Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 28.06.2023, Az.: 1 A 52/22

DIN EN 45501; NAWID; Nicht selbsttätige Waage; OIML R 76-1; Waagen-Kassen-System; Zwangsbon; Erforderlichkeit eines sog. (physischen) Zwangsbons im Sinne der Ziff. 14 und 10 des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU über nicht selbsttätige Waagen, sog. NAWID-Richtlinie; Fehlen einer Prüfungsbescheinigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt für Waagen-Kassen-Systeme mit optionaler Digitalbonfunktion

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
28.06.2023
Aktenzeichen
1 A 52/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 29134
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0628.1A52.22.00
  1. 1.

    Statthaftigkeit der Feststellungsklage bei Streit über die Frage, ob die Eichung gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG kraft Gesetzes vorzeitig erloschen ist bzw. erlöschen wird.

  2. 2.

    Auslegung der Formulierung ausgedruckt auf einem Bon oder Etikett in Ziff. 14 des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU im Sinne eines zwingenden Erfordernisses eines (physischen) Bons.

  3. 3.

    Kein abweichendes Auslegungsergebnis bezüglich der oben genannten Formulierung unter besonderer Berücksichtigung der R 76-1 der OIML (vgl. OVG NRW; Urteil vom 8.9.2022 4 A 1278/21).

  4. 4.

    Nach Auffassung der Kammer besteht kein Raum für Rechtsfortbildung zur Bewirkung der Zulässigkeit des optionalen Digitalbons, so sinnvoll seine Zulassung auch erscheinen mag.

  5. 5.

    Fehlen einer Prüfungsbescheinigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt für Waagen-Kassen-Systeme mit optionaler Digitalbonfunktion.

  6. 6.

    Keine Zulassung der Berufung, weil das Urteil auf zwei selbständig tragenden Begründungen beruht, von denen nur eine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt die zulässige Weiternutzung von nicht selbsttätigen, d. h. die Bedienung durch eine Person erfordernden, Waagen-Kassen-Systemen (nachfolgend WKS) von den Beklagten.

Der Kläger betreibt einen Edeka-Markt in K.. In dem Markt gibt es sechs WKS. Bei den WKS handelt es sich um Zusammenschlüsse von preisrechnenden Waagen (d.h. an der Waage werden Gewicht und Einheitspreis eines Produkts multipliziert) mit nicht preisrechnenden Kassensystemen (d.h. das Kassensystem übernimmt den von der Waage ermittelten Preis für den einzelnen Verkaufsartikel und berechnet diesen nicht selbst). Am 6.1.2022 wurde an einem der WKS (Standort Backshop) der Kassen-PC ersetzt und beim Beklagten zu 2) ein Antrag auf Eichung dieses WKS gestellt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger bereits ein von der EL. zur Verfügung gestelltes Softwareprogramm auf fünf seiner sechs WKS installiert. Dieses Programm erlaubt es, die WKS so einzustellen, dass der Kunde am Ende des Kassiervorgangs zwischen einem physischen Bon und einem digitalen bzw. e-Bon wählen kann. Wird der Letztere gewählt, wird ein physischer Bon nicht mehr gedruckt. Dagegen wurde bis zur Installation des Programms ein sogenannter Zwangsbon erstellt. Der Druck des Bons war zwingend, auch wenn dies vom Kunden nicht gewünscht wurde. Der ausgedruckte Bon wurde dann lediglich weggeschmissen. Ob das genannte Programm installiert wird, entscheidet nicht die Edeka-Zentrale, sondern die jeweiligen Marktinhaber. Das Programm kann so eingestellt werden, dass wieder stets ein (physischer) Bon gedruckt wird.

Am 17.1.2022 begab sich der Mitarbeiter des Beklagten zu 2) Herr BM. anlässlich des genannten Tauschs des Kassen-PCs im Backshop zum Markt des Klägers. Bei der Prüfung dieses WKS fiel auf, dass kein Zwangsbon mehr erstellt wurde, weil das oben genannte Programm installiert worden war. Daraufhin überprüfte Herr BM. auch die weiteren WKS im Markt und stellte dasselbe Problem bei weiteren vier Systemen fest. Er erläuterte dem für die Messgeräte Verantwortlichen, Herrn GN., dass es zwingend eines physischen Bons bedürfe. Herr BM. füllte ein mit "Beanstandung eichpflichtiger Waagen- und Kassensysteme" überschriebenes Formular aus. Zunächst einmal kreuzte er auf diesem Formular nicht an, ob die Prüfung im Rahmen der Eichung oder einer Marktüberwachungsmaßnahme erfolgt sei. Sodann wurde ein Mangel an fünf Kassensystemen festgestellt. Die Seriennummern der Kassensysteme wurden aufgeführt. Als Mangel wurde notiert: "Bei gewogenen Artikel von Waagen in offenen Verkaufsstellen muss ein Zwangsbon erfolgen! Ein digitaler Bogen ist nicht zulässig. Richtlinie 2014/31/EU" (- Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften zur Bereitstellung nicht selbsttätiger Waagen auf dem Markt, sog. NAWID-Richtlinie - Anmerkung des Gerichts). Es werde die Auflage erteilt, die festgestellten Mängel bis zum 31.1.2022 abzustellen und das zuständige Eichamt von der Erledigung in Kenntnis zu setzen. Bei den beiden darauffolgenden Zeilen des Formulars, die die Duldung noch geeichter Waagen bis zum genannten Termin oder das sofortige Erlöschen der Eichgültigkeit betreffen, wurde wiederum kein Kreuz gesetzt. Es folgte ein vorgedruckter Hinweis darauf, dass die Verwendung ungeeichter Wagen eine Ordnungswidrigkeit sei und mit einem Bußgeld geahndet werden könne. Bei Nichterfüllung der Auflagen erlösche die Gültigkeit der Eichung bzw. erfolge keine Eichung. Die Überwachungsmaßnahmen seien nach Mess- und Eichgebührenverordnung gebührenpflichtig. Das Schreiben wurde von Herrn BM. und Herrn GN. (Kenntnisnahme) unterschrieben. Es folgten eine Rechtsbehelfsbelehrung und der Abdruck des Wortlautes von § 23 Abs. 1 MessEV.

Unter dem 27.1.2022 bat der Kläger beim Beklagten zu 2) um Verlängerung der Frist für die Beseitigung der Mängel bis zum 15.2.2022. In diesem Zusammenhang erwähnte der Kläger, er wolle auf die Beanstandung und Verweigerung der Eichung des Kassensystems wegen Nutzung des "eBons" zurückkommen. Die Fristverlängerung wurde gewährt.

Der Kläger hat am 15.2.2022 Klage erhoben.

Er ist ursprünglich der Auffassung gewesen, dass die Anfechtungsklage gegen die Beanstandung die statthafte Klageart sei. Eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Eichung sei nicht statthaft, weil die sogenannte "Auflage" bereits befolgt worden sei und die Geräte geeicht seien. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage komme nicht in Betracht, weil sich die Beanstandung nicht erledigt habe. Die Klage sei auch im Übrigen zulässig. Die Klage sei auch begründet. Die Beanstandung sei formell und materiell rechtswidrig erfolgt:

Die formelle Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass er vor der Beanstandung nicht angehört worden sei. Eine solche Anhörung könne auch nicht mehr wirksam während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Der so bezeichnete Mangel der Anhörung sei auch nicht unbeachtlich im Sinne von § 46 VwVfG.

