Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.1987, Az.: 21 A 240/87
Schutz vor politischer Verfolgung in einem Drittland; Folgeantrag auf Anerkennung als Asylberechtigter; Vorliegen eines asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrund; Vorliegen einer politischen Verfolgung; Anspruch auf Asylgewährung; Öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag im Asylrecht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.1987
- Aktenzeichen
- 21 A 240/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 12832
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1987:1120.21A240.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 13.12.1985 - AZ: 5 VG A 203/84
- nachfolgend
- BVerwG - 07.06.1988 - AZ: BVerwG 9 B 86.88
Rechtsgrundlagen
- § 2 AsylVfG
- § 14 AsylVfG
- § 48 VwVfG
- § 51 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Asylrecht
Ermessen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge beim Wiederaufgreifen des Asylverfahrens - Sicherheit vor politischer Verfolgung in einem Drittstaat
Asylrechts.
Prozessführer
der afganischen Staatsagehörigen ...,
Prozessgegner
die Bundesrepublik Deutschland,
durch den Bundesminister des Innern in Bonn, dieser vertreten durch den Leiter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, ...,
Sonstige Beteiligte
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten,
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist durch § 14 AsylVfG nicht gehindert, auch in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1-3 VwVfG nicht vorliegen, im Rahmen seines Ermessens über einen unanfechtbar abgelehnten Asylantrag erneut sachlich zu entscheiden, wenn beachtliche Gründe dafür sprechen, daß der Erstbescheid fehlerhaft ist, und dieser nicht durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist. Dem entspricht in diesen Fällen ein Anspruch des Asylbewerbers auf Ausübung des behördlichen Ermessens.
- 2.
Ein Asylbewerber war in einem Drittstaat "vor politischer Verfolgung sicher" (§ 2 Abs. 1 AsylVfG), wenn er sich in diesem Staat nicht nur vorübergehend aufhalten durfte oder hätte aufhalten dürfen, ohne besorgen zu müssen, in den Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.
- 3.
Ein Flüchtling ist in einem Drittstaat nicht "vor politischer Verfolgung sicher", wenn er dort in einem Flüchtlingslager wegen unzureichender Versorgung dem Tod durch Hunger oder Seuchen sowie Luftangriffen und Bombenanschlägen durch die Streitkräfte und den Geheimdienst des Verfolgerstaates ausgesetzt ist.
In der Verwaltungsrechtssache hat der 21. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Czajka,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Große und Groepper
sowie die ehrenamtlichen Richter Breyer und Flohr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 13. Dezember 1985 geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30. Juli 1984 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin neu zu entscheiden.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie verließ am 11. Mai 1981 ihr Heimatland. Bis zum 4. Juli 1981 hielt sie sich in Pakistan und Indien auf. Am 5. Juli 1981 traf sie auf dem Flughafen ... ein und beantragte politisches Asyl mit der Begründung, ihr Vater - ein hoher Beamter im Landwirtschaftsministerium während der Regierung Daud - sei unter Amin verhaftet und getötet worden. Sie selbst habe nach dem Einmarsch der Russen an Schülerdemonstrationen teilgenommen und sei deswegen festgenommen worden. Nachdem eine Freundin, mit der zusammen sie Flugblätter verteilt habe, verschwunden sei, habe sie das gleiche Schicksal befürchtet und deshalb Ihre Heimat verlassen.
Mit Bescheid vom 19. März 1982 lehnte das Bundesamt diesen Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe vor Ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bereits anderweitig, nämlich in Pakistan und Indien, Schutz vor Verfolgung gefunden. Ihre hiergegen und gegen die gleichzeitigen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Ausländerbehörde (Stadt ...) erhobene Klage nahm die Klägerin am 20. Mai 1983 zurück, nachdem sie mit der Stadt ... einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen hatte, wonach diese Ihre aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufhob und sich verpflichtete, der Klägerin eine befristete Aufenthaltserlaubnis - "bis sich die politische Situation in Afghanistan wieder normalisiert hat" - sowie einen Fremdenpaß zu erteilen.
