Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 18.01.1983, Az.: 2 UF 175/82

Ausschluss des Unterhaltsanspruchs wegen Unbilligkeit; Voraussetzungen für die Annahme eines einseitigen schweren Verstoßes gegen die eheliche Lebensgemeinschaft aufgrund der Aufnahme einer außerehelichen intimen Beziehung; Aufnahme intimer Beziehungen beider Lebenspartner außerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.01.1983
Aktenzeichen
2 UF 175/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 14528
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1983:0118.2UF175.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - 28.09.1982 - AZ: 45 F 220/82

Verfahrensgegenstand

Unterhalt

Prozessführer

Angestellter ...

Prozessgegner

Hausfrau ...

In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 1983
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - ... vom 28. September 1982 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin a) ab 1. Juli 1982 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 506,- DM -fällig bis zum 3. eines jeden Monats im voraus- und

b) für Mai und Juni 1982 jeweils 300,- DM -insgesamt also 600,- DM- Unterhalt nebst 4 % Zinsen auf 300,- DM seit dem 19. Mai 1982 und auf weitere 300,- DM seit dem 4. Juni 1982 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 54/100 und der Beklagte 46/100.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach & 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

2

Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.

3

1.)

Der Klägerin steht ein Unterhaltungsanspruch gegen den Beklagten nach § 1361 Abs. 1 BGB zu, da sie während der seit 1963 bestehenden Ehe nicht erwerbstätig war, keine Berufsausbildung hat und insbesondere auch wegen der Betreuung des im Oktober 1981 geborenen Kindes ... nicht nach § 1361 Abs. 2 BGB darauf verwiesen werden kann, ihren Unterhalt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (vgl. dazu auch BGH, FamRZ 1981, S. 17).

4

2.)

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist nicht nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB ausgeschlossen.

5

Allein die Tatsache, daß die Klägerin ab August 1981 überwiegend bei den Zeugen ... übernachtete und am 1. Oktober 1981 endgültig aus der Ehewohnung auszog und zu dem Zeugen ..., dem Vater ihres am 28. Oktober 1981 geborenen Kindes, zog und seitdem mit diesem zusammenlebt, rechtfertigt den Ausschluß des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Abs. 1 S. 4 BGB nicht. Zwar ist in einer derartigen Verhaltensweise ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin zu sehen, das grundsätzlich ausreichen kann, den Unterhaltsanspruch als unbillig im Sinne von § 1579 Abs. 1 BGB anzusehen (vgl. BGH, FamRZ 1980, S. 665 f, 666). Diese Wertung ist hier jedoch deshalb nicht gerechtfertigt, weil zu diesem Zeitpunkt der Beklagte seinerseits unstreitig seit längerer Zeit intime Beziehungen zu einer anderen Frau unterhielt und fortsetzte. In diesem Verhalten des Beklagten liegt gleichfalls ein schwerer Verstoß gegen die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten, die das Fehlverhalten der Klägerin ab Juli 1981 in einem milderen Licht erscheinen lassen, so daß daran der Unterhaltsausschluß nicht geknüpft werden kann (vgl. BGH, FamRZ 1981, S. 439 f;  1981,S. 752; S. 1042 f; 1982, S. 463 f).

6

Entscheidend kommt es unter diesen Umständen für die Anwendung von § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB darauf an, ob in der Aufnahme intimer Beziehungen der Klägerin zu den Zeugen ... ein einseitiges schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin gesehen werden kann. Diese Wertung, für deren Voraussetzungen der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BGH, FamRZ 1982, S. 463 f), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Beklagte seinerseits nicht bereits zu diesem Zeitpunkt oder früher ehewidrige Beziehungen zu der Zeugin ... aufgenommen hätte. Den Beweis für die Aufnahme intimer Beziehungen der Klägerin zu dem Zeugen ... zu einer Zeit, als er noch keine ehewidrigen Beziehungen zu der Zeugin ... unterhielt, hat der Beklagte nicht erbracht. Sowohl die Klägerin als Partei vernommen wie auch der Zeuge ... haben intime Beziehungen vor Frühjahr 1980, also für einen Zeitraum, in dem der Beklagte nach den Bekundungen der Zeugin ... noch keine intimen Beziehungen zu der Zeugin unterhielt, verneint. Auch wenn die Aussage des Zeugen ... wegen des schlechten Erinnerungsvermögens des Zeugen nicht besonders überzeugend ist, fehlen hinreichend sichere Anhaltspunkte für die Annahme, daß er schon 1979 oder gar früher intime Beziehungen zu der Klägerin hatte. Allein die Tatsache, daß die Klägerin nach einem Verkehrsunfall am 8. Dezember 1978 bei dem Zeugen übernachtete, reicht für Rückschlüsse auf intime Beziehungen deshalb nicht aus, weil es wegen der extremen Witterungsverhältnisse an diesem Tage (starker Eisregen) nicht auszuschließen ist, daß die Klägerin sich nur deshalb zu dem Zeugen begab, weil sie die längere Fahrstrecke nach Salzgitter auch mit Rücksicht auf das Unfallerlebnis scheute und auch den Beklagten telefonisch nicht erreichen konnte. Auch über Übernachtung der Klägerin bei dem Zeugen ... im Jahre 1979 lassen sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Feststellungen treffen. Da der Beklagte dazu keine konkreten Umstände dargelegt hat, die für die Richtigkeit seiner Behauptung sprechen könnten, liegen mit Rücksicht auf die Bekundungen des Zeugen ... und der Aussage der Klägerin die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des beweispflichtigen Beklagten nach § 448 ZPO nicht vor.

