Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.01.2010, Az.: 322 SsBs 315/09

Verwertbarkeit einer ohne Einschaltung des zuständigen Staatsanwalts angeordneten Blutentnahme

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.01.2010
Aktenzeichen
322 SsBs 315/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 11199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0125.322SSBS315.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 08.09.2009

Fundstellen

  • DAR 2010, 392-393
  • NZV 2010, 362-363
  • NZV 2010, 6
  • StRR 2010, 122 (red. Leitsatz)
  • VRA 2010, 101
  • VRR 2010, 122
  • VRS 2010, 204-205

Amtlicher Leitsatz

Der Umstand, dass die die Blutentnahme bei Gefahr in Verzug anordnende Ermittlungsperson nicht zuvor versucht hat, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen, ist von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO und ein Verwertungsverbot zu begründen.

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Lüneburg zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Landkreis L. hatte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 25. März 2009 eine Geldbuße von 250 € und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt, weil der Betroffene am 24. November 2008 in L. auf der D. Landstraße einen Pkw geführt hatte, obwohl er eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 g ‰ oder mehr geführt hat (fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG). Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht ihn von diesem Vorwurf freigesprochen, weil das Ergebnis der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegenden Blutalkoholbestimmung wegen Verstoßes gegen § 81 a StPO nicht verwertbar sei. Denn der die Blutentnahme anordnende Polizeikommissar S. habe nicht versucht, eine staatsanwaltschaftliche Anordnung der Blutentnahme in der Tatnacht herbeizuführen, obwohl ein Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft eingerichtet war und den Polizeibeamten als Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft in § 81 a StPO nur eine nachrangige Anordnungskompetenz eingeräumt sei.

2

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie die allgemeine Sachrüge erhebt und insbesondere die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes durch das Amtsgericht beanstandet.

3

II. Das zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts.

4

1. Das angefochtene Urteil konnte keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht zu Unrecht das Blutalkoholgutachten des Labors für forensische Blutalkoholbestimmungen H. vom 7. November 2008 nicht verwertet hat und deshalb keine Feststellungen zur Alkoholisierung des Betroffenen treffen konnte.

5

Der Umstand, dass der anordnende Polizeibeamte in der Tatnacht nicht versucht hatte, den staatsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienst zu erreichen, ist von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81 a Abs. 2 StPO und damit gegebenenfalls ein Verwertungsverbot zu begründen. Denn die Verletzung des Richtervorbehalts des § 81 a Abs. 2 StPO und die damit möglicherweise verbundene Verletzung des Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven Rechtsschutz setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass die Anordnungskompetenz des Richters und nicht etwa die eines Ermittlungsbeamten missachtet worden ist (ebenso bereits OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.10.2009, 1 Ss 310/09, juris; OLG Hamm StV 2009, 462 ff. = NStZ-RR 2009, 386 f. = Blutalkohol 46, 282 ff. unter Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht NJW 2007, 1345 und 2008, 2053; im Ergebnis ebenso, allerdings mit anderer Begründung OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008, 2 Ss 69/08, juris).

6

Selbst wenn von einer nur nachrangigen Eilanordnungskompetenz der Ermittlungsbeamten nur für den Fall der Nichterreichbarkeit auch eines Staatsanwaltes (dagegen mit gewichtigen Gründen OLG Brandenburg aaO.), auszugehen wäre, bestände dieses Rangverhältnis allein innerhalb des Bereichs der Ermittlungsbehörden und damit der Exekutive. Für die Fragen der Verletzung des Richtervorbehalts und des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven Rechtsschutz könnte diesem Rangverhältnis deshalb schon sachlogisch keine Bedeutung zukommen. Der Senat konnte deshalb dahinstehen lassen, ob der Annahme eines Verwertungsverbotes im Bereich des Bußgeldverfahrens in derartigen Konstellationen nicht auch entgegen- stände, dass die Polizeibeamten insoweit als Ermittlungsorgane der Verwaltungsbehörde tätig werden, worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung u. a. abgehoben hat.

7

2. Der Senat konnte nicht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden, sondern musste zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht zurückverweisen. Zwar heißt es in dem angefochtenen Urteil, in der Beweisaufnahme habe sich der im Bußgeldbescheid dargestellte Sachverhalt bestätigt. Der Senat vermag allerdings schon nicht nachzuvollziehen, worauf das Amtsgericht diese Überzeugung gründet, wenn das Blutalkoholgutachten des Labors für forensische Blutalkoholbestimmung H. nicht verwertet und offenbar auch nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Es ergibt sich aus den Urteilsgründen auch nicht, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene zum Tatvorwurf eingelassen hat und auf welcher Grundlage die Feststellungen zum objektiven Tathergang getroffen worden sind. Den Urteilsgründen lässt sich nur entnehmen, dass der Polizeibeamte S. zur Frage der Eilanordnung ausgesagt hat.

8

3. Im Hinblick auf die Erwiderung der Verteidigung zur Rechtsbeschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft merkt der Senat für die neu zu treffende Entscheidung noch an, dass der Senat bislang im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon ausgegangen ist, dass es der Einrichtung eines richterlichen Eildienstes während der Nachtzeit, wie sie sich aus § 104 Abs. 3 StPO ergibt, im Regelfall nicht bedarf (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2010, 322 SsBs 334/09).