Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 22.04.1998, Az.: 5 Ca 447/96
Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung; Voraussetzung für die Zahlung von Urlaubsgeld; Weiterbeschäftigungsanspruch; Häufige Arbeitsunfähigkeit eines Werkzeugschleifers; Begriff der einschlägigen Abmahnung; Allgemeiner arbeitsvertraglicher Beschäftigungsanspruch; Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 22.04.1998
- Aktenzeichen
- 5 Ca 447/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 15214
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1998:0422.5CA447.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 1 BGB
- § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG
- § 162 BGB
- § 1 Abs. 2 S.4 KSchG
Fundstelle
- AiB 1999, 178 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
Feststellung/Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 1998
durch
den Richter ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... und
als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 03.07.1996 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Werkzeugschleifer weiterzubeschäftigen.
- 3.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 2.900,00 DM brutto zu zahlen.
- 4.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- 5.
Der Streitwert wird auf 18.500,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 03.07.1996, um Weiterbeschäftigung sowie Zahlung von Urlaubsgeld.
Der am 01.07.1944 geborene Kläger ist seit dem 01.02.1973 bei der Beklagten als Werkzeugschleifer zu einem monatlichen Bruttolohn von 3.900,00 DM beschäftigt. Er ist verheiratet und hat ein unterhaltsberechtigtes Kind. Im Betrieb der Beklagten werden außer dem Kläger vier weitere Werkzeugschleifer, ein Schneidwerkzeugmechanikermeister und eine Sekretärin beschäftigt.
In der Zeit von März bis August 1996 war der Kläger häufig arbeitsunfähig krank, was stets oder großenteils auf einer an seinen Händen auftretenden allergischen Reaktion gegen ein beim Schleifen verwendetes Mittel zurückzuführen ist.
In der Zeit von März bis August 1996 legte der Kläger insgesamt 12 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, davon 5 Erst- und 7 Folgebescheinigungen. Die Bescheinigungen für die Erkrankungen vom 01. bis 06.03. und vom 09. bis 19.04.96 legte der Kläger unmittelbar nach seiner Krankschreibung vor, die jeweils am ersten Krankheitstage erfolgte. Die übrigen Bescheinigungen gingen bei der Beklagten jeweils erst mehrere Tage nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. nach Ausstellung der Folgebescheinigung ein. Bei Fortsetzungserkrankungen wartete der Kläger bis zum letzten Tage des vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeitraumes, bis er erneut zum Arzt ging, um sich eine Folgebescheinigung ausstellen zu lassen. Dabei stand für die Beklagte häufig nicht fest, ob der Kläger am auf das Ende der Krankschreibung folgenden Werktag - meistens war dies ein Montag - zur Arbeit erscheinen würde. Aus dem hieraus resultierenden kurzfristigen Einsatz von Leiharbeitnehmern, die in die Arbeiten eingewiesen werden mußten, entstanden der Beklagten Verzögerungen und Kosten.
Mit Schreiben vom 09.08.1995 war der Kläger von der Beklagten abgemahnt worden; die Vorwürfe werden dort wie folgt aufgezählt:
1.
"Maschinen und Arbeitsplatz ungepflegt und verschmutzt.
2.
Unentschuldigte Abwesenheit während der Kernarbeitszeit.
3.
Transportfahrten auf eigene Rechnung innerhalb der Kernarbeitszeit durchgeführt.
4.
Abwicklung von Firmenaufträgen ohne rechtzeitige Anmeldung und Absprache.
5.
Nichteinhaltung des Sonntagsarbeitsverbotes.
6.
Nichteinhaltung zugesagter Termine.
7.
Unangekündigte Abwesenheit ohne An- und Abmeldung."
