Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.02.2021, Az.: 1 Ws 14/21

Fortdauer der Sicherungshaft bei Gefahr erheblicher Straftaten; Rechtsgrundlage für Straftaten vor dem 31.05.2013 im Hinblick auf Sicherungshaft

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.02.2021
Aktenzeichen
1 Ws 14/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 43304
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 27.11.2020 - AZ: 15 StVK 366/20 A

Amtlicher Leitsatz

Bei vor Beginn des Übergangszeitraumes vom 4. Mai 2011 bis zum 31. Mai 2013 angeordneter Sicherungsverwahrung besteht kein Erfordernis der Vornahme der durch das Bundesverfassungsgericht an die Weitergeltung lediglich wegen Nichteinhaltung des Abstandsgebotes verfassungswidriger Vorschriften geknüpften strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungshaft richtet sich nicht nach dem einschränkenden Maßstab der Entscheidung des BVerfG vom 04.05.2011, NStZ 2011, 450. Sie kann auch nicht aufgrund des Abstandsgebots nach Art. 316f EGStGB getroffen werden.

2. Die Fortdauer der Sicherungshaft ist gerechtfertigt, weil der Verurteilte als Beziehungstäter trotz zwischenzeitlicher Therapieerfolge eine hohe Gefahr mit sich trägt, zukünftig erhebliche Straftaten zu begehen.

Tenor:

I. Der Antrag des Verurteilten, ihm Rechtsanwalt CC anstelle von Rechtsanwalt BB zum Pflichtverteidiger zu bestellen, wird abgelehnt.

II. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen vom 27. November 2020,

mit dem die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beschlossen worden ist,

wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

zu I.:

Der zugleich mit der Beschwerdebegründung vom 28. Januar 2021 gestellte Antrag des Verurteilten, ihm Rechtsanwalt CC anstelle von Rechtsanwalt BB als Pflichtverteidiger beizuordnen, war zurückzuweisen.

Gemäß § 463 Abs. 8 Satz 2 StPO gilt die - vorliegend mit Beschluss des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer am 9. Oktober 2019 erfolgte - Bestellung eines Verteidigers für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird. Während aber einem vor Beginn eines neuen Prüfungsverfahrens gestellten Antrag des Untergebrachten regelmäßig stattzugeben ist, kommt eine Aufhebung der Bestellung während eines bereits begonnenen und noch laufenden Prüfungsverfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 143a StPO in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 463 Rn. 13a). Die vorliegend allein in Frage kommende Auswechslung des Pflichtverteidigers wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses (§ 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO) erfordert aber eine substantiierte Darlegung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 143a Rn. 22.). Der bloße Hinweis, der Verurteilte habe zu seinem bisherigen Pflichtverteidiger kein Vertrauen mehr, rechtfertigt den Pflichtverteidigerwechsel während des auf Grund der sofortigen Beschwerde gegen den Fortdauerbeschluss noch laufenden Überprüfungsverfahrens daher nicht.

Soweit der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer einen bereits dort angebrachten Antrag mit im Anhörungstermin am 27. November 2020 verkündeten Beschluss zurückgewiesen hat, ist dieser nicht mit der nach § 143a Abs. 4 StPO statthaften sofortigen Beschwerde angefochten worden.

zu II.:

1.

Das Landgericht Bückeburg hat gegen den Verurteilten am 7. Juli 2004 wegen Vergewaltigung in neun Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und vier Monaten verhängt und Sicherungsverwahrung angeordnet.

Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Verurteilte in zwölf Fällen den damals zwölf bzw. dreizehn Jahre alten Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin unter Durchführung von Oral- bzw. Analverkehr sexuell missbraucht und in sechs Fällen deren damals zwischen 16 und 17 Jahre alte Tochter zum analen Geschlechtsverkehr gezwungen. Darüber hinaus hatte der Verurteilte in einem Fall die zum Tatzeitpunkt dreizehnjährige weitere Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin zum Analverkehr sowie in zwei Fällen seine damalige Lebensgefährtin zum vaginalen Geschlechtsverkehr gezwungen und diese darüber hinaus nach der Äußerung ihres Trennungsentschlusses in einem weiteren Fall nahezu bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit gewürgt.

Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung oder einen Ausschluss der Schuldfähigkeit zu den jeweiligen Tatzeiten ausgeschlossen, vermochte aber aufgrund des Hanges des Verurteilten zu erheblichen Straftaten eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 StGB festzustellen, die zu der Anordnung der Sicherungsverwahrung geführt hat. Wegen der Einzelheiten der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten sowie der Gefährlichkeitsprognose wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

Das Urteil ist seit dem 22. Dezember 2004 rechtkräftig. Der Verurteilte hat sich seit dem 24. Oktober 2003 in Untersuchungshaft befunden und die Freiheitsstrafe bis zum 21. Februar 2016 vollständig verbüßt.

Durch Beschluss vom 20. Mai 2016, bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 11. Juli 2016, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen nach Einholung eines unter dem 3. März 2016 durch den Sachverständigen DD erstatteten Prognosegutachtens festgestellt, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert und jene nicht unverhältnismäßig ist.

Seit dem 22. Juni 2016 hat sich der Verurteilte in der Sicherungsverwahrung befunden, die zunächst in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf vollzogen wurde. Durch Beschlüsse vom 22. Februar 2017, 9. Februar 2018 und 23. Januar 2019 hat das Landgericht Göttingen jeweils die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.

Am 26. Februar 2019 wurde der Verurteilte auf seinen Wunsch in die Abteilung Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt (...) verlegt. Mit Beschlüssen vom 7. November 2019, bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 (1 Ws 29/20), und - zuletzt - vom 27. November 2020 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen die weitere Fortdauer der Sicherungsverwahrung beschlossen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 4. Dezember 2020, die sein Verteidiger, Rechtsanwalt CC, mit Schriftsatz vom 28. Januar 2020 begründet und zugleich seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt hat.

2.

Das hinsichtlich der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zulässige Rechtsmittel des Verurteilten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

a.

Anwendung auf die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung finden im vorliegenden Fall nach Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften, da die Anlasstaten des Verurteilten allesamt vor diesem Zeitpunkt begangen worden sind.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten ist die Fortdauerentscheidung jedoch nicht am einschränkenden Maßstab der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NStZ 2011, 450) geltenden strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung zu messen, der grundsätzlich nur gewahrt ist, wenn die Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Verurteilten abzuleiten ist.

Entsprechendes ergibt sich vorliegend zunächst nicht aus Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB. Danach unterliegt die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung mit Rücksicht auf eine Verletzung des Vertrauensschutzgebotes - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - nur dann erhöhten Anforderungen, wenn eine Fortdauer über zehn Jahre hinaus in Rede steht, was bei der erst seit 2016 vollstreckten Sicherungsverwahrung nicht der Fall ist.

Auch aus der einer Verletzung des Abstandsgebotes Rechnung tragenden gesetzlichen Übergangsregelung des Art. 316f EGStGB ergibt sich keine Heranziehung der durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 4. Mai 2011 für die Übergangsphase bis zur Schaffung einer gesetzlichen Neuregelung festgelegten verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen.

Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass auch in Fällen, in denen die Anlasstaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor Verkündung der genannten Entscheidung begangen wurden und die Unterbringung noch keine zehn Jahre andauert, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte strikte Verhältnismäßigkeit im oben genannten Sinne zu prüfen sei (vgl. OLG Koblenz in, Beschluss vom 26. April 2016 - 2 Ws 204/16, juris; KG, Beschluss vom 10. März 2016 - 2 Ws 53-16/141 AR 88/16, BeckRS 2016, 14577; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. November 2017 - 1 Ws (s) 328/17, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 4. April 2019 - 2 Ws 75/19, NStZ-RR 2019, 326; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. Februar 2020 - 1 Ws 4/20, juris; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 67d Rn. 13b; BeckOK StGB/Ziegler, 48. Ed. 1.11.2020, StGB § 67d Rn. 7).

