Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.07.1980, Az.: 6 Sa 35/80

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.07.1980
Aktenzeichen
6 Sa 35/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 20570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1980:0710.6SA35.80.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 17.12.1979 - AZ: 9 Ca 378/79

In dem Rechtsstreit

...

wegen Forderung

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 1980 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung des Landes Niedersachsen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17. Dezember 1979 - 9 Ca 378/79 - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

  2. ... hat es zu unterlassen, die im Klageantrag aufgeführten Schriftstücke in die Personalakte des Klägers aufzunehmen.

  3. ... hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Angestellter des .... Er unterrichtet Sozialkunde am ... einem Institut zur Erlangung der Reifeprüfung.

2

Die Parteien streiten darüber, ob ein Schriftwechsel, der sich mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers befaßt, in die Personalakte des Klägers aufgenommen werden darf.

3

Der Oberstudiendirektor ... richtete am 9. Januar 1979 an den Kläger ein Schreiben folgenden Wortlauts:

"Bei der Durchsicht der von Ihnen geführten Kursbücher mußte ich leider feststellen, daß Sie in den Abwesenheitslisten Verspätungen der Kollegiaten fast nie notieren. In der Gruppe IV/1 (Sozialkunde) beispielsweise erschienen Frau ... am  4.10.78, erst um 9.18 Uhr und Frau ... am  13.12.78 erst um 9.35 Uhr.

Beide Verspätungen wurden jedoch von Ihnen nicht vermerkt.

Da Sie durch dieses Fehlverhalten den ordnungsgemäßen Ablauf des Unterrichts erheblich beeinträchtigen, bitte ich Sie, Ihre Kursbücher sorgfältiger als bisher zu führen."

4

Mit Schreiben vom 19. Januar 1979 wies der Kläger die Vorwürfe zurück. Er führte unter anderem aus:

"Seit Einführung der Kursbücher habe ich grundsätzlich den Kollegiaten keine Anwesenheit bescheinigt, die sich um mehr als 15 Minuten verspätet hatten und dafür keine begründete Entschuldigung vorbringen konnten (z.B. witterungsbedingte Verspätungen von öffentlichen Verkehrsmitteln, Autounfall bzw. -panne) ...

Im übrigen halte ich es für völlig abwegig, daß Sie die durch Verspätungen von Kollegiaten entstehenden Unterrichtsbeeinträchtigungen dem unterrichtenden Lehrer und nicht den Verursachern anlasten."

5

Am 12. Januar 1979 fand bei dem Leitenden Regierungsschuldirektor ... eine Dienstbesprechung statt, an der außer dem Kläger noch der Oberstudiendirektor ... und der Studiendirektor ... teilnahmen. Das Inhaltsprotokoll dieser Dienstbesprechung behandelt die vom Kläger gestellten und bewerteten Reifeprüfungsarbeiten, die Kursfolge (gemeint die Themenbereiche), die Korrekturen der Arbeiten und die Benotung. Das Protokoll endet:

"Anschließend wurde Herr ... gefragt, wie er sich denn stützende Maßnahmen und Möglichkeiten der Verbesserung seines Unterrichts vorstelle.

gab zu bedenken, ob Herrn ... ein Beratungslehrer an die Hand gegeben werden sollte. Auch könnte er mit einem Seminarleiter sprechen, um Herrn ... die hospitierende Teilnahme an der Fachausbildung zu ermöglichen. Diese Gedanken wurden von Herrn ... nicht abgelehnt. Die von der Schulleitung des im Rahmen der Unterrichtsverteilung vorgenommene Maßnahme, Herrn ... nicht den Langfachunterricht einer neuen Sozialkundegruppe des III. Semesters zuzuweisen, wurde von ... verknüpft mit der für Herrn ... otwendigen Entlastung."

