Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 29.01.2001, Az.: 7 U 29/00
Veräusserung von Aktien; Veräußerung von Anteilen nach Börseneinführung ; Vertragliche Festlegung des Basiswertes ; Ausschlagung der Erbschaft; Unwirksamkeit einer Testamenstvollstreckungsanordnung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 29.01.2001
- Aktenzeichen
- 7 U 29/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 25019
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2001:0129.7U29.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 10.02.2000 - AZ: 2 O 243/99
Rechtsgrundlage
- § 291 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2001, 230-232
Verfahrensgegenstand
Ansprüchen aus einem Kaufvertrag
Redaktioneller Leitsatz
Übernimmt eine Bank Aktien fest, indem sie Eigentum erwirbt und dafür ohne jeden Vorbehalt und Einschränkung ein gewisses Entgelt bezahlt, um sie später an der Börse zu platzieren, handelt es sich nicht um eine Veräußerung nach Börseneinführung.
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 10. Februar 2000 wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger DM 146.013,42 nebst 4 % Zinsen vom 4. August 1999 an zu zahlen.
Den Beklagten bleibt vorbehalten, Ihre Haftung auf den Nachlass des am 16. Juli 1998 verstorbenen Herrn Horst Sartorius zu beschränken.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
- 2.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 95 % und die Beklagten 5 % zu tragen.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 33 % und die Beklagten zu 2) und 3) 67 %, davon 3 % als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1), zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers haben die Beklagten zu 2) und 3) 89 %, davon 1 % als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1), zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger 92 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und zu 3) hat der Kläger 11 % zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten zu 1) abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 50.000,00, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Er darf die Vollstreckung der Beklagten zu 2) und zu 3) abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 55.000,00, wenn nicht die Beklagten zu 2) und zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 170.000,00, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten zu 2) und zu 3) dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 240.000,00, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger und die Beklagte zu 1) dürfen Sicherheit auch durch schriftliche selbstschuldnerische unbefristete unbedingte und unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder Öffentlichen Sparkasse leisten.
- 4.
Der Berufungsstreitwert beträgt DM 16.077.000,00, jedoch für die Urteilsgebühr (Nr. 1226 der Anlage 1 zum GKG) und für die Gebühren des Rechtsanwalts der Beklagten zu 1) nur DM 1.911.557,40.
- 5.
Die Beschwer des Klägers und aller drei Beklagten übersteigt DM 60.000,00.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten, seinen Schwestern und zugleich eingesetzten Erbinnen nach dem am 16. Juli 1998 verstorbenen Vater der Parteien, aufgrund eines notariellen Vertrages vom 18. Juli 1989 (UR-Nr. 408/1989 des Notars Dr. Berninger in Frankfurt a. M.), durch welchen er seinem Vater Anteile an der ... GmbH verkaufte, bestimmte dort im § 6 vorgesehene zusätzliche Kaufpreiszahlungen, "Nachbesserungen". Auf diesen Vertrag und insbesondere auf die Regelungen im § 6 wird Bezug genommen.
Im November 1989 erhöhte die ... GmbH ihr Stammkapital von. 7 Mio. DM auf 9 Mio. DM. Im Mai 1990 erhöhte sie das Stammkapital aus Gesellschaftsmitteln um 9 Mio. DM auf 18 Mio. DM. Noch im Mai 1990 wurde die ... GmbH in die Sartorius Aktiengesellschaft umgewandelt. Gleichzeitig gab die Gesellschaft neue Aktien zum Nennbetrag von 7 Mio. DM aus, so dass das Grundkapital nun 25 Mio. DM betrug. Ein Bankenkonsortium unter der Leitung der Commerzbank übernahm laut Schreiben vom 06.07.1990 die neuen Aktien fest zum Preis von DM 91.400.000,00 zum Verkauf an der Börse. Laut Schreiben an Herrn ... vom 05.07.1990 übernahm die Commerzbank auch von ihm Aktien fest, und zwar zum Preis von DM 25.838.390,00 zur Plazierung an der Börse. Auf beide Schreiben der Commerzbank wird Bezug genommen.
