Amtsgericht Wolfenbüttel
Urt. v. 25.07.2019, Az.: 501 Ds 208 Js 8842/19
Bibliographie
- Gericht
- AG Wolfenbüttel
- Datum
- 25.07.2019
- Aktenzeichen
- 501 Ds 208 Js 8842/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 70203
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 22 StGB StGB
- § 23 StGB
- § 44 StGB
- § 52 StGB
- § 114 Abs 1 StGB
- § 115 Abs 3 S 1 StGB
- § 115 Abs 3 S 2 StGB
- § 223 Abs 1 StGB
- § 224 Abs 1 Nr 2 StGB
- § 240 Abs 1 StGB
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung unter Freispruch im Übrigen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Dem Angeklagten wird für die Dauer von zwei Monaten verboten, im Straßenverkehr, Personenkraftwagen zu führen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 114 Abs. 1, 115 Abs. 3 Satz 1 und 2, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1
Nr. 2, 240 Abs. 1, 22, 23, 52, 44 StGB
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. IV StPO)
I.
Der zum Tatzeitpunkt 61 Jahre alte Angeklagte <…>
Strafrechtlich und verkehrsordnungsrechtlich ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.
II.
Am Vormittag des 16. Januar 2019 kam es in der historischen Altstadt von Wolfenbüttel zu einem Wohnhausbrand mit Gefährdungen von Bewohnern. Aufgrund der engen Einbahnstraßenführung und zur Absicherung und Gewährleistung einer Zufahrt für die Einsatzfahrzeuge wurden die umliegenden Straßen weiträumig abgesperrt. An der Absperrung zur Harzstraße waren die beiden Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr H. und A. eingesetzt und leiteten den Verkehr den Einmündungsbereich Bahnhofstraße/Harzstraße an dieser Einmündung vorbei. Die Absperrmaßnahmen erfolgten durch die beiden Mitarbeiter durch Vorzeigen des Anhaltestabs und mittels Handzeichen. Beide trugen deutlich erkennbar die Einsatzkleidung der Freiwilligen Feuerwehr Wolfenbüttel mit einem Einsatzhelm und dem Anhaltestab der Feuerwehr.
Gegen 11:25 Uhr näherte sich der Angeklagte mit seinem Pkw Mercedes A-Klasse älteren Baujahrs (amtliches Kennzeichen < >) und wollte in den Bereich Harzstraße hineinfahren, um dort in der Nähe zu parken. Der Angeklagte hatte um 11:30 Uhr einen Termin zu einem Gesprächskreis des Jobcenters und hatte es deshalb sehr eilig. An der Einmündung zur Harzstraße wurde ihm durch Frau H.und Herrn A. per Handzeichen und mittels Signalkelle deutlich signalisiert, dass er mit seinem Fahrzeug nicht mehr die Straße einbiegen dürfe. Der Angeklagte hielt zunächst an, machte aber keine Anstalten, zurückzusetzen und weiterzufahren. Da die Mitarbeiter der Feuerwehr deshalb befürchteten, er wolle gegen ihre Anweisung weiterfahren, positionierte sich Frau H. links von ihm auf der Fahrbahn und Herr A. direkt an der Beifahrerseite des Fahrzeugs des Angeklagten in Höhe des Vorderreifens. Zusätzlich hielt er die Signalkelle direkt vor die Windschutzscheibe. Der Angeklagte ließ das linke Seitenfenster des Fahrzeugs herunter und erklärte lautstark und mit zunehmender Aggression, er müsse jetzt unbedingt zu einem wichtigen Termin in die Harzstraße einfahren. Beide erklärten nun dem Angeklagten noch einmal, dass die Zuwegung für Löscharbeiten gesperrt sei und er über die Komißstraße und den Kornmarkt ausweichen müsse. Obwohl dem Angeklagten spätestens zu diesem Zeitpunkt klar war, dass er dort nicht durchfahren dürfe und dieses auch hinsichtlich des Feuerwehreinsatzes erforderlich war, wollte er nun beide an die Seite drängen und zu seinem ursprünglichen Ziel fahren. Der Angeklagte fuhr daher langsam an und drehte das Lenkrad rechts in Richtung des immer noch unmittelbar am Fahrzeug stehenden Herrn A.. Hierbei fuhr er mit seinem rechten Vorderrad über den Fuß des Herrn A.. Dieser erlitt nur deshalb keine Verletzung, weil er mit Stahlkappen gesicherte Feuerwehrstiefel trug. Der Angeklagte nahm die Möglichkeit, dem Herrn A. über den Fuß zu fahre zumindest billigend in Kauf und setzte sich in seiner großen Erregung über entsprechende Bedenken hinweg. Um ihn an der Weiterfahrt zu hindern, begab sich Frau H. direkt in die Fahrbahnmitte vor das Fahrzeug des Angeklagten, sodass dieser etwa 1 m vor ihr bremsen musste. Frau H. hielt dabei ihre Hand direkt auf die Kühlerhaube des Mercedes und schrie den Angeklagten noch einmal an, er könne hier nicht durchfahren. Erst jetzt setzte der Angeklagte zurück und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon. Dem Angeklagten war bei dem Überfahren des Fußes bewusst, dass er durch das Gewicht des Fahrzeuges ernsthafte Verletzungen im Bereich des Fußbereiches verursachen könnte und einen Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr bei der Ausübung seines Dienstes tätlich angriff.
III.