6

Im Protokoll über eine Versetzungskonferenz vom 29. Januar 1979, an der der Kläger als Fachlehrer für Sozialkunde teilnahm, ist aufgeführt:

"K.: versetzt (eine Gegenstimme)

(Abweichungen vom Regelfall bei Nichtbeurteilung in Französisch wegen guter schriftlicher Leistungen und guter Kenntnisse im Mündlichen, in Sozialkunde, da sich der Fachlehrer bei 58 % Anwesenheit in der Lage sieht, die Leistungen mit "ausreichend" zu beurteilen)."

7

Diesen Vorgang griff der Oberstudiendirektor im Schreiben an den Kläger vom 31. Januar 1979 auf:

"Die Kollegiatin ... (II/1) wurde von Ihnen im Fach Sozialkunde mit der Note "ausreichend" beurteilt, obwohl sie 16 von insgesamt 58 Stunden versäumt hatte.

Da Sie möglicherweise mit Ihrer Notenverteilung bei einer Unterrichtsabwesenheit von 42 % gegen geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften verstoßen haben und die von Ihnen am 29.1.1979 zu Protokoll gegebenen Begründung nicht ausreicht, bitte ich Sie, bis zum Freitag , 2. Februar 1979, 10.30 Uhr detailliert aufzuschreiben, was Sie an den von Frau nicht besuchten Stunden behandelt haben und wie Sie anschließend den versäumten Unterrichtsstoff bei Frau ... abgetestet haben. Bitte fügen Sie Belege über diese Überprüfung bei.

Frau ... hat dem von Ihnen geführten Kursbuch zufolge den Sozialkundeunterricht nicht besucht am:

11. September

25. September

02. Oktober

09. Oktober

23. Oktober

13. November

04. Dezember

06. Dezember"

8

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 1. Februar 1979:

"Die von für Ihre Bitte vorgetragenen Begründungen reichen mir in der vorliegenden Form nicht aus. Daher bitte ich Sie, mir mitzuteilen,

  1. 1.

    gegen welche geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ich möglicherweise verstoßen habe und wie diese inhaltlich lauten,

  2. 2.

    auf welcher Grundlage die Feststellung getroffen wurde, daß die von mir zu Protokoll gegebene Begründung nicht ausreicht, und

  3. 3.

    wer festgestellt hat, daß die von mir zu Protokoll gegebene Begründung nicht ausreicht."

9

Die vorstehenen drei Schreiben legte der Oberstudiendirektor ... abschriftlich der Bezirksregierung ... mit Bericht vom 2. Februar 1979 vor. Er fügte hinzu, daß der Kläger einem Kollegiaten des IV. Semesters, der 48 % des Unterrichts versäumt habe, und dessen einzige schriftliche Arbeit "ungenügend" gewesen sei, die Semesternote mangelhaft statt ungenügend gegeben habe. Der Bericht schließt:

"Aus dem in drei beiliegenden Kopien geführten Schriftwechsel geht hervor, daß Herr ... zumindest eigenartige Vorstellung über die Notierung von Verspätungen hat."

10

In einem Bericht vom 19. Februar 1979 führte der Studiendirektor ... auf: Der Kläger habe es unterlassen, im Kursbuch die mündlichen Leistungen der Gruppe V/3 sowie den Ergebnisspiegel einzutragen. Die Zahl der Fehlstunden sei erheblich, 8 von 19 Kollegiaten hätten über 20 %, davon 5 über 25 % der Stunden versäumt, erstaunlich sei dabei, daß diese Kollegiaten befriedigende bis sehr gute Leistungen erreicht hätten. Die Kollegiatin ... habe die Klausur nicht mitgeschrieben; hier hätte eine Ersatzarbeit geschrieben werden sollen. In einem Semester sollten, wie schon mehrfach vorgeschlagen, überhaupt zwei Klausuren geschrieben werden.

11

Der Studiendirektor ... setzte sich ferner bewertend mit den Kursarbeiten vom 13. Oktober 1978 auseinander. Diesen Bericht hat die Bezirksregierung ... in die Verfügung vom 28. Februar 1979 eingearbeitet. Die Verfügung ist an den Leiter des ... gerichtet mit der Bitte, die Ausführungen mit dem Kläger durchzusprechen und seine Stellungnahme vorzulegen.