Unter dem 28.03.1996 erteilte die Beklagte dem Kläger eine so bezeichnete "5. Abmahnung", die dem Kläger vorwarf, gegen den Willen des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten statt des Stoffes Desolvit ein anderes Reinigungsmittel verwendet und auf mehrfache Bitte, der Beklagten ein Sicherheitsdatenblatt über diesen Stoff auszuhändigen, nicht reagiert zu haben. In dieser Abmahnung wird dem Kläger weiter vorgeworfen, entgegen der Aufforderung der Beklagten, einen Hautspezialisten aufzusuchen, nicht reagiert zu haben. Dabei führte die Beklagte das Auftreten von Hautreizungen an den Handoberseiten des Klägers auf die Verwendung des Reinigungsmittels zurück.
Auf die letzte Abmahnung hin übersandte der Kläger der Beklagten eine Gegendarstellung, in der er die Vorwürfe zurückwies.
In den Jahren 1993 und 1994 wurde dem Kläger jeweils ein Monatsgehalt als Urlaubsgeld vorbehaltlos gezahlt. Im Jahre 1995 erhielt der Kläger ebenfalls ein Urlaubsgeld. Für das Jahr 1996 zahlte die Beklagte an den Kläger 1.000,00 DM als Urlaubsgeld. Durch Bezugnahme im Arbeitsvertrag findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der niedersächsischen Metallindustrie Anwendung; dieser sieht ein halbes Monatsgehalt als Urlaubsgeld vor.
Mit Schreiben vom 03.07.1996, dem Kläger am 05.07.1996 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß, wobei im Kündigungsschreiben Bezug auf "das seit April 1996 wiederholte Nichtmitteilen Ihrer Arbeitsunfähigkeit" sowie auf fünf dem Datum nach bezeichnete Abmahnungen Bezug genommen wurde.
Für das Jahr 1996 erhielt der Kläger keinen Urlaub.
Der Kläger hat am 09.07.1996 Kündigungsschutzklage erhoben.
Er behauptet, dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten seien die Erkrankungen stets am Tage ihres Beginns bekannt gewesen. Das gleiche gelte für den Umstand, daß die Erkrankungen auf durch ein Arbeitsmittel bedingten Irritationen der Hände beruhten. Hieraus habe sich für die Beklagte erkennbar auch ergeben, daß es sich um eine langwierige Erkrankung gehandelt habe. Der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei vor diesem Hintergrund nur formale Bedeutung zugekommen, da diese einen längst bekannten Sachverhalt wiedergegeben hätten. Der Kläger meint, unter diesen Umständen liege ein Verschulden jedenfalls nicht vor, da er seiner Anzeigepflicht immer nachgekommen sei.
Der Kläger behauptet, auch im Jahre 1995 sei ihm ein Monatsgehalt als Urlaubsgeld vorbehaltlos gezahlt worden. Im Juni 1995 habe er 3.497,00 DM und im Juli 1995 erneut 3.458,00 DM als Urlaubsgeld erhalten. Beide Beträge zusammengenommen hätten zum damaligen Zeitpunkt einem Bruttomonatsgehalt des Klägers entsprochen.
Er beantragt,
- 1.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 03.07.1996, zugegangen am 05.07.1996, weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst ist,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Werkzeugschleifer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterzubeschäftigen,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsgeld in Höhe von 2.900,00 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, Herr ... habe den Kläger im April und Mai 1996 mehrmals telefonisch wegen der Verstöße gegen die Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 EFZG abgemahnt und für den Fall weiterer Verstöße mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen gedroht. Die letzte Abmahnung habe bei einer telefonischen Unterredung am 13.05.1996 stattgefunden. Dabei habe ... dem Kläger erklärt, so wie bisher gehe es nicht weiter. Der Kläger müsse die Fortsetzungserkrankungen jeweils am ersten Tag telefonisch anzeigen und die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen drei Tagen beibringen. Sofern sich der Kläger an diese arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht halte, müsse er mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, auch mit einer Kündigung, rechnen.
Der Kläger sei überdies auf einer Mitarbeiterbesprechung vom 22.02.1995 auf die Nachweispflicht hingewiesen worden.