Am 27. Januar 1984 stellte die Klägerin einen Folgeantrag auf Anerkennung als Asylberechtigte, weil sie nach der neuen Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichtshöfe entgegen der Auffassung des Bundesamtes keinen anderweitigen Schutz vor Verfolgung in einem Drittland gefunden habe. Das Bundesamt, dem die Stadt ... den Folgeantrag vorgelegt hatte, lehnte diesen mit Bescheid vom 30. Juli 1984 ab, weit sich die Klägerin allein auf einen Wandel der Rechtsprechung bezogen habe, dieser aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Änderung der Rechtslage darstelle.
Gegen den ihr am 20. Oktober 1984 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 14. November 1984 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, ein Wandel der Rechtsprechung stelle sehr wohl eine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar, und hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Juni 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als politisch Verfolgte anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beteiligte hat sich im ersten Rechtszug nicht geäußert.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 13. Dezember 1985 der Klage aus folgenden Gründen stattgegeben: Das Bundesamt hätte über den Folgeantrag sachlich entscheiden müssen. Dieser. Antrag begründe eine neue Sachlage, weil im Regelfall bereits die Stellung eines Asylantrags durch einen afghanischen Staatsbürger einen asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrund darstelle. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Asyl, weil davon auszugehen sei, daß die Stellung des Antrags den Behörden in Afghanistan bekanntgeworden sei und sie infolgedessen bei ihrer Rückkehr deswegen mit Bestrafung zu rechnen habe.
Gegen das ihm am 17. Februar 1986 zugestellte Urteil hat der Beteiligte am 10. März 1987 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, der Folgeantrag der Klägerin sei unbeachtlich, da eine Änderung der Sach- oder Rechtslage durch Änderung der Rechtsprechung nicht eingetreten sei. Das Verwaltungsgericht sei schon früher in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Stellung eines Asylantrags durch einen afghanischen Staatsbürger einen asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrund darstelle.
Der Beteiligte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Dem Senat haben die Akten des Vorprozesses sowie die Vorgänge des Bundesamts als Gegenstand der mündlichen Verhandlung vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Bundesbeauftragten ist nur zum geringeren Teil begründet. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, soweit es die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen. Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Recht erkannt, daß der ablehnende Bescheid des Bundesamts fehlerhaft ist. Dieser Umstand führt zwar zur Aufhebung seines ablehnenden Bescheides, darüber hinaus Jedoch nur zu einer Verpflichtung der Beklagten, über den Asylantrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Die weitergehende Klage ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von einem Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Feststellung ihrer Asylberechtigung ausgegangen, obwohl der Klägerin aufgrund des im Vorprozeß mit der Stadt ... geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs bis auf weiteres der Aufenthalt in der Bundesrepublik erlaubt ist. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung zutreffend darauf hingewiesen, daß ihr bei einer Anerkennung als asylberechtigt weitergehende Rechte zuständen, als ihr nach ihrem gegenwärtigen Status zuerkannt werden.
Die Klägerin war durch den erwähnten Vergleich auch nicht gehindert, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1-3 VwVfG einen Folgeantrag gemäß § 14 AsylVfG zu stellen. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag ein beiderseitiges Nachgeben der Vertragschließenden in einer rechtlich oder tatsächlich Ungewissen Situation darstellt (§ 55 VwVfG), so hat die Klägerin damals zwar auf die Durchsetzung des von ihr geltend gemachten Asylanspruchs in den früheren Verfahren, wohl auch unter den damaligen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten, nicht jedoch darauf verzichtet, bei einer Änderung dieser Gegebenheiten einen Asylfolgeantrag zu stellen. Wenn sie für alle Zelten auf ihren Asylanspruch hätte verzichten wollen, so hätte dies in dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, den die Klägerin und die Stadt ... angenommen haben, eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Dem Wortlaut dieses Vergleichsvorschlages ist derartiges jedenfalls nicht zu entnehmen. Eine so weitgehende Konsequenz drängt sich auch bei einer am Sinn und Zweck des Vergleichs orientierten Auslegung nicht auf.
Der Senat vermag dem Verwaltungsgericht Indessen nicht zu folgen, wenn dieses die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bejaht und demzufolge das Bundesamt für verpflichtet hält, das Asylverfahren wiederaufzugreifen.