12

Nachdem die Bezirksregierung noch mit Schriftsatz vom 29. August 1979 vorgetragen hatte, daß der Kläger zu diesen Vorgängen keine Stellung genommen habe, hat sie mit Schriftsatz vom 7. November 1979 eine Stellungnahme des Klägers vom 12. März 1979 zur Verfügung vom 28. Februar 1979 eingereicht. Darin teil der Kläger unter anderem mit:

"Die Anmerkungen zur Gliederung der Aufgabenstellung, zu den Korrektur- und Bewertungsmaßstäben sind sinngemäß bereits anläßlich einer Dienstbesprechung am 12.1.79 und einer Fachkonferenz am 15.1.79 in mehrstündigen Gesprächen diskutiert worden.

Bei diesen Gelegenheiten bin ich darauf hingewiesen worden, daß sich meine Arbeit in den o.a. Punkten ändern müsse. Ich habe dieser Auffassung nicht nur nicht Widersprochen, sondern bereits anläßlich der Korrektur einer Klausur des jetzigen Semesters V 1 unter Beweis gestellt, daß ich meine Maßstäbe geändert habe.

Eine Stellungnahme im Sinne einer Begründung meiner Kriterien vom Oktober 1978 erscheint mir deshalb nicht mehr sinnvoll. Eine Hilfe für die betr. Kollegiaten könnte daraus ebensowenig erwachsen wie eine evtl. Änderung der Noten, da die betr. Kollegiaten - nach bestandenem Abitur - das Kolleg bereits im Dezember 1978 verlassen haben."

13

Mit Verfügung vom 12. März 1979 informierte die Bezirksregierung ... den Kläger, sie beabsichtige, die im nachfolgenden Klageantrag des Klägers bezeichneten Schriftstücke zu seinen Personalakten zu nehmen.

14

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 25. März 1979:

"Auf Anraten des Lehrerbezirkspersonalrates werde ich gegen die von Ihnen beabsichtige Maßnahme nach eingehender rechtlicher Beratung Einspruch einlegen. Diesen Einspruch werde ich (voraussichtlich) mit der Nichtbeachtung des Runderlasses über Dienstliche Beurteilung der Beamten ... vom 25.8.1975 begründen."

15

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei dem Vorgang, der zu den Personalakten genommen werden soll, um Behauptungen tatsächlicher Art oder um eine dienstliche Beurteilung handelt.

16

Der Kläger hat ausgeführt: Ein Dienstleistungsbericht müsse objektiv sein und die gesamte dienstliche Leistung des Beamten oder Angestellten umfassen. Mit der hier beabsichtigten Aufnahme eines einzelnen Vorganges werde über den Kläger ein äußerst einseitiges und verzerrtes Bild abgegeben. Nach § 13 BAT könne die Beklagte nur solche Vorgänge zu den Personalakten nehmen, bei denen es sich um Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art handele. Dies sei hier nicht der Fall, denn in den umstrittenen Unterlagen werde ihm gegenüber der Vorwurf erhoben, er habe die von den Kollegiaten angefertigen schriftlichen Arbeiten nicht immer sorgfältig genug korrigiert, sein Gutachten nicht stets hinreichend begründet, wohlwollende Noten gegeben, häufige Abwesenheit von Kollegiaten nicht genügend berücksichtigt und anderes mehr. Bei diesen Vorwürfen handele es sich nicht um Behauptungen oder der Beschwerden tatsächlicher Art, sondern um Werturteile in Form einer dienstlichen Beurteilung. Eine Beurteilung durch die Beklagte als vorgesetzte Behörde sei aber nach dem gemeinsamen Runderlaß vom 1. März 1978 in der Fassung vom 2. April 1970 bei Beamten und Lehrern nur bei ganz bestimmten Anlässen zulässig gewesen. Ein solcher Anlaß habe hier nicht vorgelegen, so daß die Beklagte weder zu einer dienstlichen Beurteilung berechtigt gewesen sei, noch dazu, eine solche zu den Personalakten zu nehmen.

