Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 26.02.2024, Az.: S 56 KR 1077/21

Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
26.02.2024
Aktenzeichen
S 56 KR 1077/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 12540
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2024:0226.S56KR1077.21.00

Amtlicher Leitsatz

Die nach Artikel 1 der Übergangsvereinbarung zur Prüfverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 weiterhin zulässige Aufrechnung von Erstattungsansprüchen der Krankenkassen gegen ab dem 01.01.2020 entstandene Vergütungsansprüche der Krankenhäuser ist von der Ermächtigungsgrundlage in § 109 Abs. 6 S 3 SGB V gedeckt (entgegen SG Nürnberg vom 08.02.2023 - S 18 KR 937/21 - sowie vom 29.03.2023 - S 2 KR 326/22 -)

In dem Rechtsstreit
A.,
vertreten durch die Geschäftsführung,
B.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C.
gegen
D.
- Beklagte -
hat die 56. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2024 durch den Richter am Sozialgericht E. sowie die ehrenamtliche Richterin F. und den ehrenamtlichen Richter G. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.084,90 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die klagende Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses in H., welches über keinen Versorgungsauftrag für die Fachrichtungen Psychiatrie und Psychiatrie bzw. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie verfügt, behandelte den 2000 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse versicherten I. (im Folgenden: Versicherter) am 24. August 2019. Der Versicherte war um Mitternacht vom Rettungsdienst fixiert eingeliefert worden. Er war erregt und aggressiv bei C2-Intox und fraglichem Drogenintox. Fremdanamnestisch wurde von Wahnvorstellungen berichtet. Nach einer allgemeinen Aufnahmeuntersuchung und Blutabnahme wurden im Verlauf sedierende Medikamente verabreicht. Schließlich wurde der Versicherte Rücksprache mit dem J. am frühen Morgen gegen 06:30 Uhr dorthin zur weiteren Abklärung verlegt. Die Klägerin kodierte hierzu als Hauptdiagnose ICD-10 F22.0 (Wahnhafte Störung) und berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2019 - DRG -) U60B (Psychiatrische Behandlung, ein Belegungstag, Alter > 15 Jahre). Mit Rechnung vom 2. September 2019 machte sie bei der Beklagten einen entsprechenden Betrag von 1.084,90 € geltend.

Die Beklagte beglich zunächst die Rechnung, beauftragte allerdings den Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung der Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine vollstationäre Behandlung im Hause der Klägerin nicht erforderlich gewesen sei. Es hätte eine direkte Verlegung in das psychiatrische Fachkrankenhaus erfolgen können (Stellungnahme vom 3. März 2020). Deshalb verrechnete die Beklagte den Rechnungsbetrag am 3. April 2020 mit einer anderen unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin.

Am 21. Dezember 2021 hat die Klägerin Klage erhoben. Die vorgenommene Aufrechnung verstoße gegen § 109 SGB VI. Eine abweichende vertragliche Regelung sei unzulässig. In der Sache sei die Bewertung des MD unzutreffend. Eine stationäre Aufnahme sei erfolgt, weil der Versicherte bis zu seiner Verlegung auf der sog. bettenführenden Normalstation der Klägerin behandelt worden sei.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.084,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die MDK-Stellungnahme. Eine vollstationäre Behandlung im Hause der Klägerin sei weder erforderlich gewesen noch erfolgt. Die Aufrechnung sei nach der Übergangsvereinbarung zur PrüfvV vom 10. Dezember 2019 zulässig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, sowie die von der Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen und die Patientenakte des Versicherten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die erhobene echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist zulässig aber unbegründet.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der Behandlung einer anderen Versicherten ist in Höhe des streitigen Betrages von 1.084,90 € erloschen, da die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen der Überzahlung der Vergütung für die Behandlung des Versicherten aufgerechnet hat.

1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund der Behandlung einer anderen Versicherten zunächst Anspruch auf diese abgerechnete Vergütung hatte; eine nähere Prüfung der Kammer erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG vom 19. April 2016 - B 1 KR 28/15 R - juris Rn. 8 mwN.). Dieser Vergütungsanspruch erlosch dadurch (§ 389 BGB), dass die Beklagte wirksam nach §§ 387 f. BGB mit ihrem öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen der Überzahlung der Vergütung für die Behandlung des Versicherten die Aufrechnung erklärte (zur Anwendung des öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - juris Rn. 9 ff.). Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs der Beklagten auf Erstattung in Höhe von 1.084,90 € waren erfüllt. Die Klägerin erhielt in dieser Höhe Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund, da ein entsprechender Vergütungsanspruch für die stationäre Behandlung des Versicherten nicht bestand (dazu 2.). Die Aufrechnung verstößt schließlich nicht gegen das in § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V normierte Aufrechnungsverbot (dazu 3.).

2. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist §§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, 7 Abs. 1 KHEentgG, 17b KHG iVm. FPV 2019. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung durch ein zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Hier steht der Vergütung der Behandlung als vollstationäre Leistung aber bereits entgegen, dass der Versicherte überhaupt nicht in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden ist.

a) Der Beginn der vollstationären Behandlung Versicherter setzt deren vorherige Aufnahme in das Krankenhaus voraus. Als Aufnahme wird die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses verstanden. Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. Eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen. Die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert. Die Aufnahmeentscheidung muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich festgehalten werden. Dies gilt insbesondere bei Notfallbehandlungen. Die einer Aufnahme in die stationäre Behandlung vorausgehende Aufnahmeuntersuchung dient der Klärung, ob eine Aufnahme des Versicherten gerade in dieses Krankenhaus erforderlich ist. Die hierzu vorgenommenen Untersuchungen begründen nicht zwingend bereits selbst die Aufnahme in das Krankenhaus. Ergibt sich nach der Aufnahmeuntersuchung, dass eine Verweisung des Versicherten an ein anderes Krankenhaus oder die ambulante Weiterbehandlung medizinisch erforderlich und ausreichend ist, liegt keine stationäre Behandlung vor. Das Krankenhaus muss den Versicherten vielmehr umgehend einem anderen geeigneten Krankenhaus zur stationären Behandlung zuweisen, wenn sein eigener Versorgungsauftrag die erforderliche Behandlung des Versicherten nicht umfasst, oder es trotz Versorgungsauftrags tatsächlich nicht dazu in der Lage ist und ein geeignetes Krankenhaus in zumutbarer Zeit erreichbar ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Versicherter als Notfall mit einem Rettungswagen durch einen Notarzt in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Die konkludente stationäre Aufnahme eines Versicherten liegt bei seiner kurzzeitigen Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus und nachfolgender zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus dann vor, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweist (zum Vorstehenden ausführlich: BSG vom 29. August 2023 - B 1 KR 15/22 R - Rn. 14 ff. mwN.).

b) Der klägerischen Patientendokumentation lassen sich weder Anhaltspunkte für eine (beabsichtigte) organisatorische Eingliederung in das Krankenhaus der Klägerin noch für den Einsatz krankenhausspezifischer Mittel in hoher Intensität entnehmen. Nach Einlieferung durch den Rettungsdienst erfolgt eine Erstbehandlung in der Zentralen Notaufnahme (ZNA). Dem Behandlungsbericht der ZNA lässt sich die Durchführung einer allgemeinen körperlichen Untersuchung und die Erhebung eines Blutbildes entnehmen. Bereits an dieser Stelle wurde offenbar das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung vermutet ("Telefonat mit K. [gemeint: L.]: Pat ist da nicht bekannt"). Als Diagnosen werden "C2-Intoxikation" und "V.a. Drogen-Intoxikation mit Halluzination" und als Empfehlungen "Drogenscreening, ausschlafen" festgehalten. Die Durchführung eines Drogenscreenings ist nicht aktenkundig. Eine psychiatrische konsiliarische Untersuchung fand nicht statt. Um 1:34 Uhr wurde ärztlich die (einmalige) Medikamentengabe (Midazolam, Diazepam, Promethazin) angeordnet. Sodann erfolgten ausschließlich Kontakte mit dem Pflegedienst bis um 06:21 Uhr nach Rücksprache mit dem M. die Verbringung des Versicherten "mit PsychkG" nach dort vom zuständigen Arzt beschlossen wurde. Der anhand dieser Tatsachen vom MD gezogene Schluss, eine stationäre Behandlung im Haus der Klägerin sei nicht ersichtlich, überzeugt. Insgesamt bestand mithin offenbar stationäre Behandlungsnotwendigkeit aufgrund des Verdacht auf Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung, weshalb mangels Versorgungsauftrag der Klägerin eine Verbringung in die psychiatrische Klinik erfolgte. Dass der daneben bestehende C2-Intox bzw. ggf. Drogen-Intox für sich genommen bereits stationäre Behandlungsbedürftigkeit ausgelöst hat, ergibt sich aus den Unterlagen der Klägerin nicht. Entsprechende Abklärungen sind nicht erfolgt. Vielmehr ist der Versicherte im Wesentlichen verwahrt worden ("Empfehlung: ausschlafen"). Diese "Verwahrung" mag zur Vermeidung von Eigengefährdung erforderlich gewesen sein, begründet aber keine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit aus medizinischen Gründen.

