Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.12.1999, Az.: 7 W 94/99 (L)
Geltendmachung von Nachabfindungsansprüchen durch einen pflichtteilsberechtigten Erben an einem Hof; Übertragung im Wege (unentgeltlicher) vorweggenommener Erbfolge als "Veräußerung"; Vorliegen einer manipulatorischen Erlösverlagerung zum Nachteil eines Ausgleichsberechtigten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.12.1999
- Aktenzeichen
- 7 W 94/99 (L)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 19643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:1220.7W94.99L.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nienburg - 16.09.1999 - AZ: 2 Lw 30/99
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 1 HöfeO
- § 12 HöfeO
- § 17 Abs. 2 HöfeO
- § 13 Abs. 5 S. 3 HöfeO
Fundstelle
- RdL 2000, 127-128
In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter sowie
die Landwirtin ... und den Landwirt ... als ehrenamtliche Richter
am 20. Dezember 1999
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Nienburg - Zweigstelle Hoya - vom 16. September 1999 teilweise geändert.
Der Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, dem Beteiligten zu 1 1.780,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. August 1999 zu zahlen. Der weiter gehende Antrag wird abgewiesen, das weiter gehende Rechtsmittel zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Beteiligte zu 1 53 % und der Beteiligte zu 2 47 %.
Soweit die sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden ist, trägt der Beteiligte zu 1 die Gerichtskosten nach einem Wert von 1.969,25 DM. Im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtskostenfrei.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in beiden Rechtszügen nicht statt.
Beschwerdewert: 3.750 DM.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Brüder und einzige Abkömmlinge ihres am 26. Mai 1992 verstorbenen Vaters ... F. (Erblasser). Dieser war Eigentümer des im Grundbuch von E. Blatt 1106 eingetragenen Hofes i. S. der HöfeO zur Größe von 10.38.00 ha, davon 0.39.00 ha Hof- und Gebäudefläche und 9.99.00 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, mit einem Wirtschaftswert von 11.447 DM und einem Wohnungswert von 5.366 DM (Einheitswert 16.800 DM). Der Beteiligte zu 2 ist auf Grund des Testaments des Erblassers vom 2. Dezember 1975 Hoferbe, der Beteiligte zu 1 auf den Pflichtteil gesetzter weichender Erbe.
Durch notariellen Vertrag vom 4. Januar 1996 (UR-Nr. 5/1996 des Notars ... H. in T.) übertrug der Beteiligte zu 2 von dem Hofesgrundbesitz einen Bauplatz, und zwar das Flurstück 46/5 der Flur 15 in der Gemarkung E. zur Größe von 1.000 qm, seiner Tochter C. S. und seinem Schwiegersohn G. S. zu Miteigentum zu je 1/2, wie es in der Urkunde heißt: Im Wege vorweggenommener Erbfolge. Den Verkehrswert des Grundstücks gaben die Vertragsbeteiligten mit 30.000 DM an.
Der Beteiligte zu 1 hat Nachabfindungsansprüche geltend gemacht und diese nach dem dem Schwiegersohn G. S. übertragenen hälftigen Anteil mit 1/4 von 15.000 DM errechnet. Er hat beantragt,
den Beteiligten zu 2 zu verpflichten, ihm 3.750 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1999 zu zahlen.
Der Beteiligte zu 2 hat um Zurückweisung des Antrages gebeten und die Ansicht vertreten, die Übertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge sei keine Veräußerung i. S. des § 13 Abs. 1 HöfeO, einen Veräußerungserlös habe er nicht erzielt und auch nicht wider Treu und Glauben zu erzielen unterlassen. Im Übrigen habe der Beteiligte zu 1 ausweislich des Testamentes des Vaters eine Abfindung in Höhe von 15.000 DM erhalten und später im Vergleichswege noch einmal 4.692,50 DM. Damit seien die Ansprüche des Beteiligten zu 1 nach der HöfeO weit überzahlt.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag abgewiesen mit der Begründung, die Übergabe eines Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge sei keine Veräußerung i. S. des § 13 HöfeO. Der Beteiligte zu 2 habe auch nicht die Erzielung eines Verkaufserlöses wider Treu und Glauben unterlassen, wenn er seiner Tochter und seinem Schwiegersohn einen Bauplatz unentgeltlich zu Miteigentum übertrage. Das sei kein Fall einer manipulatorischen Erlösverlagerung zum Nachteil des Ausgleichsberechtigten.
Gegen den am 29. September 1999 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8. Oktober 1999 eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen Antrag weiter verfolgt, während der Beteiligte zu 2 die angefochtene Entscheidung verteidigt. Wegen des Beschwerdevorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig und jedenfalls zum Teil begründet.
