Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.12.2017, Az.: 2 WF 113/17
Richtiger Zustellungsadressat im Zwangsgeldfestsetzungsverfahren im Rahmen des Scheidungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 05.12.2017
- Aktenzeichen
- 2 WF 113/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 29587
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Herzberg - 16.08.2017 - AZ: 7 F 26/17
Rechtsgrundlagen
- FamFG § 35 Abs. 5
- FamFG § 89
- FamFG § 113 Abs. 1 S. 2
- FamFG § 220 Abs. 1
- FamFG § 220 Abs. 2
- FamFG § 220 Abs. 5
- ZPO § 172 Abs. 1
Amtlicher Leitsatz
1. In Zwangsgeldfestsetzungsverfahren sind Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Verfahrensbevollmächtigten vorzunehmen.
2. Wird die Handlung, welche durch die angeordnete Festsetzung des Zwangsgeldes erzwungen werden soll, im Beschwerdeverfahren vorgenommen, so entfällt dadurch der Grund für die Durchführung der Zwangsmaßnahme, weshalb der Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss wegen veränderter Umstände im Beschwerdeverfahren aufzuheben ist.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Herzberg am Harz vom 16. August 2017 aufgehoben.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ist im Scheidungsverbund ein Verfahren über den Versorgungsausgleich anhängig. Der Aufforderung des Amtsgerichts vom 01.06.2017, das zur Durchführung des Versorgungsausgleichs erforderliche Formular ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen, ist der Antragsgegner binnen der - unter Hinweis auf die mögliche Verhängung von Zwangsgeld - gesetzten Frist von zwei Wochen nicht nachgekommen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 14.08.2017 äußerte dessen Verfahrensbevollmächtigter bekräftigend die Auffassung, hierzu nicht verpflichtet zu sein.
Daraufhin setzte das Amtsgericht gegen den Antragsgegner mit dem im Tenor näher benannten Beschluss ein Zwangsgeld von 100,00 EUR fest und stellte die Entscheidung dem Antragsgegner persönlich unter dem 25.08.2017 zu. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.08.2017 übersandte danach der Verfahrensbevollmächtigte das vom Antragsgegner am 24.08.2017 vollständig ausgefüllte Formular und erhob zugleich Beschwerde, für den Fall dass zwischenzeitlich ein Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss ergangen sei. Nachdem das Amtsgericht ihn darauf hingewiesen hatte, dass es nicht beabsichtige, den erlassenen Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss aufzuheben, weil dieser zu Recht ergangen sei, und lediglich davon absehen werde, aus diesem zu vollstrecken, beanstandete der Verfahrensbevollmächtigte mit am 20.09.2017 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz die an ihn unterbliebene Zustellung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses, trat der vom Familiengericht hierzu vertretenen Auffassung entgegen, wonach immer nur an den Beteiligten selbst und nicht an dessen Verfahrensbevollmächtigten zuzustellen sei, und verwies im Übrigen auf seine mit Schriftsatz vom 24.08.2017 eingelegte Beschwerde.
Mit Beschluss vom 10.10.2017 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Braunschweig zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat sodann mit Verfügung vom 09.11.2017 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde zulässig und aufgrund der im Beschwerdeverfahren erteilten Auskunft begründet sein dürfte, jedoch dem Antragsgegner infolge der erst im Beschwerdeverfahren erteilten Auskunft die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen seien. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners bat daraufhin um Entscheidung.
II.
1. Die gemäß § 35 Abs. 5 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Maßgeblich für den Fristbeginn ist die Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners.
Da das Amtsgericht vorliegend fehlerhaft den Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss dem Antragsgegner persönlich und nicht seinem Verfahrensbevollmächtigten zugestellt hat, lief keine Beschwerdefrist. Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 172 Abs. 1 ZPO sind Zustellungen nämlich an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - XII ZB 582/15 -, zitiert bei juris). Durch § 172 Abs. 1 ZPO soll im Interesse der Verfahrensökonomie und Privatautonomie sichergestellt werden, dass der für die Verfahrensführung verantwortliche Bevollmächtigte über den gesamten Verfahrensstoff informiert wird und sich alle Fäden in seiner Hand vereinigen (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 - FamRZ 2011, 463 Rn. 18 ff.).
