Amtsgericht Tostedt
Beschl. v. 27.02.2002, Az.: 5 II 40/01 WEG

Antrag auf Abberufung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft; Voraussetzungen für die Abberufung eines Verwalters durch das Gericht; Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine vorzeitige Abberufung eines Verwalters

Bibliographie

Gericht
AG Tostedt
Datum
27.02.2002
Aktenzeichen
5 II 40/01 WEG
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28357
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGTOSTE:2002:0227.5II40.01WEG.0A

Fundstellen

  • ZMR 2004, 632 (red. Leitsatz)
  • ZMR 2003, 711-712 (Volltext mit red. LS)

In der Wohnungseigentumssache
hat das Amtsgericht Tostedt
durch
die Richterin Büschking
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2002
am 27.02.2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Gerichtskosten werden den Antragstellern auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  3. 3.

    Der Geschäftswert wird auf 2.520,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ... in Bendestorf. Grundlage der rechtlichen Verhältnisse untereinander ist die Teilungserklärung vom 22. Oktober 1965, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Ferner wird auf die Gemeinschaftsordnung vom 09. Januar 1963 verwiesen.

2

Die Antragsteller begehren die Abberufung der Verwalterin.

3

Ein entsprechender Antrag wurde in der Eigentümerversammlung vom 18. April 2001 mehrheitlich abgelehnt. Diesen Beschluss haben die Antragsteller ohne Erfolg angefochten. Auf den Beschluss des Amtsgerichts Tostedt (5 II 12/01 WEG) vom 17.10.2001 wird insofern Bezug genommen.

4

Die Antragsteller tragen vor, die Abberufung sei deshalb nicht erfolgt, weil die Verwalterin mit ihrem Ehemann über einen nicht unerheblichen WEG-Anteil verfüge. Die Abberufung der Verwalterin sei gerechtfertigt, weil eine ordnungsgemäße Verwaltung durch sie nicht erfolge. Die Verwalterin sei auch nicht ordnungsgemäß bestellt worden. Der entsprechende Bestellungsbeschluss ist allerdings unstreitig in Bestandskraft erwachsen. Die Verwalterin sei nicht im Besitz eines wirksamen Verwaltervertrages. Eine Jahresabrechnung sei von ihr bislang nicht ordnungsgemäß erstellt worden. Die Jahresabrechnungen würden nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Insbesondere habe die Verwalterin auch keine Rücklage gebildet. Einzelabrechnungen seien bislang nicht erteilt worden. Auch ein Wirtschaftsplan sei von der Verwalterin bislang nicht erstellt worden, obgleich in der Eigentümerversammlung vom 18. April 2001 ein entsprechender Beschluss gefasst worden sei. Entgegen § 23 Abs. 3 WEG seien in der Vergangenheit auch stillschweigend Genehmigungen der Jahresabrechnung gemäß § 10 Nr. 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung vorgenommen worden. Auch dies widerspreche einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Zudem sei die Heizungsanlage nicht gesondert versichert worden, sondern lediglich über die einzelnen Abrechnungen. Auch sei die unbebaute Fläche des Grundstücks Flurstück MH Flur 1 der Gemarkung Bendestorf, die im gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungs- und Teileigentümer stehe ohne Rechtsgrundlage willkürlich parzelliert worden.

5

Die Antragsteller beantragen,

die Verwalterin ... als Verwalterin abzuberufen.

6

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

7

Sie vertreten die Ansicht, dass wegen der bestandskräftigen Ablehnung in der Eigentümerversammlung vom 18. April 2001 bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Im Übrigen liege eine ordnungsgemäße Verwaltung vor.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst den dazugehörigen Anlagen Bezug genommen.

9

Die Akten 5 I112/01 WEG und 5 II 4/02 WEG (Amtsgericht Tostedt) wurden beigezogen.

10

1.