Der Senat tritt jedoch der Gegenauffassung bei, nach welcher sich die auf die Verletzung des Abstandsgebotes gegründete Anwendbarkeit eines erhöhten Prüfungsmaßstabes auf Taten beschränkt, welche während des Übergangszeitraumes von der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts am 4. Mai 2011 bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung am 1. Juni 2013 begangen worden sind, und solche, die vor dem 4. Mai 2011 begangen und rechtskräftig abgeurteilt worden sind, nicht erfasst (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2018 - 3 Ws 308/18, BeckRs 2018, 33966; i.E auch: OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 3 Ws 136-137/13, NStZ-RR 2013, 359; Peglau, jurisPR-StraR 13/2018 Anm. 2; MüKoStGB/Veh, 4. Aufl., StGB § 67d Rn. 21; Müller-Metz NStZ-RR 2019, 327 [OLG Dresden 04.04.2019 - 2 Ws 75/19] sowie NStZ-RR 2020, 13 [BGH 25.09.2019 - 5 StR 103/19]). Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich für sogenannte "Altfälle" (Anlasstaten vor dem 1. Juni 2013) nur deshalb übergangsweise erhöhte Anforderungen für Fortgeltungsanordnungen gefordert, weil das Abstandsgebot zum damaligen Zeitpunkt verletzt war (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 95 ff, 172). Hierdurch sollte eine Fortgeltung der bestehenden Vorschriften während eines Übergangszeitraumes bis zur gesetzlichen Neuregelung sichergestellt werden, obwohl diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entsprachen. Die Notwendigkeit von Einschränkungen im Hinblick auf bereits vor Feststellung dieser Unzulänglichkeit begangene und rechtskräftig abgeurteilte Taten lässt sich der Entscheidung, welche die bestehenden Vorschriften gerade nicht für unwirksam erklärt hat, nicht entnehmen.

Auch der Übergangsvorschrift des Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB lässt sich Abweichendes nicht entnehmen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift finden für Anlasstaten, die vor dem 1. Juni 2013 begangen worden sind, die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung Anwendung, eine zusätzliche Heranziehung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Maßgaben aus den Gründen des o.g. Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist nicht angeordnet (Peglau a.a.O.).

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der vom Senat vertretenen Auffassung ebenfalls nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat lediglich im Hinblick auf Anlasstaten, die nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der damaligen Sicherungsverwahrung und während des vom Bundesverfassungsgerichts bestimmten Weitergeltungszeitraum begangen worden sind, eine primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung nur mit der Einschränkung strikter Verhältnismäßigkeit für zulässig erachtet (u.a.: Urteile vom 23. April 2013 - 5 StR 617/12, BeckRS 2013, 9608 und 5 StR 610/12, NStZ 2013, 522; Urteil vom 24. April 2013 - 5 StR 593/12, BeckRS 2013, 9606; Urteil vom 11. März 2014 - 5 StR 563/13, NStZ 2014, 263, 265). Insoweit hat er eine Einhaltung der verschärften Anforderungen unter Verweis auf Vertrauensschutzgesichtspunkte und das Verschlechterungsverbot mit Rücksicht auf ein schützenswertes Vertrauen des Täters auf die erhöhten Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung als erforderlich angesehen. Eine Grundlage für ein dahingehendes Vertrauen besteht jedoch nicht in Fällen, in denen die Taten bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 begangen und rechtskräftig abgeurteilt worden sind. Für solche Fälle hat der Bundesgerichtshof demzufolge auch in keiner Entscheidung entsprechende Anforderungen postuliert (vgl. OLG Hamm a.a.O. Rn. 38).

Der Umstand, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten erst nach Schaffung einer gesetzlichen Neuregelung begonnen hat, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Wertung. Seit der gesetzlichen Neuordnung wird das Abstandsgebot zwischen Vollzug der Strafhaft und der Sicherungsverwahrung gewahrt, so dass grundsätzlich kein Bedürfnis für eine Fortgeltung der vom Bundesverfassungsgericht lediglich für den Übergangszeitraum gesetzten Beschränkungen besteht (vgl. OLG Hamm Rn. 41; MüKoStGB/Veh; Müller-Metz; Peglau, jeweils a.a.O.).