Die Beklagte behauptet, anläßlich einer Mitarbeiterbesprechung vom 27. Juli 1995, an der auch der Kläger teilgenommen habe, sei den Arbeitnehmern erklärt worden, es handele sich bei dem Urlaubsgeld um eine freiwillige Leistung, die zudem im Hinblick auf die Höhe der Personalnebenkosten und der betrieblichen Situation ab 1995 nicht mehr in der alten Höhe gezahlt werden könne. Unabhängig davon werde Urlaubsgeld nur im Zusammenhang mit Urlaub ausgezahlt. Die Beklagte meint daher, der Kläger, der - unstreitig - im Jahre 1996 keinen Urlaub erhielt, habe den geltend gemachten Anspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der Güteverhandlung vom 26.08.1996 und der Kammerverhandlung vom 22.04.1998 verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht, und begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 03.07.1996 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden. Aus der entsprechenden Feststellung resultiert ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers. Dieser hat ferner Anspruch auf restliches Urlaubsgeld in der geltend gemachten Höhe.
Die Beklagte ist für den Ausspruch einer der Kündigung vorangegangenen einschlägigen Abmahnung beweisfällig geblieben. Die Abmahnungen vom 28.03.1996 und 09.08.1995 sind nicht einschlägig bzw. nicht hinreichend bestimmt: Diejenige vom 28.03.1996 bezieht sich auf die weisungswidrige Verwendung eines bestimmten Reinigungsmittels und die nicht rechtzeitige Konsultation eines Arztes. Das abgemahnte Verhalten des Klägers ist nicht gleichartig oder auch nur vergleichbar mit demjenigen, auf welches die Beklagte die Kündigung stützt. Da aber die Warnfunktion eine unabdingbare Voraussetzung für eine Abmahnung zur Vorbereitung einer künftigen Kündigung ist (BAG, 10.11.1988 EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 18; 17.01.1991 und 16.08.1991 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 37, 41), sind nur sogenannte einschlägige Abmahnungen zu berücksichtigen, nicht jedoch solche, die - wie hier - gänzlich andere Vertragsverletzungen zum Inhalt haben.
Die Abmahnung vom 09.08.1995 ist jedenfalls hinsichtlich der Punkte 1, 3, 4 und 5 ebenfalls nicht einschlägig, da diese Punkte die Art und Weise der Erfüllung von Hauptleistungspflichten (Art der Arbeitsleistung) betreffen. Die Kündigung stützt sich jedoch gerade auf ein Verhalten des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeit.
Die übrigen Punkte, die die unentschuldigte Abwesenheit des Klägers betreffen, könnten eine gewisse Ähnlichkeit oder sogar Gleichartigkeit zu dem Verstoß gegen die Nachweispflichten auf weisen. Die Gemeinsamkeit besteht in einem von der Beklagten mißbilligten Verhalten des Klägers im Falle der Abwesenheit während der Arbeitszeit.
Eine Abmahnung setzt jedoch die Beanstandung konkret bestimmter Leistungs- oder Verhaltensmängel voraus. Die Beklagte nennt jedoch hinsichtlich der unentschuldigten Abwesenheit während der Kernarbeitszeit nicht einmal bestimmte Daten, so daß für den Kläger nicht erkennbar oder nachprüfbar ist, auf welche konkreten Vorfälle und Umstände sich die Abmahnung beziehen soll. Diese kann mithin ihre Warnfunktion nicht erfüllen und daraus resultierend auch nicht die vorliegende Kündigung vorbereiten.