Die materielle Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass die Richtlinie 2014/31/EU einen physischen Zwangsbon nicht fordere. Lege man die Ziffern 10 und 14 des Anhangs I der Richtlinie aus, ergebe sich, dass das Wort "ausdrucken" bzw. "ausgedruckt" nicht zwingend auf einen physischen Bon hindeute. Drucken könne auch im Sinne von "ausgeben" verstanden werden. Gängig sei auch der Begriff des PDF-Drucks. Schon nach allgemeiner Auslegung sei der Wortlaut daher offen. Hier müsse noch die besondere Technologieoffenheit dieser europarechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden. Diese wollten technische Lösungen, die sich aus technischen Normwerken, namentlich solchen internationaler Organisationen ergäben, nicht im Wege stehen. Zum einen diene die Übereinstimmung europäischer und internationaler Normen der Wettbewerbsfähigkeit und Verbreitung europäischer Normen. Zum anderen beschränke sich die Richtlinie 2014/31/EU gerade auf grundlegende Anforderungen. Um eine der genannten internationalen Organisationen handele es sich bei der Internationalen Organisation für das Messwesen (OIML). Die OIML habe die Empfehlungen 76-1 und 76-2 betreffend nicht selbsttätige Waagen (R 76-1 und R 76-2) herausgegeben. Aus diesen Empfehlungen ergebe sich ein weites Verständnis des Begriffs "printing", was auch bei der Auslegung der Richtlinie berücksichtigt werden müsse. Insofern wird nach gerichtlichem Hinweis auf ein Urteil des OVG NRW (vom 8.9.2022 - 4 A 1278/21, juris) auch auf dieses Urteil verwiesen. Besonders zu berücksichtigen sei auch, dass in keiner Weise ersichtlich sei, inwiefern der Kundenschutz durch die Wahlmöglichkeit zwischen elektronischem und physischem Bon beeinträchtigt würde. Soweit die Beklagten anführten, der e-Bon widerspräche der einschlägigen Prüfungsbescheinigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (im Folgenden PTB), sei festzustellen, dass dies zum einen nicht zutreffe und zum anderen die Prüfungsbescheinigung der NAWID-Richtlinie entsprechen müsse und nicht umgekehrt.

Der Kläger hat ursprünglich sinngemäß beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 17.1.2022 aufzuheben. Der Berichterstatter hat unter dem 19.6.2023 auf die aus seiner Sicht sachdienliche Antragstellung hingewiesen.

Der Kläger beantragt nunmehr wortwörtlich,

festzustellen, dass die nunmehr laufenden Eichfristen für die fünf im Bescheid vom 17. Januar 2022 genannten Waagen-Kassen-Systeme im Falle einer Reaktivierung des Softwaremoduls mit der Digitalbonfunktion nicht kraft Gesetzes vorzeitig enden sowie

unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Januar 2022, soweit darin der Antrag auf Eichung der fünf in dem Bescheid genannten Waagen-Kassen-Systeme abgelehnt wird, festzustellen, dass das Land Niedersachsen, vertreten durch den Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen verpflichtet ist, am Ende der aktuell laufenden sowie sich anschließender Eichfristen trotz des aktivierten Softwaremoduls mit der Digitalbonfunktion neue Eichungen für die genannten Waagen-Kassen-Systeme auszusprechen.

Hilfsweise wird - wiederum wortwörtlich - beantragt,

die von dem Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen am 17. Januar 2022 gegenüber dem Kläger getroffene Anordnung, die vom Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen festgestellten Mängel bis zum 31. Januar 2022 abzustellen und den Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen von der Erledigung in Kenntnis zu setzen, aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass statthaft die Klage zur Verpflichtung auf Eichung sei. Die Eichung stelle das eigentliche Ziel des Klägers dar. Ohne Eichung dürfe er die WKS nicht betreiben. Er willige in eine mögliche entsprechende Klageänderung ein.

Eine solche Klage wäre aber nicht begründet. Es bestünde kein Anspruch auf Eichung. Die WKS seien eichpflichtig und nicht eichfähig. Dies beruhe auf zwei selbständig tragenden Gründen: Zum einen entsprächen die WKS ohne Zwangsbon nicht den Vorgaben der Prüfungsbescheinigung der PTB. Zum anderen erfüllten die WKS auch nicht die wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU. Aus deren Anhang I gehe deutlich hervor, dass es eines physischen Bons bedürfe. Die Auslegung des Klägers sprenge den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen. Diese Vorgabe ergebe auch mit Blick auf Kundenschutz, Schutz des Rechtsverkehrs und Vollzugsvereinfachung für die zuständigen Behörden weiterhin Sinn. Bezüglich der Beanstandung sei noch festzustellen: Eine Anhörung zu den für jene relevanten Tatsachen sei vor Ort erfolgt, ein etwaiges Fehlen der Anhörung könne im Übrigen aber auch geheilt werden und sei jedenfalls unbeachtlich.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Das Gericht hat den Prozessbevollmächtigten der Beteiligten gemäß § 102a VwGO gestattet, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg; über sie kann die Kammer nach Videoverhandlung gemäß § 102a VwGO und nach Pensionierung des früheren Vorsitzenden zum 1.5.2023 gemäß § 4 Satz 1 VwGO i.V.m. § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG analog entscheiden. Es handelt sich zwar um keine vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG, aber um einen dem gleichzustellenden Fall, weil von einer Vakanz von nicht mehr als 6 Monaten bis zur Ernennung eines neuen Vorsitzenden auszugehen ist und es in diesen Fällen der Zuteilung eines Vorsitzenden einer anderen Kammer, § 21e Abs. 5 GVG, nach der Rechtsprechung nicht bedarf (vgl. BSG, Beschluss vom 29. 11.2006 - B 6 KA 34/06 B, SozR 4-1720 § 21f Nr. 1, 1. Leitsatz, juris).

A.

Der Kläger, der zulässigerweise unter seiner Firma klagt, § 17 Abs. 2 HGB, hat seinen ursprünglichen Klageantrag, der auf Anfechtung der Beanstandung des Beklagten zu 2) vom 17.1.2022 zielte, mit (jedenfalls stillschweigender) Einwilligung der Beklagten, § 91 Abs. 1 (und Abs. 2) VwGO, und damit zulässigerweise auf Feststellungsanträge gegen den nunmehrigen Beklagten zu 1) (mit Anfechtungskomponente, vergleichbar mit der Situation bei einer Versagungsgegenklage) umgestellt und diese hilfsweise um den ursprünglich gestellten Anfechtungsantrag gegen den Beklagten zu 2) ergänzt.

B.

Die beiden Feststellungsanträge, einschließlich der Anfechtungskomponente, sind zulässig.

I.

Die beiden unbedingt gestellten Feststellungsanträge sind ebenso wie die Einbeziehung der Aufhebung der Verweigerung der Eichung in einen der Feststellungsanträge statthaft.

1.

Das Gericht nimmt hinsichtlich der Statthaftigkeit der Feststellungsanträge auf die Ausführungen des Berichterstatters im Hinweis vom 19.6.2023 zu den Verfahren 1 A 52/22 und 1 A 68/22 Bezug:

"Das Begehren des jeweiligen Klägers richtet sich letztlich darauf, die WKS mit dem Softwaremodul der EO., das den optionalen Digitalbon zulässt, weiter zu nutzen.

Zur zulässigen Nutzung der WKS bedarf es der Eichung, die neben Prüfung, Bewertung und Kennzeichnung auch eine Erlaubnis ist, §§ 3 Nr. 5 MessEG, 36-38 MessEV. Diese Erlaubnis ist ein Verwaltungsakt (Hollinger/Schade, MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 3 MessEG, Rn. 10, beck-online). Sie geht nunmehr über eine Prüfung der messtechnischen Eigenschaften hinaus und umfasst die volle rechtliche Bewertung des Messgerätes (Hollinger/Schade, a.a.O., Rn. 13, juris). Die WKS sind nach Deaktivierung der Digitalbon-Option geeicht worden. Die jeweiligen Eichfristen laufen noch.