Die Feststellungen beruhen auf den teilgeständigen Angaben des Angeklagten und dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den glaubhaften Bekundungen der eingesetzten Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr sowie den in Augenschein genommenen Fotografien. Das Gericht ist insbesondere auch davon überzeugt, dass der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz über den Fuß des Feuerwehrmitarbeiters fuhr. Wer so, wie der Angeklagte mit seinem Fahrzeug anfährt, während direkt rechts neben ihm in Höhe des Reifens eine Person am Fahrzeug steht und noch in diese Richtung einlenkt, kann nicht darauf vertrauen, dass die entsprechenden Reifen des Fahrzeuges nicht über den Fuß der Person fährt und nimmt damit ein Überrollen und entsprechende Verletzungen mindestens billigend in Kauf.
IV.
Der Angeklagte hat sich damit des tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung schuldig gemacht. Nach einer Gesetzesänderung sind auch Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr in den Schutzbereich des § 115 Abs. 3 StGB einbezogen. Sie waren auch Hilfeleister im Sinne dieser Vorschrift, weil sie im Rahmen des Gesamteinsatzes den Feuerwehrwehreinsatz bei einer gemeinen Gefahr sicherstellten. Der tägliche Angriff erfolgte auch während der Dauer der Hilfeleistung in Kenntnis der gemeinen Gefahr und der Zugehörigkeit der Betroffenen zur Freiwilligen Feuerwehr. In Tateinheit mit diesem vollendeten Vergehen hat der Angeklagte eine versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung gemäß den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 240 Abs. 1, 22, 23 StGB begangen. Beim Kraftfahrzeug handelt es sich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift und das Voranfahren zielte auch darauf ab, die Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr dazu zu bewegen, ihm Platz zu machen. Da dieses nicht geschah und aufgrund der gesicherten Schuhe keine Verletzungen eingetreten sind, blieb es in beiden Fällen nur beim Versuch.
V.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht zunächst die teilgeständigen Angaben, den bisher unbescholtenen Lebensweg und eine gewisse Überforderungssituation für den Angeklagten berücksichtigt. Strafmildernd ist auch berücksichtigt worden, dass dem Handeln offensichtlich keine grundsätzlich rechtsfeindlichen Motive zu Grunde lagen und es nicht zu einer Verletzung des Feuerwehrmanns gekommen ist.
Straferschwerend wirkten sich insbesondere die Dauer und Intensität des Versuchs, sich gegen die Anweisungen freie Fahrt zu verschaffen sowie der in der Tat zum Ausdruck kommende mangelnde Respekt gegenüber ehrenamtlich tätigen Personen im Dienste der Allgemeinheit und die Missachtung ihrer Anweisungen aus eigensüchtigen Motiven.
Bei einer Gesamtwürdigung kann zur Einwirkung auf den Angeklagten und aus generalpräventiven Gründen nur die Verhängung einer Freiheitsstrafe in Betracht. Die Rechtsordnung kann es nicht hinnehmen, dass Vertreter des Staates und ehrenamtlich Tätige, die im Allgemeininteresse tätig sind, angegriffen werden und aus eigensüchtigen Gründen ihre Arbeit erschwert und behindert wird. Es war daher auch im Rahmen der Strafzumessung ein deutliches Signal zu setzen, dass es sich bei derartigen Verhaltensweisen nicht um „Kavaliersdelikte“, sondern schwere Straftaten handelt, die entsprechend geahndet werden. Unter Berücksichtigung aller dieser individuellen und generalspräventiven Gründe hat das Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war gemäß § 56 Abs. 1 StGB zwingend zur Bewährung auszusetzen, weil bei dem Angeklagten die Erwartung besteht, dass er künftig auch ohne Vollstreckung keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte ist bislang und auch seit der Tat strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und hat in der Hauptverhandlung Einsicht gezeigt. Zudem handelte er in einer für ihn zumindest subjektiv bestehenden besonderen Überforderungssituation, die eine Wiederholung unwahrscheinlich erscheinen lässt, zumal der Angeklagte offensichtlich schon durch das Verfahren erheblich beeindruckt wirkte. Es erschien dem Gericht aber erforderlich, dieses zu unterstützen durch die Bewährungsauflagen, gemeinnützige Arbeit bei einer Feuerwehr zu leisten und zu deren Gunsten einen Geldbetrag zu zahlen. Auch hiermit kann der Angeklagte den von ihm in der Hauptverhandlung bekundeten Respekt vor der Tätigkeit der Feuerwehr zum Ausdruck bringen.
Aufgrund des Fehlverhaltens während des Führens eines Kraftfahrzeuges erschien darüber hinaus die Anordnung eines Fahrverbotes von 2 Monaten gemäß § 44 Abs. 1 StGB zur Einwirkung auf den Angeklagten und auch zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich. Es wäre der rechtstreuen Bevölkerung nicht zu vermitteln, wenn bei einem derartigen Fehlverhalten im Straßenverkehr keine verkehrsspezifische Maßnahme verhängt würden, die sogar bei Ordnungswidrigkeiten ab einer bestimmten Schwere Regelfall sind.
Bei der konkreten Bemessung der Dauer des Fahrverbotes hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Angeklagte hierdurch nicht seinen Beruf als Auslieferungsfahrer verlieren soll.
Vom weiteren Vorwurf des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort war der Angeklagte aus tatsächlichen freizusprechen, weil kein messbarer Schaden entstanden war.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO. Von einer Kostenteilung im Hinblick auf den Teilfreispruch hat das Gericht abgesehen, weil infolge dieses Vorwurfs keinerlei zusätzliche Kosten oder Auslagen entstanden sind.