Eine Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG war nicht veranlasst, da die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Naumburg, Koblenz und Dresden (jeweils a.a.O.) auf einer unzureichenden Aufklärung der Prognosegrundlage beruhten, so dass es sich bei den jeweiligen Ausführungen zum Prognosemaßstab um nicht tragende Rechtsäußerungen handelt, die nicht zu einer Vorlage verpflichten. Die genannten Entscheidungen des OLG Brandenburg und des KG (jeweils a.a.O.) begründen mangels Entscheidungserheblichkeit keine Vorlagepflicht. Mit ihnen wurden die sofortigen Beschwerden der jeweiligen Verurteilten verworfen, da der strikte Verhältnismäßigkeitsmaßstab eingehalten worden war, so dass auch bei geringeren Fortdauervoraussetzungen die Rechtsmittel zu verwerfen gewesen wären (vgl. OLG Hamm a.a.O. Rn. 46 f.).

b.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung richten sich mithin nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB a.F., wonach die Maßregel fortzudauern hat, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird, wobei auf solche rechtswidrigen Taten abzustellen ist, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 10 m.w.N.).

Gemessen daran ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, auf deren Ausführungen im Beschluss vom 27. November 2020 Bezug genommen wird, nicht zu beanstanden. Trotz der jahrelangen Behandlung des Verurteilten haben sich bislang keine Änderungen hinsichtlich seiner Gefährlichkeit ergeben, die die Aussetzung der Maßregel verantwortbar erscheinen ließen.

aa)

Ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt (...) vom 17. Juli 2020 hat sich der Verurteilte zwar seit dem Wechsel in die dortige Abteilung Sicherungsverwahrung in seine Wohngruppe weitestgehend integriert und zuletzt zwischen Oktober 2019 und Juli 2020 an der Gewaltbehandlungsgruppe teilgenommen. Auf der anderen Seite zeige sich der Verurteilte "therapiemüde" und phasenweise resigniert. Seine Therapiemotivation sei verbesserungswürdig. Auch zeige der Verurteilte keine Motivation, eigenes Fehlverhalten zu überdenken oder zu reflektieren. Verbesserungsvorschläge nehme er lediglich zur Kenntnis, ohne eine ernsthafte Bereitschaft zu Veränderungen zu zeigen. Konflikte mit anderen Verwahrten offenbare er zumeist nicht gegenüber den Behandlern, wodurch die Möglichkeiten, ihn authentischer zu erleben und besser einschätzen zu können, erschwert würden. Der Verurteilte sei stattdessen offenbar bestrebt, den Anschein des angepassten und kooperativen Verwahrten zu wahren. Auch habe er Schwierigkeiten, den psychologischen Dienst als unterstützende Komponente wahrzunehmen. Die Thematisierung und Bearbeitung deliktspezifischer Themen sei deshalb bislang nicht möglich; es habe nach wie vor keine tragfähige und wertschätzende Haltung etabliert werden können.

Nach Mitteilung der Justizvollzugsanstalt betont der Verurteilte hinsichtlich seiner Taten weiterhin sehr stark die "Beziehungtäter"-Komponente und blendet dissoziale und lustgeleitete Motive vollkommen aus. Zudem scheine ein Risikobewusstsein im Hinblick auf die eigene Rückfälligkeit nur teilweise vorhanden zu sein. So habe bislang keine Trennung zwischen akzeptablen und inakzeptablen, dysfunktionalen Bedürfnissen erfolgen können, die aber eine Voraussetzung für eine bessere Legalprognose seien. Der Verurteilte leugne die Aspekte seines Lockerungsversagens während der Sozialtherapie der JVA (...). Diese Einstellung sei signifikant mit einer niedrigen Motivation, sich umfänglich auf den Behandlungsprozess einzulassen, verbunden. Dahinter stehe ein ernsthaftes Motivationshindernis, das dem nach wie vor vorhandenen erheblichen Behandlungsbedarf des Verurteilten entgegenstehe.

