Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.12.2013, Az.: 1 Ws 561/13
Straftaten des Wohnungseinbruchdiebstahls als eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat unabhängig vom Wert des erlangten Diebesguts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.12.2013
- Aktenzeichen
- 1 Ws 561/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 52067
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:1219.1WS561.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - AZ: 324 Ls 227/13
- LG Hannover - AZ: 98 Qs 34/13
Rechtsgrundlagen
- § 243 StGB
- § 244 StGB
- § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO
- § 72 Abs. 1 JGG
Fundstelle
- StRR 2014, 42
Amtlicher Leitsatz
Bei Straftaten des Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 StGB liegt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO in der Regel unabhängig vom Wert des schließlich erlangten Diebesguts vor.
In der Strafsache
gegen M. E. K.,
geboren am xxxxxx 1996 in B. (Polen),
wohnhaft L. Straße in H.,
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt H.,
Verteidiger: Rechtsanwalt P. aus H.,
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige weitere Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss der Jugendkammer 3 des Landgerichts Hannover vom 21. November 2013 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx am 19. Dezember 2013
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Von dem Auferlegen von Kosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen; seine notwendigen eigenen Auslagen hat der Angeschuldigte indessen selbst zu tragen.
Gründe
I.
Der Angeschuldigte wendet sich mit seiner weiteren Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Hannover, mit welchem die gegen den auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 8. November 2013 gerichtete Beschwerde als unbegründet verworfen wurde. Im Wesentlichen wendet sich der Angeschuldigte gegen die Annahme der Besorgnis weiterer, die Rechtsordnung in erheblicher Weise beeinträchtigender Taten; der bei der allein verfahrensgegenständlichen Tat vom 19. Juli 2013 verursachte Schaden (Wegnahme eines gebrauchten Panasonic Plasma-Fernsehers und eines Samsung tablets) liege jedenfalls unter 1.000 Euro und sei daher eher gering. Die Kammer hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und hat die Sache über die Generalstaatsanwaltschaft dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das statthafte und auch zulässig erhobene Rechtsmittel des Angeschuldigten hat in der Sache keinen Erfolg. Amts- und Landgericht haben aus zutreffenden tatsächlichen wie rechtlichen Erwägungen die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Auf die Gründe der angefochtenen Beschlüsse, die der Senat auch seiner Entscheidung zugrunde legt, kann daher zunächst Bezug genommen werden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des weiteren Beschwerdevorbringens. Hierzu ist ergänzend zu bemerken:
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr des - im Jugendrecht zumindest sinngemäß geltenden § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO (vgl. OLG Braunschweig, StV 2009, 84) - setzt neben einer Straferwartung von mehr als einem Jahr das Vorliegen einer wiederholten, die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigenden Straftat voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Zwar wird von der Rechtsprechung zu weiten Teilen angenommen, die Erheblichkeit im Sinne des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO fehle bei einer Schadenssumme von weniger als 2.000 Euro (so etwa OLG Sachsen-Anhalt, StV 2012, 353; OLG Hamm, StV 2011, 291; ThürOLG StV 2009, 251; OLG Oldenburg, StV 2005, 618; a.A.: KG OLGSt StPO § 112a Nr. 4). Dies gilt aber nicht stets und auch nicht uneingeschränkt. Die Höhe des durch die Tat entstandenen bzw. zu befürchtenden Schadens ist zwar ein wesentliches, indessen lediglich eines von mehreren in Betracht kommenden Kriterien für die Würdigung, ob eine Tat erheblich in diesem Sinne ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juni 2013 - 1 Ws 218/13). Den maßgeblichen Entscheidungen lagen Straftaten des Betrugs oder des Diebstahls nach § 243 StGB zugrunde. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist indessen ein Wohnungseinbruchdiebstahl nach Maßgabe von § 244 StGB, bei dem ein die Rechtsordnung in erheblichem Maße beeinträchtigendes Geschehen sich nicht allein am Wert des schließlich erlangten Diebesgutes bemisst. Denn zum einen hängt es letztlich vom Zufall und von den konkreten, im Vornherein indessen nicht absehbaren Umständen ab, wie hoch die Beute schließlich ausfällt, und zum anderen tritt in nicht unbedeutendem Maße hinzu, dass die Rechtsordnung zumindest aus Sicht der betroffenen Be- und auch Anwohner bei unbefugtem Einsteigen in einen Wohnraum - vor allem auch psychisch - in ganz erheblicher Weise beeinträchtigt wird. Der Wert des erlangten Diebesgutes ist nach aller kriminologischer Erfahrung hierbei regelmäßig nachrangig. Derartige Taten sind sowohl vom Unrechtsgehalt als auch von der aufgewendeten kriminellen Energie mit sonstigen Vermögenstaten nicht zu vergleichen. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und deren "Gefühl der Geborgenheit im Recht" (Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Aufl. § 112a Rn. 9) werden gerade bei Serieneinbruchstaten ungleich mehr beeinträchtigt. Demnach sind Amts- und Landgericht auch vor dem Hintergrund, dass die Vorschrift des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als vorbeugende Schutzmaßnahme eher restriktiv auszulegen ist (BVerfGE 19, 342 [BVerfG 15.12.1965 - 1 BvR 513/65]), völlig zutreffend von der Erheblichkeit im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO ausgegangen. Hinzu kommt, dass der Angeschuldigte bei früheren bzw. weiteren Taten des Wohnungseinbruchs Diebesgut auch im Wert von jeweils deutlich mehr als 2.000 Euro erbeutet hatte. Dass das Urteil vom 12. November 2013 nicht rechtskräftig ist, steht dem bei der Prüfung von Untersuchungshaft nicht entgegen. Die Besorgnis weiterer erheblicher Taten steht hiernach nicht in Frage.
2. Das Landgericht ist überdies zutreffend davon ausgegangen, dass selbst im Falle des Absehens vom Bilden einer Einheitsjugendstrafe oder einer Einbeziehung weiterer Strafen (vgl. hierzu auch OLG Braunschweig, StV 2009, 84; Radtke/Hohmann-Tsabikakis, Strafprozessordnung, § 112a Rn. 22) eine Strafe von mehr als einem Jahr zu erwarten steht. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 72 Abs. 1 JGG steht der auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützten Untersuchungshaft nicht entgegen, zumal selbst eine Verurteilung zu einem Jahr Jugendstrafe sowie das Verbüßen von Untersuchungshaft den Angeschuldigten nicht davon hat abhalten können, erneut und völlig einschlägig in Erscheinung zu treten. Auch die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Maßnahme steht nach alledem nicht in Frage.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1, 74, 109 Abs. 2 JGG.
IV.
Gegen diesen Beschluss ist nach § 304 Abs. 4 StPO ein Rechtsmittel nicht eröffnet.