17

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, das Protokoll der Dienstbesprechung vom 12.1.1979, das Schreiben des Oberstudiendirektors ... an die Bezirksregierung vom 2.2.1979, den Bericht des Studiendirektors ... vom 19.2.1979 und das Schreiben der Beklagten an den Leiter des ... vom 28.2.1979 nicht in die Personalakte aufzunehmen.

18

Die Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte hat ausgeführt: Bei den Schreiben, die sie zur Personalakte des Klägers nehmen wolle, handele es sich nicht um eine dienstliche Beurteilung, sondern um tatsächliche Behauptungen von Vorgesetzten des Klägers, die das dienstliche Verhalten des Klägers betrafen und für ihn ungünstig seien. Um eine tatsächliche Behauptung handele es sich hier schon deshalb, weil der Schulleiter des ... mit Schreiben vom 9. Januar, 19. Januar und 31. Januar 1979 gegenüber dem Kläger auf das nach seiner Ansicht unkorrekte Verhalten hingewiesen und um Aufklärung bzw. Abstellung gebeten habe. Zwischen dem Kläger und dem Schulleiter sei aufgrund dieser Schreiben eine Übereinstimmung nicht zu erzielen gewesen. Deshalb habe die Schulaufsichtsbehörde tätig werden müssen. Das Dienstgespräch am 12. Januar 1979 habe im wesentlichen dazu gedient, eine junge Lehrkraft, wie sie der Kläger sei, Hilfestellung bei seiner Tätigkeit zu geben und künftige Fehler auszuschließen. Zu den im Schriftwechsel aufgeführten Behauptungen tatsächlicher Art habe sich der Kläger mit Schreiben vom 12. März 1978 nur unzureichend geäußert.

20

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 17. Dezember 1979 nach dem Klageantrag erkannt. Es hat unter anderem ausgeführt: Eine Personalakte diene dazu, möglichst vollständig und lückenlos über die Person des Angestellten und seine dienstliche Laufbahn Aufschluß zu geben. In ihr seien alle Schriftstücke zu verwahren, die Aufzeichnungen über die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Angestellten enthalten. Aus ihr solle sich zwar ein möglichst genaues und erschöpfendes Bild über da dienstliche Laufbahn und das dienstlich bedeutsame Verhalten des Angestellten ergeben, andererseits dürfe aber eine Personalakte nicht einseitige Wertungen über den Angestellten enthalten, die sich einer genauen Nachprüfung entziehen würden. Demgemäß sei es zulässig, in einer Personalakte dienstliche Beurteilungen aufzunehmen, sowie Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art. Weiter dürften in einer Personalakte auch aufgenommen werden Maßnahmen der Dienstaufsicht, wie z.B. Ermahnungen und Abmahnungen. Bei dem Schriftwechsel, der hier in die Personalakte des Klägers aufgenommen werden solle, handele es sich, schon deshalb nicht um eine dienstliche Beurteilung, weil keine Unterrichtsbesichtigung vorausgegangen sei. Durch, das Schreiben des Schulleiters ... vom 2. Februar 1979 werde in die Bewertungen des Klägers eingegriffen, wenn beanstandet werde, daß er bei einer Anwesenheit von 58 % die Note ausreichend gegeben habe. In gleicher Weise enthalte das Schreiben des Studiendirektors der die Leistungen einzelner Kollegiaten anders bewerte als der Kläger, eine Beurteilung und keine Beschwerde oder tatsächliche Behauptung. Das Protokoll über eine Dienstbesprechung enthalte ebenfalls eine versteckte Leistungsbeurteilung des Klägers. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt gewesen, ihr Schreiben vom 28. Februar an den Leiter des ... zur Personalakte des Klägers zu nehmen. Insoweit habe es sich um einen Fragenkatalog gehandelt, der dem Kläger, vorgelegt und von ihm beantwortet werden sollte. Die Aufnahme dieses Schreibens sei auch deshalb unzulässig gewesen, weil es sich insoweit nicht um eine für das Verhalten oder die dienstlichen Verhältnisse des Klägers wesentlich Tatsache gehandelt habe. Die Beklagte sei möglicherweise berechtigt gewesen, auf den Beschwerdebrief des Oberstudiendirektors ... vom 2. Februar 1979 und wegen der sonstigen strittigen Schreiben sowie dem Protokoll der Dienstbesprechung gegen den Kläger Disziplinarmaßnahmen in Form einer Ermahnung oder Abmahnung und evtl. auch, in Form einer Dienstanweisung zu erteilen. Im Rahmen einer solchen Maßnahme hätten dann die hier strittigen Schreiben zur Begründung der jeweiligen schriftlichen Maßnahme zur Personalakte genommen werden können. Das habe die Beklagte jedoch unterlassen.

