Wirtschaftsingenieur ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Einkünfte, die der Kläger von einer Versicherungsgesellschaft bezieht, Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen.
Der Kläger erklärte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 Provisionen in Höhe von 3.433,00 DM, die er für die Vermittlung von Versicherungen und Krediten für die landschaftliche Brandkasse erhalten hatte, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ferner ist der Kläger für die Öffentliche Sachversicherung bzw. Lebensversicherung (ÖV) aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22. April 1993 tätig. Insoweit erklärte er einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 253.575,00 DM. Als Werbungskosten machte er folgende, der Höhe nach unstreitige Aufwendungen, geltend:
Provisionsabgaben | 8.641,00 DM |
---|---|
Bürokeller (im Einfamilienhaus) | 654,00 DM |
Büro S. | 11.349,00 DM |
Löhne | 13.688,00 DM |
Werbekosten | 4.811,00 DM |
Bewirtungskosten | 1.831,00 DM |
Bürobedarf | 1.134,00 DM |
Porto/Telefon | 1.481,00 DM |
Kfz-Kosten | 12.339,00 DM |
sonstige | 2.500,00 DM |
gesamt | 58.428,00 DM. |
Neben seiner Ehefrau beschäftigte er ab 1. April 1990 eine weitere Arbeitnehmerin als Bürokraft in einem zusätzlich von ihm in S. angemieteten Büro.
Das Finanzamt (FA) erteilte am 24. Juni 1992 einen Einkommensteuerbescheid, dem es die Einkommensteuererklärung des Klägers zugrunde legte. Es führte in der Zeit vom 5. Mai 1994 bis 11. Mai 1994 beim Kläger eine Außenprüfung durch. Der Außenprüfer gelangte zu der Auffassung, daß es sich bei den Einkünften, die der Kläger aus der Tätigkeit für dieÖV erzielte, um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handele. Er ermittelte diese Einkünfte mit dem Betrag von 177.936,00 DM. Unter Berücksichtigung der bisher erklärten gewerblichen Einkünfte in Höhe von 3.433,00 DM ergaben sich Gesamteinkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 181.369,00 DM.
Das FA erteilte im Anschluß an die Außenprüfung für 1990 einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid, dem es den Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 181.369,00 DM zugrunde legte.
Gegen die Behandlung dieser Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Erteilung eines Gewerbesteuermeßbescheides richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung der Kläger vorträgt:
Die ÖV habe aufgrund ihrer Geschichte eine besondere Nähe zumöffentlichen Dienst; Träger der Anstalt seien das Land Niedersachsen und die Norddeutsche Landesbank Girozentrale jeweils mit einem Anteil von 50 v.H. am Trägerkapital. Aufgrund dieser Bindung habe stets die Fürsorgepflicht für die Außendienstmitarbeiter einerseits als auch der Wunsch, diese Mitarbeiter im Rahmen der Geschäftsgrundsätze Weisungen unterwerfen zu können, im Vordergrund gestanden. Der Kläger sei in das hierarchische Gefüge derÖV eingebunden. Sein unmittelbarer Vorgesetzter, der auch Disziplinarfunktionen ausübe, sei ebenfalls Angestellter, ebenso die nächst höheren Vorgesetzten.
Die besondere Eingliederung in das Gefüge der ÖV komme insbesondere darin zum Ausdruck, daß der Kläger nach§ 1 des Arbeitsvertrages seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Unternehmens zu stellen habe. Er habe als Generalvertreter nach den Weisungen des jeweiligen Organisationsleiters zu arbeiten.Seine Aufgaben bestünden darin, die Bestände durchzuarbeiten, Akquisitionen im Neugeschäft zu bestreiten und Aufträge des Unternehmens zu erledigen. Eine weitere Einbindung in das Unternehmen ÖV ergebe sich aufgrund der Allgemeinen Dienstvereinbarung für die Angestellten des Außendienstes bzw. aus der Betriebsordnung für die Angestellten des Außendienstes, wegen deren Inhalt im einzelnen auf die Anlage zur Klageakte Bezug genommen wird.
Der Einbindung in das Unternehmen entspreche auch die soziale Absicherung.