Nach dem Börseneinführungskurs stellte das Grundkapital der Sartorius AG von 25 Mio. DM einen Wert von 341 Mio. DM dar.
Aufgrund der Börseneinführung und der Regelung in § 6 Ziff. (7) (a) des Vertrages vom 18.07.1989 erhielt der Kläger von seinem Vater DM 1.927.000,00. Die Berechnung ergibt sich aus dem Schreiben des Anwalts des Vaters, Herrn ... vom 11.07.1990. Auf dieses Schreiben wird verwiesen.
Der Vater der Parteien, Herr ... setzte in seinem Testament vom 29.07.1997 (UR-Nr. 441/1997 des Notars Klaus Menge in Göttingen) die Beklagten zu Erbinnen ein, ordnete aber Testamentsvollstreckung an, bestimmte Herrn ... zum Testamentsvollstrecker und verpflichtete ihn, mit der Annahme des Amtes einen Nachfolger zu benennen. Die zum Nachlass gehörenden Aktien der 1990 aus der ... GmbH hervorgegangenen ... AG sollen 30 Jahre unter der Verwaltung des Testamentsvollstreckers stehen. Den Kläger schloss Herr ... von der Erbfolge aus. Auch auf dieses Testament wird Bezug genommen.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) erhielten spätestens am 08.09.1998 Kenntnis vom Inhalt des Testaments. Sie zahlten Herrn Prof. Ruge eine Abfindung von DM 3.750.000,00 dafür, dass er Ende August 1998 das Amt des Testamentsvollstreckers annahm, den Lebensgefährten der Beklagten zu 3), Herrn ... als seinen Nachfolger benannte und wenige Tage darauf das Amt kündigte. Das Nachlassgericht ... lehnte Herrn ... trag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses durch Beschluss vom 19.10.1998 ab. Die Beklagten zu 2) und zu 3) erhielten noch am 19.10.1998 Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses. Von Herrn Dr. Sassin eingelegte Rechtsmittel blieben erfolglos.
Der Kläger hat im ersten Rechtszuge aufgrund der Aktienveräußerung seines Vaters im Juli 1990 und der Regelung in § 6 Ziff. (1) bis (6) des Vertrages vom 18.07.1989 von den Beklagten die Zahlung von DM 2.473.735,00 nebst bestimmter Zinsen verlangt. Er hat ferner zur Vorbereitung der Geltendmachung weiterer Nachbesserungs- und Schadensersatzansprüche Anträge gem. § 254 ZPO und einen Feststellungsantrag gestellt.
Er hat beantragt,
- 1.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger DM 2.473.735,00 nebst 9,5 % Zinsen seit dem 2. Juli 1990 zu zahlen;
- 2.
die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
- a.
dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, ob und welche Veräußerungen von Aktien an der Sartorius AG sowohl sie selbst aus dem Nachlass Horst Sartorius als auch der Erblasser Horst Sartorius seit dem. 1. Juli 1989 vorgenommen hat unter Mitteilung der maßgebenden Bedingungen,
- b.
die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern
- c.
für den Fall, dass Aktien im vorliegenden Sinne veräußert wurden, an den Kläger einen nach Auskunftserteilung in der Höhe noch zu bestimmenden Betrag nebst 9,5 % Zinsen daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 3.
die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen,
- a.
die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer dem Kläger gegenüber gemachten Angaben, dass weder sie selbst aus dem Nachlass ... noch der Erblasser Horst Sartorius Veräußerungen von Aktien an der ... AG seit dem 01.07.1999 vorgenommen haben, an Eides statt zu versichern,
- b.
