Landgericht Aurich
Urt. v. 27.11.2019, Az.: 19 KLs 410 JS 7302/19 (2/19)

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
27.11.2019
Aktenzeichen
19 KLs 410 JS 7302/19 (2/19)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tatmehrheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren

verurteilt.

Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet. Ein Vorwegvollzug von einem Jahr wird angeordnet.

In Höhe eines Betrages von 25,00 Euro wird die Einziehung des Werte des Erlangten angeordnet.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtmG, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, 250 Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 22, 23 Abs. 1, 52, 53, 64, 67 Abs. 2, 73, 73a

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde am 1983 in K. in P. geboren. Er ist ledig und deutscher Staatsangehöriger. Der Angeklagte kam im Jahr 1990 mit seiner Familie nach Deutschland, wo er in der Folge aufwuchs. Er hat nach dem Durchlaufen der Grundschule und der Orientierungsstufe nach der neunten Klasse einen Hauptschulabschluss erlangt. Dem schlossen sich ein BGJ im Bereich Metall sowie eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur an, die der Angeklagte jedoch abbrach. Ein Beruf hat der Angeklagte danach nicht mehr erlernt, während einer Inhaftierung hatte jedoch mehrere Schweißerscheine absolviert und danach vorübergehend auch als Schweißer gearbeitet. Zuletzt war der Angeklagte arbeitslos und lebte von Sozialleistungen.

Der Angeklagte hat aus einer früheren Beziehung eine siebenjährige Tochter, zu der er keinen Kontakt hat. Das Kind lebt in einer Pflegefamilie.

Der Angeklagte fing im Alter von 15 Jahren an, Cannabis zu konsumieren, zu Spitzenzeiten zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr etwa 3 g am Tag. Mit 16 Jahren traten an den Wochenenden Ecstasy und Kokain hinzu. Ab seinem 17. Lebensjahr wurde Heroin zur Hauptdroge des Angeklagten, wobei er bis zur 2-3 g Heroin am Tag konsumierte. Von Mai 2012 bis 2016 lebte er vorübergehend betreffend des Heroins abstinent. Nach einem Rückfall wechselte der Konsum in erster Linie auf Kokain, von dem er bis zu 4 g am Tag zu sich nahm. Zur Linderung des Heroinentzuges konsumierte er währenddessen allerdings auch etwa 1 g Heroin täglich. Im der Zeit von August 2018 bis Dezember 2018 wurde der Angeklagte mit 15 mg Polamidon substituiert. Während dieses Zeitraumes konsumierte er auch täglich je mindestens 1 g Cannabis und Heroin sowie je nach Verfügbarkeit bis zu 6-7 g Kokain in Form von „Crack“.

Der Angeklagte hat 2004 eine Therapie gemäß § 35 BtmG nach drei Wochen abgebrochen. Ein zweiter Therapieversuch wurde nach dreieinhalb Monaten im Jahr 2005 aufgrund eines Rückfalls beendet. Der Angeklagte hat bereits diverse Entgiftungsbehandlungen hinter sich. In der Vergangenheit war es ihm nach der Geburt seiner Tochter gelungen, für etwa fünf Jahre abstinent zu leben. Seit der Herausnahme des Kindes aus der Familie wegen Drogenkonsums der Kindesmutter konsumierte er aber durchgehend.

Am 01.06.2018 wurde der Angeklagte zuletzt aus der Haft entlassen. Im Juli 2018 wurde er wieder rückfällig. Der Freundes- und Bekanntenkreis des Angeklagten besteht ausschließlich aus Drogenkonsumenten. Einen festen Wohnsitz hatte er vor seiner Inhaftierung am 20.05.2019 nicht. Seitdem befindet er sich aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Aurich vom 26.03.2019 in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte ist bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten: -

Am 09.07.2002 wurde er durch das Amtsgericht Leer erstmals wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer achtmonatigen Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Durch Urteil des Amtsgerichts Leer vom 18.02.2003 wurde diese Jugendstrafe wegen Diebstahls auf ein Jahr erhöht.

Unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Entscheidungen verurteilte ihn das Amtsgericht Leer sodann am 28.07.2003 wegen Diebstahls in vier Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe wurde durch Entscheidung vom 07.01.2004 zunächst zurückgestellt. Die Zurückstellung der Vollstreckung wurde später aber widerrufen. Durch Entscheidung vom 30.03.2004 wurde die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe dann erneut zurückgestellt. Auch diese Zurückstellung der Vollstreckung wurde später jedoch widerrufen.

Das Amtsgericht Leer verurteilte den Angeklagten am 31.08.2004 sodann unter Einbeziehung der drei vorgenannten Entscheidungen wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Durch Beschluss vom 28.01.2005 wurde der Rest der Jugendstrafe bis zum 30.06.2007 zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafaussetzung wurde später allerdings widerrufen, sodass die Strafvollstreckung am 11.08.2007 erledigt war.

Am 25.11.2005 folgte eine Verurteilung durch das Amtsgericht Leer wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,- EUR.

Das Landgericht Aurich verurteilte den Angeklagten am 13.12.2005 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (Az.: 11 KLs 32/05). Rechtskraft trat noch am selben Tage ein. Aus den beiden vorgenannten Entscheidungen wurde am 02.03.2006 durch das Landgericht Aurich eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, sechs Monaten und zwei Wochen gebildet. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde durch Entscheidung vom 24.03.2006 zurückgestellt. Später wurde die Zurückstellung widerrufen, sodass die Strafvollstreckung am 11.02.2008 erledigt war.

Das Amtsgericht Leer verurteilte den Angeklagten danach am 13.11.2006 wegen gemeinschaftlichen Betruges zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, am 07.01.2009 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen sowie am 06.07.2010 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Die Tagessatzhöhe betrug jeweils zehn Euro.

Am 26.10.2011 folgte eine weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Leer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,- EUR. Rechtskraft trat am 12.11.2011 ein.

Danach wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Leer am 21.01.2013 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall oder Hehlerei zu 120 Tagessätzen zu je 15,- EUR verurteilt. Rechtskraft trat am 29.01.2013 ein.

Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Leer am 25.01.2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az.: BRs). Es wurde ein Bewährungshelfer bestellt und die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Die Entscheidung ist seit dem 09.08.2017 rechtskräftig.

II.

Die folgenden Taten stehen zur Überzeugung der Kammer fest:

1. Am Abend des 14.11.2018 kamen die Zeugin S. und der Zeuge G. gegen 21:00 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarktes in L. mit einer Gruppe von Personen ins Gespräch. Zu den Personen gehörte auch der ihnen zuvor nicht näher bekannte Angeklagte. Sie kamen überein, zusammen etwas trinken zu gehen und wollten dazu die Wohnung des Angeklagten in der Nähe des Klinikums in L. aufsuchen. Dazu begaben sie sich zusammen durch die L. Innenstadt, wo die Zeugin S. – was auch der Angeklagte bemerkte – zunächst 100,- EUR von der Bank abhob ehe sie den Weg durch die Stadt gemeinsam fortsetzten. Nachdem der Zeuge G. sich kurzzeitig entfernt hatte, fuhren der Angeklagte und die Zeugin auf einem Fahrrad in Richtung des Friedhofs am Klinikum in L., wo sie sich wieder mit dem Zeugen G. treffen wollten. Dort angekommen, wies der Angeklagte die Zeugin gegen 21:45 Uhr an, sich auf das Friedhofsgelände zu begeben, was diese auch tat. Dort zog er einen silberfarbenen pistolenförmigen Gegenstand hervor und forderte sie auf, ihm ihr Portmonee mit dem Geld auszuhändigen. Die Zeugin, die das Portmonee in einer umgehängten Handtasche verwahrt hatte, wollte dem – wie der Angeklagte beabsichtigte – aus Angst davor, dass der Angeklagte die vermeintliche Schusswaffe einsetzen würde, nachkommen. Als sie den Umhängeträger über den Kopf gezogen hatte, griff der Angeklagte die Tasche. Die Tasche wurde im Laufe des Geschehens auf den Boden entleert, wobei nicht mehr sicher aufklärbar war, ob die Zeugin dies selbst tat oder ob es der Angeklagte war. Der Angeklagte forderte die Zeugin auf, ihm das Portmonee auszuhändigen. Die Zeugin wollte dieser Aufforderung aus Angst vor einem Einsatz des von ihr als Pistole wahrgenommenen Gegenstandes nachkommen, fand das Portmonee wegen der bereits eingebrochenen Dunkelheit und einer schlechten Beleuchtungssituation aber nicht sofort. Sie sammelte ihre Sachen wieder ein. Die Tasche wurde in der Folge noch mehrfach ausgekippt. Der Angeklagte suchte jedenfalls kurzzeitig mit. Zwischendurch kam der Zeuge G. hinzu, der aber aus Angst vor einem Einsatz der auch von ihm wahrgenommenem „Waffe“ nicht eingriff. Bald darauf – inzwischen waren einige Minuten vergangen – brach der Angeklagte das Vorhaben ab, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob es ihm zwischenzeitlich gelungen war, das Portmonee an sich zu nehmen oder ob es auf dem Friedhofsgelände verblieb und er lediglich einsah, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu keinem Erfolg mehr führen würde. Während der Angeklagte auf sein Fahrrad stieg und davonfuhr, flüchteten die Zeugin S. und der Zeuge G. in entgegengesetzter Richtung. Das Portmonee der Zeugin blieb verschollen.

