Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.12.1999, Az.: 3 U 45/99
Amtspflichtverletzung eines Notars; Beurkundung eines Erbverzichts; Benachteiligung der weichenden Erben; Abfindung der weichenden Erben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.12.1999
- Aktenzeichen
- 3 U 45/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19928
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:1201.3U45.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 11.02.1999 - AZ: 4 O 67/97
Rechtsgrundlagen
- § 17 BeurkG
- § 2348 BGB
- § 13 HöfeO
- § 12 HöfeO
Fundstellen
- MittRhNotK 2000, 355-357
- RdL 2000, 182-184
Verfahrensgegenstand
Notaramtspflichtverletzung
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Diese Prüfungs- und Belehrungspflicht des Notars soll Gewähr dafür leisten, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die den wahren Willen der Beteiligten wiedergibt.
- 2.
Der Notar hat die, ihm anlässlich einer Beurkundung vorliegenden Erklärungen und Unterlagen persönlich zur Kenntnis zu nehmen, sich über den Inhalt zu unterrichten und diesen, soweit er für das beurkundete Geschäft bedeutsam war, auf ihre rechtliche Wirksamkeit zu prüfen.
- 3.
Zweck der HöfeO ist es, die möglichst ungeteilte Erhaltung des leistungsfähigen Hofes im Erbgang sicherzustellen. Veräußert der Hoferbe den Hof oder nicht unwesentliche Teile davon, so entfällt der Grund für die Privilegierung des Hoferben.
Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Februar 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise geändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 44.000 DM abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann von beiden Parteien durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder einer Volksbank geleistet werden.
Der Wert der Beschwer beträgt 192.328,55 DM.
Tatbestand
Der Kläger ist der älteste Sohn des Landwirts ..., der ihm mit von dem Beklagten beurkundeten Übergabevertrag vom 12. Juli 1985 einen damals ca. 45 ha großen Hof im Umland von ... übertrug. Bei der Übergabe war das Niedersächsische Landvolk i. V. m. deren Buchstelle vermittelnd tätig gewesen. Die jüngeren Geschwister des Klägers hatten in den Jahren 1979 (...) 1982 (...) sowie 1984 (...) in von den Eltern ihnen vorgelegten, gleichlautenden Erklärungen auf weitere Ansprüche, "auch gemäß § 13 HöfeO", verzichtet und sich mit Beträgen von 43.500 DM (die beiden Brüder) bzw. 40.700 DM (die Schwester) für abgefunden erklärt. Schon der Vater ... hatte in der Vergangenheit Landverkäufe vorgenommen für 98.500 DM. Vor der Beurkundung hatten dem Beklagten ein entsprechender Entwurf des Niedersächsischen Landvolks sowie die drei privatschriftlichen Verzichtserklärungen der Geschwister vorgelegen. Dazu heißt es in § 6 des Hofübergabe- und Altenteilsvertrages vom 12. Juli 1985: "Die vorgenannten Abkömmlinge sind bereits vom Hof voll abgefunden. Sie haben mit Verzichtserklärungen vom 30. Dezember 1979, 14. März 1982 und 8. Januar 1984 auf weiter gehende Ausgleichsansprüche vom Hof gemäß § 13 HöfeO verzichtet". Der Beklagte wies den Kläger nicht darauf hin, dass die Verzichtserklärungen zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedurft hätten.
Der Kläger nahm in den Jahren 1987, 1988, 1994 und 1996 Landverkäufe vom Hof vor, darunter 60 Bauplätze; daraus erzielte er einen Erlös von 1.715.937 DM; nach Abzug von Steuern und gemäß § 12 HöfeO anrechenbaren Abfindungen an die Geschwister verblieben ihm davon 1.104.200 DM. Der Hof hat gegenwärtig eine Größe von 32,6 ha; der Kläger betreibt eine Sauenmast; das Grünland ist verpachtet.
