Landgericht Göttingen
Urt. v. 30.10.1997, Az.: 8 O 209/96

Verletzung von Beratungspflichten

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
30.10.1997
Aktenzeichen
8 O 209/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 27056
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1997:1030.8O209.96.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Verletzung von Beratungspflichten

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, den Klägern alle Schäden zu ersetzen, die ihnen durch den Beitritt als Kommanditisten der ... und durch die damit im Zusammenhang bestehende Kreditaufnahme entstanden sind.

    Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage wird abgewiesen.

    Die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/8 und die Beklagte zu 1) zu 1/2.

    Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu je 1/4 und die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.

    Die Beklagte zu 1) trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger sowie die eigenen außergerichtlichen Kosten.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Die Kläger können jeweils die Zwangsvollstreckung des Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 800,- DM abwenden, sofern nicht der Beklagte zu 2) Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung der Kläger jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- DM abwenden, sofern nicht die Kläger jeweils Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Tatbestand:

1

Die Beklagte zu 1) betätigt sich in Göttingen beratend und vermittelnd auf dem Sektor der Finanz- und Kreditdienstleistungen. Der Beklagte zu 2) war bis Ende 1995 einer von mehreren Geschäftsführern der Beklagten zu 1). Durch Vertriebsvereinbarung vom 5. Dezember 1991 übertrug die ... der Beklagten zu 1) als Vermittler den Vertrieb von Kommanditgesellschaftsanteilen für ihre Gesellschaft. Gemäß § 2 Abs. 4 war die Beklagte zu 1) sowie die ihr unterstellten Organisationen nicht befugt, die ... rechtsverbindlich zu vertreten. Sie war andererseits auch nicht gehindert, Geschäfte jeder Art mit anderen Vertriebspartnern abzuwickeln, mit Ausnahme solcher Produkte, die geeignet sind, zu dem Produkt der ... in Konkurrenz zu treten. Hierfür räumte die ... der Beklagten zu 1) eine Provision in Höhe von 10 % der vermittelten Kommanditeinlage ein. Zusätzlich erhielt die Beklagte zu 1) als Vermittler eine auf die Kommanditeinlage bezogene Bearbeitungsgebühr von 5 %, die vom eintretenden Kommanditisten zu erbringen war (§ 4 Abs. 2 der Vertriebsvereinbarung).

2

Anfang März 1993 kam es zum ersten Gespräch zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Kläger zu 2), in welchem der Beklagte zu 2) darauf hinwies, daß die Beklagte zu 1) seit 1991 erfolgreich für die ... wirke, obwohl Letztere bereits in den Jahren 1991 und 1992 Verluste in Höhe von rd. 3,4 Mio bzw. 9,1 Mio DM erwirtschaftet hatte. Gleichwohl wurden in den Jahren 1991 bis 1993 Ausschüttungen an die Kommanditisten der ... in Höhe von 2.718.000,- DM vorgenommen. Über diese wirtschaftliche Situation war der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), Norbert Hoffmann, der Beiratsmitglied der ... ist, im Bilde.

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Anfang März 1993 traten die Kläger zu 2), die über kein einsetzbares Vermögen verfügten, in Kontakt mit dem Beklagten zu 2) und erklärten unter dem 16. April 1993 ihren Beitritt als Kommanditist zur ... mit einem Beteiligungsbetrag von 70.000,- DM. Zudem erbrachten sie eine 5 %ige Bearbeitungsgebühr von 3.500,- DM an die Beklagte zu 1). Die Kläger zu 2) nahmen zwecks Erbringung dieser Einlage ein Darlehen von 73.500,- DM zum Effektivzins von 9,89 % bei einem Disagio von 10 % auf. Insgesamt beläuft sich das Darlehen der Kläger zu 2) bei der Nassauischen Sparkasse auf 81.667,- DM. Zur Erlangung dieses Darlehens traten die Kläger zu 2) eine Lebensversicherung von 82.000,- DM sowie ihre Aus- und Rückzahlungsansprüche aus der Kommanditeinlage bei der ... an die Nassauische Sparkasse ab.