21

Nach dem Antwortschreiben des Klägers vom 12. März 1979 hätte die Beklagte belegen müssen, ob zu. irgendwelchen dienstlichen Maßnahmen noch Anlaß bestanden habe. Sie sei jedoch nicht berechtigt gewesen, Schreiben, Protokolle und Berichte zur Personalakte zu nehmen, aus denen sich lediglich ein nachteiliges Bild von dem Verhalten und der Leistung des Klägers ergebe, ohne eine konkrete Maßnahme zu ergreifen und ohne daß der bis dahin geführte Schriftwechsel vollständig in die Personalakte aufgenommen worden sei. Da die Beklagte sich nicht veranlaßt gesehen habe, eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Ermahnung oder Abmahnung oder einer dienstlichen Anweisung an den Kläger zu ergreifen, sondern da ihre Maßnahme dazu dienen sollte, dem Kläger als junger Lehrkraft eine Hilfestellung zu geben, sei es unverständlich, daß die über den Kläger gefällten negativen Wertungen in die Personalakte aufgenommen werden sollten.

22

Die Beklagte hat gegen das am 13. Februar 1980 zugestellte Urteil am 11. März 1980 Berufung eingelegt und sie am 10. April 1980 begründet.

23

Das Arbeitsgericht vertrete rechtsirrig die Ansicht, daß in der Personalakte eines Angestellten nur dienstliche Beurteilungen sowie Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art aufzunehmen seien, andere Vorgänge, wie z.B. Befähigungsberichte und sonstige persönlichkeitsbedingte Werturteile eines Vorgesetzten über Leistung, Führung und Charakter eines Bediensteten, mit Ausnahme von Maßnahmen der Dienstaufsicht, jedoch nicht. Anders als bei Beamten sei der Angestellte im Bereich des BAT von Beurteilungen jeglicher Art nicht in Kenntnis zu setzen. Schriftstücke mit Feststellungen von Vorgesetzten, daß eine Lehrkraft gegen pädagogische Grundsätze verstoßen habe, seien in die Personalakte aufzunehmen, wenn sie auf tatsächlichen Grundlagen beruhten. Dem Arbeitsgericht könne nicht in seiner Ansicht gefolgt werden, daß die streitbefangenen Schriftstücke nur im Zusammenhang mit einer Ermahnung, Abmahnung oder Dienstanweisung in die Personalakten aufzunehmen seien. In der Regel führe erst die Summe vieler ungünstiger Vorgänge zu einer disziplinarischen Maßnahme. Wolle man mit dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, daß es sich bei den strittigen Schriftstücken um Werturteile von Vorgesetzten handele, dann seien diese ohne Unterrichtung des Klägers zu den Personalakten zu nehmen.

