Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.02.2007, Az.: 16 U 133/03
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.02.2007
- Aktenzeichen
- 16 U 133/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59348
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0220.16U133.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 11.09.2003 - AZ: 20 O 257/02
Fundstellen
- BauR 2008, 840-842 (Volltext mit red. LS)
- FStBay 2008, 742-743
- IBR 2008, 89 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- altlasten spektrum 2015, 60
In dem Rechtsstreit
...
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Würfel sowie die Richter Dr. Schulte und Schrader für Recht erkannt:
Tenor:
(Auch) die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. September 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 73 % und der Beklagten zu 27 % auferlegt, die Kosten für die Ergänzungsgutachten II und III des Sachverständigen Dr. K. trägt die Beklagte.
Die Klägerin hat 73 % der außergerichtlichen Auslagen der Streithelfer im Berufungsverfahren zu tragen.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite bzw. der Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei zuvor 120 % Sicherheit hinsichtlich des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf das Teilurteil des Senats vom 15. Juni 2004 und ergänzend auf das Teil- und Grundurteil des Landgerichts verwiesen. Zu entscheiden ist folglich allein noch über die Berufung der Klägerin, soweit das Landgericht die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 513 506 DM abgewiesen hat.
Wegen der Anträge wird auf das Teilurteil des Senats verwiesen, soweit nicht bereits durch dieses Teilurteil erkannt worden ist.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15. Juni 2004 (Bd. III Bl. 606) durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. sowie deren schriftliche Ergänzungen (II und III) und die mündliche Erläuterung der Gutachten im Termin. Insoweit wird auf das Protokoll verwiesen.
II.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht der Klägerin der begehrte Anspruch auf Schadensersatz nicht zu, so dass ihre Berufung insoweit unbegründet ist.
1. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die von der Klägerin behauptete Kostenübernahmezusage (der bisher entstandenen Kosten) durch die Beklagte als nicht bewiesen angesehen.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Für Zweifel im Rechtssinne ausreichend ist eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Falle einer ergänzenden oder erneuten Beweiserhebung durch den Senat die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben, also sich deren Unrichtigkeit herausstellen wird (vgl. BGH, Urt.v. 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 ).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Landgericht hat die zu dem Beweisthema benannten Zeugen umfassend vernommen. Die Beweiswürdigung ist nachvollziehbar und auch für den Senat überzeugend.
Richtig ist zwar, dass die Beweisfragen sehr weit gefasst waren. Das hatte aber seinen Grund ersichtlich darin, dass die Zeugen nicht durch eine engere und konkrete Fassung der Fragen bereits in einem bestimmten Sinne beeinflusst werden sollten. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es kommt hinzu, dass die Parteien, vertreten durch ihre Anwälte, im Termin ausreichend Gelegenheit hatten, etwa zusätzliche und konkrete Fragen zu stellen, um etwa das Beweisthema weiter einzugrenzen und weitere Vorhalte zu machen. Das ist nach dem Protokoll auch geschehen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Zeugen generell oder etwa der Zeuge H., auf den sich die Klägerin in der Berufung ergänzend bezieht, nicht ausreichend Gelegenheit hatten, ihr Wissen von dem Beweisthema kundzutun. Insbesondere der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte auch auf die Aussage des Zeugen H. ausreichend Gelegenheit, durch konkrete Nachfragen und Vorhalte an den Zeugen H. die nunmehr erstmals in der Berufung vorgebrachten Einzelheiten zu erfragen. Es geht nicht an, in der Berufung geltend zu machen, der Zeuge habe sich bei seiner Vernehmung in erster Instanz nicht richtig erinnert und könne nunmehr aber in zweiter Instanz bei einer erneuten Befragung ganz andere Dinge aussagen. Gerade insoweit ist aber die bisherige Aussage der Zeugen mehr als eindeutig, nämlich dahin, dass er sich nicht daran erinnern konnte, dass in M. darüber gesprochen wurde, die Beklagte habe eine Kostenzusage erklärt (Bl. 318). Die nunmehr angeblich geläuterte Erinnerung des Zeugen (Bl. 570 ff.) kann keine Veranlassung geben, die Beweisaufnahme erster Instanz zu wiederholen.
Selbst bei Wahrunterstellung der in sein (zusätzliches) Wissen gestellten Behauptungen, reichte dies aus den folgenden Gründen nicht, weil er insoweit nur Zeuge vom Hörensagen und dazu nicht unbeteiligter, neutraler Zeuge ist.