4

Entsprechend der Beitrittserklärung der Kläger zu 2) - der Kläger ... ist von Beruf technischer Leiter, seine Ehefrau ist Hausfrau - erklärten die Kläger zu 1) unter dem 16. November 1993 ihren Beitritt als Kommanditist zur ... mit einem Beteiligungsbetrag von 50.000,- DM zuzüglich einer 5 %igen Bearbeitungsgebühr von 2.500,- DM. Zur Finanzierung dieser Kommanditeinlage nahmen die Kläger zu 1) - der Kläger ... ist von Beruf Feinmechaniker - seine Ehefrau ... von Beruf Bibliothekarin - bei der Nassauischen Sparkasse zwei Kredite über 41.666,- DM und 16.668,- DM bei einem Disagio von 10 % und einem jährlichen Effektivzins von 8,98 % auf.

5

Mit Beschluß vom 14. Juli 1995 eröffnete das Amtsgericht Nordenham das Konkursverfahren über die .... Die Kläger meldeten gegenüber dem Konkursverwalter ihre Kommanditeinlagen an. Die Forderungen wurden vom Konkursverwalter bestritten.

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Die Kläger sind der Auffassung, daß die Beklagten ihnen als Gesamtschuldner schadensersatzpflichtig seien.

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Sie behaupten, der frühere Geschäftsführer der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 2), habe ihnen die Anlage als überaus sicher und attraktiv dargestellt, obwohl er und damit die von ihm vertretene Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Vermittlung die chaotischen Verhältnisse in der ... gekannt habe. Der Beklagte zu 2) habe mitgeteilt, die ... plane an die Börse zu gehen, wodurch sich die Gewinne vervielfältigen würden. Zudem habe er dargelegt, daß Investitionen in die ... nur gefährdet seien, wenn eine Atombombe auf den ... falle. Den Beklagten sei zum Vermittlungszeitpunkt die Finanz- und Vermögenssituation der ... bewußt gewesen. In Berechnungsbeispielen habe der Beklagte zu 2) den Klägern jährliche Gewinnausschüttungen zwischen 6 % und 9 % auf den jeweiligen Kommanditistenanteil garantiert.

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Die Kläger beantragen,

  1. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern alle Schäden zu ersetzen, die durch ihren Beitritt als Kommanditisten der ... und die dadurch erfolgte Aufnahme von Krediten entstanden sind,

    hilfsweise,

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger zu 1) als Gesamtgläubiger 58.719,- DM nebst 7 % Zinsen seit dem 30. April 1993

    sowie an die Kläger zu 2) als Gesamtgläubiger 87.046,- DM nebst 6,2 % Zinsen seit dem 31. Januar 1994 zu zahlen, jeweils Zug um Zug gegen Abtretung des Kommanditanteils der Kläger zu 1) von 50.000,- DM und des Kommanditanteils der Kläger zu 2) von 70.000,- DM an der ....

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Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagten bestreiten, zum Zeitpunkt der Vermittlung der Anlage an die Kläger die desolate wirtschaftliche Situation der ... gekannt zu haben bzw. Zweifel an deren Bonität gehabt zu haben. Vielmehr seien auch die Geschäftsführer der Beklagten zu 1) - ... und ... - von der Attraktivität der Einlage bei der ... ausgegangen und hätten ihrerseits Ende 1992 Einlagen von 100.000,- DM bzw. 140.000,- DM bei der ... getätigt. In entsprechender Weise seien von der Beklagten zu 1) Beteiligungen an eine Vielzahl von Verwandten der Geschäftsführer der Klägerin vermittelt worden. Darüber hinaus sei den Beklagten zum Zeitpunkt der Vermittlung auch nicht bekannt gewesen, daß von 1991 bis 1993 Ausschüttungen an die Kommanditisten der ... getätigt worden seien, ohne daß Gewinne der Gesellschaft vorgelegen hätten, denn der Jahresabschlußbericht sei erst am 9. September 1994 veröffentlicht worden. Im übrigen seien die in den Jahren 1991 und 1992 erlittenen Verluste der ... zwangsläufige Folge der Investition in ein neu gegründetes Unternehmen. Der Fehlbetrag von 1993 sei den Beklagten erst im Jahre 1994 bekannt geworden. Erst im Februar/März 1994 habe sich herausgestellt, daß nicht in einem Maße Kommanditkapital eingeworben werden konnte, wie kalkuliert gewesen sei. Die Beklagten bestreiten, daß der Beklagte zu 2) den Klägern den Börsengang der ... in Aussicht gestellt habe und nicht auf die Risiken einer Beteiligung an dem Unternehmen hingewiesen habe. Vielmehr habe er erläutert, daß es sich bei den Kommanditanteilen nicht um eine mündelsichere Anlage handele und die Kläger das wirtschaftliche Risiko der ... tragen wurden. Auch sei angesprochen worden, daß die Ausschüttungen ab 1996 von der Auslastung des Objektes abhängig seien.