Für die von der Beklagten behaupteten telefonischen Abmahnungen vom April/Mai 1996, insbesondere vom 13. Mai 1996, ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Insoweit ist lediglich Beweis durch Vernehmung des Geschäftsführers der Komplementärin der Beklagten als Partei angeboten worden. Diesem Beweisangebot war nicht nachzugehen. Der Kläger hat nicht sein Einverständnis gemäß § 447 ZPO erklärt. Die Voraussetzungen von § 448 ZPO für die Parteivernehmung von Amts wegen liegen ebenfalls nicht vor. Voraussetzung wäre nämlich, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die streitige Tatsachenbehauptung spricht, zumindest einige Umstände also den streitigen Tatsachenvortrag stützen (Münchener Kommentar - Schreiber, ZPO, § 448 Rdn. 3). Vorliegend stehen sich jedoch die Behauptungen, anläßlich der als solche unstreitigen Telefonate zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten sei eine Abmahnung ausgesprochen bzw. nicht ausgesprochen worden, gleichwertig gegenüber, ohne daß auch nur ein geringer Wahrscheinlichkeitsgrad die Behauptung der Beklagten stützte. Eine Amts Vernehmung wäre in diesem Falle Willkür und daher unzulässig (Münchener Kommentar a.a.O.).
Die Abmahnung war auch nicht insgesamt entbehrlich. Es bedarf ihrer nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer eine Besserung seines Fehlverhaltens endgültig ablehnt, sichere Kenntnis von der Kündigungsrelevanz des vertragswidrigen Verhaltens hat oder in einer Vertrauensposition ausgesprochen schwere Pflichtverletzungen begangen werden (Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht - Isenhardt, 1.3 Rdn. 506 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, zumal der Kläger zumindest großenteils wegen derselben arbeitsbedingten Erkrankung arbeitsunfähig war und daher eher als bei vielen verschiedenartigen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit damit rechnen kann, daß - rechtzeitige Krankmeldung vorausgesetzt - die Vorlage der eigentlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber nicht derart wichtig ist.
Soweit die Beklagte darüber hinaus vorträgt, bereits die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger sei unterblieben, ermangelt es diesem Vortrag an hinreichender Substanz. Hier wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, für jeden Vorfall den Beginn der Arbeitsunfähigkeit und zusätzlich den Eingang der Krankmeldungen (nicht der Bescheinigung) bei der Beklagen vorzutragen. Dies ist jedoch nicht geschehen, so daß dahinstehen kann, ob eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich wäre, wenn der Kläger mehrmals von der Arbeit ferngeblieben wäre und dabei weder die Arbeitsunfähigkeitsanzeige noch die Vorlage der Bescheinigung rechtzeitig vorgenommen hätte.
Nach alledem liegt weder ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung noch eine soziale Rechtfertigung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vor; das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, weil die Beklagte am 30.09.1996, als der Kläger bereits länger als sechs Monate beschäftigt war, mehr als fünf Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigte, § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG.
Da also die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden ist, hat der Kläger Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses existiert ein auch grundrechtlich anerkannter allgemeiner arbeitsvertraglicher Beschäftigungsanspruch. Wenn aber der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses hat, gilt dies grundsätzlich auch für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses, wenn die umstrittene Kündigung des Arbeitgebers unwirksam war und das Arbeitsverhältnis deshalb während des Kündigungsschutzprozesses fortbesteht. Dieser Beschäftigungsanspruch besteht von einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung erster oder zweiter Instanz an, mit der die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird, weil in diesem Falle typischerweise das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers das gegenläufige Interesse des Arbeitgebers überwiegt (vgl. BAG vom 27.02.85 EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9; Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht - Böck, 1.3 Rdn. 870 ff.).
Auch der Zahlungsanspruch steht dem Kläger in der geltend gemachten Höhe zu. Dem Kläger wurde Urlaubsgeld in den Jahren 1993 bis 1995 vorbehaltslos in Höhe eines Monatsgehaltes gezahlt. Für die Jahre 1993 und 1994 ist dies unstreitig; bezüglich des Urlaubsgeldes für 1995 ist die Beklagte dem klägerischen Vortrag nicht mit hinreichender Substanz entgegengetreten. Der Kläger hat unter Vorlage von Kopien entsprechender Lohnabrechnungen vorgetragen, im Jahr 1995 Urlaubsgeld in Höhe von 6.955,00 DM brutto erhalten zu haben, was einem damaligen Bruttomonatsgehalt entsprochen habe. Demgegenüber trägt die Beklagte lediglich vor, es seien nur 3.400,00 DM gezahlt worden. Es wäre jedoch an ihr gewesen, entsprechende Lohnabrechnungen bzw. Zahlungsbelege vorzulegen bzw. zu erläutern, weshalb ungeachtet des klägerischen Vortrages im Jahre 1995 eine Zahlung in Höhe eines Monatsgehaltes nicht erfolgt ist, obwohl die vom Kläger vorgelegten Kopien solche Zahlungen belegen.