Das Verwaltungsgericht hat in der Tatsache, daß die Klägerin einen Asylfolgeantrag gestellt hat, eine erhebliche Änderung der Sachlage erblickt, weil ein solcher Antrag von den afghanischen Behörden regelmäßig als regimefeindliche Handlung angesehen und geahndet werde und demgemäß einen asylrelevanten Nachfluchtgrund darstelle. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat nicht beachtet, daß seine Bewertung des Asylfolgeantrages als Nachfluchtgrund bereits auf den ersten Asylantrag zutrifft. Wenn der Folgeantrag von den afghanischen Behörden als staatsfeindliche Handlung verfolgt wird, so gilt dies in gleichem Maße für den Erstantrag. Mithin hat der Folgeantrag keine asylrelevante Änderung der Sachlage bewirkt.
Ebensowenig hat sich seit dem Unanfechtbarwerden des Erstbescheides die Rechtslage zugunsten der Klägerin geändert. Die Klägerin sieht eine solche Änderung zum einen in der zweimaligen Neufassung der gesetzlichen Vorschriften über die rechtliche Bedeutung der in einem Drittstaat erlangten Sicherheit vor Verfolgung, zum anderen in einer Änderung der Rechtsprechung zu dieser Frage. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
Zwar unterschied sich § 28 AuslG a.F., auf dessen Grundlage der Erstbescheid des Bundesamts ergangen war, in seinem Wortlaut Insofern von § 2 AsylVfG 1982, als die gesetzliche Definition des § 2 Abs. 2 AsylVfG 1982 in § 28 AuslG a.F. noch nicht enthalten war. Durch den Absatz 2 des § 2 AsylVfG 1982 sollte nach dem Willen des Gesetzgebers der bestehende Rechtszustand nicht geändert, sondern lediglich durch eine Klarstellung der Auslegungsstreit über die Bedeutung der unverändert beibehaltenen Formulierung "die bereits ... Schutz vor Verfolgung gefunden haben" beendet werden (vgl. BT-Dr. 9/875 S. 14). Inwieweit durch § 1 Abs. 2 AsylVfG 1982 tatsächlich die bisherigen Auslegungsprobleme behoben worden sind (vgl. hierzu Kanein, NVwZ 1983, 377/378), steht auf einem anderen Blatt, braucht hier jedoch nicht vertieft zu werden. Denn das Asylverfahrensgesetz in der Fassung von 1982 ist noch während der Anhängigkeit des Vorprozesses in Kraft getreten; eine damit verbundene Rechtsänderung hätte mithin schon in diesem Prozeß - vor Unanfechtbarwerden des Erstbescheides - geltend gemacht werden müssen und stellt mithin keinen "neuen" Umstand im Sinne des § 51 VwVfG dar.
Die Änderung des § 2 AsylVfG durch das Gesetz vom 6. Januar 1987 (BGBl I S. 89) bedeutete im Vergleich zu der bis dahin geltenden Fassung dieser Vorschrift keine Änderung zugunsten der Klägerin. Denn durch die Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylVfG ist die zuvor in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwGE 69, 289/293) anerkannte subjektive Komponente des Schutzes in einem Drittland entfallen: Indem an die Stelle der Worte "die Schutz vor Verfolgung ... gefunden haben" die Worte "der ... vor politischer Verfolgung sicher war" getreten sind, ist klargestellt, daß es allein auf die objektive Sachlage, nicht jedoch darauf ankommt, ob der Ausländer gerade in dem fraglichen Land auch Schutz "gesucht hat"(BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 47.85 -, DÖV 1987, 785). Andererseits kann entgegen der in der Berufungsverhandlung vom Vertreter der Klägerin vertretenen Auffassung aus der Vermutung des § 2 Abs. 2 AsylVfG n.F. nicht im Umkehrschluß eine unwiderlegliche gegenteilige Vermutung für den Fall abgeleitet werden, daß sich der Asylbewerber in einem Drittland kürzere Zelt als drei Monate aufgehalten hat. Wenn der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Insoweit an eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Asylbewerbers gedacht haben sollte, so verdient er zwar Zustimmung; darin Hegt Indessen keine erhebliche Rechtsänderung. Denn auch nach bisherigem Recht trug die Behörde die (materielle) Beweislast dafür, daß der Ausländer bereits anderwärts "Schutz gefunden" hatte; nach neuem Recht trägt sie diese Beweislast lediglich für einen weniger als drei Monate währenden Aufenthalt in dem Drittstaat.