2. Am 06. oder 07.12.2018 hielt sich der Zeuge T. zwecks gemeinsamen Drogenkonsums in der Wohnung des Zeugen K. in der B. Straße in L. auf. Bei der Wohnung handelt es sich um ein kleines Einzimmer-Apartment in einem ehemaligen Hotelgebäude. Einige Stunden nachdem der Zeuge T. und der Zeuge K. ihre letzten Drogen aufgebaut hatten, erschien gegen Abend der Angeklagte vor dem im ersten Stock gelegenen Fenster der Wohnung des Zeugen K. und begehrte Einlass, der ihm auch gewährt wurde. Gemeinsam konsumierten sie dann zu dritt in der Wohnung den letzten Rest „Crack“ des Angeklagten, den dieser der Runde zur Verfügung stellte. Nachdem das „Crack“ des Angeklagten aufgebraucht war, fragte der Angeklagte nach weiterem Kokain, woraufhin ihm durch den Zeugen T. mitgeteilt wurde, dass keines vorhanden sei. Der Angeklagte nahm dem Zeugen T. dies nicht ab und sah sich übervorteilt. Er wurde umgehend aggressiv und griff sich ein herumliegendes kleines Küchenmesser, welches er dem Zeugen T. sodann vor den Oberkörper hielt und ihn zugleich aufforderte, zunächst sein Koks und danach – als ersteres erfolglos blieb - seine Jacke herauszugeben. Aus Angst davor, dass der Angeklagte das Messer ansonsten einsetzen würde, kam der Zeuge T. – wie von dem Angeklagten beabsichtigt – dieser Forderung nach und übergab ihm die Jacke. Der Angeklagte schnitt sodann das Innenfutter auf, um an etwaige dort versteckte Drogen zu kommen. Nachdem er keine Drogen vorfand, gelang es dem Zeugen T. durch die Vorspiegelung, dass er welche besorgen würde, den Angeklagten wieder zu beruhigen und ihn dazu zu bewegen, ihn gehen zu lassen. Der Zeuge T. verließ daraufhin die Wohnung, besorgte aber keine Drogen und kam auch nicht zurück.

3. Am 09.12.2018 traf der Zeuge T. gegen 17:00 Uhr auf dem Gehweg vor dem Mehrparteienhaus „Unter den E.“ in L. – einem amtsbekannten Drogenumschlagplatz – jedoch erneut auf den Angeklagten. Dieser sprach ihn umgehend an und wies ihn an, mit ihm hinter das Gebäude zukommen, wo sich ein Parkplatz befindet, um etwas mit ihm zu „klären“. Der Zeuge leistete der Aufforderung Folge. Dabei rechnete er damit, dass es zu einer gegebenenfalls auch körperlichen Auseinandersetzung im Hinblick auf das Vorgeschehen und die nicht eingehaltene Zusage, Drogen zu besorgen, gehen würde; er wollte aber nicht als Opfer dastehen und sich gegenüber dem Angeklagten behaupten, um nicht Gefahr zu laufen, von diesem zukünftig immer wieder abgezogen zu werden. Auf dem schlecht beleuchteten Parkplatz angekommen, zog der Angeklagte aber aus einem Halfter, welches er sich vor die Brust geschnallt hatte, ein längeres Messer und forderte den Zeugen T. auf, ihm sein Geld zu geben. Der Zeuge T., der nicht damit gerechnet hatte, dass der Angeklagte bewaffnet war, kam der Aufforderung – wie der Angeklagte beabsichtigte – aus Angst davor, dass der Angeklagte das Messer zur Durchsetzung seiner Forderung einsetzen würde, nach, indem er sein Portmonee hervorholte und dem Angeklagten zunächst 10,- EUR übergab. Dieser gab sich diesem geringen Betrag allerdings nicht zufrieden und fragte den Zeugen sinngemäß, ob er ihn verarschen wolle, woraufhin der Zeuge aus Angst vor einem Einsatz des Messers, dass der Angeklagte nach wie vor in der Hand hielt, dem Angeklagten weitere 15,- EUR überreichte. Hiermit gab sich der Angeklagte zufrieden, woraufhin der Zeuge T. sich entfernen konnte. Der Zeuge begab sich zu einem nahegelegenen Fitnessstudio und verständigte von dort aus die Polizei, die den Angeklagten aber nicht mehr vor Ort antreffen konnte.

III.

1. Die unter Punkt I. getroffenen Feststellungen hat die Kammer auf Grund der glaubhaften Angaben des Sachverständigen Dr. H., dem Bundeszentralregisterauszug und den verlesenen Urteilen gewonnen. Der Angeklagte hat sich zwar in der Hauptverhandlung nicht zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen geäußert, aber – wie der Sachverständige glaubhaft bekundete – im Rahmen des Explorationsgespräches eine umfassende Schilderung seines Lebensweges, seinen Lebensumständen, seiner Betäubungsmittelvergangenheit und seinen Konsumgewohnheiten vorgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte bei der Exploration unwahre Angaben gemacht haben könnte, gibt es nicht, zumal der Sachverständige glaubhaft hervorhob, dass der Angeklagte offen und frei über sich und seine Vergangenheit berichtet habe.

2. Die Kammer hat ihre Überzeugung von der Richtigkeit der unter Punkt II. getroffenen Feststellungen auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme gewonnen.

Der Verteidiger des Angeklagten gab für den Angeklagten eine Erklärung zur Sache ab, die der Angeklagte durch die Erklärung, dass dies so stimme und er sich die Erklärung seines Verteidigers zu eigen mache, anerkannte. Für Rückfragen stand der Angeklagte dabei nicht zur Verfügung. Sinngemäß hatte die Erklärung des Verteidigers folgenden Inhalt:

Bezüglich der Tat zum Nachteil der Zeugin S. habe es ein Treffen auf dem L.-Parkplatz in L. gegeben, wobei die Zeugin und ihr Lebensgefährte den Angeklagten angesprochen und ihn gebeten hätten, „etwas Speed“ klarzumachen. Da die Zeugin S. nicht genügend Geld bei sich gehabt habe, sei man zunächst in die Stadt gegangen, wo sie Geld abgehoben habe. Man sei dann durch die Stadt gelaufen bis man schließlich am Friedhof am Klinikum angekommen sei, wobei der Lebensgefährte der Zeugin mit dem Rad zwischenzeitlich entfernt habe. Der Angeklagte und die Zeugen hätten dort am Friedhof auf den Lebensgefährten der Zeugin gewartet und sich unterhalten, bis die Zeugin immer unruhiger geworden sei, angefangen habe zu weinen und irgendwie den Eindruck gewonnen habe, dass er sie abgezogen habe, weshalb er sich entfernt habe.

Bezüglich der Taten zum Nachteil des Zeugen T. habe es solche Vorfälle schlichtweg nicht gegeben. Der Angeklagte und der Zeuge würden sich aus der Szene kennen. Der Zeuge T. sei einfach „durchgeknallt“.

Diese Sachverhaltsdarstellung kann im konkreten Fall – soweit sie mit den Angaben der tatbetroffenen Zeugen in Widerspruch steht – nicht zu Grunde gelegt werden, weil nach st. Rspr. an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel (BGH, Beschl.v. 19.9.2017 – 1 StR 436/17). Der Einlassung eines Angeklagten, der sich nur über seinen Verteidiger erklärt und Nachfragen nicht zugelassen hat, ist insofern nämlich nur ein erheblich geminderten Beweiswert zuzumessen (vgl. BGH, Beschl. v. 30.10.2007 – 3 StR 410/07), da sich das Gericht keinen unmittelbaren Eindruck des Aussageverhaltens, vom Sprachfluss und der begleitenden Körpersprache verschaffen kann, mithin „durch Milchglas auf die Erkenntnisquelle“ blickt (Pfister, NStZ-Sonderheft für Miebach 2009, 29). Objektive Anhaltspunkte für die inhaltliche Richtigkeit der von dem Angeklagten anerkannten Erklärung des Verteidigers gibt es nur bzgl. des Umstandes, dass er sich bzgl. der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat überhaupt am Tattag mit den beiden Zeugen S. und G. getroffen hatte, mit ihnen durch die Stadt gegangen war und sich mit der Zeugin S. am Friedhof am Klinikum aufgehalten hatte, da die Zeugen dies auch in ihrer jeweiligen Vernehmung so dargestellt hatten. Soweit die Darstellung in der Einlassung hingegen von den Aussagen der Zeugen abweicht, fehlt es dagegen an objektiven Anhaltspunkten dafür, dass sie zutreffen könnte. Die Schilderung bzgl. des Auseinandergehens bei der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat ist dabei ohne Hinzutreten weiterer Umstände bereits in sich nicht plausibel.

Der Angeklagte ist der unter Punkt II. festgestellten Taten ohne jeden Zweifel überführt. Den Rückschluss auf das jeweilige subjektive Vorstellungsbild des Angeklagten hat die Kammer dabei aufgrund seines objektiven Tuns und der jeweiligen Situation gezogen.

a) Die Kammer hat sich bzgl. der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat dabei maßgeblich auf die Angaben der Zeugin S. und des Zeugen G. gestützt. Diese haben den Sachverhalt im Wesentlichen so wie festgestellt glaubhaft bekundet. Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen KOK H., der die Zeugin S. am 16.11.2018, also zwei Tage nach der Tat, und den Zeugen G. am 11.12.2018 polizeilich vernommen hatte, ergibt sich zudem, dass die Zeugin S. und der Zeuge G. entsprechende Angaben bereits damals gemacht hatten. Auch hatten die beiden Zeugen den Sachverhalt demnach am 15.11.2018 bereits im Wesentlichen so von sich aus zur Anzeige gebracht. Hinzu tritt, dass über die Abhebung des Geldes ein entsprechender Beleg der Bank vorliegt.

Nur zwei Punkte blieben nach den Aussagen der Zeugen offen:

Nicht mit Sicherheit aufklärbar war zum einen, wer wann die Tasche ausgekippt hat. Während die Zeugin S. in der Hauptverhandlung bekundete, dass sie meine, die Tasche zunächst selbst ausgekippt zu haben und nicht mehr genau wisse, ob der Angeklagte sie ebenfalls ausgekippt habe, sagte der Zeuge G. demgegenüber aus, dass der Angeklagte die Tasche jedenfalls nach seinem Eintreffen noch mal ausgekippt habe. Nach Angaben des Zeugen KOK H. hatte die Zeugin S. bei ihrer polizeilichen Vernehmung indes gesagt, dass der Angeklagte die Tasche als erster ausgekippt habe, während der Zeuge G. nur angegeben hatte, dass die Tasche mehrfach ausgekippt worden sei.