Als die Geschwister des Klägers aus der Zeitung von dem Verkauf der Bauplätze erfuhren, beauftragten sie 1995 einen Rechtsanwalt mit ihrer Interessenvertretung; auch der Kläger ließ sich anwaltlich beraten und vertreten. Nachdem die Geschwister am 1. Oktober 1996 eine endgültige Regelung bei einer Abfindung von 100.000 DM angeboten hatten, beurkundete der Notar ... am 23. Januar 1997 einen "Nachabfindungsverzichtsvertrag"; danach verzichteten die Geschwister bei Zahlung von je 90.000 DM auf jegliche weiteren Ansprüche, die sich aus §§ 12 oder 13 der HöfeO ergeben könnten. Wegen ihrer Beratung stellte die Anwältin des Klägers ihm diesbezüglich ein Honorar von 11.999,22 DM in Rechnung.
Der Kläger hat behauptet, anlässlich der Beurkundung des Hofübergabevertrages beim Beklagten habe seine Ehefrau bezüglich der vorliegenden Erklärung gefragt, ob diese ausreichten und in der Form in Ordnung seien; der Beklagte habe einen wirksamen Verzicht bestätigt; die Geschwister hätten bei möglichen zukünftigen Verkäufen keine Ansprüche. An diese Möglichkeit sei bei der Beurkundung gedacht worden, denn das Altenteil sollte nur einen Teil der Hofflurstücke belasten. Auch wenn die Geschwister an der Beurkundung nicht beteiligt gewesen seien, sei der Beklagte zu einer die Formwirksamkeit betreffenden rechtlichen Belehrung der Urkundsbeteiligten verpflichtet gewesen; er hätte aus dem Vertragsentwurf des Landvolks die aus Rechtsgründen inhaltlich unzutreffende Erklärung in § 6 des Übergabevertrages nicht aufnehmen dürfen.
Allerdings habe man an die Möglichkeit von Landverkäufen in einer Größenordnung von rund 1,7 Mio. DM seinerzeit nicht im Traum gedacht. Hätte der Beklagte über die Unwirksamkeit der Erklärungen seiner Geschwister belehrt, hätte der Kläger den Übergabevertrag ohne einen solchen Verzicht auch auf Ansprüche gemäß § 13 HöfeO so nicht abgeschlossen; er hätte den Eltern ein so umfangreiches Altenteil nicht zugestanden und auch die Steuerschulden des Vaters nicht übernommen; vor allem hätte er darauf bestanden, seine Geschwister auf den Pflichtteil zu setzen. Einschließlich der Veräußerungen im Jahre 1996 hätte sich ein Abfindungsergänzungsanspruch der Geschwister von je 138.025 DM errechnet. Mit der Klage verlangte der Kläger die Zahlung des gesamten Vergleichsbetrages aus dem Vertrag vom 23. Januar 1997 zuzüglich des von ihm gezahlten Anwaltshonorars.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 282.328,55 DM nebst 8 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat in Abrede genommen, seine Amtspflicht verletzt zu haben; die Aufgabe, einen Verzicht der Geschwister wirksam herbeizuführen sei ihm nicht gestellt worden; die Erklärung in § 6 des Vertrages habe er aus dem Entwurf des Landvolks lediglich berichtend übernommen. Wenn die Geschwister von einem Notar ordnungsgemäß über mögliche Ansprüche gemäß § 13 HöfeO belehrt worden wären, hätten sie nicht verzichtet; die Bedeutung der Abfindungsergänzung gemäß § 13 HöfeO sei ihnen nicht bekannt gewesen. Allenfalls fahrlässig habe der Beklagte seine Prüfungspflicht zur Formbedürftigkeit verletzt; mit dem Niedersächsischen Landvolk und der damit als Buchstelle verbundenen Steuerberatergesellschaft, die den Kläger und seinen Vater anlässlich der Hofübergabe intensiv beraten hätten, stehe dem Kläger ein anderweitige Ersatzmöglichkeit zur Verfügung. Schließlich sei der Regressanspruch gegen ihn verjährt; erste Landverkäufe habe der Kläger schon 1987 vorgenommen; diesbezügliche Forderungen seiner Geschwister seien dem Kläger sei Anfang 1994 bekannt gewesen.