Eine gegenüber dem Rechtszustand im Zeltpunkt des Unanfechtbarwerdens des Erstbescheides neue Rechtslage hat sich entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht durch die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1984 (BVerwGE 69, 289) ergeben. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob eine Änderung der höchstrichtenlichen Rechtsprechung - eine Änderung der Rechtsprechung der Instanzgerichte reicht hierfür keinesfalls aus - eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellen kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89, 93.80 -, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9). Eine solche Änderung setzt in jedem Fall begriffsnotwendig eine bis dahin bestehende andere höchstrichterliche Rechtsprechung voraus. Wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmalig eine bis dahin umstrittene Rechtsfrage entscheidet, hat dies zwar unter Umständen die Änderung einer abweichenden Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Folge, bedeutet aber keine Änderung, sondern lediglich eine Klärung der Rechtslage. So verhält es sich hier. Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor dem Urteil vom 5. Juni 1984 zu der Frage der subjektiven Komponente des anderweitigen Verfolgungsschutzes nicht etwa eine andere, nun von ihm korrigierte Auffassung vertreten, sondern diese Rechtsfrage bis dahin überhaupt noch nicht entschieden.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin ferner auf eine Änderung der Rechtsprechung zur Schaffung eines - unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennenden - Nachfluchtgrundes durch Stellung eines Asylantrages. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahre 1978 die Auffassung vertreten, daß schon die Stellung eines Asylantrages einen Anspruch auf Asyl begründen könne (Nachweise bei Marx/Strate/Pfaff, RdNr. 39 zu § 1 a AsylVfG). Mit seinem Urteil vom 8. November 1983 (BVerwGE 68, 171) hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich auf dieser Rechtsprechung aufgebaut, nicht jedoch seinen Rechtsstandpunkt geändert. Auf den vom Bundesbeauftragten in den Vordergrund gestellten Umstand, daß auch das Verwaltungsgericht Oldenburg schon früher die Asylrelevanz von Asylanträgen afghanischer Staatsbürger bejaht habe, kommt es demgegenüber nicht an, da ein Wechsel der Rechtsprechung eines erstinstanzilchen Gerichtes niemals eine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellen kann.
Gleichwohl hält der Senat die Ablehnung des Folgeantrages der Klägerin durch das Bundesamt für fehlerhaft. Das Bundesamt hat sich ausschließlich aus Rechtsgründen - wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 14 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VwVfG - daran gehindert gesehen, die Asylberechtigung der Klägerin anzuerkennen, obwohl es der Auffassung war, daß "nach Änderung der Rechtsprechung und Änderung der Spruchpraxis des Bundesamtes gleichwohl nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Bedrohung der Antragstellerin auszugehen" sei; gemeint war wohl - da das Bundesamt bereits in seinem ersten Bescheid eine politische Verfolgung der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht ausgeschlossen hatte und sich die "Änderung der Rechtsprechung" nicht auf diesen Umstand bezog -, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 69, 289) von einer Asylberechtigung der Klägerin trotz Ihres zeitweiligen Aufenthalts in Pakistan und Indien auszugehen sei.