Zum anderen war nicht näher aufklärbar, ob es dem Angeklagten zwischenzeitlich gelungen war, das Portmonee an sich zu nehmen oder ob es auf dem Friedhofsgelände verblieb und er lediglich einsah, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu keinem Erfolg mehr führen würde. Dies liegt daran, dass die Zeugin S. bei der Polizei angegeben hatte, dass der Angeklagte ihr Portmonee eingesteckt habe, dies aber in der Hauptverhandlung nicht mehr bestätigen konnte. Die Zeugin sagte auf Nachfrage dazu, dass es durchaus möglich sei, dass es auf dem Friedhof liegen geblieben sei, sie habe nur noch weggewollt. Der Zeuge G. hatte hierzu schon bei der Polizei ausgesagt, dass er das Einstecken selbst nicht gesehen habe, die Zeugin S. ihm aber von der Entwendung berichtet habe. In der Hauptverhandlung wiederholte der Zeuge G. diese Angaben und führte ergänzend aus, dass sie später noch die Örtlichkeiten abgesucht hätten, das Portmonee aber nicht mehr auffindbar gewesen sei.

Maßgeblich dafür, dass die Kammer den Angaben der Zeugen S. und G. trotz dieser Abweichungen im Übrigen dennoch folgt, war, dass es sich auf Grund des gesamten Aussageverhaltens der beiden zweifellos aussagetüchtigen Zeugen erkennbar um bloße Erinnerungsunsicherheiten und nicht um bewusst wahrheitswidrige Angaben handelt. Zu berücksichtigten war insofern zunächst, dass die übrigen Angaben der Zeugen zum Kerngeschehen übereinstimmten ohne in irgendeiner Form den Eindruck einer Absprach zu erwecken. Beispielsweise waren sich beide Zeugen in der Hauptverhandlung sicher, dass die Tasche mehrfach ausgekippt worden war, und machten dies unabhängig voneinander daran fest, dass die Zeugin S. mehrfach versucht habe, die in der Tasche befindlichen Gegenstände vom Friedhofsboden wieder aufzusammeln. Ferner sind die unterschiedlichen Angaben der Zeugin S. vor dem Hintergrund erklärbar, dass das Augenmerk eines Zeugen in einer Situation wie der von den Zeugen beschriebenen meist in erster Linie darauf gerichtet ist, die Situation möglichst unbeschadet zu überstehen, und sie auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch deutlich unter dem Eindruck des Geschehens stand. Außerdem gab es keine Belastungstendenzen in den Aussagen der Zeugen S. und G. Abgesehen davon, dass ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, nicht ersichtlich ist, waren die Zeugen erkennbar um wahrheitsgemäße Aussagen bemüht. Insbesondere haben die Zeugen entsprechend von sich aus kenntlich gemacht, wenn sie etwas nicht mehr wussten oder sich nicht mehr sicher waren, und der Zeuge G. differenzierte auch genau zwischen dem, was er selbst wahrgenommen hatte, und dem, was er von der Zeugin S. erfahren hatte. Es besteht nach alledem kein Zweifel daran, dass die beiden Zeugen das von ihnen geschilderte, soweit es in ihr Wissen gestellt ist, zutreffend wahrgenommen und – soweit es ihnen mit den oben dargestellten Einschränkungen noch erinnerlich war – wahrheitsgemäß wiedergegeben haben.

b) Bezüglich der unter Punkt II. Ziff. 2 und 3 dargestellten Taten beruht die Überzeugungsbildung der Kammer maßgeblich auf der glaubhaften Aussage des Zeugen T. Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass bzgl. dieser beiden Taten Aussage gegen Aussage steht, aus diesem Grunde besondere Vorsicht geboten ist sowie sorgfältig geprüft werden muss, welche Darstellung den Vorzug verdient bzw. ob überhaupt eine von ihnen richtig ist und es dazu einer lückenlosen Gesamtwürdigung aller Indizien bedarf, zumal der Angeklagte in einem solchen Fall wenige Verteidigungsmöglichkeiten besitzt.

Deshalb ist das Gericht zunächst von der Annahme ausgegangen, dass die den Angeklagten belastende Aussage des Zeugen T. unwahr sein könnten. In die diesbezüglich angestellten Erwägungen sind sämtliche im konkreten Fall realistisch erscheinenden Möglichkeiten einbezogen worden, die als Erklärung für eine unterstellt unwahre Aussage in Betracht kommen könnten. Insbesondere ist erwogen worden, dass es sich um eine teilweise oder komplette Falschaussage des Zeugen gehandelt haben könnte, da der Zeuge T. in einem Teilaspekt bei der Polizei bewusst unwahr ausgesagt hatte (s. Punkt III. Ziff. 2 lit. b lit. hh).

Zweifel an der Richtigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen T. bestehen jedoch unter Berücksichtigung dieser Hypothesen nicht.

Dass an der Jacke des Zeugen T. ausweislich des entsprechenden Gutachtens des LKA Niedersachsen keine DNA des Angeklagten gefunden wurde, ist dabei aus Sicht der Kammer unerheblich. Die Jacke des Zeugen T. wurde am 09.12.2018 der Polizei ausgehändigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Zeuge T. das unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellte Geschehen allerdings noch gar nicht geschildert (s.u.). Zum einen bezog sich die DNA-Untersuchung durch das LKA Niedersachsen daher auch nicht auf das Innenfutter oder die Taschen, sondern auf den Kragen der Jacke, weil der Zeuge T. bei der Sachverhaltsaufnahme gegenüber dem Zeugen S. angegeben hatte, dass der Angeklagte ihn dort kurz gepackt habe (s.u.). Zum anderen gibt es keinen wissenschaftlichen Erfahrungssatz dahingehend, dass auf Grund eines körperlichen Kontaktes eines Menschen mit einem Gegenstand zwingend nachweisbare DNA auf diesen Gegenstand gelangt sein muss. Dies gilt natürlich erst recht, wenn wie hier nicht mehr aufklärbar ist, ob der Angeklagte möglicherweise angesichts der Jahreszeit Handschuhe trug.

Dass der Zeuge K. gegenüber der Kammer angegeben hat, dass es in seiner Wohnung nie zu einem Vorfall zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen T. gekommen sei und dass er sich an einen Polizeieinsatz am 09.12.2018 überhaupt nicht erinnere, ist demgegenüber zwar ein relevanter Umstand. Schließlich hat der Zeuge T. bekundet, dass der Zeuge K. die unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellte Tat mitbekommen haben muss und auch bei dem unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Geschehen zwar kein Tatzeuge, aber in der Nähe gewesen sei. Die entsprechende Aussage des durch langjährigen Alkohol- und Drogenmissbrauch gezeichneten, polizeilich in dieser Sache nicht vernommenen Zeugen K. war aber so dürftig und inhaltsarm, dass die Kammer sie nicht zu Grunde legen konnte. Sie hatte daher nur Indizcharakter, denn es war nicht möglich, ihren Wahrheitsgehalt – etwa durch eine Aussageanalyse – näher zu eruieren. Folglich ergibt sich erst im Umkehrschluss daraus, dass die Kammer im Wege der Gesamtwürdigung des gesamten Beweisergebnisses der Aussage des Zeugen T. gefolgt ist, dass die hiermit nicht in Einklang zu bringende Aussage des Zeugen K. bzgl. des unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Geschehen der Unwahrheit entsprechen muss.

a) Der Zeuge T. begann seine Aussage in der Hauptverhandlung mit der Schilderung des Geschehens in der Wohnung des Zeugen K.

aa) Er gab an, dass er sich an jenem Tag in der Wohnung des Zeugen K. aufgehalten habe. Das genaue Datum könne er nicht mehr sagen, es sei aber zwei oder drei Tage vor dem zweiten Vorfall gewesen. In der Wohnung des Zeugen K. habe er sich längere Zeit aufgehalten. Der Zeuge T. hat dabei zunächst nicht angeben, was er in der Wohnung gemacht habe, räumte aber später auf Nachfrage ein, dass er dort zusammen mit dem Zeugen K. Drogen konsumiert und er dies aus dem Fenster gesehen habe. Er sei allerdings nicht „vollgedröhnt“ gewesen. Irgendwann am späten Nachmittag sei der Angeklagte erschienen. Er wisse noch, dass der Angeklagte vor dem Eingang gestanden habe. Dazu müsse man sagen, dass es sich bei der Wohnung des Zeugen K. um ein ehemaliges Hotel Apartment handele, dass sich in einem früheren Hotel befinde. Die Wohnung des Zeugen liege im ersten Stock über dem Eingangsbereich. Man habe den Angeklagten von außen rufen hören. Der Angeklagte sei dann in die Wohnung gekommen. Wie er in das Gebäude gekommen sei, könne er nicht mehr mit Sicherheit sagen. Er meine, dass die Haupteingangstür häufig geöffnet sein. In der Wohnung sei es dann zu dem Vorfall gekommen, dass der Angeklagte ihm ein Messer vorgehalten und Drogen von ihm gefordert habe.