Aus der Perspektive des Beklagten stellt sich die Lage wie folgt dar: Es gab die ursprünglichen Eichungen der Geräte vor der erstmaligen Installation des Softwaremoduls. Die Installation des Softwaremoduls führte (wie gesagt aus Sicht des Beklagten) dazu, dass die wesentlichen Anforderungen gemäß §§ 6 Abs. 2 MessEG, 8 Abs. 1 MessEV, Art. 4 Abs. 1 RL 2014/31/EU i.V.m. Ziff. 10 und 14 von deren Anhang I nicht mehr erfüllt wurden. Die Folge war gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG das vorzeitige Ende der Eichfrist, mithin das vorzeitige Erlöschen der Eichung. Es bedurfte also - umgangssprachlich - der "Nach"-Eichung. Diese wurde verweigert, weil die o.g. wesentlichen Anforderungen nicht erfüllt worden seien, § 37 Abs. 4 MessEG - unabhängig davon, ob man auf die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens geltenden Vorschriften oder - wegen einer etwaigen Erneuerung, § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG - auf die aktuell geltenden Vorschriften abstellte und unabhängig davon, ob der Zeitpunkt des Inverkehrbringens durch das erstmalige Ausstellen der Prüfungsbescheinigung oder die letzte der zahlreichen Revisionen, die der Prüfungsbescheinigung zu entnehmen sind, mitbestimmt wird. Die Beteiligten haben übereinstimmend und zu Recht vorgetragen, dass sich die hier in Rede stehenden Bestimmungen des Anhangs I der genannten Richtlinie und ihrer Vorgängerfassungen nicht unterscheiden. Zur Auslegung des Bescheides vom 17.1.2022 bzw. vom 1.2.2022 auch als Verweigerung der Eichung komme ich unten. Diese Perspektive des Beklagten legt dann eine Verpflichtungsklage auf Eichung für die fünf WKS nahe. Entsprechend hat sich dessen Prozessbevollmächtigter auch im Verfahren geäußert.

Maßgeblich für die Antragstellung ist jedoch die Perspektive des Klägers. Dieser geht im jeweiligen Verfahren davon aus, die wesentlichen Anforderungen der Richtlinie würden auch mit aktiviertem Softwaremodul erfüllt. Demgemäß wäre die Eichfrist gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG durch die Aktivierung des Moduls nicht vorzeitig erloschen. Es griffe auch kein anderer Tatbestand des § 37 Abs. 2 MessEG ein. § 37 Abs. 2 Nr. 2 MessEG griffe nicht ein, weil sich das Softwaremodul erkennbar nicht auf die messtechnischen Eigenschaften auswirkt. § 37 Abs. 2 Nr. 5 MessEG setzt die Verbindung des Messgerätes mit einer (physischen) Zusatzeinrichtung voraus, an der es fehlt. Dies impliziert auch, dass die Beanstandung, die in erster Linie einen Mangel feststellt (dazu unten), aus Sicht des Klägers zu Unrecht erfolgt ist. Am Ende der fortlaufenden Eichfrist könnte dann eine neue Eichung auch nicht wegen der Nichterfüllung der wesentlichen Anforderungen gemäß § 6 Abs. 2 MessEG verweigert werden, § 37 Abs. 4 MessEG. Aus dieser Perspektive folgt, dass zwei Fragen im Vordergrund stehen: (1) Erlischt die Eichung durch Aktivierung des Moduls kraft Gesetzes und (2) Kann nach Ablauf der (nicht vorzeitig beendeten) Eichfrist eine Eichung trotz installierten Moduls verlangt werden?

Diese Fragen kann der Kläger mit Blick auf das vergangene Geschehen oder mit Blick auf die Zukunft stellen. Ersteres bedeutete, dass die Feststellungen auf die Fragen zielten, ob die erstmalige Installation des Moduls die damalige Eichung vorzeitig erlöschen ließ und ob die Verweigerung der Eichung am 17.1.2022 bzw. 1.2.2022 rechtswidrig war. Zweiteres bedeutet, dass sich die Feststellungen auf die Fragen richten, ob zukünftige Reaktivierungen des Moduls zur vorzeitigen Beendigung laufender Eichfristen und späterer Eichfristen führen und am Ende der jeweiligen Eichfristen ein Anspruch auf Neueichung besteht. Ich halte Letzteres für näherliegend, weil das Interesse des jeweiligen Klägers zukunftsgerichtet ist. Es ist dann nicht erforderlich, sich auf ein vergangenes Geschehen zu konzentrieren, um hieraus letztlich - die allein interessierenden - Implikationen für die Zukunft abzuleiten.

Sieht man dies so, geht es um zwei Feststellungsanträge, die letztlich zwei in der Beziehung zwischen den Beteiligten relevante, konkrete und streitige Rechtsfragen, mithin Rechtsverhältnisse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO betreffen. Ich gehe insoweit auch nicht davon aus, dass das klägerische Interesse effektiver durch Gestaltungs- und Leistungsklagen erreicht werden könnte, § 43 Abs. 2 VwGO. Namentlich einer Verpflichtungsklage auf Eichung bedarf es aus Sicht des Klägers gerade nicht. Er kann - nach seiner Auffassung - das Modul wieder aktivieren und von der laufenden Eichung, die nicht vorzeitig endet, Gebrauch machen. Eine Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 17.1.2022 bzw. vom 1.2.2022 halte ich für nicht gleich effektiv wie die Feststellungsklage, weil im Vordergrund der Untergang der Eichung kraft Gesetzes steht und die Beanstandung lediglich (deklaratorisch) Mängel feststellt und deren Beseitigung verlangt."

2.

Hinsichtlich der Auslegung des "Beanstandungsbescheides" vom 17.1.2022 auch als Verweigerung der Eichung und der Zulässigkeit der Einbeziehung der Aufhebung dieser Verweigerung der Eichung in den zweiten Feststellungsantrag nimmt das Gericht ebenfalls auf den genannten Hinweis des Berichterstatters vom 19.6.2023 Bezug:

"Die Auslegung auch als Ablehnungsbescheid bezüglich eines Eichantrages halte ich in beiden Klageverfahren für möglich.

Dies gilt namentlich im Verfahren 1 A 68/22, weil dort im Formular angekreuzt wurde: "Bei der Prüfung im Rahmen der Eichung wurden an folgenden Waagen und Kassensystemen folgende Mängel festgestellt." Die festgestellten Mängel sind dann (zunächst einmal) Begründungen für die Ablehnung des Eichantrages.

Im Verfahren 1 A 52/22 hingegen wurde an der betreffenden Stelle kein Kreuz gesetzt. Dies dürfte darauf beruhen, dass hier keine reguläre Eichfahrt bezüglich aller Kassensysteme anstand, sondern vom Kläger nur die Eichung eines Systems (im Backshop wegen Hardwareaustausches) vor Ankunft des Mitarbeiters des Beklagten beantragt worden war. Beim Termin fiel das Softwaremodul des zu eichenden Systems auf. Sodann wurden weitere vier Systeme überprüft, bei denen derselbe "Mangel" festgestellt wurde, für die aber - jedenfalls vor dem Termin - keine Eichung beantragt worden war. Bei der Auslegung des Bescheides vom objektiven Empfängerhorizont ist allerdings nach dem oben Gesagten auch der Wissensstand des Adressaten zu berücksichtigen. Hier scheint der Kläger angesichts der mündlichen Kommunikation beim Termin verstanden zu haben, dass es der Sache nach um die Verweigerung der Eichung jedenfalls bezüglich des Systems im Backshop ging. Er hat dies in seinem Schreiben an den Beklagten vom 27.1.2022 deutlich gemacht ("Beanstandung" und "Verweigerung der Eichung"). Das fehlende Kreuz bei "im Rahmen der Eichung" im Beanstandungsformular halte ich daher für unschädlich.