Hierbei hat das Bundesamt verkannt, daß es unter den besonderen Gegebenheiten dieses Falles trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 14 AsylVfG nicht gehindert war, im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Ermessens eine neue Sachentscheidung zu treffen, um der Klägerin zu ihrem Recht zu verhelfen. Der erkennende Senat folgt Insoweit dem 11. Senat dieses Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.05.1987 - 11 OVG A 147/84 -), der auch für § 14 AsylVfG entschieden hat, "daß ein bestandskräftig abgeschlossenes Verfahren auch außerhalb der engen Voraussetzungen des § 51 VwVfG wieder aufgegriffen werden kann", sofern nicht "die das erste Verfahren abschließende behördliche Entscheidung durch ein in einem anschließenden Verwaltungsrechtsstreit ergangenes rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist" (was hier nicht der Fall ist). Soweit sich der 11. Senat hierbei unter Berufung auf Kemper, NVwZ 1985, 872 ff., auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1984 (BVerwG 9 C 875.91 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 2) bezieht, muß allerdings berücksichtigt werden, daß dieses Urteil zu § 36 AuslG a.F. ergangen ist, der sich in mehrfacher Hinsicht von § 14 AsylVfG unterscheidet: Zum einen waren nach § 36 AuslG a.F. sämtliche Folgeanträge unmittelbar an das Bundesamt zu richten, während ihm nach geltendem Recht Anträge, die von der Ausländerbehörde wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG als "unbeachtlich" eingestuft werden, grundsätzlich nicht mehr zugehen; zum anderen ließ § 36 AuslG a.F. schon nach seinem an § 51 Abs. 1 VwVfG angelehnten Wortlaut die Möglichkeit eines im Ermessen der Behörde Hegenden "Wiederaufgreifens im weiteren Sinne" ohne weiteres zu, während die Formulierung des § 14 AsylVfG ("ist nur beachtlich") darauf hindeutet, daß mit dieser Vorschrift eine abschließende, keiner erweiternden Auslegung zugängliche Regelung getroffen werden sollte (vgl. hierzu Stelkens, ZAR 1985, 15 ff./16). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Unbeachtlichkeit eines Folgeantrages zwingend die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 und 2 AsylVfG auslöst. Dies spricht gleichfalls gegen die Annahme, es liege im Ermessen der zuständigen Behörde, auch bei einem unbeachtlichen Folgeantrag das Asylverfahren wiederaufzugreifen.
Dennoch ist in besonders gelagerten Fällen ein solches Ermessen der Behörde anzuerkennen. Es handelt sich um Fälle, in denen erhebliche Gründe dafür sprechen, daß dem Ausländer Asyl zu gewähren und die Ablehnung seines Antrags zu Unrecht erfolgt ist. Es kann nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, in einem solchen Fall die Behörde zu hindern, sich noch einmal mit dem Asylantrag zu befassen, und sie zu zwingen, einen als wahrscheinlich rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt gegen Ihren Willen bestehenzulassen. Die enge Fassung des § 14 AsylVfG soll verhindern, daß der Ausländer das Bundesamt nötigt, sich bei unveränderter Sachlage wiederholt mit bereits als unbegründet abgelehnten Anträgen zu befassen, und auf diese Weise eine Verlängerung seines Aufenthalts erreicht. Der hinter dieser Zielsetzung stehende Gedanke der Verhinderung einer mißbräuchlichen Ausnutzung des Asylverfahrens steht einer weniger restriktiven Auslegung aber dann nicht im Wege, wenn beachtliche Gründe es nahelegen, daß dem Ausländer ein Anspruch auf Asyl zusteht. Soweit die Voraussetzungen des § 48 VwVfG zweifelsfrei vorliegen, schließt das Asylverfahrensgesetz ohnehin nicht die Anwendung dieser Vorschrift aus. Insoweit gilt, daß das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht von dem Asylverfahrensrecht nur in dem Umfang verdrängt wird, in welchem das letztere selbständige Regelungen trifft (Stelkens a.a.O.). Eine dem § 48 VwVfG entsprechende Regelung für den Fall, daß ein Asylantrag fehlerhaft abgelehnt worden ist, trifft das Asylverfahrensgesetz nicht.
Der Bescheid des Bundesamts vom 19. März 1982 war nach dem damals geltenden Recht (§ 28 AuslG a.F.) fehlerhaft, weit das Bundesamt zu Unrecht angenommen hatte, daß die Klägerin während Ihres Zwischenaufenthalts in Pakistan und Indien "bereits in einem anderen Land ... anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden" hatte. Denn die zu § 2 Abs. 2 AsylVfG 1982 vom Bundesverwaltungsgericht getroffene Feststellung, daß ein Flüchtling Schutz nur dort "finden" kann, wo er diesen auch "gesucht" hat (BVerwGE 69, 289), galt gleichermaßen auch für die entsprechende Formulierung in § 28 AuslG a.F. (vgl. dazu Kanein, Ausländergesetz, 3. Aufl., Anm. D 3 zu § 28). An dieser Rechtslage hatte sich im Zeltpunkt des angefochtenen Zweitbescheides des Bundesamts nichts geändert.