Von der Höhe des Urlaubsgeldes für das Jahr 1995 hängt jedoch die Erheblichkeit des Vortrages ab, im Jahre 1995 sei auch dem Kläger mitgeteilt worden, eine Zahlung in der bisherigen Höhe komme nicht mehr in Betracht. Wenn nämlich ungeachtet dieser Ankündigung das Urlaubsgeld gleichwohl in voller Höhe ausgezahlt worden wäre, so läge ein widersprüchliches Verhalten darin, wenn die Beklagte zunächst ihrer Ankündigung keine entsprechenden Taten hätte folgen lassen und sich nunmehr andererseits im Prozeß auf diese Ankündigung beriefe. Die Beklagte müßte sich dann an ihrem tatsächlichen Verhalten festhalten lassen und kann den Kläger nicht mit Erfolg auf die behauptete gegenteilige Erklärung verweisen.
Unerheblich ist aus mehreren Gründen der Vortrag der Beklagten, die Gewährung von Urlaubsgeld sei abhängig von der tatsächlichen Gewährung des Urlaubs in Natur. Zum einen zahlte die Beklagte dem Kläger für das Jahr 1996 1.000,00 DM Urlaubsgeld in dem Wissen, daß Urlaub nicht gewährt worden war. Insoweit liegt ebenfalls ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten vor. Außerdem verhinderte die Beklagte durch die außerordentliche Kündigung vom 03.07.1996 selbst, daß der Kläger den ihm zustehenden Urlaub für das Jahr 1996 noch in Natur nehmen konnte. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 162 BGB (vgl. zur Analogiefähigkeit Münchener Kommentar - Westermann, 2. Aufl., BGB, § 162 Rdn. 18) muß sich die Beklagte daher so behandeln lassen, als habe der Kläger den Urlaub erhalten.
Soweit die Beklagte vorträgt, bei einer Mitarbeiterbesprechung vom 27.07.1995 sei auf die Freiwilligkeit der Zahlung von Urlaubsgeld hingewiesen, ermangelt dieser Vortrag der hinreichenden Substanz. Da der aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbare Tarifvertrag für die niedersächsische Metallindustrie ebenfalls die Zahlung von Urlaubsgeld vorsieht, wäre es an der Beklagten gewesen, vorzutragen, ob sich der Freiwilligkeitsvorbehalt auf den Grund oder die Höhe des Urlaubsgeldes bezog. Ferner hätte die Beklagte darlegen müssen, weshalb gleichwohl entgegen der von ihr vorgetragenen Ankündigung im Rahmen derselben Mitarbeiterbesprechung ausweislich der vom Kläger eingereichten Lohnabrechnungen an diesen das volle Urlaubsgeld ausgezahlt wurde.
Nach alledem ist von einer dreimaligen vorbehaltlosen Zahlung des Urlaubsgeldes auszugehen, so daß es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich nunmehr auf die Freiwilligkeit zu berufen. Auch für das Jahr 1996 kann der Kläger also 3.900,00 DM brutto als Urlaubsgeld beanspruchen, von denen die Beklagte 1.000,00 DM brutto gezahlt hat.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO stattzugeben. Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 ArbGG festzusetzen, wobei für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag ein weiteres Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.900,00 DM anzusetzen waren.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 18.500,00 DM festgesetzt.
Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 ArbGG festzusetzen, wobei für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag ein weiteres Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.900,00 DM anzusetzen waren.