So führe die ÖV zum einen Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer für ihn ab. Er erhalte Krankengeld bis zum 42. Tag der Krankheit. Es gelte für ihn die Pensionsordnung der ÖV, wegen deren Inhalt im einzelnen ebenfalls auf die Anlage zur Klageakte Bezug genommen wird.
Er erhalte insoweit feste Bezüge wie jeder andere Arbeitnehmer auch, als sich seine Einkünfte zu einem erheblichen Umfang, nämlich in Höhe von ca. 150.000,00 DM jährlich, aus Vertragsabschlußprovisionen zusammensetzten, die ihm unabhängig von seiner laufenden Akquisitionstätigkeit zustünden.
Als Generalagenten oblägen ihm vorwiegend verwaltende, organisatorische und beaufsichtigende Aufgaben als Leiter einer Geschäftsstelle eines Versicherungsunternehmens. Dazu zähle insbesondere die Durchführung, Abwicklung und laufende Betreuung der Versicherungsverträge, ggf. die Schadensregulierung und ggf. die Abrechnung als Zahlstelle des Versicherungsunternehmens mit den Versicherungsnehmern. Die Ausdehnung durch neue Geschäfte stelle lediglich eine zusätzliche Aufgabe dar. Auch insoweit sei deshalb sein Arbeitsverhältnis als eine nichtselbständige Arbeit zu charakterisieren.
Er sei ferner nach außen den Kunden gegenüber nicht als Selbständiger, sondern als Angehöriger der ÖV entgegengetreten, wie dies durch den Schriftwechsel zum Ausdruck komme. Er habe auch keine eigene Firma geführt.
Hervorzuheben sei insbesondere auch, daß ihm kein Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB) zustehe. Der Würdigung seiner Tätigkeit als einer solchen als Arbeitnehmer stehe auch nicht entgegen, daß er in eigenem Namen ab 1. April 1990 neben seinem bisherigen Büro in seinem Wohnhaus einen weiteren Büroraum in S. angemietet habe. Die ÖV habe die Fassaden- bzw. Schaufensterflächen vom Kläger gemietet, nach eigenen Vorstellungen gestaltet und hierfür mehr als kostendeckende Zuwendungen erbracht. Er selbst habe lediglich einen Teil der Kosten der Ausgestaltung übernommen.
Nach alledem sei davon auszugehen, daß es in seiner Person an der für die Begründung gewerblicher Einkünfte erforderlichen Unternehmerinitiative und dem Unternehmerrisiko fehle.
Der Kläger beantragt,
den Gewerbesteuermeßbescheid 1990 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 12. Juli 1996 dahingehend zuändern, daß der Gewerbesteuermeßbetrag auf 0,00 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält dem Vorbringen des Klägers entgegen, maßgeblich für die Annahme eines Gewerbebetriebes sei die Selbständigkeit der Tätigkeit, d.h. diese Tätigkeit müsse aufeigene Rechnung (Unternehmerrisiko) und auf eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative) ausgeübt werden. Dabei komme es nicht allein auf die vertragliche Bezeichnung an, sondern auf den Gehalt des Vertragsverhältnisses.
Im vorliegenden Fall sei die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der ÖV zwar als Arbeitsvertrag bezeichnet, dies sei jedoch für die Beurteilung der Einkunftsart nicht ausschlaggebend. Das Rechtsverhältnis des Klägers zur ÖV sei vielmehr dadurch bestimmt, daß er Bezüge erhalte, die ausschließlich aus Provisionen bestünden und damit im wesentlichen von seinem Arbeitseinsatz und -erfolg abhängig seien. Die ÖV trage nichtdie Aufwendungen, die der Kläger zur Erzielung seiner Einkünfte für erforderlich halte. Abgesehen von den von der ÖV zur Verfügung gestellten Formularen habe der Kläger die Arbeitsmittel selbst zu beschaffen; dem Kläger überlassene Arbeitsmittel würden in Rechnung gestellt. Ferner habe es in seiner Entscheidung und finanziellen Verantwortung gelegen, neben dem häuslichen Arbeitszimmer ein weiteres Büro anzumieten und einzurichten. Wenn der Kläger die Werbeeinnahmen seitens der ÖV zur Bestreitung der Unterhaltskosten seines Büros verwendet habe, so sei hierin keine Übernahme der Raumkosten durch die ÖV zu sehen. Der Vertrag mit der ÖV enthalte auch keine Regelungen hinsichtlich einer Kostenübernahme für die Arbeitsräume des Klägers. Ebenso spreche die Beschäftigung einer weiteren Angestellten für die Unternehmerinitiative des Klägers, wobei unerheblich sei, daß diese nicht als Untervertreter tätig werde. Entscheidend sei, daß es in der Kompetenz des Klägers gelegenhabe, einen Teil der zu seinen Aufgaben gehörenden Arbeiten zu delegieren und damit mehr Zeit für seine Akquisitionstätigkeit zu gewinnen, die eine wesentliche Grundlage seiner Einkünfte darstelle.