Nur so gibt auch die Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des jeweiligen Bescheides aus der dem Kläger erkennbaren Perspektive des Beklagten noch eine vernünftige Auskunft. Bei einer Auslegung ausschließlich als Beanstandungsbescheide könnte man die Belehrung nur als solche zur isolierten Anfechtung verstehen, die aber sinnlos wäre, weil es dem jeweiligen Verwender aus Sicht des Beklagten stets darum gehen muss, die Weiternutzung der Geräte zu ermöglichen, was nur durch die Eichung und demgemäß mit einer Verpflichtungsklage auf Eichung erreicht werden kann (s.o.)."

II.

Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Feststellungsanträge liegen vor. Auch insoweit wird auf den Hinweis vom 19.6.2023 Bezug genommen:

"Anzumerken ist noch: Rechtliches Interesse und Klagebefugnis für die Feststellungsklage sähe ich als gegeben an. Klagegegner wäre dann freilich das Land Niedersachsen, vertreten durch den Beklagten, weil nur bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen das Behördenprinzip gilt, § 79 Abs. 2 NJG i.V.m. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Der Beklagte ist zum einen Eich- und zum anderen mutmaßlich auch Bußgeldbehörde. Das Rubrum wäre entsprechend zu berichtigen (Auslegung der Klageschrift, vgl. auch § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VwGO: Bezeichnung der Behörde genügt). Schließlich dürfte - trotz der Zukunftsgerichtetheit - auch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Von unzulässigem vorbeugendem Rechtsschutz kann angesichts der Vorgeschichte und der drohenden Sanktionierung der Verwendung nicht den Vorschriften entsprechender Waagen mit Bußgeldern, § 60 Nr. 14 MessEG, keine Rede sein."

Dagegen wäre die Klagegegnereigenschaft der Bundesrepublik Deutschland - wohl mit Vertretung durch die PTB - möglicherweise dann naheliegend, wenn es um eine Änderung der Prüfungsbescheinigung der PTB für das Baumuster des WKS unter Einbeziehung des Softwareupdates ginge. Dies ist hier aber nicht der Fall.

C.

Die Feststellungsanträge sind unbegründet.

I.

Der Antrag auf Feststellung, dass die Aktivierung des Software-Moduls mit der Digitalbonfunktion nicht zum vorzeitigen Ende laufender Eichfristen der WKS des Klägers führt, hat keinen Erfolg.

Das so vom Kläger angenommene Rechtsverhältnis nach Aktivierung des Moduls besteht nicht. Die Eichfrist wird gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG i.V.m. § 8 MessEV i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU vorzeitig beendet, weil die dort genannten wesentlichen Anforderungen nicht mehr erfüllt werden.

Dieses Ergebnis beruht auf zwei selbständig tragenden Gründen:

1.

Das WKS verstößt nach Aktivierung der Digitalbon-Option gegen die materiellen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU.

a.

Die rechtlichen Maßstäbe ergeben sich aus § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MessEG i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 RL 2014/31/EU i.V.m. Ziff. 14 und 10 von deren Anhang I:

Da die Vorgängerfassungen der Richtlinie 2014/31/EU identische Vorgaben enthielten (Ziff. 14 und 10 Anhang I der Richtlinie 2009/23/EG sowie Ziff. 14 und 10 Anhang I der Richtlinie 90/384/EWG), ist es unerheblich, ob man auf diese Vorgaben, vgl. § 37 Abs. 4 Satz 1 MessEG, oder auf die heutigen Vorgaben, vgl. § 37 Abs. 4 Satz 2 MessEG, abstellt. Dann erübrigt sich auch die Frage, ob der Zeitpunkt des Inverkehrbringens im Sinne von § 37 Abs. 4 Satz 1 MessEG durch den Zeitpunkt der Erteilung der ursprünglichen Prüfungsbescheinigung der PTB (2.11.2004) oder durch den Zeitpunkt der letzten Revision dieser Prüfungsbescheinigung (10.12.2019) oder durch die Installation des Softwaremoduls (vgl. § 2 Nr. 6 Hs. 2 und ggf. Nr. 7 Hs. 2 MessEG) (mit-)bestimmt wird (vgl. dazu bereits die Ausführungen oben).

Gemäß Ziff. 14 UAbs. 4 des genannten Anhangs sind bei preisrechnenden Geräten andere Funktionen als das Wägen und Berechnen der Preise pro Artikel nur dann zulässig, wenn alle Angaben über sämtliche Vorgänge deutlich, unmissverständlich und übersichtlich auf einem Bon oder Etikett für den Kunden ausgedruckt werden. Die Vorschrift steht unter der Überschrift "Geräte für öffentliche Verkaufsstellen mit einer Höchstlast von 100 kg: Zusatzbestimmungen". Die Bestimmung ist einschlägig auch für die WKS des Klägers, weil diese aus einem Zusammenschluss von preisrechnenden Waagen mit nicht preisrechnenden Kassen besteht und andere Funktionen als das Wägen und Berechnen der Preise - dies meint die Multiplikation von angezeigtem Gewicht und Einheitspreis des jeweiligen gewogenen Artikels (s.o.) - bereitgestellt werden. Zu diesen Funktionen gehört unter anderem die Bildung des Gesamtkaufpreises aus den ermittelten Einzelpreisen (vgl. Ziff. 4.14.4.2 R 76-1 der OIML). Die in diesem Zusammenhang vom Kläger angezweifelte Auslegung der Bestimmung durch den Beklagten zu 2) hält das Gericht übrigens für zutreffend. Eine zusätzliche Funktion wird nicht erfüllt, wenn nur ein gewogener Artikel gekauft wird, weil es dann einer Summenbildung nicht bedarf, es sei denn es werden weitere "andere Funktionen" (vgl. dazu Ziff. 4.14.4 R 76-1 OIML sowie den Schriftsatz des Beklagten zu 2) vom 14.3.2022 auf Bl. 17 ff. GA) ausgeführt. Werden nur nicht gewogene Artikel gekauft, wird nicht einmal die Waage genutzt. In beiden Fällen bedarf es daher keines "Zwangsbons".

Darüber hinaus wird in Ziff. 10 des Anhangs I zur Richtlinie 2014/31/EU die Aussage getroffen, dass die ausgedruckten Ergebnisse richtig, angemessen gekennzeichnet und eindeutig sein müssen. Der Ausdruck muss deutlich, leserlich, unverwischbar und dauerhaft sein. Die Bestimmung steht unter der Überschrift "Ausdruck der Wägeergebnisse und sonstiger Gewichtswerte". Mit Ziff. 10 wird zwar streng genommen nur eine Aussage über das "Wie" und nicht über das "Ob" des Ausdrucks getroffen, auch wenn die Verwendung von bestimmten Artikeln anstelle von unbestimmten darauf hindeuten könnte, dass es eines Ausdrucks bedarf. Letztlich ist dies hier aber unerheblich, weil das Erfordernis eines Ausdrucks - gleich wie man diesen versteht - sich schon aus Ziff. 14 UAbs. 4 des Anhangs I der Richtlinie ergibt. Ist der Ausdruck dann erforderlich, müssen die Anforderungen an ihn aus Ziff. 10 ebenfalls gewahrt werden.