Zustellungen unter Umgehung des Bevollmächtigten sind deshalb unwirksam und setzen Rechtsmittelfristen nicht in Gang (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 151/10 - zitiert bei juris Rn. 30; BGH Beschluss vom 28. November 2006 - VIII ZB 52/06 - FamRZ 2007, 390 mwN). Kommt es - wie vorliegend - zu einer Zustellung an den vertretenen Beteiligten, entfaltet diese daher keine Wirkung. Sie dient lediglich der Unterrichtung des Beteiligten, zu welcher der Bevollmächtigte aufgrund des Mandatsvertrags nach §§ 675, 666 BGB ohnehin verpflichtet ist (BFH Beschluss vom 19. Dezember 1995 - III R 122/93 - NJW 1996, 1847, 1848).
Infolgedessen ist die am 20.09.2017 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde (noch) fristgemäß und es kann dahinstehen, ob der am 01.09.2017 eingegangene anwaltliche Schriftsatz eine wirksame (unbedingte (?)) Beschwerdeeinlegung enthält.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte vorliegend nicht lediglich die Vollstreckung aussetzen dürfen, sondern im Rahmen der Nichtabhilfeprüfung die Zwangsmittelanordnung aufheben müssen.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, weil er den Vordruck nicht eingereicht hat. Ist auf Grund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durchzusetzen, kann das Gericht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG gegen den Verpflichteten durch Beschluss ein Zwangsgeld festsetzen. Von dieser Befugnis hat das Amtsgericht vorliegend Gebrauch gemacht, um gegenüber dem Antragsgegner die nach § 220 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 FamFG ausgesprochene Anordnung durchzusetzen, der verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht im Versorgungsausgleichsverfahren zu entsprechen.
Die Bestimmung des § 35 FamFG war auch anwendbar. Dem steht § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht entgegen. Denn der Versorgungsausgleich ist weder eine Familienstreitsache im Sinne des § 112 FamFG noch eine Ehesache nach § 121 FamFG. Auch als Folgesache im Scheidungsverbund (§ 137 FamFG) bleiben für das Versorgungsausgleichsverfahren nämlich grundsätzlich die allgemeinen und besonderen Vorschriften des Familienverfahrensgesetzes maßgeblich (BGH Beschluss vom 13. November 2013 - XII ZB 414/13 - FamRZ 2014, 109 Rn. 4 mwN).
b) Das Zwangsgeld im Sinne des § 35 FamFG als ein Zwangsmittel - anders als etwa das Ordnungsgeld gemäß § 89 FamFG - hat allerdings keinen Sanktionscharakter, sondern dient allein der Einwirkung auf den Willen des Verpflichteten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 - XII ZB 245/16 - FamRZ 2017, 918 Rn. 10 und vom 17. August 2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 14) und ist damit ein reines "Beugemittel" (so etwa Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21). Wird die Handlung, welche durch die angedrohte Festsetzung des Zwangsgeldes erzwungen werden soll, vorgenommen, so entfällt dadurch der Grund für die Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Wird die Verpflichtung - so wie hier - erst nach Erlass des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses erfüllt, so ist dieser wegen veränderter Umstände im Beschwerdeverfahren aufzuheben.
Soweit der das Zwangsgeld festsetzende Beschluss noch nicht rechtskräftig ist, ist er also auf die sofortige Beschwerde des Verpflichteten nach § 35 Abs. 5 FamFG aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 06. September 2017 - XII ZB 42/17 -, zitiert bei juris Rn. 22 unter Hinweis auf OLG Schleswig SchlHA 2012, 227, 228; OLG Frankfurt FGPrax 2011, 322; Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21). Die abweichende Auffassung des Amtsgerichts, wonach lediglich von der weiteren Vollstreckung des Zwangsgeldes abzusehen sei, sobald der mit dem Zwangsmittel verfolgte Zweck erreicht oder weggefallen ist, betrifft die Fallkonstellation, in der der Festsetzungsbeschluss zwar rechtskräftig, aber noch nicht vollstreckt worden ist. Dann ist von einer (weiteren) Vollstreckung abzusehen (Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21; BeckOK FamFG/Burschel [Stand: 1. Juli 2017] § 35 Rn. 32; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 9; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 35 Rn. 7, 11; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 8, 16a; im Ergebnis ebenso: Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 35 Rn. 49 aE).
Weil das Beschwerdeverfahren noch nicht abgeschlossen war, war der Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss hier aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO, weil die verlangte Auskunft erst im Beschwerdeverfahren erteilt worden ist.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts im Beschwerdeverfahren beruht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.