Der Kläger hat entgegnet, dass seine Geschwister auch bei einer ausreichenden Belehrung seinerzeit bereit gewesen wären, notariell auf alle weiteren Abfindungsansprüche an ihn zu verzichten.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit einem Grund- und Teilurteil die Klage aufgrund der Aussage der Zeugin Annette H. bezüglich eines Teilbetrages von 90.000 DM zuzüglich Zinsen abgewiesen; diese Zeugin hätte seinerzeit bei einer Erläuterung zu § 13 HöfeO sich nicht für abgefunden erklärt. Bezüglich der Vergleichsbeträge für die Brüder des Klägers und wegen des Anwaltshonorars hat das Landgericht den Regressanspruch gegen den Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Beklagte habe erkennen müssen, dass die Erklärungen der Geschwister nicht der Form des § 2348 BGB entsprachen; ohne diese Prüfung habe der Zweck des Übergabevertrages nicht erreicht werden können; darüber, dass die vorliegenden Erklärungen formunwirksam waren, hätte der Beklagte die Urkundsbeteiligten belehren müssen. Dem Kläger sei der Beweis gelungen, dass seine Brüder im Zusammenhang mit der Hofübergabe und vor den ersten Landverkäufen auch bei entsprechender Belehrung ihre Erklärungen in notarieller Form wiederholt hätten. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit sei nicht gegeben. Schwerpunkt der Tätigkeit des Landvolks, die den Entwurf zur Verfügung stellte, habe in der wirtschaftlichen Beratung gelegen; die rechtliche Prüfung, zu der das Niedersächsische Landvolk auch nicht befugt gewesen sei, sei dem Urkundsnotar überlassen worden. Zur Schadenshöhe sei der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die unter. Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens hervorhebt, dass auch bezüglich der Abfindungsergänzung seiner Brüder der Kläger nicht den Beweis eines Verzichts erbracht habe. An einen Vermögenszuwachs in einer Größenordnung von 1,7 Mio. DM habe damals keiner der Betroffenen gedacht. Für einen Verzicht bezüglich der Nachabfindung habe anlässlich der Hofübergabe für keinen der Geschwister eine Veranlassung oder gar Notwendigkeit bestanden; auch darüber hätte ein sorgfältiger Notar diese belehren müssen. Schließlich müsse die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gesehen werden; selbst wenn die Brüder seinerzeit in voller Kenntnis auf Nachabfindungsansprüche notariell verzichtet hätten, dann sei das allein auf der Grundlage des Verkaufs einzelner Flächen geschehen, bei denen der Erlös für Hofeszwecke eingesetzt werden konnte.
Der Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des am 11. Februar 1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Stade die Klage in vollem Umfange abzuweisen,
hilfsweise,
im Falle der Bestimmung einer Sicherheitsleistung dem Beklagten zu gestatten, Sicherheit in Form einer Bürgschaft der ..., einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
im Falle der Revisibilität anzuordnen, dass eine zur Ermöglichung oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheit auch durch die Stellung einer selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaft einer europäischen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden darf.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt dazu sein erstinstanzliches Vorbringen und betont, dass auch bei zutreffender Belehrung die Brüder 1985 auf eine Abfindungsergänzung in notarieller Form verzichtet hätten. Allenfalls sei an eine Einschränkung bei einem vollen Verkauf des Hofes durch den Kläger zu denken gewesen. Weil jedenfalls der Zeuge ... nicht an besonders hohe Erlöse gedacht hätte, hätte er sich durch einen Hinweis des Notars auf Landverkäufe nicht von einer formgerechten Verzichtserklärung abhalten lassen. Dass dieser Zeuge sich später anders verhielt, sei allein auf die zwischenzeitliche Verschlechterung seines persönlichen Verhältnisses zum Kläger zurückzuführen. Nichts anderes gelte für die Willenslage des Zeugen .... Weil der Kläger den Hof nicht veräußert habe, liege hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vor; vielmehr griffen hier die den Hoferben im Interesse eines leistungsfähigen Betriebes begünstigenden Bestimmungen der HöfeO uneingeschränkt ein.
Der Senat hat Beweis erhoben entsprechend der Verfügung vom 24. August 1999; zum Ergebnis wird auf die Niederschrift vom 17. November 1999 verwiesen (Bl. 275 ff. d. A.).
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen, wegen des Parteivorbringens im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlichen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
I.