für den Fall, dass entgegen der erteilten Auskunft doch Aktienveräußerungen erfolgt sind, an den Kläger einen nach richtiger Auskunftserteilung in der Höhe noch zu bestimmenden Betrag nebst 9,5 % Zinsen daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 4.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Kläger finanziell so zu stellen, wie wenn die Beklagten den Pflichtteilsanspruch des Klägers aus dem Nachlass Horst Sartorius durch Verkäufe von zu dem Nachlass gehörenden Aktien der ... AG mit Sitz in ... vor dem 18.07.1999 ausgeglichen worden wären und dadurch dem Kläger weitere Ansprüche auf "Nachbesserung" gem. § 6 der notariellen Urkunde Nr. 408/1989 des Notars Dr. Berninger in Frankfurt zugestanden hätten.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
ihnen vorzubehalten, ihre Haftung auf den Nachlass des am 16. Juli 1989 verstorbenen ... zu beschränken.
Abgesehen von nicht mehr entscheidungserheblichen Zuständigkeitsrügen haben die Beklagten gemeint, aus § 6 des Vertrages vom 18.07.1989 ergebe sich über den Betrag hinaus, den der Kläger bereits erhielt, kein weiterer Anspruch, Auskünfte, aus welchen sich weitere Ansprüche ergeben könnten, hätten sie vollständig und richtig erteilt, das Feststellungsbegehren sei nicht zulässig, weil der Kläger etwaige Schadensersatzansprüche beziffern könnte, solche Ansprüche bestünden allerdings nicht.
Das Landgericht Göttingen hat die Klage insgesamt abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es fehle nicht an seiner Zuständigkeit, der Aktienverkauf des Erblassers, also des Vaters der Parteien, im Jahre 1990 habe aber keinen weiteren Nachbesserungsanspruch aufgrund des Vertrages vom 18.07.1989 ausgelöst, die Auskunftsansprüche des Klägers seien erfüllt, das Feststellungsbegehren schließlich sei unbegründet, weil sich dem Vortrag des Klägers kein Schadensersatzanspruch entnehmen lasse.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts vom 10.02.2000 Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Berufungsbegründung eingereicht.
Er beschränkt sich auf den Zahlungsanspruch, ermäßigt ihn auf DM 1.911.557,40 und führt zur Begründung im wesentlichen folgendes aus:
Das Landgericht habe die Regelung des § 6 des Vertrages vom 18.07.1989 nicht richtig verstanden. Sie beziehe sich sowohl auf Verkäufe von Anteilen der Sartorius GmbH, als auch von Aktien der ... AG. Die Ziff. (7) (b) sei nicht einschlägig. Es gehe nicht um eine Anteilsveräußerung nach, sondern bei Börseneinführung. Aber auch die Regelung der Ziff. (7) (a) des § 6 sei nicht einschlägig. Sie erkläre sich aus der Unsicherheit eines Börseneinführungskurses, der Kurs könne später sinken. Der Erblasser habe die Aktien im Zuge der Börseneinführung aber veräußert und damit das Risiko künftiger Kursverluste gerade ausgeschlossen. Für diesen Vorgang gälten die Regelungen der Ziff. (1) bis (6). Als Basis der Berechnung gem. Ziff. (4) wolle er einen Betrag von 219 Mio DM gegen sich gelten lassen, wenngleich ein Betrag von DM 212 Mio. DM der richtige sei. Der Erblasser habe 19,7 % des Gesamtwertes der Aktien verkauft. Daraus ergebe sich ein Nachbesserungsanspruch von DM 2.191.176,40. Insoweit verweist der Kläger auf erstinstanzlichen Vortrag. Abzuziehen seien jedoch DM 279.619,00, die sich aus dem Aktienverkauf des Erblassers ergäben, aber in dem Betrag von DM 1.927.000,00 enthalten seien, den der Kläger aufgrund der Börseneinführung der ... AG bereits erhielt Später hat der Kläger seine Berechnungen variiert.