24

Der Wortlaut der Schriftstücke enthalte jedoch auch Behauptungen tatsächlicher Art. Überdies seien diese Behauptungen richtig. Daher könne der Kläger lediglich beanspruchen, zu den für ihn ungünstigen Tatsachenbehauptungen seine Stellungnahme zu den Akten zu geben.

25

Die Beklagte beantragt,

  1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

26

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 25. April 1980 und beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg.

28

Dem Arbeitsgericht ist im Ergebnis beizupflichten, daß aufgrund der gegebenen Umstände der Schriftwechsel nicht in die Personalakten gehört. Da sich der Klageanspruch des Klägers auf ein Unterlassen richtet, ist die Urteilsformel entsprechend zu berichtigen.

29

Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT muß der Angestellte über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden. Diese Tarifnorm gibt keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger begehrten Anspruch ab. Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt jedoch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

30

Dem Kläger kann nicht zugebilligt werden, daß die genannten Schriftstücke schon deshalb nicht in die Personalakte aufgenommen werden dürften, weil dabei Tatsachenbehauptungen mit Wertungen verquickt seien. Ebensowenig kann dem Arbeitsgericht beigepflichtet werden in der Auffassung, daß die Beklagte erst bei Verhängung von disziplinaren Maßnahmen in Form einer Ermahnung oder Abmahnung befugt gewesen, wäre den Schriftwechsel zur Begründung einer solchen Maßnahme beizufügen. Diese Ansichten werden weder von der Norm des § 13 Abs. 2 BAT noch von den Abgrenzungskriterien der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gedeckt.

31

Die Aufnahme von Beschwerden und Schriftstücken mit sonstigen tatsächlichen Behauptungen in die Personalakten wird nicht dadurch unzulässig, daß die Tatsachenangaben mit Wertungen verbunden sind. Die Prüfung, ob und welche Schriftstücke aufzunehmen sind, ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorzunehmen. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß sich aus den Personalakten ein möglichst genaues und erschöpfendes Bild über die dienstliche Laufbahn und das dienstlich bedeutsame Verhalten des Angestellten ergeben, daß sie. andererseits nicht einseitige Wertungen enthalten soll, die sich einer genauen Nachprüfung entziehen. Da die Personalakten dem Bediensteten bis zur Pensionierung oder Erreichung der Altersgrenze begleiten und ein Spiegelbild seiner beruflichen wie auch seiner menschlichen und sozialen Entwicklung zu geben bestimmt sind, stellen die Personalakten nach ihrem Wesen und ihrer Zweckbestimmung eine Mitteilung über die persönliche und sachliche Qualifikation des Bediensteten dar. Diese Mitteilungsfunktion ist von wesentlicher Bedeutung für die dienstliche Stellung des Bediensteten und für seine künftigen Bewerbungen, Versetzungen und Beförderungen. Die Fürsorgepflicht gebietet dem Arbeitgeber, bei allen seinen Maßnahmen, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl seines Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Anders als bei privaten Aufzeichnungen, die jeder Arbeitgeber nach Belieben für sich anfertigen und aufbewahren kann, ohne daß sie vom Arbeitnehmer in irgendeiner Form angegriffen werden können, müssen die Grenzen freier Beurteilung anderer dort respektiert werden, wo eine Auffassung nach außen hervortritt und daher geeignet sein kann, den Betreffenden unmittelbar oder durch Mitteilung an Dritte in seiner Rechtssphäre zu berühren. Neben dem zu beachtenden Interesse des Arbeitnehmers findet die dem Arbeitnehmer zu gewährende Fürsorge jedoch ihre Grenze an den berechtigten eigenen Belangen des Arbeitgebers. (BAG AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Der Arbeitgeber hat darauf-hinzuwirken, daß der Arbeitnehmer seine dienstlichen Obliegenheiten ordnungsgemäß erfüllt; Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers hat er in geeigneter Weise zu unterbinden. Ist das Verhalten des Arbeitnehmers mit den dienstlichen Obliegenheiten nicht vereinbar, dann dürfen Schriftstücke, die nach ihrem negativen Inhalt Mahncharakter haben, die Personalakten vervollständigen, wenn wegen des beanstandeten Verhaltens im Zeitpunkt der beabsichtigten Aufnahme Wiederholungsgefahr droht, insbesondere wenn der Arbeitnehmer uneinsichtig ist, sich wohlgemeinten Ratschlägen verschließt und auf seiner unzutreffenden Meinung beharrt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