Veräußert der Hoferbe innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall zum Hof gehörende Grundstücke einzeln oder nacheinander und übersteigen die dadurch erzielten Erlöse insgesamt 1/10 des Hofeswertes, das ist nach § 12 Abs. 2 HöfeO das 1 1/2-fache des zuletzt festgestellten Einheitswertes, ohne dass die Veräußerung zur Erhaltung des Hofes erforderlich ist, so können die nach § 12 HöfeO Berechtigten, also die Miterben, die nicht Hoferben geworden sind, der Ehegatte des Erblassers und die Pflichtteilsberechtigten (Absatz 10), unter Anrechnung einer bereits empfangenen Abfindung die Herausgabe des erzielten Erlöses zu dem Teilverlangen, der ihrem nach dem allgemeinen Recht bemessenen Anteil am Nachlass oder an dessen Wert entspricht. Veräußerung im Sinne des § 13 Abs. 1 HöfeO ist jede rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung, die mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch beendet ist und erst von diesem Zeitpunkt an den Abfindungsanspruch entstehen lassen kann (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl. 1999, Rdnr. 22 f. zu § 13 HöfeO). Nur eine Ausnahme von diesen Grundsätzen lässt § 13 Abs. 1 Satz 3 HöfeO zu, wenn nämlich der Hof insgesamt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben wird. Diese Hofübergabe i. S. des § 17 HöfeO, die an sich zwar auch Veräußerung im o. g. Sinne ist, gilt jedoch nicht als Veräußerung i. S. des § 13 Abs. 1 HöfeO. Dieser Ausnahmetatbestand lässt sich nicht auf andere Tatbestände ausweiten. Er gilt auch nicht für den Fall, dass der Hoferbe einen Teil des Hofes, also Hofesgrundstücke, veräußert und diese Veräußerung als "Übergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge" bezeichnet. Die Bezeichnung der Übergabe als einer solchen im Wege vorweggenommener Erbfolge hat ausschließlich bei der Hofübergabe eine gewisse Bedeutung, weil sie nämlich nach § 17 Abs. 2 HöfeO die Erbfolge vorzeitig fingiert und deren Folgen auslöst. Im Übrigen ist sie materiell-rechtlich ohne Bedeutung und nichts sagend (vgl. Wöhrmann/Stöcker a. a. O. Rdnr. 3 f. zu § 17 HöfeO). Die so bezeichnete Übergabe ist materiell-rechtlich nichts anderes als unentgeltliche Zuwendung, also Schenkung, unter Umständen allerdings mit steuer- und gebührenrechtlichen Vorteilen.
Auch die unentgeltliche Veräußerung, begründet einen Nachabfindungsanspruch dann, wenn es der Hoferbe in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise unterlässt, einen höheren Erlös oder überhaupt einen Erlös zu erzielen. Dann bildet der fiktive Erlös nach § 13 Abs. 5 Satz 3 HöfeO die Grundlage der Berechnung des Ausgleichsanspruchs (Wöhrmann/Stöcker, a. a. O., Rdn. 95 zu § 13 HöfeO). Gegen Treu und Glauben verstößt der Hoferbe, der auch die Interessen der Ausgleichsberechtigten wahrzunehmen hat, jedenfalls dann, wenn er zum Nachteil der Nachabfindungsberechtigten und auf deren Kosten veräußert, ohne dass es sich stets um eine manipulatorische Maßnahme handeln muss. Schenkungen erfüllen grundsätzlich den Tatbestand des § 13 Abs. 5 Satz 3 HöfeO (Wöhrmann/Stöcker, a. a. O., Rdn. 97 zu § 13 HöfeO). Rechtliche oder sittliche Verpflichtungen oder die Billigkeit können es geboten sein lassen, den Hof erben von der anteiligen Herausgabe des - notfalls fiktiven - Erlöses freizustellen, § 13 Abs. 5 Satz 4 HöfeO, ohne dass damit zugleich auch die Tatbestandsmäßigkeit des Absatz 5 Satz 3 entfällt.
Erweist sich danach die unentgeltliche Veräußerung des Hofesgrundstücks an Tochter und Schwiegersohn als nachabfindungsbegründender Tatbestand, weil sie dem Beteiligten zu 1 anders als bei entgeltlicher Veräußerung, die jedenfalls einen Nachabfindungsanspruch auslöst, zum Nachteil gereicht, ist als fiktiver Erlös mindestens der im Übertragungsvertrag angegebene und der Kostenrechnung des Notars zu Grunde gelegte Schätzwert von 30.000 DM anzunehmen. Von diesem steht nach den Regeln des BGB-Erbrechts grundsätzlich 1/2 dem Beteiligten zu 1 als Miterben zu, hier allerdings, da er vom Erblasser auf den Pflichtteil gesetzt worden ist, nur 1/4, also in Höhe von 7.500 DM. Es entspricht jedoch der Billigkeit - und das berücksichtigt auch der Beteiligte zu 1 in seinem Antrag -, dass von dem Erlös der Teil abzusetzen ist, der aus dem Übertragungsvertrag auf die Tochter des Beteiligten zu 2 entfällt. Damit bleibt es bei der Nachabfindungspflicht hinsichtlich des auf den Schwiegersohn entfallenden Teils.
Danach gestaltet sich die Abrechnung wie folgt: Der Wert des übertragenen Grundstücks beträgt 30.000 DM. Irgendwelche Abzüge von diesem Betrag sind nicht zu machen. Lässt sich der Verkehrswert des gesamten Hofes mit 300.000 DM schätzen, beläuft sich der abveräußerte Teil auf 1/10 des gesamten Hofnachlasses. Dementsprechend muss sich der Beteiligte zu 1 1/10 der erhaltenen Abfindung von 19.692,50 DM, also 1.969,25 DM, auf seinen Nachabfindungsanspruch anrechnen lassen. Dieser beläuft sich auf 1/4 von 15.000 DM, nämlich 3.750 DM, sodass sich ein Nachabfindungsanspruch von 1.780,75 DM ergibt. Der weiter gehende Anspruch ist abzuweisen.
Der Beteiligte zu 2 schuldet Verzugszinsen. Ohne vorherige Mahnung war die Antragsschrift dem Beteiligten zu 2 am 4. August 1999 zugestellt worden, sodass die Zinspflicht ab 5. August 1999 in gesetzlicher Höhe beginnt, §§ 286, 288 BGB.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG. Soweit der Beteiligte zu 1 im Beschwerdeverfahren Erfolg hat, ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Zu einer Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten in beiden Verfahren gemäß § 45 LwVG sah sich der Senat angesichts des Ergebnisses nicht veranlasst.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 3.750 DM.