Hilfsweise macht der Kläger einen zusätzlichen Nachbesserungsanspruch aus dem Verkauf eigener Aktien der ... AG geltend und verweist hierzu ebenfalls auf erstinstanzlichen Vortrag.
Die Höhe des Zinsanspruchs begründet der Kläger mit entsprechendem Bankkredit, hat aber eine Bestätigung einer Bank hierzu nicht vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von DM 1.911.557,40 nebst 9,5 % Jahreszinsen seit dem 4. August 1999 zu verurteilen,
ihm zu gestatten, eine zu Vollstreckungs- oder Abwendungszwecken erforderliche Sicherung durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten, unbedingten und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder Öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
ihr im Unterliegensfalle zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch durch die Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten, unbedingten und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder Öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann,
ihr vorzubehalten, ihre Haftung auf den Nachlass des am 16.07.1998 verstorbenen ... zu beschränken.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen,
ihnen vorzubehalten, ihre Haftung auf den Nachlass des am 16.07.1998 verstorbenen Horst Sartorius zu beschränken.
Die Beklagte zu 1) erwidert unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im wesentlichen folgendes:
Ein Nachbesserungsanspruch sei nach der Definition des § 6 Ziff. (1) des Vertrages vom 18.07.1989 nur gegeben, wenn ein Veräußerungsfall vorliege, die Börseneinführung als solche löse einen Nachbesserungsanspruch nicht aus. Die Beklagte zu 1) verweist auf das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. v. Kessel vom 11.07.1990. Die Berechnungen des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Aus dem Verkauf eigener Aktien durch die ... AG könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Beklagte zu 1) bestreitet Bankkredit des Klägers zu 9,5 %.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) berufen sich in erster Linie darauf, dass sie durch Schriftsatz vom 27.06.2000 gegenüber dem Amtsgericht Göttingen die Erbschaft nach Herrn ... ausgeschlagen hätten. Nur hilfsweise wenden sie sich unmittelbar gegen die Begründetheit des Nachbesserungsanspruchs und tragen insoweit vor, die Klagforderung lasse sich mit dem Wortlaut des Vertrages vom 18.07.1989 nicht rechtfertigen, die Regelung im § 6 enthalte auch keine Lücke i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit, die Börseneinführung habe die Zäsur dargestellt zwischen der Anwendung einer Nachbesserungsquote von 10,25 % und einer solchen von 5,125 %, es sei lediglich ein in Ziff. (7) (b) beschriebener Fall eingetreten. Auch die Beklagten zu 2) und zu 3) bestreiten die vom Kläger geltend gemachte Zinshöhe.
Zur Erbausschlagung tragen sie folgendes vor:
Das Amtsgericht Göttingen habe am 20. und 26.08.1998 Testamente des Erblassers eröffnet, sie, die Beklagten zu 2) und 3) seien aber nicht geladen worden. Im Schreiben vom 12.08.1998 an das Nachlassgericht Göttingen habe die ... AG gegen ... Vorwürfe erhoben, um seine Abberufung gem. § 2227 BGB vorzubereiten. Daraufhin hätten sie mit ... die Vereinbarung über Herrn ... Benennung als Nachfolger getroffen. Schon bei Testamentseröffnung seien sie davon ausgegangen, dass eine Beschränkung der Erbschaft durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung nicht vorliege, weil der vom Erblasser ernannte Testamentsvollstrecker ... vom Nachlassgericht entlassen werden würde, ob Herr ... ernannt werden würde, sei ungewiß gewesen. Sie, die Beklagten zu 2) und zu 3) seien auch überzeugt gewesen, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung sich insgesamt erledigt habe, weil durch vom Erblasser nicht vorhergesehene Änderungen wirtschaftlicher und steuerrechtlicher Rahmenbedingung ein Testamentsvollstrecker ohnehin nicht in der Lage gewesen sei, die wesentliche Aufgabe der dauerhaften Erhaltung einer absoluten Mehrheitsbeteiligung der Familie des Erblassers an der ... AG, zu erfüllen. Deshalb hätten sie auch über eine Anfechtung des Testaments gem. § 2780 BGB nachgedacht. Mit Schriftsätzen vom 01. und 07.09.1998 hätten sich die Beklagte zu 1) und der Kläger gegen die Testamentsvollstreckung durch Herrn ... gewandt. Daraufhin hätten sie, die Beklagten zu 2) und zu 3), die Vereinbarung mit Herrn ... unverzüglich überprüfen lassen mit dem Ergebnis, dass das Nachlassgericht Herrn ... nicht als Testamentsvollstrecker akzeptieren werde, wie es dann auch geschehen sei. Damit habe für sie festgestanden, dass sie nicht durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung beschränkt seien. Erstmals im Schreiben vom 21.07.1999 sei das Amtsgericht Göttinnen davon ausgegangen, dass es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspreche, gem. § 2200 BGB einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, was dann durch Beschluss vom 09.08.1999 geschehen sei.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben auf diesen Vortrag auch eine Zwischenfeststellungswiderklage gestützt, um der Geltendmachung von erbrechtlichen Ansprüchen durch den Kläger vor dem Landgericht Göttingen (Geschäfts-Nr.: 2 O 244/99) mit einem Streitwert von DM 21.250.000,00 weitgehend die Grundlage zu entziehen. Sie haben die Zwischenfeststellungsklage jedoch in der Berufungsverhandlung nach Erörterung zurückgenommen.
Der Kläger hält die Ausschlagungserklärung der Beklagten zu 2) und zu 3) vom Juli 2000 für unwirksam, weil die Ausschlagungsfrist des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB damals längst verstrichen gewesen sei. Wenn die Beklagten zu 2) und zu 3) nach eigenem Vortrag erst am 08.09.1998 ihre Beschränkung durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung erfahren hätten, so sei doch die Ausschlagungsfrist am 20.10.1998 abgelaufen. Sie hätten erklärtermaßen damals die Erbschaft nur deshalb nicht ausgeschlagen, weil sie den Anfall an ihre Schwester, die Beklagte zu 1), nicht gewollt hätten.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die vorgetragenen Schriftsätze der Parteien nebst allen Anlagen, die Verhandlungsprotokolle, die Entscheidungen und die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Göttingen mit der Geschäftsnummer 9 VI 823/98 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nur zu einem kleinen Teil begründet.
Der Senat folgt der Auffassung des Klägers, dass die Aktienveräußerung durch den Erblasser im Juli 1990, wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Verkauf im rechtstechnischen Sinne handelte, eine Veräußerung zumindest eines Teils der vom Erblasser damals gehaltenen Beteiligung an einen Dritten im Sinne des § 6 (1) des Vertrages vom 18.07.1989 darstellt.
Dieser Vorgang kann nicht allein dem Begriff der Börseneinführung im Sinne der Ziffer (7) (a) des § 6 des Vertrages zugeordnet werden, wenngleich die Commerzbank die Aktien an der Börse plazierte, denn die Commerzbank übernahm die Aktien fest, nahm sie also nicht nur in Kommission. Sie selbst erwarb das Eigentum und bezahlte ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Einschränkung dem Erblasser dafür ein bestimmtes Entgelt. Da die Börseneinführung zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen war, handelt es sich auch nicht um eine Veräußerung im Sinne der Ziffer (7) (b) des § 6. Die Annahme einer Veräußerung der Anteile nach Börseneinführung verbietet sich, weil jedenfalls diese Anteile dem Erblasser nicht mehr gehörten, als sie bei der Börse eingeführt wurden.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Erlös von 25.838.390,00 DM im Sinne der Ziffer (2) des § 6 einem - fiktiven - Wert aller damals existierenden Aktien von 341 Mio DM entspricht. Die Ziffer (3) verlangt nun die Feststellung, um welchen Betrag der Wert von 341 Mio DM die "Basis der Berechnung"übersteigt. Nach Ziffer (4) betrug die Basis bei Vertragsschluß 210 Mio DM. Nach der nachfolgenden Regelung unter dieser Ziffer sind zunächst 2 Mio DM auf Grund der Kapitalerhöhung im Jahre 1989 hinzuzurechnen. Der Kläger hat Recht, wenn er sagt, dass die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um weitere 9 Mio DM im Mai 1990 der Berechnungsbasis nicht hinzuzurechnen ist. Denn Ziffer (4) spricht von Eintagen, die die Gesellschafter erbracht haben. Hinzurechnen ist aber die Kapitalerhöhung um ein Nennkapital von 7 Mio DM durch die Ausgabe junger Aktien, sowie um das Agio, also um einen Betrag von insgesamt 91.400.000,00 DM, wie er sich aus dem Schreiben der Commerzbank vom 06.07.1990 ergibt.