Auch fehle es an einer strikten Weisungsgebundenheit gegenüber der ÖV. Daß der Vertrag Vorgaben hinsichtlich der Tätigkeit enthalte, sei auch bei selbständigen Handelsvertretern nicht ungewöhnlich. So werde dem Kläger gerade nicht vorgeschrieben, welche Tätigkeit er wann und wo zu verrichten habe. Arbeitszeit und Arbeitseinsatz und damit die Höhe seiner Einkünfte bestimme er vielmehr in eigener Zuständigkeit. Ebenso sei es auch im gewerblichen Bereich üblich, daß ein selbständig Tätiger seine volle Arbeitskraft in den Dienst des Unternehmens stelle und bei Nichterfüllen seiner Aufgaben etwaige Folgen wie Abmahnung und Kündigung des Auftragsverhältnisses zu tragen habe.
Die als Bestandspflegeprovisionen bezogenen Vergügungen in Höhevon 150.000,00 DM seien auch nicht in ein "Grundgehalt" unabhängig vom Erfolg seiner Tätigkeit umzudeuten.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse stelle sich die Tätigkeit des Klägers als eine selbständige dar mit der Folge, daß es sich um gewerbliche Einkünfte handele.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Kläger zu Recht als Gewerbesteuerpflichtigen behandelt.
Gemäß § 1 Gewerbesteuergesetz i.V.m.§ 1 Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung ist von einem Gewerbebetrieb dann auszugehen, wenn eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ausgeübt wird. Demgegenüber liegt ein Dienstverhältnis, das nichtgewerbesteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG begründet, vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenndie tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1985, 661). Für die Abgrenzung ist von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen und unter Abwägung aller Umstände ein Gesamtbild der Tätigkeit und Stellung des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu ermitteln. Eine Würdigung nach dem Gesamtbild bedeutet, daß die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden. Für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit, der Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, die Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge,Überstundenvergütung, Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit.Ferner ist ein Arbeitsverhältnis durch eine soziale Absicherung gekennzeichnet, die sich in einem Anspruch auf Urlaub, sonstige Sozialleistungen und die Fortführung der Bezüge im Krankheitsfall konkretisiert. Für eine Stellung als Arbeitnehmer spricht, wenn der Beschäftigte kein Unternehmerrisiko trägt, keine Unternehmerinitiative entfaltet, keinen eigenen Kapitaleinsatz erbringt, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln hat, nicht einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet, sondern seine Arbeitskraft. Liegen hingegen die zuletzt genannten Kriterien vor, so spricht dies für eine die Gewerbesteuerpflicht auslösende gewerbliche Tätigkeit.
Die Anwendung der vorstehend genannten, von Rechtsprechung und Literatur (Bescheid des BFH vom 9. Oktober 1958 und Urteil vom 19. Februar 1959 IV 340/56 U, BStBl III 1959, 425, Urteil vom 3. Oktober 1961 I 200/59 S, BStBl III 1961, 567, Urteil vom26. Oktober 1977 I R 110/76, BStBl II 1978, 137, Herrmann/Heuer/ Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz,§ 19 Anm. 40 "Versicherungsvertreter") entwickelten Grundsätze führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, daß der Kläger als Gewerbetreibender anzusehen ist und demzufolge gewerbesteuerpflichtig ist.
Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 22. April 1983 sowie der Betriebsordnung für die Angestellten des Außendienstes derÖV hat der Kläger keine festen Arbeitszeiten einzuhalten, er hat seine Tätigkeit nicht an einem bestimmten Ort auszuüben. Der zeitliche Umfang seiner Leistungen ist nicht bestimmt. Er ist nicht unselbständig hinsichtlich Organisation und Durchführung der Tätigkeit.