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Im übrigen vertreten die Beklagten die Rechtsabsicht, daß ihnen eine Aufklärungs-, Beratungs- oder Informationspflicht der Kläger, nicht oblegen habe, weil die Beklagte zu 1) als Handelsvertreterin der ... tätig geworden sei und zur Interessenwahrung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin verpflichtet gewesen sei. Gegen diese Interessenwahrnehmungspflicht würde ein Handelsvertreter verstoßen, wenn er dem Kunden empfehle, von einem Geschäft mit dem Geschäftsherrn Abstand zu nehmen.

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Zum Parteivorbringen im übrigen wird auf die bis zum 17. September 1997 zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

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I.

Die Feststellungsklage der Kläger ist zulässig.

14

Die Kläger verfolgen mit dem Hauptantrag die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz aus der Vermittlung von Kommanditisteneinlagen. Gemäß § 256 ZPO ist eine solche Klage nur zulässig, wenn auf Seiten der Kläger ein Feststellungsinteresse besteht. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, denn eine endgültige Bezifferung des geltend gemachten Schadens ist den Klägern zur Zeit noch nicht möglich. Insoweit bleibt der Ausgang des Konkursverfahrens betreffend die ... abzuwarten. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß in einem Bericht des Amtsgerichts Nordenham vom 21. September 1995 ausgeführt wird, daß nach der seinerzeitigen Lage nicht bevorrechtigte Gläubiger damit rechnen müssen, auszufallen. Hierbei handelt es sich indessen um eine vorläufige Entscheidung, zumal die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20. August 1997 dargelegt haben, daß die ... Hotelkette gegenwärtig als Betreiber der Anlage fungiere und deren Betriebsergebnis abgewartet werden müsse.

15

Soweit aber nicht endgültig abzusehen ist, daß die. Einlagen der Kläger als endgültig verloren gelten müssen, könnten die Beklagten einem Schadensersatzanspruch der Kläger unter Hinweis auf den verbliebenen Wert der Kommanditanteile entgegentreten. Aus diesem Grunde kann den Klägern gegenwärtig eine Leistungsklage nicht zugemutet werden, so daß das erforderliche Feststellungsinteresse i.S. von § 256 ZPO zu bejahen ist.

16

II.

Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist begründet, während die Klage gegen den Beklagten zu 2) der Abweisung unterliegt.

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1. Die Beklagte zu 1) ist den Klägern grundsätzlich zum Schadensersatz aus der Anlagevermittlung der Kommanditanteile der ... verpflichtet, denn ihr fällt die Verletzung einer vertraglichen Auskunft - bzw. Beratungspflicht zur Last. Daneben haftet sie auch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in bezug auf den Abschluß des Anlagevertrages mit der ....

18

a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, daß zwischen einem Anlageinteressenten und einem Kreditinstitut bzw. einem Finanzdienstleistungsunternehmen - ggfs. stillschweigend - Vertragsbeziehungen begründet werden können, die Letztgenannte zur Aufklärung, Information und Beratung verpflichten und im Falle der Verletzung dieser Pflichten Schadensersatzansprüche auslösen (vgl. hierzu grundlegend BGHZ 74, 103 ff.). Aus alledem folgt daß es sich bei der Tätigkeit der Anlagevermittlung bzw. -beratung nicht nur um einen gemäß § 676 BGB unverbindlichen Rat handelt, sondern um eine rechtsgeschäftliche Pflichten auslösende Tätigkeit.