Der vertraglichen Festlegung des Basiswertes von 210 Mio DM liegt der Gedanke zugrunde, dass in Abhängigkeit von einem bestimmten Gesellschaftsvermögen alle Gesellschaftsanteile zusammen einen - offenbar geschätzten - Wert von 210 Mio DM hatten und deshalb bei der Zuführung neuen Kapitals von außen ein um diesen Kapitalbetrag erhöhter Wert aller Gesellschaftsanteile zugrunde gelegt werden sollte. Der Wert aller Gesellschaftsanteile sollte wiederum dafür bestimmend sein, ob der "Käufer", also der Erblasser, bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen einen überproportionalen Erlös im Verhältnis zum gesamten Gesellschaftsvermögen erzielte oder nicht. Ggf. sollte von einem solchen Mehrerlös dem Kläger ein in Form eines bestimmten Prozentsatzes festgelegter Anteil gebühren. Der volle Gegenwert der jungen Aktien, die, die Commerzbank ebenfalls fest und nicht nur in Kommission übernahm, und zwar einschließlich des Agios, gelangte in das Gesellschaftsvermögen. Der Preis zu welchem die Commerzbank die jungen Aktien und die Aktien des Erblassers übernahm, orientierte sich bereits an der Einbringung von 91.400.000,00 DM als Gegenleistung für die jungen Aktien in das Gesellschaftsvermögen. Insoweit liegt ein wirtschaftlich als. Einheit zu wertender Vorgang vor, der im Sinne der Vertragsbestimmungen eine Veräußerung von Anteilen durch den Erblasser im Sinne § 6 Ziffer (1) bis (3), (5) und (6), eine Einbringung von Einlagen im Sinne von Ziffer (4) erster Spiegelstrich und eine Börseneinführung im Sinne von Ziffer (7) (a) umfaßt. Die Basis der Ziffer (4) erhöht sich damit, wie schon im Schreiben des Rechtsanwalts ... vom 11.07.1999 dargestellt, auf 303.400.000,00 DM (210 Mio + 2 Mio + 91.400.000,00).
Die Differenz, von der Ziffer (3) spricht, beträgt demnach 37.600.000,00 DM (341 Mio ./. 303.400,00). Unter Berücksichtigung der Ziffern (2), (3), (5), wobei die Regelung unter Ziffer (5) der Aussage unter Ziffer (2) entspricht, ist der Differenzbetrag von 37.600.000,00 DM der Berechnung des Nachbesserungsanspruchs nur mit demjenigen Anteil zugrunde zu legen, welcher dem Erlös von 25.883.390,00 DM, den der Erblasser aus der Aktienveräußerung erzielte, im Verhältnis zum damaligen - fiktiven - Wert aller Aktien, also dem Wert von 341 Mio, entspricht. 25.883.390,00 DM sind 7,57724% von 341 Mio DM. 7,57724% von 37.600.000,00 DM sind 2.849.042,24 DM. Der in Ziffer (3) festgelegte Prozentsatz von 10,25% führt somit zu einem Nachbesserungsanspruch des Klägers von 292.026,83 DM.