Danach befragt wie es zu diesem Geschehen gekommen sei, führte der Angeklagte aus, dass sie zunächst gemeinsam Drogen konsumiert hätten. Es habe sich dabei um den letzten Rest „Crack“ des Angeklagten gehandelt, den dieser mit ihnen zusammen geraucht habe. Die Pfeife dafür habe sich bereits in der Wohnung des Zeugen K. befunden. Der Angeklagte sei dabei zunächst auch sehr nett gewesen. Nachdem die Drogen aufgebraucht gewesen seien, habe der Angeklagte sie nach weiteren Drogen gefragt. Sie hätten dem Angeklagten wahrheitsgemäß mitgeteilt, dass sie selbst über keine Drogen mehr verfügten. Der Angeklagte sei daraufhin sehr wütend geworden; er habe den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte darauf spekuliert habe, durch die Zurverfügungstellung seines letzten Restes seinerseits Drogen zu erhalten. Der Angeklagte habe sich nach seinem Eindruck übervorteilt gefühlt. Der Angeklagte habe umgehend ein kurzes herumliegendes Messer ergriffen und es ihm vor den Oberkörper gehalten. Dabei habe er sinngemäß gesagt: „Gibt das Koks raus, ich weiß das du was hast!“ Er sei währenddessen nicht weit von ihm entfernt gewesen, da die Wohnung des Zeugen K. äußerst klein sei. Der Zeuge K. habe gar nichts gemacht, sondern sei eingeschüchtert sitzengeblieben. Der Angeklagte habe ihn dann aufgefordert, seine Jacke auszuziehen und dabei geäußert, dass er „andere schon für weniger weggestochen habe“. Aus Angst davor, dass der Angeklagte seine Drohung wahrmachen würde, habe er ihn natürlich die Jacke ausgehändigt. Der Angeklagte habe die Jacke dann kurz durchsucht und das Innenfutter unten mit dem Messer aufgetrennt. Dies habe aus seiner Sicht der Hintergrund gehabt, dass es in der Drogenszene – zu der er auch selber gehöre – üblich sei, im Innenfutter der Jacke Drogen zu verstecken, damit diese bei einer Durchsuchung nicht sofort gefunden würden. Da er keine Drogen dabeigehabt habe, habe der Angeklagte jedoch nichts finden können. Ihm sei es dann gelungen, den Angeklagten damit wieder zu beruhigen, dass er ihm versprochen habe, Drogen zu besorgen. Der Angeklagte sei dann wieder „runtergekommen“ und habe ihn – mit der Jacke – gehen lassen. Tatsächlich habe er aber zu keinem Zeitpunkt vorgehabt Drogen zu besorgen, sondern sei sehr froh gewesen, aus der Situation wieder rausgekommen zu sein.

Als ihm daraufhin vorgehalten wurde, dass er bei der Polizei noch davon gesprochen habe, dass der Angeklagte sofort sehr aggressiv in die Wohnung hineingekommen sei und die von ihm nunmehr vorgenommene Schilderung hiermit nicht in Einklang zu bringen sei, gab der Zeuge an, dass dies zutreffe. Er habe den eigenen Drogenkonsum damals bei der Polizei weggelassen, um sich unnötigen Ärger diesbezüglich zu ersparen. Tatsächlich sei so gewesen, wie er es eben geschildert habe.

Auf den Vorhalt, dass der von ihm in Bezug genommene Zeuge K. in der Hauptverhandlung angegeben habe, sich an keinen solchen Vorfall zu erinnern und auf Nachfrage auch ausgeschlossen habe, dass es einen solchen Vorfall in seiner Wohnung gegeben habe, bekundete der Zeuge T., dass er bereits befürchtet habe, das dazu kommen werde. Er habe einige Tage nach dem 2. Vorfall – er wisse nicht mehr wann – mit dem Zeugen K. gesprochen und diese habe ihm damals auch zugesagt, dass er sagen werde, wie es gewesen sei; im Verlauf des Jahres 2019 hätten sie aber auf der Entgiftungsstation E. wiedergetroffen und der Zeuge K. habe ihm dabei eröffnet, dass er alles abstreiten werde, weil er mit der ganzen Sache nichts zu tun haben wolle. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Zeuge T. auf eine spätere Nachfrage am Ende seiner Vernehmung angab, dass er eigentlich selbst nicht kommen wollte und auch bei einem früheren Hauptverhandlungstermin ausgeblieben sei, da er Angst vor dem Angeklagten habe. Verschiedene Personen aus der L. Drogenszene hätten ihn eindringlich vor dem Angeklagten und vor Konsequenzen gewarnt. Zwar seien das keine expliziten Drohungen gewesen, dass ihm etwas Bestimmtes passiere, wenn er aussage; aber er habe es aufgrund des „Rufs“ des Angeklagten trotzdem für ernst genommen.

bb) Betreffend des Geschehens „Unter den E.“ bekundete der Zeuge T., dass er sich gegen kurz vor 17:00 Uhr zu der Adresse begeben habe und dann direkt vor dem Haus Nummer X, eine Mehrparteienhaus, einen Pulk von Menschen gesehen habe. Dazu müsse er sagen, dass es sich bei der Adresse um einen bekannten Drogenverkaufsplatz handele. Er habe den Angeklagten in der Menschenmenge gesehen, dieser sei dann auf ihn zugekommen und habe ihn aufgefordert stehenzubleiben, was er auch gemacht habe. Er habe gleich gewusst, dass es wegen des vorangegangenen Geschehens in der Wohnung des Zeugen K. nun Ärger geben werde. Der Zeuge K. sei im Übrigen auch vor Ort gewesen, er könne aber nicht sagen, ob er etwas mitbekommen habe. Er habe sich dem ganzen aber stellen wollen, da er nicht als „Dulli“ gelten und verhindern wollte, dass der Angeklagte ihn zukünftig immer wieder als leichtes Opfer betrachten würde. Damit, dass der Angeklagte ein Messer bei sich haben könnte, habe er aber nicht gerechnet. Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, ihn um die Hausecke in den Hinterhof zu begleiten. Er sei dem nachgekommen, auch wenn er schon damit gerechnet habe, dass es Ärger geben könne und gegebenenfalls sogar zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen werde. Der Angeklagte habe dann jedoch gleich ein großes Messer gezogen. Dieses habe er in einer Art Halfter vor der Brust getragen. Es habe sich definitiv um ein anderes Messer gehandelt, als das, mit dem ihm der Angeklagte in der Wohnung des Zeugen K. bedroht habe. Das Messer habe eine feststehende Klinge gehabt, die sicher 13 bis 20cm lang gewesen sei. Genauer beschreiben könne er das Messer aber nicht, zumal die Beleuchtungssituation wegen der anbrechenden Dunkelheit im Hinterhof schlecht gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass er bei der Sachverhaltsaufnahme gegenüber dem Zeugen PK S. ausgeführt habe, dass der Angeklagte ihn zunächst gepackt habe, gab der Zeuge an, dass dies durchaus sein könne, er dies aber nicht mehr mit Gewissheit bekunden könne. Eine entsprechende Erinnerung dahingehend habe er nicht. Auf den Vorhalt, dass dies grundsätzlich ein Geschehen sei, das üblicherweise in der Erinnerung verhaftet bleibe, gab der Zeuge an, dass er in der Hartdrogenszene auch nach diesem Ereignis mit dem Angeklagten vieles erlebt habe; hinzutrete, dass er regelmäßig Benzodiazepine zu sich nehme und daher teilweise Erinnerungsschwierigkeiten habe.

Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, ihm sein Geld auszuhändigen. Er wisse noch, dass er versucht habe dem Angeklagten stattdessen sein Handy zu geben. Auf den Vorhalt, dass er dies bei der Polizei nicht angegeben habe, gab der Zeuge an, dass es aber so gewesen sei und es nur so schildern könne, wie er sich jetzt erinnere. Warum er dies bei der Polizei nicht erwähnt habe, wisse er nicht; wahrscheinlich habe einfach nicht daran gedacht. Auf die sich anschließende Nachfrage, wieso er sein Handy angeboten habe, wenn nicht danach gefragt worden sei, bekundete der Zeuge, dass er verstehe, dass es im ersten Moment ungewöhnlich erscheine, ohne Not sein Handy wegzugeben. Es habe sich um ein älteres Smartphone gehandelt. Zwar sei es immer noch mehr wert gewesen, als das Geld, dass er bei sich geführt habe; er habe aber trotzdem lieber im Besitz des Geldes bleiben wollen, da dieses im Gegensatz zu dem Handy direkt in Drogen umgesetzt werden könne. Der Angeklagte habe aber darauf bestanden, dass er ihm sein Geld übergebe. Er habe das dann auch aus Angst vor dem Einsatz des Messers gemacht. Explizit gesagt, dass er ihn sonst „abstechen“ werde, habe der Angeklagte aber nicht. Er habe das Messer ihm auch nicht direkt vor die Brust gehalten, sondern leicht wippend in der Hand. Aufgrund der Situation habe es eines Aussprechens der Drohung allerdings auch nicht bedurft. Der Angeklagte habe ihn nach Erhalt des Geldes – er meine, es seien 10,- EUR gewesen – gehen lassen.

Auf den Vorhalt, dass er bei seiner polizeilichen Vernehmung im Februar 2019 noch angegeben habe, dass der Angeklagte nach dem Erhalt der ersten 10,- EUR noch sein weiteres Geld haben wollte, nämlich weitere 15,- EUR und er diese ausgehändigt habe, gab der Zeuge an, dass dies gut sein könne, er könne sich aber nicht mehr daran erinnern. Bei der Polizei habe er die Wahrheit gesagt. Die Kammer hat daher die entsprechende Aussagepassage verlesen und – insoweit muss an dieser Stelle vorgegriffen werden – sich aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände davon überzeugt, dass seine diesbezüglichen früheren Angaben bei der Polizei zutreffen. Neben der Gesamtglaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen T. spricht dafür auch, dass er schon bei der Sachverhaltsaufnahme ausweislich der Aussage des Zeugen PK S. von 25,- EUR gesprochen hatte, die er dem Angeklagten in zwei Schritten geben musste (s.u.) und dass er dabei auch die Stückelung der Scheine genannt hatte.

Der Zeuge T. bekundete weiter, dass er dann mit sich gerungen habe, was er tun könne. Eigentlich habe er nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollen; er habe aber in der Situation keine andere Wahl gesehen. Es könne sein, dass er zunächst versucht habe, mit seinem Handy die Polizei zu verständigen, genau wisse er das allerdings nicht mehr. Er sei jedenfalls zu einem nahegelegenen Fitnessstudio gegangen und habe von dort aus die Polizei verständigt. Diese sei auch relativ zeitnah eingetroffen. Er habe sich dann mit in den Streifenwagen gesetzt und sie seien zu der Adresse „Unter den E.“ gefahren. Dort habe er zunächst gemeint, den Angeklagten wieder zu erkennen und es sei daraufhin auch von dem Polizeibeamten die entsprechende Person zu Boden gebracht worden; es habe sich aber dann direkt herausgestellt, dass dies gar nicht der Angeklagte gewesen sei. Dieser sei nicht mehr vor Ort gewesen. Die beschädigte Jacke habe er dann der Polizei überlassen. Warum nicht hier in diesem Moment nicht schon von dem ersten Vorfall berichtet hatte, vermochte er nicht zu mehr sicher zu sagen.