Zwar ist der Beklagte seiner Amtspflicht nach § 17 BeurkG schuldhaft nicht nachgekommen. Danach soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in die Niederschrift aufnehmen; bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden. Diese Prüfungs- und Belehrungspflicht soll Gewähr leisten, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die den wahren Willen der Beteiligten wiedergibt (BGH WM 1996, 30 f.).
Die ihm anlässlich der Beurkundung vorliegenden privatschriftlichen Erklärungen der Geschwister des Klägers hatte der Beklagte persönlich zur Kenntnis zu nehmen, sich über den Inhalt zu unterrichten und diesen, soweit er für das beurkundete Geschäft bedeutsam war, auf seine rechtliche Wirksamkeit zu prüfen (vgl. BGH NJW 89, 586). Die rechtsungewandten Urkundsbeteiligten, den Kläger und seinen Vater, die offensichtlich davon ausgingen, die Geschwister hätten auf weitere Abfindungen und auch auf mögliche Ergänzungsabfindungen wirksam verzichtet, musste der Beklagte auf die Formunwirksamkeit der vorliegenden Urkunden als Erbverzicht (§ 2348 BGB) hinweisen. Er musste den Kläger und seinen Vater belehren, welche rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten es gab, um einen wirksamen Erbverzicht der Geschwister zu erreichen, und deren Entscheidung dazu abwarten. Damit, dass er auf die von der Vorstellung der Urkundsbeteiligten abweichende Rechtslage bezüglich des Verzichts der Geschwister nicht hinwies, verletzte er fahrlässig seine Amtspflicht (§§ 19 BNotO, 17 BeurkG).
II.
Allerdings gab es vorliegend nicht nur eine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Reaktion der Urkundbeteiligten.
A.
So ist nicht auszuschließen, dass der Kläger und sein Vater sich entschlossen hätten, die bisherige tatsächliche Lage bestehen zu lassen; denn eine Belehrung der Geschwister als Beteiligte unter Einbeziehung in den Hofübergabevertrag oder aber eine gesonderte Beurkundung der Erbverzichte hätte zunächst einmal bewirkt, dass die Geschwister erfuhren, dass ihre früheren Erklärungen als Verzicht auf weitere Abfindungsansprüche, vor allem aber auf Nachabfindungsansprüche formunwirksam waren. Dabei ist zu bedenken, dass zum einen den Geschwistern die vorbereiteten privatschriftlichen Erklärungen ohne Erläuterung schlicht zur Unterschrift vorgelegt worden waren; vom Inhalt und Ausmaß der möglichen Ansprüche aus § 13 HöfeO hatten sie keine Kenntnis. Die in den Erklärungen genannten Beträge sprachen allein für eine Abfindung nach § 12 Abs. 2 und 4 HöfeO, bei dem als Hofeswert das 1 1/2-fache des letzten Einheitswertes zugrunde gelegt wird. Die Festsetzung dieser Abfindungen liegt weitgehend in einem freien Ermessen des Übergebenden (Faßbender, Hötzel, v. Jeinsen/Pikalo HöfeO 2. Aufl., § 12 Rdn. 79; § 17 Rdn. 58). Insoweit konnten der Kläger und sein Vater allenfalls davon ausgehen, dass die Geschwister bei einer Hinzuziehung zum Urkundsgeschäft, von dem sie zuvor nicht informiert worden waren, weitere Ansprüche aus § 12 HöfeO nicht geltend machten.