Eine Aufnahme des Versicherten folgt auch nicht daraus, dass diesem für die Dauer seines Aufenthalts ein Bett auf der von der Klägerin als "bettenführende Normalstation" bezeichneten Station zugewiesen wurde. Unabhängig von den konkreten Einzelheiten der Organisation dieser Station dient diese offenkundig auch dazu, Patienten vorübergehend aufzunehmen, die die Aufnahme noch nicht verlassen können, weil noch nicht klar ist, ob und ggf. wo diese im Hause der Klägerin verbleiben sollen. Ein Patient wird aber nicht schon deshalb stationär aufgenommen, weil er rein faktisch in einem Bett liegt.

3. Der Wirksamkeit der Aufrechnung steht schließlich nicht § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V(eingf. durch das MDK-Reformgesetz vom 14. Dezember 2019) entgegen, wonach gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen können.

a) Zwar wurde der hier streitige Rückzahlungsanspruch gegen (unstreitige) Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2020 aufgerechnet und es liegt auch kein gesetzlicher Ausnahmetatbestand im Sinne des § 109 Abs. 6 Satz 2 SGB V vor. In der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG können aber von § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V abweichende Regelungen vorgesehen werden (§ 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Dies ist unter anderem für das Jahr 2020 der Fall.

§ 17c Abs. 2 Satz 1 KHG ermächtigt und verpflichtet den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c Abs. 1 SGB VI zu regeln. Eine solche Regelung ist mit der Prüfverfahrensvereinbarung vom 3. Februar 2016 für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 getroffen worden (PrüfvV 2017). In § 10 PrüfvV 2017 ist die Zulässigkeit der vorgenommenen Aufrechnung ausdrücklich geregelt. Da eine Anpassung der Vereinbarung zum Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes am 1. Januar 2020 nicht möglich war, haben die Vereinbarungspartner am 10. Dezember 2019 eine Übergangsvereinbarung geschlossen. Nach deren Präambel bestand Einvernehmen "die Aufrechnungsregeln zunächst unverändert aufrecht zu erhalten". In Artikel 1 der Übergangsvereinbarung wird insoweit ausdrücklich geregelt, dass die PrüfvV vom 3. Februar 2016 für die Überprüfung bei Patienten, die bis einschließlich 31. Dezember 2019 in ein Krankenhaus aufgenommen werden, unverändert fort gilt. Für den Folgezeitraum gelten die Aufrechnungsregelungen nach § 10 PrüfvV 2017 ebenfalls weiter. Am Ende der Regelung findet sich der Hinweis, dass diese "auf Grundlage des § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V sowie des § 17c Abs. 2a Satz 3 KHG" erfolgt. Eine neue PrüfvV ist erst zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten (vgl. § 14 Abs. 1 PrüfvV idF. v. 22. Juni 2021) Mithin galt § 10 PrüfvV 2017 im hier relevanten Jahr 2020 unverändert fort (vgl. Art. 2 der Übergangsvereinbarung).

b) Die nach Artikel 1 der Übergangsvereinbarung (iVm. § 10 PrüfvV 2017) vorgesehene Aufrechnungsmöglichkeit ist von der Ermächtigungsgrundlage in § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V gedeckt (SG Braunschweig vom 27. April 2023 - S 59 KR 1277/21 - aA. SG Nürnberg vom 8. Februar 2023 - S 18 KR 937/21 - und 27. April 2023 - S 18 KR 732/22 - sowie vom 29. März 2023 - S 2 KR 326/22 -, gegen letzteres Revision anhängig: B 1 KR 18/23 R).

Die Norm lässt abweichende Regelungen zur gesetzlichen Regelung in § 109 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V in der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG zu. Eine "abweichende" Regelung kann - wie hier - eine die gesetzliche Regelung vollständig ersetzende sein, zumal sich an keiner anderen Stelle im Gesetz eine Einschränkung für die Regelungskompetenz der Vereinbarungspartner der PrüfvV findet. § 17c Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KHG(idF. des MDK-Reformgesetzes vom 14. Dezember 2019) ermächtigt die Vereinbarungspartner sogar ausdrücklich zum Erlass von Regelungen über "die Abwicklung von Rückforderungen" in der PrüfvV. Dafür die Regelung in § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V als "Ausnahmevorschrift" eng auszulegen und dahingehend zu verstehen, dass sie die Vereinbarungspartner nicht dazu ermächtigt das Verbot aus Satz 1 vollständig abzubedingen (so SG Nürnberg - S 18 KR 732/22 - juris Rn. 55 f.), finden sich keine überzeugenden Argumente. Satz 3 ist schon anders als Satz 2 keine Ausnahmevorschrift, weil er keine Ausnahmen von Satz 1 formuliert, sondern die Vereinbarungspartner ermächtigt, abweichende Regelungen zu der gesetzlichen Regelung, die im Übrigen die in Satz 2 geregelten Ausnahmen einschließt, zu treffen. Der von der Gegenauffassung ins Feld geführte Vergleich der Regelung mit § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG spricht im Übrigen am ehesten für eine nicht einschränkende Auslegung des Satzes 3. Denn § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG enthält anders als § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V eine differenzierte Regelung der Ermächtigung zur Abweichung. Die Vereinbarungspartner sind nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG nämlich grundsätzlich nur ermächtigt "das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c Abs. 1 SGB V" zu regeln (1. Teils.). Dagegen können sie lediglich abweichende Regelungen zu § 275c Abs. 1 Satz 1 SGB V (Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens), also einem Teilbereich, treffen (Teils. 2).