Danach befragt, ob er Angaben zu möglichen Einschränkungen des Angeklagten machen könne, gab der Zeuge an, dass ihm dies heute nicht mehr möglich sei. Auf den Vorhalt, dass er bei der Polizei angegeben hatte, dass er bezüglich des Vorfalls in der Wohnung des Zeugen K. von einer möglichen Kokainbeeinflussung des Angeklagten gesprochen habe, gab an, dass dies dann so stimmen werde, er könne aber beim besten Wissen nicht mehr sagen, was er damals damit gemeint habe. Er wisse insofern nur noch, dass er das Verhalten des Angeklagten in der Wohnung als aggressiver empfunden habe und auch für Szene-Verhältnisse krass. Er sei schon seit Jahren in der Szene unterwegs und es sei das erste Mal gewesen, dass jemand versucht habe ihn mit einem Messer abzuziehen. Dass jemand bereit sei, für wenige Gramm Koks bzw. einen kleinen Geldbetrag so eine Tat zu verüben, könne er nicht nachvollziehen. Er habe sein Augenmerk zudem vor allem darauf gerichtet, die jeweilige Situation unbeschadet zu überstehen.

b) Maßgeblich dafür, dass die Kammer dieser Aussage folgt, war eine Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen T. sprechenden Umstände.

aa) Zu berücksichtigen war zunächst die Entstehungsgeschichte der Aussage.

(1) Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen PK S. folgt insofern, dass am 09.12.2018 gegen 17:15 Uhr bei der Leitstelle ein Notruf des Zeugen T. eingegangen war, wonach dieser soeben von dem Angeklagten mit einem Messer ausgeraubt worden sei. Der Angeklagte habe 25,- EUR erbeutet. Der Zeuge S. bekundete, dass er und seine Kollegin den Zeugen T. daraufhin bei einem Fitnessstudio in der Nähe des mutmaßlichen Tatortes aufgesucht und sich mit ihm zusammen im Streifenwagen zur angegebenen Adresse „Unter den E.“ begeben hätten. Der Zeuge habe eine Person vermeintlich als den Angeklagten identifiziert, es habe sich aber nach dem Anhalten und dem Stellen der Person herausgestellt, dass es jemand anderes gewesen sei, was der Zeugen T. auch gleich gesagt habe. Der Zeuge T. habe sodann nach Belehrung angegeben, dass er die Straße „Unter den E.“ in Richtung „Kleine A.“ hochgelaufen sei, wo er in Höhe der Hausnummer X den Zeugen K. getroffen habe. Kurz darauf sei der Angeklagte zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihm hinter das Gebäude zu kommen. Er sei dem nachgekommen. Hinter der Örtlichkeit habe der Angeklagte ihn in eine Ecke hineingedrückt, am Kragen seiner Jacke gepackt und ein Messer unter seiner Kleidung hervorgezogen. Das Messer habe sich in Bauchhöhe befunden. Der Angeklagte habe ihn dann aufgefordert, Bargeld herauszugeben, woraufhin der Zeuge dem Angeklagten 10,- EUR gegeben haben will in der Hoffnung, dass dieser dann von ihm ablassen würde. Der Angeklagte habe aber weiteres Bargeld vom Zeugen gefordert, sodass dieser weitere 15,- EUR ausgehändigt habe. Der Zeuge T. habe dabei das Messer als Küchenmesser mit ca. 30 cm Klingenlänge und vorne spitz zulaufend beschrieben. Auch die Kleidung des Täters habe er beschrieben sowie die Stückelung des Bargeldes.

(2) Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen KOK H. folgt sodann, dass der Zeuge am 12.02.2019 ausführlich polizeilich zu dem Vorfall vernommen wurde. Nach den Angaben des Zeugen KOK H. schilderte der Zeuge T. dabei zunächst die Vorgeschichte der Tat vom 09.12.2018, d.h. das letztlich hier unter Punkt II. Ziff. 2 festgestellte Geschehen.

Demnach habe er zwei oder drei Tage vor dem 09.12.2018 in der Wohnung des Zeugen K. aufgehalten. Plötzlich habe es an der Tür geklopft und eine Person habe gerufen, dass der Zeuge K. die Tür öffnen solle. Dies habe dieser auch getan. Der Angeklagte sei in die Wohnung gekommen. Er sei äußerst aggressiv gewesen. Er habe ihn sofort angesprochen, ob er Kokain dabei habe. Dies habe er verneint. Der Angeklagte habe ihm das nicht geglaubt, ihm ein Messer vorgehalten und von ihm verlangt, dass er ihm Kokain herausgeben. Er habe ihm erneut gesagt, dass er nichts dabei habe. Der Angeklagte habe seine Jacke genommen und das Innenfutter aufgeschnitten, da er davon ausgegangen sei, dass sich hierin ein Versteck für Kokain befinde. Tatsächlich sei aber kein Kokain der Jacke gewesen. Der Angeklagte habe sich auf seinen Vorschlag eingelassen, dass er ihm Kokain besorge, weshalb er, d. h. der Zeuge, die Wohnung verlassen konnte. Der Angeklagte habe ihn noch aufgefordert, dass er ja wiederkommen solle, was er aber nicht getan habe, da er den Vorschlag, Kokain zu besorgen, nur unterbreitet habe, um die Situation verlassen zu können.

Am 09.12.2018 gegen 17:15 Uhr sei er dann unter der Adresse „Unter den E.“ erneut auf den Angeklagten getroffen. Der Angeklagte habe ihn angesprochen und ihm direkt vorgeworfen, bei dem früheren Ereignis nicht zurückgekommen zu sein. Er habe ihn aufgefordert, mit ihm hinter das Objekt „Unter den E.“ zu einem Parkplatz zu kommen. Er sei mitgegangen und habe sich schon denken können, was der Angeklagte von ihm gewollt habe, auch wenn er nicht davon ausgegangen sei, dass er wieder so aggressiv sein würde. Auf dem Parkplatz habe der Angeklagte sofort wieder ein Messer gezogen. Es habe sich um ein längeres Messer gehandelt. Dieses habe er mit der rechten Hand aus einer Art Halfter gezogen, es habe irgendwie zwischen Bauch- und Brusthöhe gesteckt. Das Halfter habe der Angeklagte diagonal von der Schulter in Richtung Hüfte über dem Bauchbereich geschnallt gehabt. Die sei bereits dunkel gewesen, sodass die richtige Sicht eingeschränkt gewesen sei. Die Klingenlänge habe aber etwa 20 cm betragen. Er sei sich sicher dass es sich um ein feststehende Klinge gehandelt habe. Er habe fast den Eindruck gehabt, dass es eine kleine Machete gewesen sei. Er habe sich definitiv bedroht gefühlt. Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, ihm Geld zu geben. Die genaue Wortwahl wisse er nicht mehr. Es habe dazu geführt, dass er zunächst versucht habe, dem Angeklagten 10,- EUR zu geben. Diese habe der Angeklagte dann auch an sich genommen. Allerdings habe ihm Angeklagten dies nicht gereicht und er habe weiteres Geld von ihm gefordert. Sinngemäß habe der Angeklagte gefragt, ob er ihn „verarschen“ wolle. Daraufhin habe er ihm weitere 15,- EUR gegeben und sie seien auseinandergegangen. Mit dem Messer habe der Angeklagte nicht „herumgefuchtelt“, sondern es lediglich ihm leicht vorgehalten. Er sei dann wieder zur Straße zurückgegangen und habe eigentlich die Polizei mit dem Handy anrufen wollen, aber feststellen müssen, dass sein Akku leer gewesen sei. Deshalb sei er zu einem Fitnessstudio in der Nähe gegangen und habe von dort aus die Polizei informiert, die auch kurze Zeit später eingetroffen sei. Zusammen seien sie dann zurück zum Tatort gefahren, wo sie in einiger Entfernung eine Personengruppe hätten feststellen können. Kur sei er der Meinung gewesen, den Angeklagten wiedererkannt zu haben, was er den beiden Polizeibeamten auch gesagt habe. Diese hätten daraufhin die entsprechende Person ergreifen können. Er habe aber sofort gemerkt, dass sich bei dieser Person nicht um den Angeklagten gehandelt habe. Das habe er auch gleich mitgeteilt, weshalb die beiden Polizeibeamten die Person auch sofort wieder laufen ließen.

Im späteren Verlauf der Vernehmung hatte der Zeuge T. noch ausgeführt, dass er den Eindruck gehabt habe, dass der Angeklagte seinem Eindruck nach unter Kokaineinfluss gestanden habe und man in der Szene gehört habe, dass der Angeklagte in der letzten Zeit „vollkommen abgedreht“ sei. Das Messer, dass der Angeklagte bei sich gehabt habe, sei ein ganz anderes Messer gewesen, als das, dass er in der Wohnung verwendet habe. Seinem Eindruck nach habe es bei dem ersten Vorfall keinerlei Einschränkungen des Angeklagten gegeben.

Aus alledem folgt, dass die Mitteilung der inkriminierten Sachverhalte direkt im Nachgang zu einem Notruf und dann im Wege der Zeugenvernehmung erfolgte. Es handelt sich also nicht um eine belastende Aussage, die im Rahmen einer eigenen Beschuldigtenvernehmung oder gar im Hinblick auf § 31 BtmG getätigt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29.4.2003 - 1 StR 88/03).

Die Tatsache, dass der Zeuge erst nach dem zweiten Vorfall Anzeige erstattet hat, spricht dabei nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Das kommt in Fällen aus der Betäubungsmittelszene erfahrungsgemäß öfter vor, weil den Opfern die Sache peinlich ist, sie hin- und hergerissen sind und sie sich erst zu einer Anzeige durchringen müssen, weil sie an sich versuchen, Kontakt mit der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden. Dass es ihm hier so ging, hat der Zeuge T. in der Hauptverhandlung eindrücklich beschrieben.

bb) Die gerichtliche Aussage des Zeugen T. wies – trotz der teilweisen Erinnerungsunsicherheiten – insgesamt eine hohe Qualität auf.