Der Antrag ist zulässig. Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass wegen der bestandskräftigen Ablehnung in der Eigentümerversammlung vom 18.04.2001 das Rechtsschutzinteresse fehle. Das Gericht verkennt nicht, dass nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2001, 3339), der sich das Gericht nunmehr anschließt, auch einen Negativbeschluss/Beschlussqualität zukommt. Die Antragsgegner haben sich aber in dem vorangegangenen Verfahren darauf berufen, dass ein Rechtsschutzinteresse zur Anfechtung eines Negativbeschlusses nicht bestehe. In diesem Zusammenhang stellt die Argumentation im vorliegenden Verfahren, dass es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehle, eine unzulässige Rechtsausübung dar.

11

2.

Der Antrag ist indessen nicht begründet. Eine Abberufung der Verwalterin durch das Gericht ist nach §§ 21 Abs. 4, 43 Abs.1 Nr. 1 WEG grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Nichtabberufung durch die Wohnungseigentümer einer ordnungsgemäßen Verwaltung widerspricht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Abberufung vorliegt (vgl. dazu Bärmann/Pick/Merle, § 26 WEG Rn. 190). Daran fehlt es hier. Die Abberufung kann nach Auffassung des Gerichts nicht auf Gründe gestützt werden, die sich auf eine dem Verwalter erteilte Entlastung erstrecken bzw. bereits bei dessen Bestellung hätten berücksichtigt werden können. Maßgeblich können daher nur solche Gründe sein, die nach dem Zeitpunkt der bestandskräftigen Verwalterbestellung im Jahre 1998 entstanden sind.

12

Im Einzelnen:

13

a)

Die Gemeinschaftsordnung sieht den Abschluss bestimmter Versicherungen vor. Wenn ein darüber hinausgehender Versicherungsabschluss gewünscht wird, müssten die Wohnungseigentümer zunächst einen entsprechenden Beschluss fassen bzw. eine Vereinbarung treffen, die die Teilungserklärung abändert. Der Zusatz in § 5 der Gemeinschaftsordnung, das weitere im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft erforderlich werdende Versicherungen vom Verwalter abzuschließen sind, ist nach Auffassung des Gerichts zu unbestimmt. Da eine entsprechende Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht vorliegt, vermag das Gericht eine Pflichtverletzung der Verwalterin insofern nicht zu erkennen. Die Versicherung ist im Übrigen bereits im Jahre 1978, mithin vor Amtsantritt der Verwalterin umgestellt worden.

14

b)

Soweit es die Jahresabrechnung bis zum Jahre 1999 betrifft, haben die Antragsteller selbst vorgetragen, dass diese unbeanstandet geblieben sind. Soweit diese Abrechnungen inhaltlich möglicherweise fehlerhaft waren, kann dies aufgrund der oben gemachten Ausführungen nicht zu einer Abberufung führen.

15

c)

Soweit die Antragsteller beanstanden, dass ein entsprechender Wirtschaftsplan noch nicht erstellt wurde, so ist es grundsätzlich zutreffend, dass es Aufgabe der Verwalterin ist, einen Wirtschaftsplan regelmäßig zu erstellen. Auch dieser Umstand führt allerdings nicht zu einer Abberufung der Verwalterin, da die Jahresabrechnung als Wirtschaftsplan für das nächste Jahr gilt (vgl. dazu Bärmann/Pick/Merle, § 28 WEG, Rn. 8). Eine grobe Pflichtverletzung, die eine Abberufung rechtfertigen könnte liegt daher nicht vor.

16

d)

Der Vortrag zur Parzellierung ist nicht nachvollziehbar, worauf die Antragsgegner auch hingewiesen hat. Das Gericht verkennt nicht, dass im Rahmen des Verfahrens der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Allerdings besteht insofern keine grenzenlose Pflicht. Vielmehr kann das Gericht davon ausgehen, dass die Antragsteller die für sie positiven Umstände selbst beibringen.