Die historische Auslegung ist schließlich für die hier zu beurteilende Frage unergiebig. Zwar lag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 109 Abs. 6 SGB V(BT-Drs. 19/13397, S. 54) ausdrücklich die Erwägung zugrunde, die Aufrechnungsmöglichkeit grundsätzlich zur Sicherung der Liquidität der Krankenhäuser und der Reduzierung von Klageverfahren in Abrechnungsstreitigkeiten auszuschließen und die Vereinbarungspartner nur dazu zu ermächtigen, Ausnahmen von dieser Grundregel zu bestimmen. Erwähnt werden beispielhaft die nunmehr in § 109 Abs. 6 Satz 2 SGB V normierten Ausnahmen. Der Gesetzentwurf (vgl. Art. 1 Nr. 6) ist aber nicht Gesetz geworden. Gesetz geworden ist die Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 19/14781, Nr. 6), in der neben einer hier nicht relevanten Änderung des Satzes 1 die bereits erwähnte Regelung des Satzes 2 ("Die Aufrechnung ist abweichend von Satz 1 möglich ...") erstmalig geschaffen wurde und der Satz 2 des Entwurfes der Bundesregierung ohne Änderung am Wortlaut Satz 3 wurde. Zur Begründung heißt es in der Beschlussempfehlung lediglich (dort S. 98), dass zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung sachgerechte Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Krankenkassen, mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen, zu bestimmen waren. Wieso dies ausdrücklich gesetzlich geregelt werden musste, und wie sich dies zu Satz 3 (= Satz 2 des Entwurfes der Bundesregierung) verhält, wird nicht erläutert. Insbesondere bleibt unklar, ob sich der Gesetzgeber weiter ausschließlich an der im Entwurf der Bundesregierung dokumentierten Überlegung orientieren wollte oder nicht auch weitere Motive ausschlaggebend waren. Damit bleibt jegliche Erwägung zum tatsächlichen Motiv des Gesetzgebers für diese Änderung des Entwurfs spekulativ.

Ebenfalls drängen sich keine zwingenden teleologischen Gründe für eine einschränkende Auslegung des § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine einschränkende Auslegung einer Vorschrift, dieser noch einen echten Anwendungsbereich lassen sollte. Dadurch, dass die Fälle der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen bereits gesetzliche Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot darstellen, ist nicht rechtlich ersichtlich, welche Fallkonstellationen für eine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot eigentlich noch übrigbleiben sollen. Zur Erreichung der mit § 109 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V unzweifelhaft verfolgten Zwecke (Sicherung der Liquidität der Krankenhäuser, Reduzierung von Klageverfahren in Abrechnungsstreitigkeiten) ist eine einschränkende Auslegung schließlich auch nicht erforderlich. Eine abweichende Regelung im Sinne des Satzes 3 erfordert den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Mithin wären in einem solchen Fall sich die Interessenvertretungen darüber einig, dass andere Regelungen diese Zwecke besser verwirklichen können. Warum eine solche konsensuale Lösung von Gesetzes wegen generell untersagt sein sollte, ist nicht recht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Abweichungsmöglichkeit sich nur auf die Aufrechnung mit Erstattungsforderungen aufgrund eines durchgeführten Prüfverfahrens nach der PrüfvV erstreckt. Für die daneben bestehende und in Vergangenheit auch gern wahrgenommene Option der Geltendmachung von Erstattungsforderungen durch die Krankenkassen ohne Durchführung eines Prüfverfahrens ist dagegen eine Abweichung vom gesetzlichen Aufrechnungsverbot über die Ausnahmen in Satz 2 hinaus nicht zulässig.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Der Streitwert war entsprechend der Höhe der Klageforderung festzusetzen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).