Abgesehen davon überzeugt auch schon das eigene Vorbringen der Klägerin zu der behaupteten Zusage nicht. Es bleibt schon offen, ob überhaupt in M. oder gar erst später in L. eine solche von der Beklagten vehement bestrittene Zusage erteilt worden sein soll. Bei strenger Beurteilung hätte es sogar einer Beweisaufnahme zu diesem Punkt mangels eines substantiierten Vertrags der Klägerin gar nicht bedurft. So muss schon verwundern, dass angesichts der in Rede stehenden Mehrkosten, die Gegenstand der Klage sind, nur mündliche Absprachen getroffen worden sein sollen. Nichts hätte näher gelegen, als eine solche Vereinbarung auch einmal schriftlich festzuhalten oder wenigstens per Fax, als dem seit geraumer Zeit üblichen Übermittlungsweg, der Beklagten zu übermitteln, was angeblich in M. oder L. mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung vereinbart worden ist. Dazu wird aber nichts vorgetragen.
Bezeichnender Weise taucht der Vortrag zu einer derartigen Kostenübernahmezusage wegen der bis zum Abbruch entstandenen Mehrkosten auch in der Klageschrift gar nicht auf, obwohl es doch durchaus nahe gelegen hätte, auf eine solche Zusage, wenn sie denn tatsächlich erfolgt und vereinbart wäre, sogleich in aller Deutlichkeit hinzuweisen. Das ist aber nicht geschehen; vielmehr findet sich in der Klage lediglich der Hinweis (Bl. 7), die Beklagte habe mitteilen lassen, dass sie grundsätzlich bereit sei, die Mehrkosten zu übernehmen. Das lässt sich nun wahrlich nicht mit der erst im weiteren Prozessverlauf von der Klägerin entwickelten verbindlichen Kostenzusage in M. vereinbaren. Ganz entscheidend spricht auch das eigene Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2000 (Bl. 81 AnlBd.) gegen ihre eigene Darstellung, es sei bereits in M. zu einer Kostenzusage gekommen, denn dann hätte es keiner weiteren "Klärung der Modalitäten über die Vergütung der bisherigen Leistungen" der Klägerin mehr bedurft. Die Klägerin hätte sie nur noch abzurechnen brauchen. Auch der Bautagesbericht vom 5. April 2000 (Anlage K 19, Bl. 50) enthält keinen Vermerk zu einer etwa am 5. April erklärten Kostenzusage der Beklagten, sondern lediglich die Bauabsprache, ein neues Baugrundgutachten einzuholen.
Schließlich ist der neuerliche Vortrag der Klägerin auch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Es war ihre Sache bereits in erster Instanz umfassend und vollständig zu der Frage der angeblichen Kostenzusage vorzutragen und die dazu vorhandenen Zeugen einschließlich der von ihnen zu bekundenden Tatsachen zu benennen. Insoweit kann die Klägerin nicht mit neuem Sachvortrag gehört werden, den sie bereits in erster Instanz hätte bringen Können. Gründe für eine Entschuldigung des erstmals in der Berufung vorgebrachten ergänzenden Vertrags legt die Klägerin auch nicht dar. Die Klägerin musste aufgrund der Angaben des Zeugen T. (Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin) und maßgeblicher Beteiligter bei allen wesentlichen Vorgängen wissen, dass der Zeuge H. bei dem Gespräch in M. - wie nunmehr in der Berufung erstmals behauptet - zwar anwesend, bei dem entscheidenden Teil aber an dem Nebentisch gesessen hatte und deshalb den Gesprächsinhalt nicht mitbekommen hatte. Sie konnte genauso gut wissen, dass - wie nunmehr erstmals vorgetragen - der Zeuge aber auf der Fahrt danach angeblich durch T. über den Gesprächsinhalt informiert worden war und deshalb zumindest als Zeuge vom Hörensagen dazu etwas bekunden konnte. Das alles wäre bereits in erster Instanz vorzutragen gewesen, zumindest aber auf Vorhalt in der Beweisaufnahme nachzufragen gewesen. Es gibt jedenfalls keinen Anlass, die Beweisaufnahme nunmehr zu wiederholen.
Gleiches gilt erst recht für den erstmals in der Berufung nachbenannten Zeugen S. (Bl. 478) zu dem weiteren Treffen in L.
2. Abgesehen davon bleibt es dabei, dass das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme sich eben nicht von der behaupteten Kostenzusage hat überzeugen können. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3. Auch einen Anspruch aus pVV des Werkvertrages hat das Landgericht mit Recht abgelehnt, soweit es die vor dem 5. April 2000 eingetretenen Schäden mit Ausnahme der im Teilurteil ausgeurteilten Stillstandszeiten angeht.
Ein etwaiger Anspruch der Klägerin scheitert jedenfalls an einem ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin am Fehlschlagen der Bohrungen und den dadurch eingetretenen Schäden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf das LGU Seite 11 ff., das auch insoweit - aufgrund der ergänzenden Beweisaufnahme - den Angriffen der Berufung stand hält.
Schon aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin folgt, dass sie - unabhängig von der darüber hinaus nötigen Verlegung der Bohrstartstelle abweichend von der geprüften Trasse - bereits bei der ersten Bohrung ausreichende Hinweise auf Fehler des vorgelegten Gutachtens hatte und bereits deshalb zu diesem Zeitpunkt hätte Bedenken anmelden und die weitere Arbeit abbrechen müssen.