Insgesamt - so heißt es in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt abschließend - habe der Verurteilte zwar Therapiefortschritte erzielen können, die bislang aber teilweise an der strafursächlichen Kernproblematik vorbeigegangen seien. Nach wie vor sei von einer hohen Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen.

bb)

Auf der Grundlage der ausführlichen und in sich schlüssigen Ausführungen der Justizvollzugsanstalt gelangt der Senat - ebenso wie bereits die Strafvollstreckungskammer - zu der Einschätzung, dass weiterhin, wie auch schon bei Erlass des Beschlusses vom 12. Februar 2020, ein unvertretbar hohes Rückfallrisiko besteht. Denn nach wie vor ist es nicht gelungen, eine tragfähige Arbeitsgrundlage zwischen dem Verurteilten und den in der Justizvollzugsanstalt tätigen Behandlern zu etablieren, um dem Vollzugsverlauf eine Wende zu geben und eine intensivere Bearbeitung der rückfallrelevanten Defizite zu ermöglichen. Auch steht sein äußerlich betont angepasstes Vollzugsverhalten, welches es den Behandlern erschwert, ihn authentischer zu erleben und besser einschätzen zu können, einer günstigeren Prognose entgegen (vgl. Fischer a.a.O. § 67d Rn. 11).

Der Senat hat keinen Grund, an dem Lockerungsversagen des Verurteilten im Rahmen der Sozialtherapie in (...), das schließlich zum Widerruf der ihm bewilligten Vollzugslockerungen im Januar 2015 geführt hat, zu zweifeln. Der Umstand, dass der Verurteilte sich trotz der seinerzeit erfolgten umfangreichen Überprüfung weiterhin von jeder Verantwortung freispricht (so zuletzt durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 28. Januar 2021) zeigt, dass er nach wie vor nicht in der Lage ist, sich selbstkritisch mit eigenem Fehlverhalten auseinanderzusetzen.

Entgegen den Ausführungen im Verteidigerschriftsatz vom 28. Januar 2021 beruht die Bewertung der hohen Gefährlichkeit des Verurteilten nicht auf dem Umstand, dass er seine Taten (und sein späteres Lockerungsversagen) leugnet, sondern daran, dass dieses Leugnen ein erhebliches Motivationshindernis für die bei ihm erforderliche Therapie darstellt und eine therapeutische Aufarbeitung der strafursächlichen Kernproblematik daher bislang nicht erfolgen konnte.

cc)

Das auch im Rahmen von Prognoseentscheidungen des Straf- und Maßregelvollzuges geltende Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung mündet nicht in ein Erfordernis, bei jeder Überprüfung der Fortdauer einer Unterbringung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vielmehr ist der die Aussetzungsreife prüfende Richter gehalten, über die Art und Weise der der Entscheidungsfindung vorausgehenden Sachaufklärung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2445/14, BeckRS 2015, 43657). Dauert die Sicherungsverwahrung noch keine zehn Jahre an und ist im Rahmen der Entscheidung nach den §§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 463 Abs. 3 Satz 3 StPO ein Sachverständigengutachten zur Entscheidung über die Erforderlichkeit des Maßregelvollzuges eingeholt worden, ist die Strafvollstreckungskammer nur dann zur Einholung eines weiteren Gutachtens gehalten, wenn sie die Aussetzung der Maßregel erwägt. Gelangt das Gutachten eines externen Sachverständigen zu einer vollständig negativen Prognose, ist eine erneute Vollbegutachtung zudem erst dann angezeigt, wenn ein nicht gänzlich unbedeutender Behandlungsfortschritt erkennbar geworden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2019 - 1 Ws 457/19, n.v.).

Da die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der seit nunmehr fünf Jahren vollzogenen Maßregel nicht erwogen hat und seit dem Beginn des Vollzuges der Sicherungsverwahrung der in dem zuletzt eingeholten Sachverständigengutachten als zur Verbesserung der Legalprognose erforderlich beschriebene Behandlungsfortschritt bislang - wie dargelegt - nicht erreicht worden konnte, war die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens nicht notwendig.

Da der weitere Vollzug der seit dem 22. Februar 2016 andauernden Sicherungsverwahrung auch noch nicht unverhältnismäßig ist, war die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.