Da damit beide genannten Ziffern auf die WKS des Klägers zutreffen, müsste der Digitalbon sowohl ein Ausdruck auf einem Bon bzw. Etikett im Sinne von Ziff. 14 als auch unverwischbar und dauerhaft im Sinne von Ziff. 10 sein.

Zu Beginn des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU wird festgelegt, dass die Terminologie der Internationalen Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML) maßgeblich ist. Die OIML R 76-1 zu nicht-selbsttätigen Waagen (metrologische und technische Anforderungen) enthält einen Terminologieteil. Dieser enthält zahlreiche Begriffe, verweist aber auch auf weitere Dokumente (abgekürzt: VIM, VIML, OIML Certificate System for Measuring Instruments und weitere Publikationen). Eine Definition des Begriffs "print" bzw. "printing" selbst findet sich in der R 76-1 nicht. Sie findet sich auch nicht in den weiteren genannten Dokumenten.

Aus T.1.3 des Terminologie-Teils der R 76-1 geht hervor, dass der Begriff "indicating" Oberbegriff für "displaying" und "printing" ist. Dies ist auch der Abbildung 1 in diesem Teil zu entnehmen. Unter T.2.1.3 ist dann allerdings nicht nur von "indicating device", sondern von "indicating or printing device" die Rede. Unter T.2.3.4 wird als Beispiel für ein elektronisches Gerät, das nur digitale Funktionen ausführt und "digitized output or display" bereitstellt, unter anderem das Beispiel "printer" genannt. Der soeben angesprochene Unterschied zwischen "displaying" und "printing" taucht - außerhalb des Terminologie-Teils - noch mehrfach wieder auf (vgl. Ziff. 2.4 Aufzählung, Ziff. 4.2.21 UA 4). Der Begriff "digital printing" findet sich nur einmal und erst in der R 76-2 (Checklist Ziff. 17.1 unter 4.4.5; die Ziffer betrifft "digital indicating devices" gemäß 4.4 der R 76-1).

b.

Eine kumulative Auslegung des Begriffs "ausgedruckt" im Sinne von ausgegeben, der Begriffe "Bon" und "Etikett" (auch) als e-Bon und e-Etikett und des Ausdrucks von Angaben "auf" einem Bon als auf einem e-Bon, wie dies dem Kläger vorschwebt, kommt letztlich nicht in Betracht.

aa.

Bei Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze überschritte eine entsprechende Auslegung nach Auffassung des Gerichts die Wortlautgrenze.

(1)

Falls keine abweichende fachsprachliche Definition des Gesetzgebers erfolgt, ist für die Auslegung europäischer Normen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen vom gewöhnlichen Wortsinn und Sprachgebrauch (EuGH, Urteil vom 11.7.1985 - C-105/84, Rn. 32, juris). Insofern besteht Übereinstimmung mit der deutschen Methodenlehre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.2022 - 5 P 12/20, Rn. 9, juris). Übereinstimmung besteht auch insoweit, als davon ausgegangen wird, dass bei einem eindeutigen Wortlaut eine Auslegung nicht möglich ist (EuGH, Urteil vom 12.12.1990 - C-172/89,Rn. 13, juris; Schlussanträge des Generalanwaltes vom 3.6.2021 - C-126/20, Rn. 51: Wortlaut als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung; ebenso vom 18.2.2009 - C-33/08, Rn. 37, juris). Dies gilt nach der Auffassung des Generalanwaltes beim EuGH auch dann, wenn der Zweck des EU-Rechtsaktes für eine solche (nicht mögliche) Auslegung streitet (Schlussanträge vom 28.9.2004 - C 350/03, Rn. 91, 87, juris).

(2)

Anhand dieser Maßstäbe kommt die vom Kläger befürwortete Auslegung nicht in Betracht.

(a)

Eine fachsprachliche Definition des Begriffs Ausdruck, die hier bereits die Auslegung überflüssig machte, gibt es nicht. Namentlich aus dem vom Anhang I der Richtlinie in Bezug genommenen Terminologieteil der R 76-1 der OIML ergibt sich nach dem oben Gesagten keine ausdrückliche Definition des Begriffs "printing".

Selbst wenn Rückschlüsse aus dem Terminologieteil der R 76-1 der OIML auf dort nicht ausdrücklich definierte Begriffe relevant wären: Der Terminologieteil lässt keine eindeutigen Rückschlüsse auf den Inhalt des Begriffs "printing" zu. Auch wenn der Ausgangspunkt mit "indicate = print and display" recht klar erscheint. Es findet sich des Weiteren die bereits zitierte Bestimmung unter Ziff. T.2.3.4, die als Beispiel für ein Gerät mit "digitized output" das Wort "printer" nennt. Dies bringt aber nicht zum Ausdruck, dass das Wort "print" überall in der Empfehlung auch virtuelles Drucken meint, so dass der einzige Unterschied zwischen "print" und "display" das Abspeichern der erzeugten Daten wäre - was im Übrigen für eine Empfehlung aus dem Jahr 2006 auch außerordentlich merkwürdig wäre. Zum an einer Stelle der R 76-2 verwandten Begriff des digital printing, der vom Kläger angeführt wurde und nicht mit virtual printing zu verwechseln ist, wird weiter unten ausgeführt, weil dies nicht den Terminologieteil der R 76-1 betrifft.

(b)

Maßgeblich für die erforderliche Wortlautauslegung ist nach Auffassung der Kammer und dem oben Gesagten - mangels fachsprachlicher Definition - der allgemeine Sprachgebrauch im Zeitpunkt des Normerlasses, weil durch den Willen des Gesetzgebers spätere Weiterentwicklungen von Wortbedeutungen durch den fortschreitenden allgemeinen Sprachgebrauch nicht gedeckt sind.

Bei bloßer Wiederholung des Wortlautes von Vorgängernormen ohne erkennbaren Änderungswunsch dürfte nach Auffassung der Kammer sogar der allgemeine Sprachgebrauch im Zeitpunkt des Normerlasses der Vorgängervorschriften maßgeblich sein. Sähe man den allgemeinen Sprachgebrauch aus dem Jahr 1990 (Erlass der ersten Vorgängerrichtlinie) als maßgeblich an, wäre klar, dass ein Ausdruck (noch deutlicher als nur ein Druck) - zumal ein Ausdruck "auf" etwas - die Wiedergabe insbesondere von Schriftzeichen auf einem physischen Trägermaterial (ursprünglich mit Hilfe von Druckausübung) bezeichnete. Dies bedarf hier aber keiner Entscheidung, weil die vom Kläger befürwortete Auslegung auch dann nicht in Betracht käme, wenn man den allgemeinen Sprachgebrauch im Jahr 2014 zugrunde legte.

(c)

Diese Auffassung beruht auf folgenden Erwägungen:

(aa)

Eine Suche nach dem Wort "drucken" im Internetauftritt des Dudens liefert zwei Bedeutungen für die Beispiele gegeben werden: "eingefärbte Typen oder Bilder durch Maschinen auf Papier oder Stoff pressen, übertragen und vervielfältigen" und "durch Drucken herstellen" gefolgt von Einzelbeispielen. Als Synonyme sind genannt: abdrucken, edieren, erscheinen lassen, herausbringen und herausgeben. Die letztgenannten Wörter machen nach Auffassung der Kammer einen Veröffentlichungsbezug deutlich. Keines von Ihnen wird im Zusammenhang mit der Erstellung eines e-Bons für einen einzelnen Kunden im allgemeinen Sprachgebrauch verwandt.