Sofern in § 2 des Arbeitsvertrages vom 22. April 1993 vereinbart ist, daß der Kläger nach den Anweisungen des Organisationsleiters arbeitet, kommt der in dieser Form vertraglich vereinbarten Weisungsgebundenheit im vorliegenden Fall keine die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers begründende Wirkung zu.
Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, daß dem Merkmal der Weisungsgebundenheit bei Versicherungsvertretern ohnehin keine das Verhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherungsunternehmen prägende Bedeutung zukommt (Urteil des BFH vom 19. Februar 1959 IV 340/56 U, a.a.O. und Urteil vom3. Oktober 1961 I 200/59 S, a.a.O.). Zum anderen enthält die Vereinbarung in § 2 des Vertrages sowie die vom Kläger vorgelegte Betriebsordnung für die Angestellten des Außendienstes keine Konkretisierung dieser Weisungsbefugnis dergestalt, daß daraus eine Weisungsbefugnis des Versicherungsunternehmens hinsichtlich Ort und Zeit der Tätigkeit ablesbar wäre. Der Kläger hat auch zum Sachverhalt nicht vorgetragen, wann und in welcher Weise und bei welchen konkreten Geschäftsvorfällen die Weisungsbefugnis des Organisationsleiters zum Tragen gekommen ist.
Der Kläger hat auch keine für ein Arbeitnehmerverhältnis typische festen Bezüge erhalten. Insbesondere ist dem Vorbringen des Klägers, er erhalte insoweit feste Bezüge wie jeder andere Arbeitnehmer auch, als sich seine Einkünfte zu einem erheblichen Teil aus Bestandsprovisionen zusammensetzten, nicht zu folgen. Hierzu hat der BFH bereits im Urteil vom 19. Februar 1959 IV 340/56 U ausgeführt, daß selbst dann, wenn das Hauptgewicht der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters auf der Pflege und Erhaltung des Versicherungsbestandes beruhe, die hieraus erzielten Provisionen Einkünfte nach § 15 EStG darstellten und von der Gewerbesteuerpflicht erfaßt würden. Diese Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sei ebenso wie diejenige, die zur Vermittlung oder zum Abschluß des Versicherungsvertrages führe, als eine werbende anzusehen. Diese Würdigung des BFH aus dem Jahre 1959 der bestandspflegenden Tätigkeit eines Versicherungsvertreters und der daraus erzielten Einkünfte ist auch nichtdurch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit dem Jahr 1959 überholt. Es kommt im Gegenteil der werbenden Tätigkeit eines Versicherungsvertreters wegen der Öffnung des Europäischen Marktes für Versicherungsunternehmen und wegen der erleichterten Kündigungsmöglichkeiten für bestehende Versicherungsvertragsverhältnisse eine weitaus größere Bedeutung zu, als dies im Jahr 1959 noch der Fall war.