Der Zeuge schilderte das Geschehen lebhaft und authentisch. Er bekundete zahlreiche, teils auch ungewöhnliche Details zum Kerngeschehen, wie z.B. dass er dem Angeklagten bei der zweiten Tat sein eigentlich höherwertiges Handy anbieten wollte, aber auch eine Vielzahl nebensächlicher Details. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bewusst lügende Person derartige für den Belastungszweck irrelevante Tatsachen bzw. Umstände schildern würde, ist gering, weil es eine schwierige Aufgabe mit hohen Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit darstellt, eine Aussage über ein komplexes Geschehen ohne eigene Wahrnehmungsgrundlage zu erfinden und zudem über längere Zeiträume aufrecht zu erhalten. Ein böswilliger Zeuge würde sich eher einen einfacheren Sachverhalt ohne so viele Einzelheiten ausdenken.

Dass die Zeuge sich an einzelne Umstände wie die Übergabe des Geldes in zwei Schritten (s.o.) nicht mehr erinnern konnte, spricht nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Dies lässt sich ohne weiteres durch ein Nacherschließen und damit erklären, dass Gedächtnisinhalte nicht immer vollständig zu jeder beliebigen Zeit abrufbar sind und dass in einer bedrohlichen Situation die Aufmerksamkeit eines Betroffenen primär auf das befürchtete Ereignis, nicht aber auf Begleiterscheinungen gerichtet ist. Derartige Erinnerungslücken oder Verschiebungen kleinerer Art, geringfügige Widersprüche oder geringfügige Veränderungen in den Aussagen sowie Erweiterungen zum Randgeschehen, die nicht das Kerngeschehen betreffen, gibt es nicht selten in Aussagen, die nicht gut einstudiert sind. Derartige Erinnerungsungewissheiten sind im Übrigen nicht selten in wahren Aussagen zu finden. Fantasie und Lügengeschichten werden im Gegensatz dazu eher homogen sowie schlüssig erdacht und erlernt. Hinzu tritt, dass die Erwägungen des Zeugen T., dass seine teilweisen Erinnerungsschwierigkeiten möglicherweise auf Grund des Konsums von Benzodiazepinen eingetreten seien, durchaus plausibel ist. Es ist nämlich gerichtsbekannt und wurde im Übrigen auf Nachfrage auch noch einmal von dem Sachverständigen Dr. H. bestätigt, dass der Konsum von Benzodiazepinen u.a. zu rückwirkenden Gedächtnisschwierigkeiten führen kann. Der Zeuge hat sich nach dem Eindruck der Kammer aber keineswegs hinter dem Konsum „versteckt“, sondern war ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht.

cc) Die Aussage war darüber hinaus in sich stimmig und frei von sprachlichen oder inhaltlichen Strukturbrüchen. Die Bekundungen des Zeugen ergeben von Anfang bis zum Ende ein hochgradig plausibles Gesamtgeschehen. In seiner Aussage durchbrach der Zeuge T. zudem wiederholt die äußere Handlungschronologie, um nebensächliche Details zu schildern und kehrte dann wieder zum Bericht über das eigentliche Tatgeschehen zurück. Es war ihm auf Nachfragen auch jederzeit möglich, zwischen den beiden Tatkomplexen zu springen.

dd) Ein weiteres belegkräftiges Indiz für die Erlebnisbasiertheit sind die bereits erwähnten eigenpsychischen Wahrnehmungen, d.h. die eigenen Gedanken im Zusammenhang mit den geschilderten Geschehen und der Anzeigeerstattung.

ee) Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat der Zeuge nicht und ein nachvollziehbarer, plausibler Grund, weshalb er ohne konkreten Anlass Erlebnisse wie die von ihm beschriebenen, erfinden bzw. simulieren sollte, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil war es vielmehr so, dass der Zeuge T., der sich der Kammer in keiner Weise angedient hat, sichtlich Angst vor dem Angeklagten bzw. vor Repressalien aus dessen Umfeld hatte. Der Zeuge T. und der Angeklagten standen vor den Taten auch in keinem näheren Kontakt zueinander, sondern kannten sich nur aus der „Szene“.

ff) Die Zeuge T. vermied vielmehr Schlussfolgerungen und Wertungen jeder Art und verbesserte sich mehrfach. Bei seiner Aussage nahm er eine durchaus selbst- und erinnerungskritische Haltung ein. Im Gegensatz zu einem falsch aussagenden Zeugen, der eher bestrebt ist, sich keine Blöße in Form spontan eingestandener Erinnerungslücken zu geben, brachte er jeweils zum Ausdruck, wenn er etwas nicht mehr genau wusste. Was falsche Beschuldigungen üblicher Weise kennzeichnet, nämlich die typische Überbetonung der belastenden Teile, fehlt zudem in seiner Aussage. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass er angab, dass der Angeklagte das Messer bei der unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Tat nur leicht wippend in der Hand gehalten habe und dabei auch keine Drohungen ausgesprochen habe.

gg) Im Übrigen waren die Angaben des Zeugen T. – wie ein Abgleich der verschiedenen Aussagen ergibt – mit den dargestellten Einschränkungen im Wesentlichen konstant.

hh) Es gibt allerdings eine sehr gewichtige Ausnahme, denn der Zeuge hat erwiesenermaßen in einem das Kerngeschehen betreffenden Punkt objektiv unrichtige Angaben gemacht. Der Zeuge T. hat insofern nämlich – wie dargestellt – bzgl. des unter Punkt II. Ziff. 2 wiedergegebenen Geschehens bei der Polizei von einem von Anfang an aggressiven Auftauchen des Angeklagten in der Wohnung des Zeugen K. gesprochen. In der Hauptverhandlung hat er den Beginn des Geschehens gänzlich anders dargestellt (s.o.). Die in der Hauptverhandlung vorgenommene Schilderung ist dabei wesentlich plausibler, sodass für die Kammer außer Frage steht, dass der Angeklagte in diesem Punkt bei der Polizei bewusst die Unwahrheit gesagt hat.

Daraus den Schluss zu ziehen, dass der Zeuge deshalb insgesamt unglaubwürdig ist bzw. deshalb auch seine übrigen den Angeklagten belastenden Angaben nicht glaubhaft sind und insbesondere die auf das erste Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen nicht zutreffen, erachtet das Gericht auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme aber für falsch. Maßgebend für diese Wertung ist neben der allgemeinen Erkenntnis, dass kein Mensch immer und jeder Mensch manchmal lügt, dass es für die unwahre Aussage eine plausible Erklärung gibt – nämlich die, sich durch Abändern des selbstbelastenden Teils unliebsamen Nachfragen und einer etwaigen Strafverfolgung zu entziehen.

Gleichwohl ist der Kammer bewusst gewesen, dass der Tatrichter in einer solchen Situation außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen muss, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage dennoch zu glauben (BGH, Urt. v. 29.7.1998 - 1 StR 94/98). Auch wenn die vorgenannten für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen T. sprechenden Aspekte aus Sicht der Kammer ein äußerst hohes Gewicht haben und die Aussage des Zeugen T. gerade durch die Offenlegung seiner früheren Falschangaben ein in sich stimmiges und hochgradig plausibles Gesamtgeschehen ergeben hat, hätte sich die Kammer nicht von der Richtigkeit seiner Aussage überzeugen können, wenn nicht auch objektive Anhaltspunkte hierfür vorliegen würden. Die Kammer hat dabei im Wege einer Gesamtwürdigung aller objektiven Indizien insbesondere folgendes bedacht:

(1) Der mehrfach wegen Gewalt- und Vermögensdelikten in Erscheinung getretene Angeklagte hat kurz vor den durch den Zeugen T. beschriebenen Geschehnissen die unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellte Tat begangen, also eine weitere versuchten besonders schwere räuberische Erpressung im Stadtgebiet von L.

(2) Der Angeklagte hat gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. zu den angeklagten Tatvorwürfen zwar keine näheren Angaben gemacht, aber pauschal gesagt, dass das „Ganze unter Drogeneinfluss passiert sei“.

(3) Der Zeuge T. hat am 09.12.2018 nachweislich einen Notruf abgesetzt und ist fast unmittelbar im Anschluss mit der Polizei direkt zum von ihm angegebenen Tatort gefahren. Noch am selben Tag hat er seine Jacle der Polizei ausgehändigt, die daraufhin die Untersuchung des Kragens auf DNA-Spuren veranlasst hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Zeuge T. das unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellte Geschehen noch gar nicht geschildert (s.o.). Wenn seine Angaben bzgl. der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat der Unwahrheit entsprechen würden, hätte er sich also entweder schon zu diesem oder zu einem späteren Zeitpunkt überlegen müssen, die beschädigte Jacke für eine weitere Falschbelastung des Angeklagten zu nutzen – das scheint äußerst fernliegend.

Diesen objektiven Umständen kommt in ihrer Gesamtheit ein solches Gewicht zu, dass die Kammer der Aussage des Zeugen T. trotz der erwiesenen Teil-Falschangabe bei der Polizei, der Behauptung des Zeugen K., dass es das unter Punkt II. dargestellte Geschehen nicht gegeben habe, sowie der teilweisen Erinnerungsunsicherheiten vor dem Hintergrund ihres sonstigen Inhalts, ihres Zustandekommens, der Aussagequalität, der fehlenden Belastungstendenz, den weiteren bereits aufgeführten Aspekten sowie dem von dem Zeugen T. gewonnenen Eindruck gefolgt ist. Durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage lagen damit auch unter Berücksichtigung der dargestellten Besonderheiten des Falles nicht vor (vgl. BGH Beschl. v. 2.6.2016 – 3 StR 85/16).

IV.