Ganz anders ist es bezüglich der Abfindungsergänzung gemäß § 13 HöfeO. Hier liegt für die nächsten 20 Jahre der Umfang der durch die Veräußerung entstehenden, nunmehr nach dem meist am Kaufpreis orientierten Verkehrswert bemessenen Ergänzungsansprüche gesetzlich fest. Die von den weichenden Erben zu beurkundenden Erklärungen müssen ausdrücklich und eindeutig sein; daran sind strenge Anforderungen zu stellen; so enthält eine Erklärung, man sei vom Hof abgefunden und habe nichts mehr zu erhalten, oder man habe keine Abfindungsansprüche mehr, nicht den Ausschluss von Ausgleichansprüchen nach § 13 HöfeO (s. OLG Celle Rdl. 60, 295; OLG Oldenburg Rdl. 78, 215). Folglich hat der Notar die weichenden Erben unter allen Aspekten umfassend aufzuklären; er muss deutlich machen, dass die zukünftige Entwicklung des Hof es Vermögens, die sich z. B. aus der geografischen Lage ergibt, zu bedenken ist; das Wagnis trägt dann der Verzichtende (s. v. Lüpke, AgrarR 1974, 272 ff.; BGHZ 134, 152 ff. [BGH 29.11.1996 - BLw 16/96]). Hinzuweisen ist ferner darauf, dass eine Entscheidung der Geschwister zu Ansprüchen aus § 13 HöfeO mit der Hofübergabe nicht notwendig verbunden ist. Nach dem Eintritt des durch den Vollzug der Hofübergabe fingierten Erbfalls können die weichenden Erben mit dem Hofübernehmer jederzeit eine Regelung über die Ergänzungsansprüche treffen und zwar für jeden Einzelfall. Derartige Vereinbarungen sind formfrei; eine Beteiligung des Landwirtschaftsgerichts ist nicht erforderlich.
Es ist daher durchaus denkbar, dass der Kläger und sein Vater es vorgezogen hätten, im Vertrauen darauf, dass die Geschwister ihre früheren Erklärungen für verbindlich ansahen, auch nach einer entsprechenden Belehrung über die mangelnde Formwirksamkeit unverändert den Hofübergabevertrag am 12. Juli 1985 durchgeführt hätten. Dass sie auf einer notariellen Beurkundung der Verzichtserklärungen - sei es im Rahmen des Vertrages, sei es in gesonderter Verhandlung - bestanden hätten, ist nicht sicher.
B.
Hätte aber der Kläger auf einer notariellen Beurkundung der Erbverzichte bestanden, dann hält es der Senat nicht für bewiesen, dass die Geschwister eine entsprechende Erklärung abgegeben hätten. Die Zeugin ... hat nach Erläuterung der Regelung des § 13 HöfeO vor dem Landgericht bekundet, sie hätte auf entsprechende Ansprüche "bestimmt nicht" verzichtet. Der Senat ist aber auch davon überzeugt, dass die ... zu einem solchen Verzicht jedenfalls dann nicht bereit gewesen wären, wenn einer von den Geschwistern auf seinem Nachabfindungsanspruch bestanden hätte. Das ergibt sich aus Folgendem:
1.
Ihre privatschriftlichen Erklärungen vom 30. Dezember 1979 bzw. 8. Januar 1984 sind als Indiz für einen solchen Verzichtswillen ungeeignet. Die Zeugen haben gar nicht gewusst, auf welche Ansprüche sie verzichten sollten; ohne inhaltliche Erläuterung, insbesondere zu Nachabfindungsansprüchen, sind ihnen die vorgefertigten Erklärungen von den Eltern zur Unterschrift vorgelegt worden; angeblich brauchte der Vater diese Schriftstücke für das Finanzamt. Die Höhe des jeweiligen Abfindungsbetrages mit 43.500 DM spricht dagegen, dass davon spätere Ergänzungsansprüche erfasst sein sollten. Auch unter Berücksichtigung des landwirtschaftlich geprägten Umfeldes gibt es für weichende Erben keine Vermutung eines Verzichts auf Ansprüche aus § 13 HöfeO. Zweck der HöfeO ist es, die möglichst ungeteilte Erhaltung des leistungsfähigen Hofes im Erbgang sicherzustellen. Nur das rechtfertigt die Benachteiligung der weichenden Erben. Veräußert der Hof erbe nachfolgend den Hof oder nicht unwesentliche Teile davon, so entfällt der Grund für dessen Vorrang (Faßbender a. a. O., § 13 Rdn. 1). Dieser Grundgedanke ist in den bäuerlichen Bevölkerungskreisen im Geltungsbereich der Höfeordnung verankert. Der vorliegend betroffene Hof wurde selbst durch nicht unerhebliche Landverkäufe in seiner Leistungsfähigkeit nicht nachhaltig getroffen, zumal der Zuerwerb neuer landwirtschaftlicher Flächen aus dem Erlös zu berücksichtigen gewesen wäre.