Wie der Kläger einräumt, umfaßt die Zahlung, die er allein auf Grund der Börseneinführung, also auf Grund der Regelung in § 6 Ziffer (7) (a) des Vertrages von 1989 erhielt, einen Betrag, der in dem oben berechneten Nachbesserungsanspruch in Höhe von 292.026,83 DM, der aus der Regelung unter § 6 Ziffer (1) bis (6) entspringt, enthalten ist. Denn auch die Berechnung des Rechtsanwalts Dr. von Kessel geht von einem auf Grund der von der Commerzbank gezahlten Entgelte hoch gerechneten Wert aller Aktien der ... AG bei Börseneinführung von 341 Mio DM aus und zieht hiervon den Basiswert gemäß Ziffer (4) des § 6 des Vertrages einschließlich der dort vorgesehen Zurechnungen ab. Das Entgelt, das die Commerzbank dem Erblasser zahlte, ist also durch diese Berechnung erfaßt. Es handelt sich dadurch, dass der Erblasser die ihm gehörenden Aktien zum Zwecke der Börseneinführung veräußerte, bei den beiden Tatbeständen der Veräußerung von Anteilen gemäß Ziffer (1) und der Börseneinführung gemäß Ziffer (7) (a) um zwei sich überschneidende Kreise. Der von Rechtsanwalt ... berechnete Nachbesserungsanspruch von 1.927.000,00 DM stellt 5,25% der gesamten Differenz zwischen dem Börseneinführungswert aller Aktien und dem Basiswert dar. Er deckt den dem Kläger auf Grund der Aktienveräußerung durch den Erblasser noch zustehenden Anspruchs nicht insoweit ab, als es sich nur um 5,25% des Erlöses handelt, den der Erblasser bei der Veräußerung seiner Aktien erzielte. Im Falle der Anteilsveräußerung ist aber eine Beteiligung des Klägers von 10,25% vorgesehen. Also ist gerade die Hälfte dessen, was dem Kläger auf Grund der Anteilsveräußerung zu steht, durch das, was ihm auf Grund der Börseneinführung gezahlt wurde, abgedeckt. D. h., dass der Kläger von dem Beklagten noch Zahlung von 146.013,42 DM (292.026,83/2) verlangen kann.
Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 291 BGB. Einen höheren als den gesetzlichen Zinssatz kann der Kläger nicht verlangen, weil er eine entsprechende Kreditaufnahme nicht dargelegt und belegt hat.
Der Klaganspruch scheitert nicht an der Passivlegitimation der Beklagten zu 2) und zu 3). Sie sind wie die Beklagte zu 1) Erbinnen nach ihrem Vater auf Grund des Testamentes vom 29.07.1997. Sie haben die Erbschaft nicht rechtzeitig ausgeschlagen.