Für eine Arbeitnehmertätigkeit des Klägers und damit für einen Wegfall der Gewerbesteuerpflicht können mithin allenfalls die dem Kläger zustehenden Sozialleistungen, wie Urlaubsanspruch, der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung und die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sprechen. Diese Merkmale werden jedoch im vorliegenden Fall durch die die Tätigkeit des Klägers bestimmenden Merkmale seiner Unternehmerinitiative undseines Unternehmerrisikos überlagert. Diese Merkmale geben dem Vertragsverhältnis des Klägers mit dem VersicherungsunternehmenÖVB im vorliegenden Fall das Gepräge. Der Kläger ist nach dem Wortlaut seines Vertrages vom 22. April 1993 nicht verpflichtet, ausschließlich für das Versicherungsunternehmen ÖV tätig zu werden. Tatsächlich hat er im Streitjahr - wenn auch in geringem Umfang - für eine andere Versicherung eine vermittelnde Tätigkeit ausgeübt und hierfür Provision bezogen. Der Kläger kann die Art und den Umfang seiner Tätigkeit, seinen zeitlichen Einsatz und den Ort seiner vermittelnden Tätigkeit frei bestimmen. Er unterliegt nach seinem Arbeitsvertrag keinerlei Einschränkungen hinsichtlich seiner werbenden Aktivitäten, er kann insbesondere eigenständig und auf eigene Kosten den Werbeaufwand treiben, den er für angemessen hält und hat dies tatsächlich auch getan. Dies kommt in der Anmietung eines zweiten Büros in S und der Beschäftigung einer weiteren Angestellten zum Ausdruck. Ferner hat der Kläger, wie sich aus seiner Kostenaufstellung ergibt, auch Untervertreter für sich arbeiten lassen und damit sein Tätigkeitsfeld erweitert und wohl auch die ihm für die Vermittlungstätigkeit zustehenden Provisionen erhöht. An die unternehmerische Initiative des Klägers werden ferner insoweit weitere Anforderungen gestellt, als er nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung keinen Gebietsschutz genießt. Andere Versicherungsvertreter, auch solche der ÖV, können in seinem Gebiet ebenfalls Versicherungen abschließen. Umgekehrt bedeutet dies für den Kläger zugleich aber auch, daß er seinerseits im Gebiet anderer Versicherungsvertreter, die ebenfalls keinen Gebietsschutz genießen, tätig werden kann.
Aus alledem folgt, daß dem Kläger ein weites Feld für unternehmerische Initiative eingeräumt ist und zugleich auch wegen der Vergütungsregelung der höchstmögliche Anreiz für das Wahrnehmen dieser unternehmerischen Initiative besteht.
Hinzu kommt das unternehmerische Risiko des Klägers. Wie der BFH seit dem Jahr 1959 entschieden hat und wie dies auch von der Literatur vertreten wird (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.) kommt dem Umstand, daß der Versicherungsvertreter seine personellen und sachlichen Bürounkosten sowie die sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen aus seinen Einnahmen zu bestreiten hat, eine besondere Bedeutung zu und läßt ihn als Träger des Unternehmerwagnisses erscheinen. Der Kläger trägtsämtliche Kosten, die im Streitjahr immerhin 58.428,00 DM betrugen, und tritt selbst als Arbeitgeber von Büroangestellten auf, mit denen er eigene Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten begründet hat. Er trägt das Risiko, daß sich im Falle einer eigenen längeren Erkrankung seine Einnahmen aus laufender Aquisitionstätigkeit erheblich verringern, wenn auch eine gewisse Absicherung seiner Einnahmen aufgrund der Bestandsprovisionen verhanden ist. Demgegenüber fallen seine laufenden Kosten, insbesondere für Büromiete und zu zahlender Arbeitslohn, weiterhin an.
Insoweit bietet auch das Krankengeld nur eine eingeschränkte soziale Absicherung, als nach § 6 Abs. 1 Nr. d der Betriebsordnung 1/240 die Abschlußprovisionen der letzten zwölf Monate vor Beginn der Krankheit die Bemessungsgrundlage darstellen und das Tagegeld auf höchstens 100,00 DM beschränkt ist. Wegen der Bestandspflegeprovisionen steht der Kläger zwar nicht mittellos dar, er hat jedoch ggf. erhebliche und nicht kalkulierbare Einkommenseinbußen wegen des Wegfalls von Abschlußprovisionen und dem Bestehen fortlaufender Zahlungsverpflichtungen hinzunehmen.
Aus alledem folgt, daß das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Versicherungsunternehmen in wesentlichen Punkten durch die Merkmale der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos geprägt ist, wie dies üblicherweise bei Versicherungsvertreterverhältnissen der Fall ist, die nach herrschender Auffassung den typischen Fall gewerblicher Tätigkeit darstellen. Der Umstand,daß dieses Vertragsverhältnis eine ausgeprägtere soziale Komponente hat, ist nicht so bestimmend, als daß das Versicherungsvertreterverhältnis einen anderen Charakter als den einer gewerblichen Betätigung hat.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Rechtssache kommt insoweit grundsätzliche Bedeutung zu, als die Frage klärungsbedürftig erscheint, inwieweit soziale Komponenten im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Versicherungsvertreter Auswirkungen auf die Frage der Gewerblichkeit der Tätigkeit haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; der Kläger ist der unterlegene Beteiligte.