2.
Die Aussage der beiden Brüder vor dem Landgericht sprach im Kern gegen einen Verzichtswillen.
Hierzu hat der Zeuge ... bekundet, dass nicht einmal dann, als seine Eltern 1985 auf eine bevorstehende Hofübergabe zu sprechen kamen, über einen Verzicht auf Ansprüche gesprochen wurde. Er selbst sei seinerzeit davon ausgegangen, dass vielleicht "eine Weide" verkauft würde, um Schulden zu begleichen. Verkäufe in einer Größenordnung von 1,7 Mio. DM hätten außerhalb der Vorstellungen in der Familie gelegen. Bei Verkäufen in diesem Ausmaß wäre er allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger "uns daran beteiligt hätte". Wäre also diesem Zeugen 1985 gesagt worden, dass er sich noch nicht festzulegen brauche, hätte er aller Voraussicht nach seine Entscheidung für den Einzelfall zurückgestellt. Er wollte nicht ein für allemal verzichten, sondern stellte sich vor, später an Verkäufen größeren Umfangs beteiligt zu werden.
Der Zeuge ... hat die privatschriftliche Erklärung unterschrieben, weil ihm erklärt worden war, dass "wir unsere Mitgift vom Hof bekommen hätten" und dies den Tatsachen ja entsprochen habe. Damit war nur die Abfindung gemäß § 12 HöfeO gemeint; erhalten hatte er zu früherer Zeit entsprechende Sachmittel; die Regelung nach § 13 HöfeO war ihm unbekannt. Erst durch ein Schreiben des Landwirtschaftsgerichts zum Hoffähigkeitszeugnis erlangte er Kenntnis vom Übergabevertrag. Auf die gezielte Frage nach Landverkäufen in der Größenordnung von 1,7 Mio. DM erklärte dieser Zeuge vor dem Landgericht, dazu könne er nichts sagen; wenn der Kläger "ein Stück Land" verkauft hätte, "hätte er ihn sicher machen lassen, ohne Ansprüche zu stellen." Von Bauland sei damals nie die Rede gewesen. Das führt zu dem Schluss, dass auch dieser Zeuge 1985 keinen Erklärungswillen bezüglich eines generellen Erbverzichts hatte.
3.
Die Vernehmung beider Brüder des Klägers hat den Senat davon überzeugt, dass ein Wille zu einem Verzicht auf Ergänzungsansprüche 1985 nicht bestanden hat. Zwar haben sie einen solchen Willen behauptet. Ihre Aussagen begegnen aber durchgreifenden Bedenken.
Soweit sie mit bestimmten Fragen und Vorhalten des Senats rechnen mussten, wirkten ihre Aussagen in wesentlichen Punkten abgesprochen. So erklärt beide, sie seien seinerzeit "froh gewesen", dass der Kläger den Hof übernommen habe und begründeten dies mit Alkoholproblemen des Vaters. Dazu, in welcher Form diese bestanden hätten und ob sich dies auf die Bewirtschaftung des Hofes nachhaltig ausgewirkt habe, blieben die Erklärungen ausgesprochen vage und eher dürftig, um damit als Motiv für die Freude an der Hofübernahme durch den Kläger zu dienen. Steuerschulden der Eltern, die auf Landverkäufen beruhten, beliefen sich laut Vortrag des Klägers auf 65.801,70 DM; davon habe er 40.891 DM übernommen; sonstige Verbindlichkeiten des Übergebers valutierten mit 53.704 DM. Dies beweist, dass durch ein angebliches Alkoholproblem die Wirtschaftskraft des großen Hofes nicht irgendwie beeinträchtigt war, sodass deshalb ein Wechsel in der Wirtschaftsführung begrüßt werden musste. Trotz Nachfrage des Senats zum Zustand vor der Hofübergabe blieb die Erklärung des Zeugen ... ohne Substanz, er habe damals gewollt, dass endlich "Ruhe reinkommt" auf den Hof.