19

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird allerdings hinsichtlich des Umfangs dieser Sorgfaltspflichten zwischen Anlageberatungs- und Anlagevermittlungstätigkeit unterschieden (BGH NJW 1982, 1095 ff [BGH 25.11.1981 - IVa ZR 286/80]; ferner BGH NJW RR 1993, 1114 ff.).

20

Der Kapitalanleger, der einen Berater in dem Bewußtsein heranzieht, daß er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und erst recht keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat, daß er auch nicht in der Lage ist, sich selbst Beurteilungsunterlagen zu verschaffen und diese richtig einzuordnen, wird in der Regel ebenso an der Mitteilung von Tatsachen interessiert sein wie an deren fachkundiger Bewertung und Beurteilung. Er wünscht eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. Häufig zahlt er dafür auch ein besonderes Honorar unmittelbar an den Berater. In seinem mit diesem abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag ist die Beratung Hauptpflicht des Beraters. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater besonders weitgehende Pflichten gegenüber dem von ihm betreuten Kapitalanleger. Er hat als individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, in größerem Rahmen für Vertrauensschutz zu sorgen. Deshalb muß er auch besonders differenziert und fundiert beraten (BGH NJW 1982, 1095 [BGH 25.11.1981 - IVa ZR 286/80] f).

21

Dem Anlagevermittler, der für eine bestimmte Emission im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat und deshalb einem Handelsvertreter oder Verkäufer ähnlich dafür wirbt, tritt der Anlageinteressent dagegen selbständiger gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewußtsein, daß der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Daher zielt der Vertrag, der zwischen dem Anlageinteressenten und einem solchen Anlagevermittler zustandekommt, lediglich auf Auskunfterteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH NJW a.a.O.).

22

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu 1) für eine bestimmte Emission - nämlich die Kommanditanteile der ... in deren Interesse als Kapitalsuchender und mit Rücksicht auf die von dieser versprochenen Provision die Vermittlung und den Vertrieb der genannten Anteile übernommen. Fraglich ist insoweit, ob infolge dessen nur ein Anlagevermittlungsvertrag mit der Beklagten zu 1) und den sich daraus ergebenden Auskunftspflichten oder aber eine Verpflichtung zu umfassender Information i.S. einer Anlagenberatung bestand.

23

Diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als häufig nicht einfach bezeichnete Grenzziehung (BGH NJW 1982, 1095 [BGH 25.11.1981 - IVa ZR 286/80] a.E.) kann nach der Überzeugung der Kammer nicht nur anhand des Umstandes, daß die Beklagte zu 1) der NTP KG durch die Vertriebsvereinbarung vom 5. Dezember 1991 verbunden war, erfolgen. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist, daß Überschneidungen der Pflichtenkreise möglich sind (BGH NJW-RR 1993, 1114 [BGH 13.05.1993 - III ZR 25/92]) und demgemäß der Pflichtenumfang nicht allgemein bestimmt werden kann, sondern nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls (BGH NJW-RR 1993, 1114 [BGH 13.05.1993 - III ZR 25/92]).