Wie die Beklagten zu 2) und zu 3) selbst einräumen, erhielten sie spätestens am 08.09.1998 Kenntnis vom Inhalt des Testaments. Dort steht unter § 2 in einem gesonderten Absatz, dem ersten Absatz, die Anordnung der Testamentsvollstreckung. Der Wortlaut bietet keinen Anhaltspunkt für Zweifel am Inhalt dieser Verfügung oder an ihrer Wirksamkeit. Es ist tatsächlich im Sinne der von der Beklagten zu 2) und zu 3) zitierten Entscheidung des BGH vom 19.02.1968 (WM 1968, 542 = LM § 2306 BGB Nr. 4) von vornherein von der Hand zu weisen, dass diese Verfügung unwirksam sein sollte. Insbesondere der von den Beklagten zu 2) und zu 3) angeführte Grund, dass sie angenommen hätten, der vom Erblasser zum Testamentsvollstrecker bestimmte Prof. Dr. Ruge werden das Amt niederlegen und der von ihm benannte Nachfolger Dr. Sassin werde vom Nachlassgericht nicht akzeptiert werden, überzeugt nicht. Als Grund dafür, dass das Nachlassgericht Herrn ... nicht akzeptieren würde, kam nur die Manipulation der Beklagten zu 2) und zu 3) selbst in Betracht. Es kann ihnen nicht glaubt werden, dass sie ihrerseits geglaubten, im Falle des Offenbarwerdens ihrer Manipulation einen noch weiter gehenden Erfolg zu erzielen, als sie ihn durch ihre Vorgehensweise anstrebten. Nichts spricht dafür, dass sie das Vorschieben des Herrn ... nicht ernst meinten oder sich hiervon keinen Erfolg versprachen, andererseits aber auf den Erfolg hofften, dass dann die Testamentsvollstreckung ganz entfallen werde. Dies alles wurde den Beklagten zu 2) und zu 3) auch durch den Beschluß des Nachlaßgerichts Göttingen vom 19.10.1998 vor Augen geführt, den sie noch vor Ablauf der Ausschlagungsfrist am 20.10.1998 zur Kenntnis nahmen.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) wollen auch Rat eingeholt haben, tragen aber nicht vor, was im Einzelnen die Berater gesagt haben sollen und ob diese etwa noch andere Gründe als die von den Beklagten zu 2) und 3) selbst vorgetragen für eine Unwirksamkeit der Testamenstvollstrekkungsanordnung nannten.
Es überzeugt auch nicht, wenn die Beklagten zu 2) und zu 3) ihre angeblichen Zweifel an der Bestandskraft der Testamentsvollsteckeranordnung damit zu begründen versuchen, dass sie meinten, der Testamentsvollstrecker werde eine bestimmte Aufgabe, die sich zudem aus dem Testament nicht ergibt, nicht erfüllen können. Nach dem Testament war es Aufgabe des Testamentsvollstreckers, die Aktien der ... AG, die zum Nachlaß gehörten, 30 Jahre lang zu verwalten. Es spricht nichts dafür und sprach auch während des Laufs der Ausschlagungsfrist nichts dafür, dass dies die in das Amt gelangenden Testamentsvollstrecker nicht würden leisten können.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben somit nachvollziehbare Gründe, weshalb sie, wie sie behaupten, während der Ausschlagungsfrist Zweifel an die Wirksamkeit der Anordnung der Testamentsvollstreckung bekommen haben sollten, nicht dargelegt. Die Behauptung solcher Zweifel reicht insoweit nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
In die Wertfestsetzung ist der Wert der Zwischenfeststellungswiderklage mit 2/3 des Wertes der beim Landgericht Göttingen anhängigen Klage des Klägers aus erbrechtlichen Ansprüchen eingeflossen. Der Abschlag von 1/3 rechtfertigt sich, weil diese Ansprüche bereits rechtshängig gemacht wurden, so dass ein Teil jener Prozeßkosten mit der Erhebung der Zwischenfeststellungsklage nicht mehr vermieden werden konnte, ein geringfügiger Teil jener Ansprüche auch nicht auf eine erbrechtliche Grundlage gestützt wird.
Die Beschwer der Parteien ist gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt worden.
Für einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung besteht keine Veranlassung. Der Senat hat ohnehin die im Schriftsatz des Klägers näher begründete Überzeugung gewonnen, dass die Aktienveräußerung durch den Vater der Parteien im Zuge der Börseneinführung und die Börseneinführung selbst Tatbestände sind, die jeder für sich Nachbesserungsansprüche auslösten ... wenn sich diese Ansprüche auch betragsmäßig überschneiden. Im übrigen erfolgt die Berechnung des umstrittenen Nachbesserungsallspruchs aus dem, was die Parteien bis zum Schluß der Berufungsverhandlung vorgetragen und an Urkunden vorgelegt haben.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwer des Klägers und aller drei Beklagten übersteigt DM 60.000,00.