Die Klägerin verweist insoweit selbst auch die ATV 125 (Aktendeckel), wonach bei Hindernissen, unzulässigen Abweichungen usw. (dort S. 20) der Vortrieb zu unterbrechen und der Bauherr zu informieren ist. Nach ihrem eigenen Vortrag hatte die Klägerin aber bereits bei der ersten Bohrung hinreichende Kenntnis davon, dass das GA I unzureichend war. Das ergibt sich aus Bl. 5, 6 der Klageschrift. Bereits nach 400 m der Pilotbohrung war ein Fortschritt nicht mehr festzustellen. Noch deutlicher wird dies aus Bl. 196 (Schriftsatz der Klägerin vom 31. März 2003, Seite 3) und aus dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 2. April 2003, Seite 1 (Bl. 209 d.A.). Dort stellt die Klägerin selbst dar, dass bereits bei der ersten und zweiten Bohrung ihr jedenfalls klar war, dass das GA I unzutreffend ist. Wenn sie angesichts dieser Erkenntnisse dennoch weiter arbeitete, anstatt wegen der von ihr bereits erkannten Bedenken die Arbeiten abzubrechen, handelte sie folglich auf eigenes Risiko und kann nicht nachträglich die dann aufgetretenen Schäden und Kosten der Beklagten anlasten.
Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Gutachten Dr. K. Der Sachverständige war vor dem Hintergrund beauftragt worden, aus technischer Sicht die Risiken abzuschätzen, die sich aus der Verlegung der Bohrtrasse und den bei der Durchführung der Bohrungen eingetretenen Schwierigkeiten ergaben. Es sollte damit geklärt werden, bis zu welchem Zeitpunkt es - auch aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Auftraggebers - vertretbar war, die Bohrungen dennoch durchzuführen und nicht zunächst die Einholung eines weiteren Bodengutachtens abzuwarten.
Im Ergebnis kommt der Sachverständige nach eingehender Erörterung zu dem Schluss, dass er aus sachverständiger Sicht von einem Bohrversuch in der neuen Trasse ohne angepasste Planungsleistungen abgeraten hätte, weil die Bohrlinie den erkundeten Bereich zu weit in die Tiefe verlassen hätte (GA III Seite 12, 13). Zu diesem Ergebnis war der Sachverständige im Grunde bereits in seinen vorangegangenen Gutachten gelangt (Fragestellung 5.2). Er hatte die Empfehlung, einen Bohrversuch zu unternehmen , mit 40/60 angegeben; d.h. eine überwiegende Einschätzung dahin, einen Bohrversuch nicht vorzunehmen (GA II, Seite 24 ff.). Dabei hatte er zutreffend darauf hingewiesen, dass das Risiko auf abweichende und nicht beprobte Geländebeschaffenheiten zu treffen, bei einer Abweichung in der Tiefe deutlich höher zu veranschlagen ist als bei einer Abweichung zur Seite. Die zu 40 % noch positive Einschätzung für einen derartigen Bohrversuch stand jedoch unter der Prämisse, dass es dabei spezifische Absprachen zwischen den Vertragsbeteiligten hätte geben müssen. Dies versteht der Senat dahin, dass eben wegen des einzugehenden Risikos ein Fehlschlagen der Bohrung als wahrscheinlich anzunehmen sein musste und es dann auch in Folge dessen zu eintretenden Schäden am Material etc. kommen konnte. Die Klägerin hätte folglich in der gegebenen Situation eindeutig auf das bestehende Risiko hinweisen müssen, bevor sie auf der von ihr erkannten unbeprobten Bohrlinie weiterarbeitete. Das hat sie indessen nicht getan, denn dazu wäre ein eindeutiger Hinweis auf die bestehenden Risiken und zu erwartenden Folgen erforderlich gewesen. Einen solchen Hinweis behauptet sie jedoch selbst nicht. Unzureichend war jedenfalls die Erkenntnis, dass das vorliegende Bodengutachten nicht ausreichend war, denn damit war für die Beklagte das einzugehende Risiko nicht hinreichend erkennbar.
An der oben dargestellten Einschätzung ist der Sachverständige auch bei seiner ergänzenden Anhörung im Termin geblieben.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 i.V.m. 92 Abs. 2, 708 Nr. 11 und 711 sowie §§ 96 und 101 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Streitwertbeschluss:
5. Gegenstand des Rechtsstreits sind nunmehr nur noch die Stillstandskosten der Klägerin, die ihr dem Grunde nach durch das Urteil des Landgerichts zugesprochen worden sind. Wegen der Höhe wird auf S. 10 Buchstabe f) des Urteils des Senats vom 15. Juni 2004 verwiesen. Darüber wird das Landgericht zu entscheiden haben.