Die Befugnis des Bundesamts, im Rahmen seines Ermessens auch außerhalb der Voraussetzungen des § 14 AsylVfGüber den Antrag der Klägerin neu zu entscheiden, und der daraus resultierende Anspruch der Klägerin auf Betätigung dieses Ermessens sind auch durch die von der Behörde bei ihrer erneuten Entscheidung anzuwendende Neufassung des § 2 AsylVfG (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 47.85 -, DÖV 1987, 785 = DVBl 1987, 788; Beschl. d. Sen. v. 09.09.1987 - 21 OVG B 238/87 -) nicht entfallen. Zwar begründet ein Ermessensfehler dann keinen Anspruch auf eine neue - ermessensfehlerfreie - Entscheidung, wenn diese infolge einer Gesetzesänderung nur noch eine ablehnende sein könnte, der ursprünglich vorhandene Ermessensspielraum mithin "auf Null" geschrumpft ist. So verhält es sich hier jedoch nicht.
Für die Entscheidung des Bundesamts kommt es nach neuem Recht darauf an, ob die Klägerin während Ihres vorübergehenden Aufenthalts in Pakistan und Indien bereits "vor politischer Verfolgung sicher" war. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals geht es nicht an, im Umkehrschluß aus § 2 Abs. 2 AsylVfG n.F. Sicherheit vor politischer Verfolgung in jedem Fall schon dann anzunehmen, wenn eine Abschiebung des Asylbewerbers "in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war". Nach der bis zum 14. Januar 1987 geltenden Fassung des § 2 Abs. 2 AsylVfG setzte "Schutz vor Verfolgung" außerdem die Möglichkeit voraus, sich in dem Drittstaat "nicht nur vorübergehend aufhalten" zu dürfen. Den Materialien zu § 2 AsylVfG n.F. ist nicht zu entnehmen, daß es nach der Neufassung des § 2 Abs. 2 AsylVfG für die Annahme eines Schutzes vor Verfolgung nicht mehr auf die Chance seiner Dauerhaftigkeit ankommen sollte. Mit dieser Neufassung wollte der Gesetzgeber das in der bisherigen Fassung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enthaltene subjektive Moment ausschließen; hingegen ist von einer kritischen Betrachtung der bisherigen Regelung in bezug auf das Element der Dauerhaftigkeit nirgends die Rede (BT-Dr. 10/6416 S. 20/21). Vielmehr ist aus der Bezugnahme auf den Entwurf des Bundesrats zu einem Zweiten Gesetz zur Änderung des Asylverfahrens (BT-Dr. 10/3678) zu ersehen, daß die Bundestagsmehrheit gleichfalls von der Dauerhaftigkeit als begriffsnotwendiger Voraussetzung des Schutzes ausging und von einer gesetzlichen Festlegung im Sinne des § 2 Abs. 2 AsylVfG a.F. offenbar nur deswegen absah, weil sie eine solche nicht für erforderlich hielt. Der Bundesrat verstand jedenfalls die von ihm vorgeschlagene Vermutungsregelung als eine Beweiserleichterung für die Behörden, für die es nicht immer möglich war, "nachzuweisen, daß sie (die Asylbewerber) sich nicht nur vorübergehend in dem Drittstaat aufhalten" konnten.