17

Soweit das Gericht die Jahresabrechnung für das Jahr 2000 für ungültig erklärt hat, führt dieser Gesichtspunkt ebenfalls noch nicht zu einer Abberufung der Verwalterin. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Verwalterin in der Lage ist, den Beanstandungen in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 17.10.2001 (5 II 12/01 WEG) Rechnung zu tragen und möglichst zügig eine neue überarbeitete Jahresabrechnung zu erstellen. Ob die neue Jahresabrechnung ordnungsgemäß erstellt wurde, kann im Ergebnis hier offen bleiben. Zwar ist die Erstellung der Jahresabrechnung eine der wichtigsten Aufgaben des Verwalters. Die Antragsteller beanstanden in dem Parallelverfahren im Wesentlichen die fehlende Übersichtlichkeit bzw. Nachvollziehbarkeit der (korrigierten) Abrechnung. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass - unterstellt, die Jahresabrechnung würde nicht- den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Darstellungsform und Nachvollziehbarkeit entsprechen - dies nicht zwangsläufig den Schluss auf eine materiell unrichtige Verarbeitung der Rechnungsdaten bedeutet. Selbst für den Fall, dass die korrigierte Abrechnung insofern einige Fehler aufweisen sollte, was nicht feststeht, wäre die fachliche Qualifikation der Verwalterin noch nicht in Frage zu stellen. Selbst wenn Einzelpositionen der neuen Abrechnung, die Gegenstand des Verfahrens 5 II 4/02 WEG sind, zu beanstanden sein sollten, würde darin jedenfalls weder allein noch im Rahmen einer Gesamtschau keine grobe Pflichtverletzung liegen.

18

f)

Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 10 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung § 3 Abs. 3 WEG widerspricht. Die Gemeinschaftsordnung stammt aus dem Jahre 1963, mithin aus einer Zeit, in der die Verwalterin noch nicht tätig war. Die Verwalterin kann - entsprechend dem ihr durch § 27 WEG gesteckten Rahmen - auch nicht eigenständig eine neue Gemeinschaftsordnung erstellen. Im Rahmen ihrer Kontroll-, Organisations- und Hinweispflicht aus § 27 WEG, ist sie darauf beschränkt, die Wohnungseigentümer von einer ggf. gesetzeswidrigen Vereinbarung zu unterrichten und auf eine Änderung hinzuwirken. Einen wichtigen Grund zur Abberufung vermag das Gericht auch insoweit nicht zu erkennen.

19

g)

Soweit die Antragsteller sich darauf berufen, dass die Verwalterin gemeinsam mit ihrem Ehemann über eine große Anteilsmehrheit verfügt, berechtigt dieser ebenfalls nicht zu einer Abberufung der Verwalterin. Diese Frage ist vielmehr bei den von der Wohnungseigentümergemeinschaft gefassten Beschlüssen gesondert zu prüfen, d.h. ob in dem jeweiligen Fall die Verwalterin ggf. vom Stimmrecht ausgeschlossen ist bzw. eine Ungültigerklärung in Betracht kommt, weil das Stimmrecht von einem Wohnungseigentümer rechtsmissbräuchlich ausgenutzt werde (sog. Majorisierung, vgl. Bärmann/Pick/Merle, § 25 WEG, Rn. 159 m.w.N.).

20

h)

Schließlich verbleibt der Umstand, dass die Verwalterin keine Rücklage gebildet hat. Die Verwalterin hat allerdings im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2002 erklärt, dass eine Rücklage ursprünglich auf Wunsch der Wohnungseigentümer nicht gebildet wurde. Diese hätten privat eine Rücklage bilden wollen. Die Verwalterin ist im Rahmen des § 27 WEG lediglich in der Lage, Beschlüsse der Wohnungseigentümer zu realisieren bzw. die Fassung von Beschlüssen anzuregen. Soweit die Wohnungseigentümer einen entsprechenden Beschluss aber nicht fassen wollen, kann hierin eine grobe Pflichtverletzung der Verwalterin nicht gesehen werden.

21

Der Antrag war nach alledem zurückzuweisen.

22

Die Kostenentscheidung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 47 WEG. Danach entsprach es billigem Ermessen den Antragstellern als unterliegender Partei die Gerichtskosten aufzuerlegen. Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, bestand nicht.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf 2.520,00 EUR festgesetzt.

Der Geschäftswert wurde nach § 48 Abs. 3 WEG festgesetzt und richtet sich hier nach der aus der Jahresabrechnung ersichtlichen jährlichen Verwaltervergütung.

Büschking, Richterin