Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.02.2007, Az.: 12 WF 314/06

Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit aufgrund Vermögens in Gestalt einer Lebensversicherung; Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögen in Form von vernünftigen und politisch erheblich geförderten Vorsorgevorkehrungen (Riester-Rente) im PKH-Verfahren; Erreichen der Zumutbarkeitsgrenze bei der Verwertung einer Lebensversicherung im PKH-Verfahren bei zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Versorgung der Partei im Alter durch den Vermögenswert

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.02.2007
Aktenzeichen
12 WF 314/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 48727
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0201.12WF314.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen - 20.11.2006 - AZ: 4 F 1000/05

Fundstellen

  • FamRZ 2007, 913-914 (Volltext mit red. LS)
  • HRA 2007, 9
  • OLGReport Gerichtsort 2007, 751-752
  • info also 2007, 240 (Kurzinformation)

In der Familiensache ...
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......
sowie
die Richter am Oberlandesgericht ....... und .......
am 1. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Winsen (Luhe) vom 20.11.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit im Sinne der §§ 114, 115 ZPO versagt und zur Begründung ausgeführt, die Partei verfüge in Gestalt einer Lebensversicherung mit einem aktuellen Rückkaufswert von 6.454,07 EUR über Vermögen, aus dem sie die Verfahrenskosten zu bestreiten habe.

2

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg nach Maßgabe der Beschlussformel. Der Antragsgegnerin kann die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht unter Hinweis auf vorhandenes Vermögen mangels Bedürftigkeit versagt werden.

3

Gemäß §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII findet die grundsätzliche Pflicht einer Partei, ihr Vermögen für die Prozesskosten einzusetzen und gegebenenfalls auch zu verwerten, ihre Grenze dort, wo ein solcher Einsatz unzumutbar wird, insbesondere dadurch eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. In entsprechender Anwendung von § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII hat der Senat dabei bislang in ständiger Rechtsprechung (zuletzt 12 WF 249/06; 12 WF 228/06, 12 WF 226/06) die Zumutbarkeitsgrenze in Bezug auf den Einsatz von Lebensversicherungen entsprechend der staatlichen Förderung gezogen, mithin ausschließlich sogenannte "Riester-Renten" für unverwertbar erachtet.

4

Hieran hält er nicht mehr uneingeschränkt fest. In Zeiten des fortschreitenden Abbaus von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und unsicherer Prognosen zur weiteren Entwicklung der gesetzlichen Alterssicherungssysteme ist zusätzliche private Vorsorge nicht nur vernünftig, sondern zur Wahrung eines auch halbwegs angemessenen Lebensstandards im Alter für weite Bevölkerungskreise vermutlich sogar unumgänglich. Auch aus diesem Grunde nehmen gerade in letzter Zeit (vgl. die Übersicht zum Meinungsstand bei Zöller/Philippi ZPO, 26. Aufl., § 115, Rn. 58c sowie OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1850 und OLG Naumburg, Beschluss vom 19.05.2006, 14 WF 54/06) diejenigen Stimmen in der Rechtsprechung zu, die es mit dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe für unvereinbar halten, vernünftige und politisch erheblich geförderte Vorsorgevorkehrungen im Nachhinein durch die Zumutung einer Verwertung derartiger Vermögenswerte im PKH-Verfahren gleichsam zu konterkarieren. Dieser Erwägung tritt der Senat bei. Es ist geradezu sinnwidrig und zumindest nicht systemkonform, derartige Vermögenswerte abzuschöpfen, nachdem die für ihren Erwerb notwendigen Aufwendungen in Form laufender Beiträge in dem selben gesetzlichen Kontext, nämlich bei der Bemessung des für die Prozesskosten einzusetzenden Einkommens, gemäß §§ 115 Abs. 1 Nr. 1a ZPO i.V.m. § 82, Abs. 2 Nr. 3 SGB XII ausdrücklich geschont werden. Schließlich spricht für eine großzügigere Handhabung auch die auf derselben Linie liegende aktuelle BGH-Rechtsprechung, wonach Aufwendungen für private zusätzliche Altersvorsorge im Rahmen des Unterhaltsrechts jedenfalls bis zu einer Kappungsgrenze bei 4% des Gesamtbruttoeinkommens dem Zugriff von Unterhaltsberechtigten entzogen sind (vgl. FamRZ 2006, 387, 389 [BGH 23.11.2005 - XII ZR 51/03]; 2005, 1817, 1821 f [BGH 11.05.2005 - XII ZR 211/02]).

5

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Verwertung eines jeden Lebensversicherungsvertrages unzumutbar ist. Die Zumutbarkeitsgrenze ist vielmehr danach zu ziehen, ob festgestellt oder zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann, dass der fragliche Vermögenswert tatsächlich der Versorgung der Partei im Alter dienen wird. Maßgebliche Kriterien können insoweit insbesondere die Laufzeit des Vertrages in Relation zum Alter der bedürftigen Partei oder eine Ausgestaltung der vertraglichen Leistung als Rente sein.

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Nach diesen Kriterien ist die Antragsgegnerin nicht gehalten, die Lebensversicherung bei der ....... Versicherung zurückzukaufen und den Erlös für die Prozesskosten einzusetzen. Bereits die Laufzeit des Vertrages bis zum Jahr 2029 - die Antragsgegnerin wird dann 64 Jahre alt sein - spricht dafür, dass mit der Versicherungssumme Vorsorge betrieben und nicht etwa Konsum finanziert werden soll. In die gleiche Richtung weist, dass die Versicherungssumme nach dem Vertrag als monatliche Rente ausgekehrt wird.

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Eine inhaltliche Entscheidung zu ihren Gunsten war gleichwohl nicht möglich, weil die Sache dem Senat lediglich zur Prüfung der Bedürftigkeit angefallen ist, vor

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einer endgültigen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag aber noch die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zu prüfen sind. Diese Prüfung ist dem Amtsgericht vorbehalten.