Unter dwds.de/wb finden sich folgende Bedeutungen: "Bücher, Zeitungen maschinell massenweise herstellen" und "eingefärbte Buchstaben, Figuren, Muster auf ein bestimmtes Material, besonders Papier und Stoff pressen und damit übertragen". Bezüglich der Herkunft wird dort noch darauf hingewiesen, dass die Verben drücken und drucken bis ins 17. Jahrhundert bedeutungsgleich nebeneinander gestanden hätten.

(bb)

Dass zumindest im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch, also nicht zwangsläufig auch im Sprachgebrauch des Jahres 2014, Begriffe wie PDF- bzw. virtueller Druck bekannt sind, ändert nichts daran, dass man das Wort "Druck" im allgemeinen Sprachgebrauch ohne einen solchen Zusatz noch immer nicht so versteht, als wäre es ein Oberbegriff für "physischen Druck" und "pdf-Druck" bzw. "virtuellen Druck".

In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass das Gericht bewusst nicht den Begriff des Digitaldrucks verwendet. Dieser Begriff bezeichnet eine Gruppe von Druckverfahren, bei denen das Druckbild mittels einer Datei an eine Druckmaschine übertragen wird, ohne dass statische Druckformen (sog. klassische Druckverfahren, u.a. Siebdruck) benutzt werden. Unter Digitaldruck fallen dabei die am weitesten verbreiteten Verfahren wie das Drucken mittels Tintenstrahl- und Laserdruckern (wikipedia: Digitaldruck). Beim Digitaldruck ist das Ergebnis also ein physisch gedrucktes Dokument. Für den Druck, wie ihn der Kläger sich vorstellt (reine Datei), wird deshalb der Begriff des virtuellen Druckens verwendet.

Dies angemerkt, ist Ausfluss des gewandelten Sprachgebrauchs nur die Anerkennung neuer Begriffe wie beispielsweise des pdf-Drucks, aber (jedenfalls noch) nicht das Verständnis des Begriffs "Druck" dahingehend, dass ohne sinngebenden Zusatz das Druckergebnis auch eine bloße Datei sein kann. Dies gilt wohl schon generell, jedenfalls aber für den "Ausdruck auf" etwas (einem Bon), der in den hiesigen Vorschriften angesprochen wird. Diese Einschätzung beruht darauf, dass "drucken" jedenfalls ursprünglich nur das physische Drucken bezeichnete und man es nicht einfach zum Oberbegriff für physisches und virtuelles Drucken machen kann, ohne einen neuen Begriff für das ursprüngliche physische Drucken einzuführen, der im allgemeinen Sprachgebrauch verwandt werden kann. Ein solcher Begriff ist aber nicht ersichtlich. Der Zusatz "physisch" findet im allgemeinen Sprachgebrauch keine Verwendung. Der Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs ist und wird wohl auch bis auf Weiteres das Drucken bleiben.

(cc)

Soweit der Kläger auf die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz vom 20.7.2022 auf Seite 7 (Bl. 53 GA) genannte Fundstelle bei wortbedeutung.info unter 5) "EDV, Nachrichtentechnik: ausgeben" Bezug nimmt, wird schon nicht klar, ob damit wirklich die Ausgabe von nicht physisch verkörperten Gegenständen gemeint ist und nicht die Ausgabe von physisch verkörperten Gegenständen unter Nutzung von EDV, also das oben genannte und definierte Digitaldrucken wie dies auch beim Begriff des Ausgabefaches eines Druckers zum Ausdruck kommt. Jedenfalls entspricht ein weitergehendes Verständnis nach Auffassung des Gerichts nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch, was nach dem oben Gesagten die übrigen zitierten Wörterbücher nahelegen.

(dd)

Bon und Etikett sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wiederum physische Objekte. Als Synonyme für Bon werden im Online-Auftritt des Duden Coupon, Gutschein, Verzehrbon, Wertmarke, Beleg, Kassenzettel und Quittung genannt. Dies widerspricht wiederum nur vordergründig dem Umstand, dass es auch e-Bons gibt. Denn auch hier hatte der Begriff Bon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ursprünglich eine klare Bedeutung für ein physisches Objekt und ist im allgemeinen Sprachgebrauch (noch) nicht zum abstrakten Oberbegriff für physischen Bon und Digitalbon avanciert. Auch hier ist für den klassischen Bon die Bezeichnung "Bon" und nicht "physischer Bon" üblich, so dass es bei anderslautender Auffassung (Bon als Oberbegriff) an einem Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch für den physischen Bon fehlte. Insofern gilt das oben zum Drucken Gesagte entsprechend.

(ee)

Die Präposition "auf" - wie sie in Ziff. 14 des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU verwendet wird - ergibt bei der Erstellung digitaler Dateien keinen Sinn. Allenfalls wird dort (bei weitem Verständnis des Begriffs "drucken" entgegen der obigen Ausführungen) ein Bon auf ein Gerät oder werden Angaben in einer Datei "abgedruckt", nicht aber Angaben "auf" einem Bon abgedruckt, wie es die genannte Richtlinienbestimmung fordert.

(ff)

Der Begriff der Unverwischbarkeit deutet auf die Problematik der Verwischbarkeit insbesondere von Tinte beim Ausdruck mit Tintenstrahldruckern, aber ggf. auch auf die Verwischbarkeit von Toner bei Tonerdruckern hin. Der Begriff ergibt im Zusammenhang mit e-Bons keinen Sinn, was allerdings kein zwingendes Argument ist, um den e-Bon aus dem Tatbestand der Ziff. 14 des Anhangs I der Richtlinie auszuschließen.

(gg)

Hinzuweisen ist außerdem zum einen noch auf die Vorbemerkungen zum Anhang I der Richlinie 2014/31/EU. Hieraus geht hervor, dass ein Gerät unter Umständen Druckeinrichtungen haben muss. Aus den folgenden Formulierungen wird deutlich, dass die Wägeergebnisse durch einen Teil des Geräts korrekt und unlöschbar gedruckt oder gespeichert werden. An dieser Stelle ist sich der Richtliniengeber des Unterschiedes zwischen drucken und speichern also offenbar bewusst. Zum anderen hinzuweisen ist auf den Umstand, dass zum Zeitpunkt des Erlasses jedenfalls der Vorgängerrichtlinien der Richtlinie 2014/31/EU der Digitalbon unbekannt war und der Wortlaut bei Verabschiedung der Richtlinie 2014/31/EU ohne Anhaltspunkte für einen Änderungswillen übernommen wurde.

(hh)

Der Hinweis auf die Gleichwertigkeit aller Sprachfassungen hilft dem Kläger nicht weiter. Die Auslegung nach dem Wortlaut führt zwar im europäischen Recht häufig zu weniger eindeutigen Ergebnissen als im nationalen Recht, weil die Divergenzen in den zahlreichen Amtssprachen der Europäischen Union regelmäßig zu Interpretationsspielräumen in die eine oder andere Richtung führen. Dies ist aber in diesem Fall nicht ersichtlich. Weder die deutsche noch die englische noch die französische Sprachfassung deuten auf eine Mehrdeutigkeit des Wortlautes hin. Soweit der Kläger auf die Definition des virtual printing verweist gilt das oben zu den deutschen Begrifflichkeiten Gesagte entsprechend. Auf weitere Sprachfassungen, die seine Auslegung stützen, hat der Kläger nicht hingewiesen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

bb.