Die unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellte Tat stellt sich als versuchte schwere räuberische Erpressung dar, die unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellte Tat als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln und die unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellte Tat als besonders schwere räuberische Erpressung. Ein Rücktritt vom Versuch schied dabei jeweils aus, denn bei der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aus autonomen Motiven von der weiteren Tatausführung Abstand genommen haben könnte, und bei der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat steht der Fehlschlag des Versuchs positiv fest.

Die drei Delikte stehen zueinander in Realkonkurrenz.

Der Angeklagte hat sich mithin der versuchte schwere räuberische Erpressung in Tatmehrheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig gemacht, §§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BtmG, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 22, 23, 52, 53 StGB.

V.

Die Strafe ist für die unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellte Tat dem ungemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB und für die unter Punkt II. Ziff. 2 und 3 dargestellten Taten jeweils dem ungemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen.

1. Maßgeblich hierfür war zunächst, dass ein minderschwerer Fall nach den allgemeinen Strafzumessungsgründen nur bei der unter Punkt II. 3 dargestellten Tat angenommen werden konnte.

 a) Ein minderschwerer Fall liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei Gesamtbetrachtung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 29, 319, 321). Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind nicht nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die der Tat vorausgehen oder sie begleiten, sondern auch diejenigen, die ihr nachfolgen (vgl. BGH, NJW 1988, 2749). Entscheidend ist, dass der Fall, nicht die Tat insgesamt minderschwer wiegt (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 1108).
Bei der Bewertung der Tatmodalitäten hat die Kammer zunächst zu Gunsten des Angeklagten bedacht, dass jeweils keine körperlichen Schäden eingetreten sind. Die psychischen Folgen für die Opfer weichen hingegen vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht signifikant nach oben oder unter ab, sondern halten sich im Rahmen des bereits vom jeweiligen Tatbestand umfassten Unrechts und wirken daher weder strafschärfend, noch strafmildernd. Bei der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat wirkte sich allerdings strafschärfend aus, dass es sich um ein längeres Geschehen handelte.
Bei allen drei Taten war sodann zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die erstrebte Beute jeweils nur gering war und dass der Angeklagte die Taten auf Grund seiner Drogenabhängigkeit begangen hat. Bei den unter Punkt II. Ziff. 2 und 3 dargestellten Taten ist ferner von einer drogenbedingten Enthemmung auszugehen (s.u.).
Gegen den Angeklagten sprach aber jeweils, dass er mehrfach wegen Gewalt- und Vermögensdelikten vorbestraft ist. Besonders schwer wiegt in dem Zusammenhang, dass der Angeklagte während der hiesigen Taten unter laufender Bewährung stand. Tatbezogen tritt bei der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat strafschärfend hinzu, dass hier zwei Delikte mit unterschiedlicher Schutzrichtung tateinheitlich verwirklicht wurden, wobei wiederum strafmildernd zu berücksichtigen ist, dass die Gefahr der Vollendung mangels vorhandener Betäubungsmittel objektiv nicht bestand.
Bei der unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Tat wirkt dagegen strafmildernd, dass sich der Zeuge T. sehenden Auges in eine Situation hineinbegeben hat, in der er mit einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten rechnete – auch wenn er nicht davon ausging, dass der Angeklagte ein Messer ziehen würde. Die unter Punkt II. Ziff. 2 und 3 dargestellten Tat sind zudem als Spontantaten einzustufen.
Insgesamt war nach den allgemeinen Strafzumessungsgründen aus Sicht der Kammer nach alledem nur bei der unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Tat eine Strafrahmenverschiebung auf § 250 Abs. 3 StGB angezeigt.
b) Bzgl. der unter Punkt II. 1 dargestellten Tat ändert sich an der Einschätzung, dass kein minderschwerer Fall vorliegt, auch dann nichts, wenn man zusätzlich zu den allgemeinen Strafzumessungsgründen berücksichtigt, dass das Unrecht der Tat dadurch verringert ist, dass diese im Versuchsstadium steckengeblieben ist.
Die Kammer hat dabei zunächst geprüft, ob eine Strafmilderung wegen des vertypten Milderungsgrunds überhaupt in Betracht kommt (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 934). Dies war aufgrund einer erneuten Gesamtwürdigung der Tatumstände im weitesten Sinne, wobei den versuchsbezogenen Umständen – insbesondere der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der angewandten kriminellen Energie – besonderes Gewicht zugemessen wurde (BGH NSTZ-RR 2014, 136; BGH NSTZ-RR 2014 239; BGH NStZ 2015, 101 [BGH 04.09.2014 - 1 StR 314/14]), sowie der Persönlichkeit des Täters zu verneinen. Die kriminelle Energie des Angeklagten, der gezielt wartete, bis er mit der Zeugin alleine war, war nämlich beträchtlich und – auch wenn nicht festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte das Geld an sich nahm oder es samt Portmonee auf dem Friedhof liegen blieb – setzte er jedenfalls die Ursache dafür, dass bei der Geschädigten ein entsprechender Schaden in Höhe des erstrebten Geldbetrages eintrat. Unter Berücksichtigung der übrigen obigen Ausführungen, die hier entsprechend gelten, schied eine Strafmilderung daher aus.
Der Umstand, dass die Tat nicht über das Versuchsstadium hinausgegangen ist, kann hier daher weder zur Annahme eines minderschweren Falles, noch zu der gemäß § 23 Abs. 2 StGB möglichen Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB führen.

c) Anders liegt es bei der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat. Ein minderschwerer Fall liegt hier vor, wenn man zusätzlich zu den allgemeinen Strafzumessungsgründen bedenkt, dass das Unrecht der Tat durch das Steckenbleiben im Versuchsstadium gemindert ist.

Die Kammer hat insofern in einem ersten Schritt zunächst geprüft, ob eine Strafmilderung wegen des vertypten Milderungsgrunds überhaupt in Betracht kommt. Im Gegensatz zu der unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellten Tat ist sie dabei aufgrund einer erneuten Gesamtwürdigung der Tatumstände im weitesten Sinne sowie seiner Persönlichkeit zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Angeklagten diese Möglichkeit nicht versagt werden darf, wobei auch hier den versuchsbezogenen Umständen – also insbesondere der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der angewandten kriminellen Energie – besonderes Gewicht zugemessen wurde. Auf die obigen Ausführungen, die hier entsprechend gelten, wird in diesem Zusammenhang abermals verwiesen. Auch unter Berücksichtigung der strafschärfenden Umstände des Falles war bei der Ermessensentscheidung letztlich ausschlaggebend, dass es sich um eine spontane Tat handelte, bei der objektiv nicht die Gefahr einer Vollendung bestand, weil keine Beute vorhanden war.

 In einem zweiten Schritt ist die Kammer in dem Bewusstsein, dass anstelle der Annahme eines minderschweren Falles durch Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes auch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen war und dass keine Verpflichtung bestand, von mehreren möglichen den für den Angeklagten jeweils günstigeren Strafrahmen anzuwenden (BGH, Beschluss vom 4.6.2015 – 5 StR 201/15; BGH, Urteil vom 7.2.2018 – 5 StR 584/17), nach einer weiteren Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das Zusammentreffen der allgemeinen Strafzumessungsgründe und des vertypten Strafmilderungsgrundes der Fall in so erheblichem Maße vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Grundstrafrahmens unangemessen erscheinen und auch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB wegen des daraus resultierenden Strafrahmens nicht ausreichen würde.
d) Weitere vertypte Strafmilderungsgründe, die ggf. zu einer (weiteren) Strafrahmenverschiebung führen könnten, liegen in keinem der drei Fälle vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 21 StGB jeweils nicht erfüllt.

Bzgl. des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB hat sich die Kammer durch den Sachverständigen Dr. H. beraten lassen und ist nach eigenständiger Überprüfung des Gutachtens auf Grund eigener Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass zum Zeitpunkt des Tatgeschehens die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der begangenen Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, jeweils weder aufgehoben noch erheblich vermindert gewesen ist.

Der Sachverständige führte insofern aus, dass bei dem Angeklagten eindeutig eine schwere Abhängigkeitserkrankung vorliege, die das Eingangskriterium der krankhaft seelischen Störung erfülle. Sie habe dazu geführt, dass der Angeklagte unter dem ständigen Druck gestanden habe, sich Betäubungsmittel zu beschaffen. Auf die Einsichtsfähigkeit habe die Drogensucht keinen Einfluss. Vorstellbar sei allenfalls, dass der nicht persönlichkeitsdepravierte Angeklagte bei der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat akut intoxikiert gewesen sei oder aus Angst vor späteren Entzugserscheinungen gehandelt habe, denn insofern sei von einem vorangegangen „Crack“-Konsum auszugehen und der Zeuge T. habe – was zutrifft – sinngemäß geschildert, dass der Angeklagte auf das Kokain „scharf“ gewesen sei und dass seine Stimmung schlagartig umgeschlagen sei, als ihm mitgeteilt worden sei, dass er nichts bekommen könne. Völlig ausschließen könne er eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei dieser Tat daher nicht.

Bzgl. der unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Tat habe der Zeuge T. hingegen – was ebenfalls zutrifft – in seiner polizeilichen Aussage zwar davon gesprochen, dass der Angeklagte offenbar unter Kokaineinfluss gestanden habe. Da der Zeuge T. dies aber seinerzeit nicht näher ausgeführt habe und er sich an diesen Umstand in seiner gerichtlichen Vernehmung auch auf Vorhalt nicht mehr erinnerte, gebe es bei dieser Tat keine objektiven Umstände, an denen man eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit auf Grund akuter Intoxikation festmachen könne. Das gelte im Übrigen auch für die unter Punkt II. Ziff. 1 dargestellte Tat, bei der überhaupt keine Hinweise auf eine irgendwie geartete Einschränkung bestünden.

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen des Sachverständigen weitestgehend an. Die Kammer schließt dabei allerdings auch für die unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellte Tat aus, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vorgelegen hat.