7

3.)

Der Höhe nach ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 1982 mit 506,- DM monatlich begründet. Für die Monate Mai und Juni 1982 errechnet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf abgerundet 300,- DM je Monat.

8

Ausgehend von der Verdienstbescheinigung der Stahlwerke ... AG vom 2. Dezember 1982 errechnet sich das Nettoeinkommen des Beklagten für die Zeit vom 1. Dezember 1981 bis 30. November 1982 auf 43.969,14 DM. Legt man auch für Dezember 1981 die Steuerklasse II/1 zugrunde, ergibt sich ein Betrag von rd. 43.653,- DM. Die Arbeitnehmersparzulage von 108,- DM für den gesamten Zeitraum ist nicht als Einkommen des Beklagten zu berücksichtigen (vgl. BGH, FamRZ 1980, S. 984).

9

Von dem Nettoeinkommen des Beklagten in Abzug zu bringen sind die von dem Beklagten zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge mit 2.272,05 DM. Das danach berechnete Nettoeinkommen beträgt 41.380,95 DM, monatlich also 3.448,41 DM.

10

Mit Rücksicht darauf, daß das Kilometergeld als Einkommen in diesem Betrag enthalten ist und der Beklagte Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen hat, rechtfertigt sich ein Abzug von 5% des Nettoeinkommens = 172,42 DM. Das so bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten ist danach mit rd. 3.276,- DM anzusetzen.

11

Der von dem Amtsgericht weiter in Abzug gebrachte Betrag von 325,- DM als Unkosten für das beiden Parteien gehörende Hausgrundstück muß außer Ansatz bleiben, weil der Beklagte Mietzinszahlung erspart, die mindestens in Höhe von 325,- DM monatlich für angemessenen Wohnraum aufzubringen wären, ohne daß sie einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten.

12

Für die Zeit ab 1. Juli 1982 hat der Beklagte mit Rücksicht darauf, daß der Sohn ... bei der Bundeswehr ist und Wehrsold von monatlich 225,- DM erhält, Unterhaltsleistungen für den Sohn nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist demgemäß ein Abzug von 200,- DM als Unterhaltsleistung für den Sohn nicht gerechtfertigt.

13

Für die Monate Mai und Juni 1982 ist jedoch der Unterhalt für den Sohn ... der zu dieser Zeit ohne eigenes Einkommen bei dem Beklagten lebte, entsprechend den von dem Senat in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätzen der Düsseldorfer Tabelle mit monatlich 480,- DM (530,- DM Tabellen-Unterhalt nach der Einkommensgruppe VI, dritter Altersstufe zuzüglich Zuschlag in Höhe der Differenz zwischen zweiter und dritter Altersstufe abzüglich Kindergeld von 50,- DM) in Abzug zu bringen.

14

Das anrechenbare Nettoeinkommen des Beklagten beträgt danach für die Monate Mai und Juni 1982 jeweils 2.796,- DM.

15

Nach dem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten berechnet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin mit 3/7 entsprechend den Grundsätzen der Düsseldorfer Tabelle. Dabei ist der als fiktives Einkommen der Klägerin wegen des Zusammenlebens mit dem Zeugen ... entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil anzusetzende Betrag von monatlich 800,- DM auf den Unterhaltsbetrag von 3/7 des Nettoeinkommens des Beklagten voll anzurechnen. Die Differenzmethode findet keine Anwendung. Die ehelichen Lebens- und Einkommensverhältnisse, nach denen der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 1361 Abs. 1 BGB zu bemessen ist, werden durch das fiktive Einkommen der Klägerin aus Betreuungsleistungen für einen anderen Partner nicht mitbestimmt, vielmehr ist dieses Einkommen der Klägerin von vornherein voll ihren Unterhaltsbedarf mindernd in Ansatz zu bringen (vgl. BGH, FamRZ 1980, S. 665 f, 668).

16

Geldwerte Unterhaltsleistungen für den Sohn ... die sich auf ihr fiktiv anzurechnendes Einkommen mindernd auswirken können, hat die Klägerin mit ihrem pauschalen Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

17

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin errechnet sich somit für die Zeit ab 1. Juli 1982 wie folgt:

18

3/7 von 3.276,- DM = 1.404,- DM abzügl. 800,- DM = 604,- DM. Auf diesen Unterhaltsanspruch sind ferner entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil monatlich 98,- DM in Anrechnung zu bringen, da der Beklagte monatliche Aufwendungen für das von der Klägerin genutzte Kraftfahrzeug in dieser Höhe trägt. Danach ergibt sich ab 1. Juli 1982 ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin von 506,- DM.

19

Für die Monate Mai und Juni 1982 ergibt sich folgende Berechnung: 3/7 von 2.796,- DM = 1.198,29 DM abzüglich 898,- DM = 300,29 DM = abgerundet 300,- DM.

20

Den Betrag von 300,- DM kann die Klägerin in voller Höhe auch für den Monat Mai 1982 verlangen, da mit Inverzugsetzung des Beklagten durch Schreiben vom 18. Mai 1982 der Unterhalt für den gesamten Monat wirksam geltend gemacht worden ist (vgl. OLG Celle, Beschluß vom 16. Januar 1979, 17 WF 207/78).

21

Der Zinsanspruch auf den Unterhalt für Mai und Juni 1982 ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB.

22

4.)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.