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In diesem Sinne müssen hier die Umstände des Erwerbs der Kommanditanteile durch die Kläger im einzelnen beleuchtet werden. Abgesehen davon, daß die Unterscheidung Anlageberatung und Anlagevermittlung für den durchschnittlichen Anlageinteressenten aufgrund der feinsinnigen höchstrichterlichen Differenzierung nicht von vornherein erfaßbar ist, ist im vorliegenden Fall auch seitens der Beklagten zu 1) nicht offengelegt worden, daß sie seitens der ... für die Vermittlung von Kommanditanteilen provisioniert wird und demgemäß sich nur zu deren Interessenwahrnehmung berufen sah. Jedenfalls hat die Beklagte dies nicht dargetan. Allein der Vortrag, daß sie gegenüber den Klägern zum Ausdruck gebracht habe, es bestehe mit der ... eine langfristige erfolgreiche Zusammenarbeit, besagt dies nicht. Ebensowenig besagt dies der Hinweis, daß sie Beklagte zu 1) im norddeutschen Raum als einzige Vertriebsstelle für die NTP KG fungiere. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte zu 1) als "All-Finanzverwaltung, Gesellschaft für Vermittlung und Beratung" und nicht als ... Vertriebsagentur firmiert. Daß die von dem Beklagten zu 2) niedergelegten Berechnungsbeispiele auf Papier mit dem Signum der ... erfolgten, ist in diesem Zusammenhang belanglos, weil aus der Verwendung von Werbematerial - auch des Kapitalsuchenden - keinerlei Rückschlüsse auf die Rechtsbeziehungen zwischen Anlagevermittler und Kapitalsuchendem gezogen werden können.

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Insofern ist die Funktion der Beklagten zu 1) als Anlagevermittler nicht herausgestellt worden, zumal die Beklagte zu 1) für die Kläger nicht nur die ... Kommanditanteile vermittelt hat, sondern - wie sie selbst einräumt - mit den Klägern eine Bestandsaufnahme gemacht hat, um zu ergründen, ob der Erwerb der Anteile für die Kläger überhaupt sinnvoll ist. Selbst wenn die Beklagte zu 1) dies als eine Tätigkeit allein im Interesse ihrer Geschäftsherrin - der ... - verstanden hat, war dies für die Kläger jedenfalls nicht in dieser Dimension erkennbar. Hinzu kommt, daß die Beklagte zu 1) nicht nur die besagten Kommanditanteile vermittelt hat, sondern offenbar auch die von den Klägern unter dem gleichen Datum in einem über das Anlage-Engagement hinausgehenden Rahmen Darlehensverträge mit den Klägern vorbereitet hat, in denen sich die Kläger zudem zur Stellung von einschneidenden Sicherheiten verpflichteten. Hinzu kommt, daß es sich bei den Klägern nach Einkommensverhältnissen und Lebenszuschnitt erkennbar nicht um erfahrene Anleger, sondern um Interessenten in eher bescheidenen Wirtschafts- und Vermögensverhältnissen handelte, bei denen auch nur Steuerersparnisse in einem dementsprechend bescheidenen Rahmen zu realisieren waren.

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Nach alledem sprechen die vorstehend aufgezeigten Umstände eher für einen Anlageberatungsvertrag mit einer umfassenden Beratungspflicht als einem bloßen Anlagevermittlungsvertrag mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Die Ansicht der Beklagten zu 1), daß sie aufgrund des Handelsvertreterverhältnisses mit der ... keinerlei Pflichten gegenüber den Klägern als Anlageinteressenten traf und sie mithin nach Gutdünken die Emission empfehlen und vermitteln konnte, ist daher so abwegig, daß sie ernsthaft nicht diskutiert werden kann. Es liegt auf der Hand, daß ein Unternehmen, welches mit Finanz- und Kreditdienstleistungen im umfassenden Sinn "All-Finanz") werbend in Erscheinung tritt, sich dem Anlageinteressenten gegenüber nicht darauf zurückziehen kann, als Handelsvertreter des Kapitalsuchenden lediglich dessen Interessen wahrzunehmen. Hinzu kommt, daß die Pflichten gegenüber der ... als Geschäftsherrin eine ganz andere Qualität besitzen als die gegenüber den Anlageinteressenten und sich von daher gar nicht berühren. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Beklagte zu 1) ausweislich der Beitrittserklärung eine 5 %ige Bearbeitungsgebühr an die Beklagte zu 1) geleistet hat, die aus der Sicht der Kläger lediglich als eine Vergütung für ihnen gegenüber erbrachte Dienste verstanden werden konnte. Jedenfalls hatte es für die Kläger nicht die geringste Plausibilität, wenn sie mit der Beklagten zu 1) als Vertreterin der kapitalsuchenden ... in Kontakt traten, dem Vertragspartner eine Bearbeitungsgebühr zukommen zu lassen.