32

Die Beklagte hat in der Verfügung vom 28. Februar 1979 beanstandet, daß der Kläger die Kollegiatin ... nicht zur Nachleistung einer versäumten Klausur herangezogen hat. Die Beklagte hat jedoch keine Vorschrift genannt, die dem Lehrer aufgibt, eine versäumte Klausur nachholen zu lassen. Ebensowenig hat die Beklagte Regelungen angeführt, wie ein Lehrer zu verfahren hat, wenn Kollegiaten (Schüler) Unterrichtsstunden versäumen. Wenn die Beklagte die Nachleistung einer Klausur vermißt, dann steckt in diesem Vorbringen ein treffender Grundgedanke. Zum breiten Bildungsangebot, das der Staat seinen Jugendlichen und Erwachsenen macht, gehört nach Meinung der Kammer auch die Pflicht zur Regelung, wie versäumte Schulstunden nachzuholen oder zu bewerten sind. Dies darf nicht dem freien Ermessen des einzelnen Lehrers überlassen bleiben. Es genügt nach Meinung der Kammer nicht, daß der Kläger sich durch - notgedrungen - kurze Befragung des Kollegiaten die subjektive Überzeugung verschafft, dieser habe das versäumte Stoffgebiet nachgearbeitet. Ein überzeugender und nachprüfbarer Beweis läßt sich hingegen durch eine schriftliche Arbeit erbringen. Für die unentschuldigte Versäumung einer solchen Nachholarbeit kann nur die Note ungenügend gegeben werden. Im Falle des entschuldigten Versäumnisses ist einer neuer Termin, notfalls im nächsten Halbjahr vorzusehen. Ist eine Klausur untunlich, kann auch eine Hausarbeit gegeben werden, deren ordnungsmäßige Bearbeitung einen Arbeitsaufwand erfordern muß, der die Zahl der versäumten Stunden deutlich übersteigt. Die Schulaufsichtsbehörde hat auf die schriftlichen Nachholarbeiten und ihre Bewertung ihr besonderes Augenmerk zu richten. Durch die Last, den Wissensstoff und die Gedankenarbeit der versäumten Stunden in einer schriftlichen Arbeit zu erschließen, dürfte den Kollegiaten (Schülern) die Lust am Fernbleiben vergehen; das Fehlen dürfte damit auf ein Minimum reduziert werden. - Da die Beklagte sich nicht auf konkrete Regelungen über die Behandlung von versäumten Stunden berufen hat, kann dem Kläger insoweit nichts vorgeworfen werden.

33

Im Schriftsatz vom 29. August 1979 hatte die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe zu den Behauptungen seiner Vorgesetzten keine Stellung genommen. Damit wurde der Eindruck erweckt, der Kläger sei unzugänglich und unbelehrbar. Dies Bild hat sich als trügerisch erwiesen. Der Kläger hat mit seinem an den Schulleiter gerichteten Schreiben vom 12. März 1979 Einsicht gezeigt (Bl. 31 d.A.). Darin führt er an: Zur Führung des Kursbuches beziehe er sich auf die Anweisungen des Schulleiters vom 20. Oktober 1977. Die durchweg guten Noten mehrerer Kollegiaten trotz einer Reihe versäumter Stunden habe er aufgrund von Leistungsmeßungen erteilt. Er habe in jener Gruppe nur eine Klausur gegeben, weil es sich um das Prüfungssemester gehandelt und der Zeitraum zwischen Semesterbeginn und der schriftlichen Reifeprüfung nur sechs Wochen betragen habe. Eine Ersatzarbeit für die Kollegiatin ... sei aus Zeitmangel nicht mehr möglich gewesen, da zwischen der Klausur und der schriftlichen Reifeprüfung nur eine Woche gelegen habe. Im übrigen hat der Kläger in Erinnerung gerufen, daß er schon anläßlich der Dienstbesprechung vom 12. Januar und der Fachkonferenz vom 15. Januar 1979 den Hinweisen, daß sich seine Arbeit in verschiedenen Punkten ändern müsse, zugestimmt habe. Dementsprechend habe er bei der Korrektur einer Klausur des jetzigen Semesters V 1 geänderte Maßstäbe angelegt.