Nicht nachvollziehbar erklären konnten die Zeugen, warum sie und ihre Schwester 1995 anwaltlich vertreten Nachabfindungsansprüche stellten. Dass in größerem Umfange Bauplätze verkauft wurden, hatte ... in der Zeitung gelesen. Zu jener Zeit gingen die Geschwister noch von der Wirksamkeit ihrer früheren Verzichtserklärungen aus. Trotzdem suchten sie anwaltlichen Rat, weil da "vielleicht noch etwas drin sei". Dies Verhalten spricht eindeutigen gegen eine innere Festlegung, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Hofes auf jede Teilhabe daran endgültig zu verzichten. Die Erklärung für den angeblichen Sinneswandel überzeugt nicht. Übereinstimmend heißt es in beiden Zeugenaussagen, das Verhältnis zum Kläger sei "nicht mehr so gut gewesen". Irgendwelche nachvollziehbaren konkreten Umstände, die eine Verschlechterung des persönlichen Verhältnisses zum Kläger ausgelöst und nachhaltig fortgewirkt hätten, vermochten die Zeugen nicht zu nennen. Die Eltern wohnten nunmehr in der Nachbarschaft des Hofes. Dass dann, wenn nunmehr der Bruder auf der Hof stelle wohnte, anlässlich von Besuchen der Geschwister die Verhältnisse und die persönlichen Empfindungen nicht mehr so wie früher waren, liegt auf der Hand. Über irgendwelche Zerwürfnisse mit dem Kläger zwischen 1985 und 1995 vermochten die Zeugen nichts zu sagen. Hinzu kommt, dass sich persönliche Beziehungen zwischen Geschwistern individuell gestalten. Bei vier Geschwistern kann der eine mit dem, anderen enger vertraut sein oder jedenfalls besser auskommen, als mit dem Dritten oder Vierten. Es wäre ungewöhnlich, wenn beide Brüder als weichende Erben 1985 bereit gewesen wären, zugunsten des Klägers auf alle zukünftigen Nachabfindungen zu verzichten, dann aber 1995, weil das Verhältnis angeblich nicht mehr so gut gewesen sei, am Erlös beteiligt werden wollten, obwohl sie sogar selbst glaubten, an ihren früheren schriftlichen Verzicht gebunden zu sein.
Der Senat ist danach davon überzeugt, dass die angeblichen Empfindungen und Motive zum Übergang des Hofes auf den Kläger und das dann beeinträchtigte Verhältnis zu diesem unter beiden Zeugen als Begründung abgesprochen war.
Offensichtlich nicht vorbereitet waren die Zeugen auf den Vorhalt des Senats, wie sie sich 1985 verhalten hätten, wenn die Schwester und/oder auch ein Bruder nicht auf eine Nachabfindung verzichtet hätten. Der Zeuge ... brachte nach langer Überlegung heraus, dies sei ein schwierige Frage; erst nach weiteren Erörterungen im Rahmen der Vernehmung - die insoweit nicht protokolliert sind - fand der Zeuge zu der Einschätzung, er hätte dennoch wohl verzichtet.
Die Frage, warum er dann, wenn andere Geschwister 1985 keinen Verzicht gemäß § 13 HöfeO abgegeben hätten, dennoch seinerseits dies notariell so erklärt hätte, beantwortete der Zeuge ... unter Hinweise auf die privatschriftliche Urkunde vom 8. Januar 1984 (insoweit nicht protokolliert) mit: "Ich bleibe dabei". Wenn sich dieser Zeuge innerlich so festgelegt hatte, dass er bei seiner Verzichtsäußerung blieb, auch wenn den Inhalt (§ 13 HöfeO) und die Formunwirksamkeit damals nicht kannte, so ist sein späteres Verhalten damit nicht in Einklang zu bringen. Er war es, der von den Bauplätzen in der Zeitung gelesen hatte und dann meinte, da sei "noch etwas drin".
Aus alledem gewinnt der Senat die Überzeugung, dass auch diese Zeugen 1985 keinen endgültigen Verzicht hinsichtlich jeder Nachabfindung abgegeben hätten. Der Fehler des Beklagten ist daher für den Schaden, den der Kläger in diesem Rechtsstreit verfolgt (Regressanspruch), nicht ursächlich geworden
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer beträgt 192.328,55 DM.