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Aber selbst dann, wenn im Sinne der vorbezeichneten Differenzierung nur eine Auskunftserteilung der Beklagten zu 1) geschuldet war, so beinhaltete diese die Verpflichtung zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß der Kläger - nach deren persönlichen Verhältnissen - von besonderer Bedeutung waren (BGH NJW-RR 1993, 1115; NJW 1982, 1096).

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Schlußendlich muß darauf hingewiesen werden, daß die von den Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 23. November 1973 (WM 1974, 58) der hier vertretenen Ansicht nicht entgegensteht, sondern lediglich konstatiert, daß der Handelsvertreter, der für seinen Geschäftsherrn Geschäfte tätigt, nicht obendrein für seine Vermittlungstätigkeit noch eine Maklerleistung für den Anlageinteressenten erbringt und von diesen daher eine Provision verlangen kann. Die genannte Entscheidung ist mithin für die hier aufgeworfene Fragestellung völlig belanglos.

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b) Die Beklagte zu 1) hat jedenfalls die ihr obliegende Beratungspflicht i.S. eines Anlagenberatungsvertrages, aber auch die Verpflichtung zur umfassenden Auskunfterteilung im zuvor skizzierten Rahmen verletzt, indem sie den Klägern im April bzw. November 1993 die Kommanditanteile der ... vermittelte. Die Pflichtverletzung ergibt sich nicht daraus, daß die ... im Jahre 1995 in Konkurs gegangen ist; dies wurde auf eine bloße Erfolghaftung hinauslaufen. Vielmehr folgt die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) daraus, daß sie die Kommanditanteile an der ... den Klägern als zwar nicht mündelsichere, im übrigen aber unbedenkliche und nicht mit besonderen Risiko behaftete Anlage angedient hat, obwohl bereits im Frühjahr 1993 gravierende Zerwürfnisse zwischen der Komplementärin und dem Treuhandkommanditisten, die z.B. darin gipfelten, den Eigentümern werde die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher und -belege vorenthalten, bestanden. Darüber hinaus wurde zwischen der Komplementärin und dem Treuhandkommanditisten wegen des Entgelts für die Komplementärin nachhaltig gestritten. Des weiteren war bereits im Frühjahr 1993 offenkundig, daß die Geschäftserwartungen, wie sie in bezug auf die Ertragssituation der ... gehegt worden waren, sich nicht erfüllten. Dies alles folgt aus der Einladung der TREFF Nordsee Tropen Parc Tossens vom 28. Juni 1993 nebst Anmerkung zu den Tagesordnungspunkten des Treuhandkommanditisten (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 27. September 1996). Bereits in diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß Erträge aus unzulänglichen Betten-, Gastronomie- und Erlebnisplätzen nicht den Erwartungen entsprachen. Des weiteren wird darauf hingewiesen, daß sich die Baukosten um mehr als 13 Mio DM verteuert hätten und daß von dem Treuhandkommanditisten und den Initiatoren "keine ordnungsgemäße Finanzierung i.S. eines ordentlichen kaufmännischen Betriebes beschafft worden" sei. Weiter heißt es: "Dies zeigt sich insbesondere daran, daß immerhin ein Betrag von ca. 10 Mio DM auf Girokonten mit sofortiger Fälligkeit und von Überziehungszinsen von bis zu 14,5 % ausgestattet ist". Es ist auch überhaupt nicht geklärt, welcher Finanzierungsrest aus der Investition noch auf die Gesellschaft zur Regulierung zukommt; derzeit sind es mindestens 3 Mio DM. Obgleich keine Eigenmittel und Kreditlinien bestehen, sind noch folgende Zahlungen zu leisten:

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Für Bau- und Baunebenkosten noch ca. 2,8 Mio DM, Forderungen Rechtsanwalt Dr. Hollerbaum ca. 350.000,- DM, Rückführung auf Treuhandkonto, entnommen aus Treuhandschaft für Bauabschnitt II ca. 440.000,- DM, für Verbesserung und Komplementierung Infrastruktur ca. 3 Mio DM. Insgesamt ergibt sich hier ein Geldbedarf von ca. 6,5 Mio DM (Ziffer 8 c der Anlage B 4 zum Schriftsatz vom 27. September 1996). Schließlich wird in der vorgenannten Einladung zur Gesellschafterversammlung am 6.7.1993 ausgeführt:

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"Offensichtlich ist das Objekt überinvestiert worden durch die durch in der Investitionsphase entstandenen Mehrkosten. Wesentlich in diesem Zusammenhang sind auch die Geldbeschaffungskosten sowie die Treuhand- und Bearbeitungskosten (Anlageberatung, Steuerberatung, Treuhänder). Offensichtlich sind in diesem Zusammenhang mindestens bis zu 25 % für die verschiedenen Finanzierungsabschnitte des KG-Kapitals ausgegeben worden, ohne daß dieses Geld der Investition unmittelbar zugeführt worden ist und damit nicht Grundlage für erforderliche Erträge geworden ist. Diese "unwirtschaftlichen" Kosten schmälern die Erträge in großem Umfang. Konkret: Von DM 50.000,- gezeichnetem Kapital kommen dem Objekt nur 37.500,- DM zugute, während die Erträge aus DM 50.000,- erwirtschaftet werden müssen."

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Dem letztgenannten Punkt ist anzufügen, daß bereits von den gezeichneten Kommanditanteilen bei der Beklagten zu 1) 10 % aufgrund der Vertriebsvereinbarung

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"hängenblieben".

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Wenn aber bereits im Frühjahr 1993 zwischen dem Treuhandkommanditisten und der Komplementärin bzw. Betreiberin gravierende Zerwürfnisse bestanden, konnte dieses der Beklagten zu 1), deren Geschäftsführer Hoffmann immerhin Beiratsmitglied war, nicht verborgen geblieben sein. Die von der Beklagten zu 1) in bezug auf die Kläger durchgespielten Berechnungsbeispiele (Anlage A 7 und A 8 zur Klageschrift vom 14. Juni 1996) gehen von hohen Ausschüttungen (9 % bzw. 6 und 7,5 % - jeweils mit dem Zusatz versehen "garantiert") aus. Daneben werden in dem Berechnungsbeispiel für die Kläger zu 1) im Jahre 1993 eine Steuerersparnis von 4.906,- DM und für die Kläger zu 2) eine solche von 7.728,- DM in Ansatz gebracht. Da sowohl das Engagement der Kläger zu 1) als auch das der Kläger zu 2) finanziert werden mußte, wobei die aufgenommenen Darlehen deutlich die Kommanditanteile überstiegen, hätte für die Beklagte zu 1) sich förmlich aufdrängen müssen, daß bei auch nur geringfügigen Unterschreitungen der jeweiligen Ausschüttungen das gesamte Finanzierungsmodell kippte.

35

Ein weiterer Gesichtspunkt, der eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) begründet, ist der Umstand, daß das wirtschaftliche Risiko des Engagements bagatellisiert worden ist. Den Klägern ist in keiner Weise verdeutlicht worden, daß auch der Totalverlust der - zumal kreditierten - Kommanditanteile drohte. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob seitens des Beklagten der Ausspruch getätigt worden ist: "Ein Risiko besteht nur dann, wenn eine Atombombe auf die ... fallen wurde!" Wenn demgegenüber der Beklagte zu 2) sich dahin geäußert hat, daß es sich bei den Kommanditanteilen nicht um eine mündelsichere Anlage handele, so wurde jedenfalls das Risiko in nicht hinnehmbarer Weise bagatellisiert. Der Hinweis auf die Risikohinweise des Prospektes (S. 29) ist ebensowenig geeignet, dem Anleger das Risiko seines Engagements vor Augen zu führen. Bei dem Ausspruch "keine Kapitalanlage ist ohne Risiko" handelt es sich um eine Binsenweisheit, die für sich genommen völlig nichtssagend ist. Die Hinweise auf die Beherbergungskapazität und deren Auslastung gehen von einer realitätsfern erscheinenden Auslastungsquote von 90 % in der Hauptsaison und 75 % in der Zwischen- bzw. Nebensaison aus. Dabei wird nicht einmal dargelegt, wieviele Monate des Jahres als Hauptsaison bzw. Neben- oder Zwischensaison zu gelten haben. Die abschließende Bemerkung (S. 30) "selbstverständlich können auch niedrigere Auslastungsquoten als 75 % eintreten; bei einer Auslastungsquote von rd. 50 % errechnet sich ein ausgeglichenes Ergebnis. Vergleichbare Parks in Belgien und in den Niederlagen - gemeint sind wohl die Niederlande - werden mit Auslastungsquoten von rd. 95 %" betrieben. Solche Darstellungen sind erkennbar unsolide.