Zu berücksichtigen ist insofern, wie auch bei der Bewertung der übrigen Ausführungen des Sachverständigen, dass die Abhängigkeit von Alkohol oder Betäubungsmitteln nach der ständigen Rechtsprechung des BGH für sich genommen noch keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit begründen kann. Diese Folge ist auch bei einem Rauschgiftsüchtigen ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn entweder langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, das Delikt in einem aktuellen Rauschzustand verübt worden ist, der Täter unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat und durch diese dazu getrieben worden ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen oder infolge der Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er früher schon einmal als äußerst unangenehm erlebt hat, was insbesondere bei Heroin-, Kokain-, aber auch Amphetaminabhängigkeit in Betracht kommen kann, seine Hemmschwelle davor herabgesetzt ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen. Ein konkreter Entzug und eine Persönlichkeitsdepravation, die über die gewöhnlichen Folgen langjährigen Drogenmissbrauchs hinausgeht, scheiden hier von vorneherein aus.

Zu bedenken ist sodann, dass es – wie auch der Sachverständige auf Nachfrage einräumte – in keinem der drei Fälle eine beobachtbare Einschränkung des Leistungsverhaltens des betäubungsmittelgewohnten Angeklagten gab. Die Zeugen S., G. und T. haben zudem jeweils trotz konkreter Nachfragen auch keinerlei Auffälligkeiten im Hinblick auf Aussprache, Gestik oder Mimik oder das sonstige Verhalten des Angeklagten geschildert. Der bloße Umstand, dass vor der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat ein Konsum von Crack stattgefunden hat und ein Stimmungsumschwung stattfand, rechtfertigt vor dem Hintergrund des festgestellten Verhaltens des Angeklagten ohne das Hinzutreten weiterer Umstände daher aus Sicht der Kammer nicht die Annahme, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung so berauscht gewesen sein könnte, dass er in einem Zustand agiert haben könnte, in dem ihm - auch unter Berücksichtigung der Schwere der Tat - ein normgemäßes Verhalten so wesentlich erschwert war, dass das Recht diesen Umstand bei der Durchsetzung seiner Verhaltenserwartung nicht mehr übergehen darf. Dies gilt umso mehr, als dass der Ärger des Angeklagten, der seinen letzten Rest „Crack“ mit den Zeugen K. und T. teilte, über die vermeintliche Verweigerung, nun seinerseits an ihren Vorräten zu partizipieren, durchaus nachvollziehbar ist.

Dass der Angeklagte bei der unter Punkt II. Ziff. 2 dargestellten Tat ein starkes „Craving“ nach der erstrebten Droge zeigte, rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der Verlaufsform der Sucht und der suchtbedingten Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens des Angeklagten keine Annahme einer verminderten Steuerungsfähigkeit unter dem Aspekt der „Angst vor Entzugserscheinungen“, denn das Bestreben, sich ständig einen Vorrat an Betäubungsmitteln bereit zu halten, auch um unangenehme körperliche Folgewirkungen tunlichst zu vermeiden, und ein allgemeiner „Suchtdruck“ sind generelle Merkmale schwerer Drogenabhängigkeit (BGH, Urt. v. 20. 8. 2013 – 5 StR 36/13). Der Angeklagte hatte außerdem gerade erst „Crack“ konsumiert. Darüber hinaus hat der Angeklagte – wie der Sachverständige auf Nachfrage ausführte – nicht davon gesprochen, schwere Entzugserscheinungen erlebt zu haben, sondern diesem gegenüber lediglich das schnelle Abklingen der akuten Wirkung beschrieben. Davon abgesehen wäre ein konkreter Entzug – so der Sachverständige auf Nachfrage – auch frühestens erst nach mehreren Stunden zu erwarten gewesen.

2. Die Kammer erachtet nach alledem die folgenden Einzelfreiheitsstrafen für tat- und schuldangemessen:

- für die Tat zu Punkt II. Ziff. 1: vier Jahre

- für die Tat zu Punkt II. Ziff. 2: zwei Jahre und sechs Monate

- für die Tat zu Punkt II. Ziff. 3: drei Jahre und drei Monate

Bei der Bemessung der Strafen sind die oben aufgeführten Umstände, die zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nochmals berücksichtigt worden – bei der Tat zu Punkt II. Ziff. 2 mit Ausnahme des vertypten Strafmilderungsgrundes als solchen, da die ihn begründenden Umstände bereits zur Verschiebung des Strafrahmens geführt haben und deshalb keine Bedeutung mehr für die Höhe der Strafe zu entfalten vermögen. Bedacht wurde auch, dass die bestimmenden schärfenden Strafzumessungsgründe nach der Ablehnung eines minderschweren Falles auf Grund allgemeiner Strafzumessungskriterien bei der konkreten Strafzumessung bzw. der Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 1, 49 StGB nur noch ein geringeres Gewicht entfalten (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2013 – 5 StR 256/13).

3. Aus den Einzelstrafen hat die Kammer unter Erhöhung der höchsten Einzelfreiheitsstrafe eine

Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren

gebildet.

Diese Gesamtstrafe wird dem Gesamtgewicht der begangenen Taten, ihrem Verhältnis zueinander und dem Ausmaß der Verfehlungen des Angeklagten gerecht, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand, sondern die Persönlichkeit des Angeklagten sowie die Auswirkungen der Strafe auf sein Leben maßgeblich waren. Rechnung getragen wurde auch dem Umstand, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn wie hier auf Grund der Drogenabhängigkeit ein enger zeitlicher und –wegen der für alle Taten ursächlichen Drogensucht – auch ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, der es gebietet, die Einzelstrafen näher zusammen zu ziehen. Bei der Bildung der Gesamtstrafe sind im Übrigen die oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die verwiesen wird, erneut berücksichtigt worden. Die Kammer hat darüber hinaus bei der Bewertung des Gesamtstrafübels bedacht, dass dem Angeklagten auf Grund der vorliegenden Verurteilung der Widerruf der Strafaussetzung bzgl. einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten droht (s. Punkt I.).

VI.

1. Neben der Strafe war für den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

Die Kammer hat sich insofern durch Dr. H. beraten lassen, der ausführte, dass auf Grund der Drogenabhängigkeit bei dem Angeklagten eindeutig ein Hang im Sinne des § 64 StGB bestehe. Der Angeklagte habe zwar in der Vergangenheit auch längere Zeit abstinent leben können, in den letzten Jahren, insbesondere ab August 2018 sei sein Leben aber von dem Konsum und dem ständigen Druck, sich neue Betäubungsmittel zu verschaffen, bestimmt gewesen. Der Sachverständige Dr. H. führte ferner aus, dass aus seiner Sicht auch ein Zusammenhang zwischen den Taten und dem Hang des Angeklagten bestehe, da es sich aus seiner Sicht um typische Beschaffungskriminalität handele, zumal der Angeklagte seinen umfangreichen Drogenkonsum mit den Sozialleistungen nicht ansatzweise habe decken können. Es sei daher mit der Begehung weiterer, ähnlich gelagerter Straftaten durch den Angeklagten zu rechnen. Auch insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Würdigung an. Dieser führte weiter aus, dass die Behandlung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gute Erfolgsaussichten habe. Der Angeklagte sei zwar seit Jahren schwer abhängig; allerdings gehe er auch in Anbetracht der Schwere der Abhängigkeit davon aus, dass der Angeklagte die Therapie schaffen könne. Er habe einen ausgeprägten Therapiewillen gezeigt, habe früher bereits für längere Zeit abstinent gelebt und sei bislang noch nicht im § 64 StGB behandelt worden. Er gehe von einer Therapiedauer von ein bis zwei Jahren aus.

Die Kammer schließt dieser Einschätzung des Sachverständigen nach kritischer, eigener Überprüfungvollständig an. Er ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat die von ihm hieraus gezogenen Schlussfolgerungen logisch und gut nachvollziehbar dargestellt. Seine gutachterlichen Ausführungen sind durchweg plausibel, sodass die Kammer keinen Zweifel daran hat, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne von § 64 StGB besteht, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen und er künftig in Folge eines solchen Hanges erhebliche – vergleichbar mit den jetzt geahndeten – rechtswidrige Taten begehen wird. Dabei wurde berücksichtigt, dass für die Annahme eines derartigen Hanges schon eine in einer intensiven Neigung zu übermäßigem Konsum von Betäubungsmitteln zum Ausdruck kommende psychische Abhängigkeit ausreicht. Die Prognoseentscheidung ist insofern aufgrund der Grundlage einer sorgfältigen Gesamtwürdigung des Istzustandes des Angeklagten getroffen worden – unter Berücksichtigung seiner Person, seines bisherigen Lebensweges, seiner Lebensbedingungen, seinem Vorleben und der von ihm begangenen Taten. Die Hauptverhandlung hat aus Sicht der Kammer gezeigt, dass die Lebens- und Arbeitsfähigkeit des Angeklagten durch seinen Betäubungsmittelkonsum erheblich beeinträchtigt ist und dass er aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet und gefährlich erscheint. Der Angeklagte ist insgesamt nicht mehr in der Lage, kontrolliert mit seinem Drogenkonsum umzugehen und es steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass der Angeklagte sich durch die Taten Drogen bzw. finanzielle Mittel verschaffen wollte, wobei das Geld einer Finanzierung des Erwerbs von Betäubungsmitteln für den Eigenkonsum diente. Es steht daher zu erwarten, dass der Angeklagte zukünftig weiter gleichgelagerte Taten zur Finanzierung seines Drogenkonsums begehen wird. Es besteht indes die begründete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt mindestens für eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger auf seinen Hang zurückgehender Taten abzuhalten. Diese Erwartung stützt sich maßgeblich auch darauf, dass der Angeklagte therapiewillig ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 62 StGB ist bei der Unterbringungsentscheidung gewahrt, da die Anlasstaten schwerwiegender Art sind und zumindest vergleichbare weitere Straftaten von dem Angeklagten drohen.

In Folge dessen war ein Vorwegvollzug von einem Jahr auszusprechen, da in dubio pro reo die längere Therapiedauer von zwei Jahren zu Grunde zu legen war.

2. In Höhe von 25,- EUR war bzgl. der unter Punkt II. Ziff. 3 dargestellten Tat die Einziehung des Wertes des Erlangten anzuordnen, §§ 73, 73c StGB.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.