Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.12.2017, Az.: 2 W 152/17

Gerichtsgebühren bei Abschluss eines Vergleichs nach vorangegangenem Zwischenurteil hinsichtlich einer Prozesskostensicherheit

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
13.12.2017
Aktenzeichen
2 W 152/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 31816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 31.08.2017 - AZ: 3 O 20/16

Fundstellen

  • AGS 2018, 122-123
  • AGS 2018, 180-182
  • JurBüro 2018, 149-150
  • NJW 2018, 1555-1556
  • RVGreport 2018, 271-272

Amtlicher Leitsatz

Keine Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 Ziffer 3 KV GKG im Falle eines vorausgegangenen Zwischenurteils.

Redaktioneller Leitsatz

Nach Erlass eines Zwischenurteils über eine vom Kläger zu leistende Prozesskostensicherheit ermäßigt sich die Gebühr nach Nr. 1210 GKG-KV nicht, weil es sich insoweit nicht um eines der in Nr. 1211 Ziffer 2 GKG-KV genannten Urteile handelt.

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 31.08.2017 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: Wertstufe bis 500,00 €.

Gründe

I.

Mit Zwischenurteil vom 17.08.2016 hat das Landgericht dem Kläger aufgegeben, eine Prozesskostensicherheit zu leisten; zuvor hatte der Kläger die Auffassung vertreten, zur Leistung einer Prozesskostensicherheit nicht verpflichtet zu sein, und deshalb die Zurückweisung des hierauf gerichteten Antrags der Beklagten beantragt.

Anschließend haben die Parteien den Rechtsstreit mit Vergleich vom 23.05.2017 erledigt und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten zu 1/5 und dem Kläger zu 4/5 auferlegt.

Mit Kostenrechnung vom 07.08.2017 ist eine Gebühr gemäß Nr. 1210 KV GKG nach einem Streitwert von 100.000,00 € angesetzt worden, wobei 1/5 hiervon in Höhe von 615,60 € auf die Beklagte entfällt.

Die gegen die Kostenrechnung gerichtete Erinnerung der Beklagten, welche der Auffassung ist, es greife die Ermäßigung nach Nr. 1211 Ziffer 3 KV GKG ein, hat das Landgericht nach Anhörung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 31.08.2017 zurückgewiesen, der den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.09.2017 zugestellt worden ist.

Hiergegen richtet sich die am 14.09.2017 eingegangene Beschwerde der Beklagten, mit der sie beantragt, lediglich eine 1,0-fache Gerichtsgebühr anzusetzen. Sie ist der Auffassung, ein Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit sei kein anderes Urteil i. S. v. Nr. 1211 Ziffer 2 KV GKG. Die Norm nehme diejenigen Fälle von der Ermäßigung aus, in denen sich das Gericht mit dem Streitstoff auseinandersetzen müsse. Da sich das Gericht bei einem Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit nicht mit dem Streitstoff befassen müsse, sei eine einfache Gerichtsgebühr zu veranschlagen. Darüber hinaus hätte das Landgericht mangels streitigen Vorbringens bei richtiger Behandlung der Sache durch Beschluss über die Prozesskostensicherheit entscheiden müssen, so dass der Gebührenerhebung auch § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG entgegenstehe.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29.11.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Beklagten (§ 66 Abs. 2 GKG) ist unbegründet.

a) Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestands nach Nr. 1211 Ziffer 3 KV GKG als nicht gegeben angesehen.

aa) Nach der genannten Bestimmung ermäßigt sich die Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG von einem dreifachen Satz auf eine einfache Gebühr, wenn das gesamte Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet wird, es sei denn, dass bereits ein anderes als eines der in Nr. 2 genannten Urteile, eine Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung oder ein Musterentscheid nach dem KapMuG vorausgegangen ist. Bei den Urteilen nach Nr. 1211 Ziffer 2 KV GKG handelt es sich um Anerkenntnisurteile, Verzichtsurteile oder Urteile, die nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalten oder nur deshalb Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten, weil zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht wird.