Ist hiernach davon auszugehen, daß auch nach geltendem Recht "Sicherheit vor politischer Verfolgung" die Möglichkeit des Asylbewerbers voraussetzt, sich in einem Staat, in welchem ihm keine Verfolgung droht, "nicht nur vorübergehend" aufzuhalten, so kann die bloße Tatsache, daß sich die Klägerin zwei Monate lang in Ländern aufgehalten hat, in denen sie vor einer Auslieferung nach Afghanistan sicher sein durfte, für sich allein noch nicht die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AsylVfG begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob sie diese Sicherheit nicht nur vorübergehend hätte genießen können. Dafür genügt es nicht, daß sie vermutlich in einem der an der Westgrenze Pakistans gerichteten Flüchtlingslager Aufnahme gefunden und nach der bisherigen Praxis Pakistans dort hätte bleiben können, bis eine Normalisierung der Zustände in Afghanistan eine Rückkehr in ihre Heimat gestattet hätte. Das Bundesverwaltunsgericht hat in seinem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 5. Juni 1984 (BVerwGE 69, 289/294) mit Blick auf eben diese Flüchtlingslager festgestellt, daß ein Flüchtling, der im Aufnahmestaat infolge der unter Umständen unvermeidlichen Art der Unterbringung dem Tod durch Hunger oder Seuchen ausgesetzt sei oder nichts anderes zu erwarten habe als ein Dahinvegetieren am Rand des Existenzminimums auf nicht absehbare Zelt, noch keinen Aufenthalt gefunden habe, der ausreiche, ihm den aus der Sicht des Asylrechts erforderlichen Verfolgungsschutz zu vermitteln. Diese Erwägungen besitzen auch im Rahmen des geltenden Rechts noch Gültigkeit. Die Neufassung des § 2 AsylVfG ist zwar auch im Hinblick auf die Meinung des Bundesverwaltungsgerichts beschlossen worden, dem Verfolgten müsse in dem Drittstaat die Möglichkeit geboten sein, "eine Lebensgrundlage nach Maßgabe der im Aufnahmestaat bestehenden Verhältnisse zu finden" (BVerwGE 69, 289/294). Wenn in diesem Zusammenhang an einer verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Kritik geübt wird, die einen Schutz des Ausländers "im Drittland auch dann verneint, wenn sich der Ausländer dort längere Zelt aufgehalten habe und nur wegen der besseren Lebensbedingungen ... der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland den Vorzug gebe" (BT-Dr. 10/6416 S. 20), so ist dem nicht zu entnehmen, daß sich diese Kritik auch gegen die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts richtet, Schutz vor Verfolgung sei jedenfalls dort nicht gewährleistet, wo der Flüchtling mit dem Tode durch Hunger oder Seuchen rechnen müsse. Wenn Zweifel daran bestehen mögen, ob eine Gefährdung durch Hunger und namentlich durch Seuchen - wie sie nach dem "Lagebericht Afghanistan" des Auswärtigen Amtes vom 15. März 1987 infolge der hohen Konzentration von Flüchtlingen auf relativ kleinem Raum in den Flüchtlingslagern im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet herrschen - noch als "politische Verfolgung" durch den Verfolgerstaat angesehen werden kann, so ist dies für eine weitere Gefahr, der die Bewohner dieser Lager ausgesetzt sind, ohne weiteres zu bejahen: Nach dem erwähnten Lagebericht sind die Lager "Immer wieder Ziel von Luftangriffen und von Bombenanschlägen, die dem sowjetischen bzw. afghanischen Geheimdienst zuzurechnen sind. Ziel dieser terroristischen Anschläge ist es, die Flüchtlingsbevölkerung zu verunsichern, einen Keil zwischen die pakistanische Bevölkerung und die afghanischen Flüchtlinge zu treiben und die Widerstandskämpfer, die sich unter die Flüchtlinge mischen, zu treffen". Das Auswärtige Amt bejaht folgerichtig eine Gefährdung der afghanischen Flüchtlinge in diesen Flüchtlingslagern in Pakistan.
Folglich kann bei der Beurteilung der Situation der Klägerin während Ihres zweimonatigen Aufenthalts in Pakistan und Indien, für den die Vermutung des § 2 Abs. 2 AsylVfG n.F. nicht gilt, nicht davon ausgegangen werden, daß sie bereits "vor politischer Verfolgung sicher war". Damit liegt die erneute sachliche Bescheidung des Asylantrags der Klägerin weiterhin im Ermessen des Bundesamts, von dem dieses bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat. Daher war ihm durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides Gelegenheit zu geben, sein Ermessen Insoweit zu betätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sowie über die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.