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Die von den Klägern im Protokoll der Gesellschafterversammlung der ... angesprochenen erheblichen Liquiditätsprobleme sollen hier nicht thematisiert werden, weil diese Informationen erst nach der Vermittlung der hier streitigen Anlagen den Beklagten zugänglich waren. Indessen ergibt sich aus den von den Klägern mit Schriftsatz vom 21. August 1997 in bezug genommenen Anlagen, daß bereits Anfang Mai 1993 erhebliche finanzielle Schwierigkeiten der ... offenkundig waren, sogar bereits im Jahr 1991 Zahlungsschwierigkeiten bestanden und Umschuldungsmaßnahmen bzw. Zwischenfinanzierungen diskutiert wurden. Insoweit wird auf die Aktennotizen vom 4. und 5. Mai 1993 (Bl. 178 f.) sowie das Protokoll der Beiratssitzung vom 28. September 1991 Bezug genommen.

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Die Beklagten können die ihnen angelastete Pflichtverletzung auch nicht mit dem Hinweis ausräumen, daß die Geschäftsführer Hoffmann und Kellner der Beklagten zu 1) Ende 1992 Kommanditanteile der ... in Höhe von 100.000,- DM bzw. 140.000,- DM übernommen hätten und der Vater der Verlobten des Geschäftsführers der Beklagten ... der Zeuge ..., sogar im Dezember 1993 einen Anteil in Höhe von 150.000,- DM gezeichnet habe.

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Abgesehen davon, daß in der bestehenden Wirtschaftsordnung niemand daran gehindert wird, sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen, sind diese Hinweise nicht entscheidungserheblich, weil zum einen das Engagement im Dezember 1992 deutlich vor dem kritischen Zeitraum Frühjahr 1993 liegt. Soweit der Kommanditist ... noch im Dezember 1993 die Beteiligung erworben hat, sind die Gründe hierfür weder dargetan noch nachvollziehbar. Im übrigen darf nicht außer Betracht bleiben, daß die wirtschaftliche Ausgangssituation der Kläger für die Beklagten erkennbar nicht so beschaffen war, daß sie hohe Steuervorteile erzielen konnten. Insofern kann die Motivation der von den Beklagten angeführten Anleger eine ganz andere gewesen sein.

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Schließlich haben die Beklagten nicht dargetan, daß sie bei Vermittlung der Anteile Erkundigungen über die wirtschaftliche Situation der ... eingeholt haben.

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2. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist nicht begründet.

41

Der Beklagte zu 2) war Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Es ist indessen nicht ersichtlich, daß zwischen ihm und den Klägern Vertragsbeziehungen bestanden haben. Eine vertragliche Pflichtverletzung scheidet mithin aus. Im übrigen läßt das Vorbringen der Kläger nicht erkennen, daß der Beklagte zu 2) nach den Grundsätzen des Deliktsrechts den Beklagten schadensersatzpflichtig ist. Insbesondere ergeben sich aus dem Vorbringen der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte zu 2) die Kläger betrügerisch geschädigt hat. Vielmehr ist nach dem Vorbringen der Kläger davon auszugehen, daß ein handgreifliches fahrlässiges Beratungs- bzw. Auskunftverschulden der Beklagten zu 1) vorliegt, die insoweit für ihre Organe haftet.

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III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.