34

Für das Gericht sind keine Anhaltspunkte gegeben, daß es sich bei diesen Äußerungen des Klägers bloß um taktische Lippenbekenntnisse gehandelt habe. Denn die Beklagte hat keine anders lautende Praxis des Klägers aufgezeigt.

35

Soweit der Schulleiter im Schreiben vom 9. Januar 1979 bemängelt, der Kläger habe Verspätungen von Kollegiaten "fast nie (gemeint wohl: vereinzelt, selten, nur gelegentlich) notiert", und fortfährt: "Durch dieses Fehlverhalten" habe der Kläger "den ordnungsgemäßen Ablauf des Unterrichts erheblich beeinträchtigt", hat der Kläger diesen Vorwurf im Schreiben vom 19. Januar 1979 zu Recht zurückgewiesen. Denn die logische Entsprechung einer unterlassenen Notiz ist jedenfalls nicht eine erhebliche Beeinträchtigung des Unterrichts, sondern allenfalls ein Verstoß gegen eine - dem Gericht nicht genannte - Ordnungsvorschrift. Die Beklagte hat es zu Recht unterlassen, diesen Vorgang in ihrer Verfügung vom 28. Februar 1979 zu behandeln.

36

Der Anspruch, die Aufnahme negativer Behauptungen und Wertungen in der Personalakte des Klägers zu unterlassen, ergibt sich auch aus einem anderen Grund:

37

Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art sind nur dann in den Personalakten festzuhalten, wenn sie nach dem pflichtmäßigen Ermessen des Arbeitgebers für die dienstlichen Belange oder die persönliche Eignung und Führung des Arbeitnehmers bedeutsam, jedenfalls nicht unbedeutet sind.

38

Dabei wird es vor allem darauf ankommen, ob die ungünstigen Tatsachen vom Arbeitnehmer schuldhaft verursacht worden sind. Ein seiner Fürsorgepflicht bewußter Arbeitgeber wird typische Anfängerfehler in einem sachlichen Gespräch aufzeigen und Ratschläge geben, wie man es besser macht. Ein Verhalten, das der Arbeitgeber in richtiger Erkenntnis der Dinge nicht einmal zum Anlaß einer ausdrücklichen Mißbilligung nehmen will, ist nicht geeignet, in den Personalakten festgeschrieben zu werden. So liegt der Fall nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten. Die Beklagte hat mit dem Dienstgespräch vom 12. Januar und der Verfügung vom 28. Februar 1979, wie schon das Arbeitsgericht zutreffend bemerkt, vorwiegend den Zweck verfolgt, einer jungen Lehrkraft Hilfestellung bei ihrer Tätigkeit zu geben und künftige Fehler auszuschließen; eine dienstliche Wertung des Klägers sei nicht erfolgt. Damit hat die Beklagte selbst deutlich gemacht, daß die beim Kläger im Dienst aufgetretenen Unzulänglichkeiten vor allem seiner Unerfahrenheit und nicht etwa vorwerfbarem Verhalten zuzuschreiben sind. Angesichts dieser Darstellung, mit der die Beklagte der Angelegenheit ein geringes Gewicht beigemessen hat, wäre es Rechtsmißbrauch, weil widersprüchlich, auf der Aufnahme des Schriftwechsels in der Personalakte zu bestehen.

39

Nach allem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

40

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.