Auch eine weitergehende Auslegung zur Gewährleistung der Übereinstimmung von Vorschriften mit internationalen Normwerken, die umgesetzt werden sollen, wie sie das OVG NRW in seinem Urteil vom 8.9.2022 (4 A 1278/21, juris) bezüglich des Wortes "Aufschrift" mit dem Zusatz "anbringen" befürwortet hat, führte hier zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man eine solche Auslegung, die eine gewisse Relativierung des Wortlautes von Rechtsnormen bei Einschlägigkeit internationaler (technischer) Normwerke bedeuten könnte, befürwortete, unterscheidet sich der hiesige Fall von dem, den das OVG NRW zu entscheiden hatte, unter mehreren Gesichtspunkten:

(1)

Zunächst einmal liegt hier nicht der Fall eines (klaren) Widerspruchs zwischen dem einschlägigen internationalen Normwerk und der Richtlinie 2014/31/EU im Falle einer engen Auslegung von Begrifflichkeiten der Richtlinie vor, die überhaupt (wegen der Umsetzung internationaler Standards einerseits und der Beschränkung der Richtlinie auf die wesentlichen Anforderungen andererseits) Anlass für die weite Auslegung bietet.

(a)

In der R 76-1 der OIML stellt sich im Ausgangspunkt dasselbe Problem bei der Auslegung des Begriffs "printing" wie bei der Richtlinie 2014/31/EU. Allerdings ist bereits an dieser Stelle hervorzuheben, dass die Annahme, die R 76-1 aus dem Jahr 2006 habe die Zulässigkeit von mittels QR-Codes auf Smartphones ladbaren Digitalbons regeln wollen, schon im Ausgangspunkt fernliegend erscheint.

Hinsichtlich des Terminologieteils der R 76-1 wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Hauptteil der R 76-1 enthält unter Ziff. 4.4.5 Anforderungen an das Drucken unter der Überschrift "printing devices". Unter Ziff. 4.13 folgt der Abschnitt "Instruments for direct sales to the public" und sodann unter Ziff. 4.14 der Abschnitt "Additional requirements for price computing instruments for direct sales to the public". In diesem Abschnitt finden sich folgende Bestimmungen:

Ziff. 4.14.4 Special applications of price computing instruments lautet wie folgt:

"Only if all transactions performed by the instrument or by connected peripherals are printed on a ticket or label intended for the customer, a price computing instrument may perform additional functions which facilitate trade and management. (...)"

Ziff. 4.14.4.2 Totalization (eine der speziellen Funktionen im Sinne von Ziff. 4.14.4) lautet wie folgt:

"An instrument may totalize transactions on one or several tickets, the price total shall be indicated on the price-to-pay display and printed accompanied by a special word or symbol, either at the end oft he price-to-pay column, or on a separate label or ticket with appropriate reference to the commodities whose prices to pay have been totaliszed; all prices to pay that are totalized shall be printed and the price total shall be the algebraic sum of all these prices as printed."

Der Standort der letztgenannten Bestimmung entspricht dem der Bestimmungen in Ziff. 14 der Richtlinie 2014/31/EU (Geräte für offene Verkaufsstellen..., andere Funktionen). Die Definition für "price-computing instrument" findet sich unter T.1.2.8 (Kalkulation des Preises auf der Basis von angezeigtem Gewicht und Einheitspreis, sog. preisrechnende Geräte). Die zitierte Bestimmung ist einschlägig und unterscheidet sich von anderen Bestimmungen der R 76-1, in denen das Drucken nicht zwingend ist (4.13.11, 4.14.3 UA 5, 6.2.1.3).

(b)

In der R 76-2 findet sich unter 4.4.5 zwar der Begriff digital printing. Dass dies jedoch nicht mit virtual printing identisch ist und moderne physische Druckverfahren erfasst, ist oben bereits ausgeführt worden. Die oben aus der R 76-1 zitierten Bestimmungen entsprechen der Checklist unter Ziff. 17.2 der OIML R 76-2 (Instruments for direct sales to the public and price computing and labeling instruments). Dort wird ausgeführt: "4.14.4 Additional functions for trade and management: all transactions are printed for the customer". Außerdem heißt es dort: "4.14.4.2 Totalization of transactions on one or several tickets: all prices-to-pay shall be printed and price total shall be the algebraic sum of these printed prices".

(c)

Insgesamt gibt es daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass printing in den technischen Regelwerken der OIML auch das virtuelle Drucken meint. Insbesondere reicht die oben zitierte nicht eindeutige Bestimmung unter T 2.3.4 für diese Annahme nicht aus. Dafür, dass virtuelle Druckoptionen für WKS an öffentlichen Verkaufsstellen durch die R 76-1 nicht zugelassen wurden, spricht im Übrigen auch, dass es an Anforderungen, wie etwaige Digitalbons beschaffen sein müssen, gänzlich fehlt.

(2)

Vor diesem Hintergrund kann man auch schon die - bei entsprechender Übertragung der Ausführungen des OVG NRW (Urteil vom 8.9.2022, a.a.O., Leitsatz 2, juris zur Aufschrift) - zugrundezulegende Annahme, die Richtlinie enthalte kein klares Verbot des e-Bons für WKS mit zusätzlichen Funktionen in offenen Verkaufsstellen in Frage stellen.

(3)

Schließlich gilt, dass der Begriff der "Aufschrift" auch in Verbindung mit dem Verb "anbringen" für digitale Anzeigen zumindest etwas offener erscheint als der Begriff "Ausdruck auf einem Bon bzw. Etikett" für digitale Darstellungen, was auch und vor allem auf die Bedeutungen der jeweiligen französischen und englischen Sprachfassungen gestützt wurde (OVG NRW, Urteil vom 8.9.2022, a.a.O., Rn. 41, juris). Hier liefern alle vorgelegten und ersichtlichen Sprachfassungen jedoch ein einheitliches Bild (s.o.).

cc.

Allein auf die so vorgenommene Auslegung der (NAWID-)Richtlinie kommt es an.

(1)

Dass die Richtlinie nach Auffassung des Gerichts durch die DIN EN 45501 (harmonisierte Norm im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEG i.V.m. § 2 Nr. 5 MessEG i.V.m. Art. 2 Nr. 1c VO (EU) 1025/2012) in ihren Ziffern 4.14.3 ("ausgedruckt") und 4.14.4 ("abgedruckt") zutreffend umgesetzt worden ist, sei deshalb lediglich am Rande erwähnt. Die einschlägigen Normen der DIN EN 45501 hat der Beklagte bereits im den Beteiligten bekannten Bescheid vom 1.2.2022, der Anlass und Gegenstand des Verfahrens 1 A 68/22 ist, wiedergegeben. Darauf wird Bezug genommen.

(2)

Auf die zahlreichen WELMEC-Leitfäden ist nach dem oben Gesagten ebenfalls nicht mehr einzugehen. Auch insofern erfolgt lediglich eine Anmerkung: Im WELMEC-Leitfaden aus dem Jahr 2015 "Directive 2009/23/EC: Common Application - Non automatic weighing instruments". Dort heißt es unter Ziff. 3.1.57: "must produce a printout", "printing is mandatory for price-computing instruments (for direct sales) that may perform functions other than per article weighing and price computing" sowie "this is not printing (it is displaying)".

c.

Das vom Kläger gewünschte Ergebnis lässt sich auch nicht durch Rechtsfortbildung erzielen.

aa.