Ob der vorherige Erlass eines Zwischenurteils der Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, ein Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit sei kein Urteil i. S. d. genannten Norm, weil sich das Gericht nicht mit dem Streitstoff und den Prozessaussichten befassen müsse (so OLG München, Beschluss vom 11.11.2002 - 11 W 2171/02, FamRZ 2003, 1765; zustimmend Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., KVGKG 1211 Rn. 16; ebenso Stix in: Dörndorfer/Neie/Petzold/Wendtland, Kostenrecht, 19. Edition, GKG KV 1211 Rn. 18). Dagegen ermäßigt sich die Gebühr im Falle eines vorausgegangenen Zwischenurteils nach überwiegender Auffassung nicht, weil es sich bei dem Zwischenurteil um keines der in Nr. 1211 Ziffer 2 KV GKG genannten Urteile handele (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2012 - 10 W 51/12, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.06.2007 - 6 W 29/07, MDR 2007, 1104; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.07.2004 - 14 W 470/04, MDR 2005, 119; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.12.2002 - 13 W 3607/02, MDR 2003, 416; Volpert in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., KV GKG Nr. 1211 Rn. 109).

bb) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung in Nr. 1211 KV GKG gehören Zwischenurteile nicht zu den unter Ziffer 2 genannten Urteilen. Im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich also um "ein anderes als eines der in Nr. 2 genannten Urteile," welches dem den Rechtsstreit beendenden Vergleich vorausgegangen ist.

Demgemäß käme allenfalls eine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 1211 KV GKG in Betracht, wofür jedoch die nötigen Voraussetzungen fehlen. Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014 - VI ZR 345/13, NJW 2014, 2651).

Eine solche planwidrige Regelungslücke lässt sich hier nicht feststellen. Im Wege der teleologischen und historischen Auslegung lässt sich lediglich ermitteln, dass der Gesetzgeber mit der Ermäßigung der Gebühr Formen der Verfahrensbeendigung privilegieren wollte, die zu einem reduzierten richterlichen Arbeitsaufwand führen. Entsprechend heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass etwa Entscheidungen nach § 91a ZPO nicht mehr gebührenmäßig begünstigt werden sollten, weil sie erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand auslösen, und Gleiches für den Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO gelte, da der Erlass eines solchen Versäumnisurteils eine Schlüssigkeitsprüfung voraussetze (vgl. BT-Drs. 12/6962, Seite 70). Ferner ist die Regelung, wonach die vorausgegangene Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung die Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1211 KV GKG ebenfalls verhindern soll, damit begründet worden, dass das Gericht in diesen Fällen zwar in der Hauptsache einen geringeren Aufwand habe, aber schon zuvor im Verfahren über den Erlass einer Sicherungsanordnung eine sachliche Prüfung des Streitstoffs vollzogen worden sei (BT-Drs. 17/10485, Seite 35).

Letztlich bleibt es aber der Einschätzung und dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen, welcher zuvor angefallene Arbeitsaufwand bei einer pauschalierenden Betrachtungsweise als noch ausreichend gering bewertet wird, um eine Gebührenermäßigung zu rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesetzgeber die Problematik von Zwischenurteilen nicht bekannt gewesen sei und er die Fallkonstellation eines vorausgegangenen Zwischenurteils im Gesetzgebungsverfahren übersehen habe, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Solches ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung der Nr. 1211 Ziffer 2 KV GKG selbst. Die Regelung differenziert nicht nach streitigen, eine Entscheidung über die Hauptsache treffenden und sonstigen Urteilen, sondern betrachtet ausschließlich die unter Ziffer 2 genannten Urteile als einer Ermäßigung nicht entgegenstehend, während alle anderen Urteile zum Ausschluss des Ermäßigungstatbestands führen.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Fall einer unrichtigen Sachbehandlung gemäß § 21 Abs. 1 GKG vor, weil das Landgericht durch Urteil über die Prozesskostensicherheit entschieden hat. Ist die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung streitig, hat die Entscheidung durch Zwischenurteil zu ergehen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 112 Rn. 1; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 112 Rn. 2).

So liegen die Dinge hier, weil der Kläger dem Verlangen der Beklagten nach einer Prozesskostensicherheit entgegengetreten ist.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

3. Der Streitwert ist gemäß den §§ 48 GKG, 3 ZPO, orientiert am Kosteninteresse, festgesetzt worden.