Hinsichtlich der Maßstäbe ist Folgendes auszuführen:

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wird nicht die in der deutschen Methodenlehre jedenfalls üblicherweise scharfe Trennung gezogen zwischen Auslegung, die nicht gegen den Wortlaut, und Rechtsfortbildung, die nicht gegen den Willen des Gesetzgebers möglich sei (Yaroshevskiy, D-Stadter Online-Beiträge zum Europarecht Nr. 59, 28.9.2010, Seite 3). Verstünde man die oben (bei den Vorgaben zur Auslegung) zitierte Formulierung des Generalanwaltes so, dass bei einem eindeutigen Wortlaut trotz klar entgegenstehenden Richtlinienzwecks eine Interpretation (im weiteren Sinne, inklusive Rechtsfortbildung) im Sinne des Zweckes der Vorschrift nicht in Betracht komme, wäre ggf. eine Rechtsfortbildung gar nicht möglich.

Hält man derartige Instrumente der Rechtsfortbildung hingegen auch im Europarecht für anwendbar - wofür vieles spricht -, ist es auch naheliegend die aus der deutschen Methodenlehre bekannten Arten der Rechtsfortbildung zu übernehmen: die Analogie und die teleologische Reduktion. Erforderlich sind dann eine planwidrige Regelungslücke bzw. ein planwidriger Regelungsüberschuss und eine vergleichbare bzw. nicht vergleichbare Interessenlage zum geregelten Fall.

bb.

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, kommt ein Verzicht auf das Erfordernis des Ausdrucks in allen Fällen, in denen ein Digitalbon angeboten wird, der (aus Sicht des Gerichts und nicht des Gesetzgebers) ein funktionales Äquivalent für den üblichen Bon ist, und die Ersetzung des Ausdrucks durch den Digitalbon nicht in Betracht. Vielmehr ist eine Änderung der Richtlinie notwendig, um den e-Bon zuzulassen.

Das Gericht geht dabei davon aus, dass es hier einer Analogie bedarf. Da aus Sicht des Gesetzgebers jedenfalls ein Nachweis für den Kunden erforderlich ist, ist es mit einer teleologischen Reduktion, also letztlich einer Nichtanwendung der Anforderung des "Ausdrucks", nicht getan. Es bedarf vielmehr der Annahme der funktionalen Gleichwertigkeit des Digitalbons, also gewissermaßen einer fiktiven Richtlinienbestimmung, in der Digitalbons für gleichwertig erklärt werden und die Anforderungen an sie geregelt werden. Die Voraussetzungen für eine solche Analogie liegen nicht vor.

Diese Auffassung beruht auf folgenden Erwägungen:

Eine planwidrige Regelungslücke könnte zwar vorliegen. Hier wären drei Fälle zu unterscheiden: 1. Wären digitale Bon-Lösungen im Zeitpunkt des Richtlinienerlasses im Jahr 2014 bekannt oder zumindest absehbar gewesen und bewusst nicht aufgenommen worden, läge keine planwidrige Regelungslücke vor. Hierfür gibt es allerdings keine Anhaltspunkte, zumal nach dem oben Gesagten der Wortlaut von Vorgängervorschriften ohne weitere Erwägungen übernommen wurde. 2. Wären digitale Bon-Lösungen bekannt gewesen, aber übersehen worden, wäre eine planwidrige Regelungslücke denkbar. 3. Dasselbe gilt nach Auffassung der Kammer für den Fall, dass solche Lösungen noch nicht bekannt waren, also letztlich für den Fall einer erst nachträglich entstandenen Regelungslücke. Welcher der drei Fälle vorliegt, kann aber letztlich offenbleiben. Denn das Gericht ist jedenfalls an der Annahme einer vergleichbaren Interessenlage gehindert.

(1)

Vorweggeschickt sei dabei Folgendes:

Das Gericht hält zwar in der Sache die bislang von der Beklagtenseite vorgebrachten Argumente gegen einen optionalen Digitalbon, namentlich den Verweis auf den Kundenschutz (Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen, vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.9.2022, a.a.O., Rn. 101, juris) für nicht überzeugend. Soll der einzelne Verbraucher geschützt werden, ist in der Tat nicht klar, weshalb dieser nicht die digitale Bonversion wählen soll. Soweit der Schutz des Rechtsverkehrs und die Vereinfachung der Arbeit der Vollzugsbehörden angeführt wurden, wurde dies nicht weiter konkretisiert. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern beides durch den optionalen Digitalbon beeinträchtigt wird. Das von der zuständigen WELMEC-Arbeitsgruppe bei ihrer Sitzung am 17.10.2019 gesehene Problem liegt ebenfalls in der Formulierung der Richtlinie und nicht in etwaigen Unzulänglichkeiten des e-Bons in der Sache (Bl. 155 GA).

Ob in Fällen, in denen auch nach Abstimmung unter den Vollzugsbehörden nicht mehr ersichtlich ist, weshalb eine Praxis in der Sache (jenseits des formellen Verstoßes gegen die NAWID-Richtlinie) untersagt werden soll, eine rigide Untersagungspraxis sinnvoller ist als eine großzügige Duldungspraxis, ist eine Frage, die hier offenbleiben muss. Die Frage hat nur im behördlichen Verfahren bei der Ausübung des Ermessens, ob Maßnahmen getroffen oder Bußgelder verhängt werden, Bedeutung. Ein solches Ermessen besteht nur bei der Frage der Neueichung nicht, § 37 Abs. 3 Satz 1 MessEG. Im gerichtlichen Verfahren ist die Frage nach der Möglichkeit einer Duldung allerdings bereits bedeutungslos. Eine großzügige Duldungspraxis dürfte aber jedenfalls ab dem Zeitpunkt angezeigt sein, zu dem eine Änderung der NAWID-Richtlinie (ggf. auch nur entfernt) absehbar wird, wenn denn aus der abgestimmten Sicht der Eichbehörden in der Sache nichts gegen die Verwendung des e-Bons spricht.

(2)

Dies vorweggeschickt ist Folgendes auszuführen:

Nach Auffassung der Kammer ist gerade bei einer Rechtsfortbildung Zurückhaltung geboten, die eine Norm, die nach einer gesetzgeberischen Abwägung bestimmte Anforderungen stellt und auf andere verzichtet, in ihrem wesentlichen Anwendungsbereich aushöhlt, und andere Anforderungen an ihre Stelle setzt, was dazu führt, dass ein erheblicher Teil des Anwendungsbereichs einer Norm ihrem Wortlaut nicht einmal mehr im Ansatz entnommen werden kann

Im Einzelnen:

Erstens: Das Gericht hat keine Expertise, ob der digitale Bon ein in jeder Hinsicht funktionales Äquivalent für den herkömmlichen Bon ist. Es hat sich bislang in erster Linie mit dem Vortrag der Beteiligten auseinandergesetzt und eigene Plausibilitätserwägungen angestellt. Gerade in Bereichen, in denen technische Vorgaben gemacht und technische Begrifflichkeiten verwandt werden, kann nicht ohne weiteres auf aus Sicht der entscheidenden Gerichte gleichwertige technische Lösungen ausgewichen werden. Es ist auch nicht Aufgabe der Judikative - ggf. unter Hinzuziehung einer Vielzahl von Sachverständigen - festzustellen, ob die verwandte Digitalbonlösung letztlich keine funktionalen Unterschiede gegenüber dem herkömmlichen Bon aufweist, wobei insoweit wiederum eine Wertung erfolgen müsste. Das Gericht müsste dann auch noch Anforderungen an den Digitalbon formulieren, die funktional den Anforderungen der Richtlinie an den Ausdruck entsprächen (bspw. keine automatische Löschung nach einer gewissen Zeit auf den zum Abruf verwandten Endgeräten), wofür es ebenfalls keine Expertise hat. Dies wäre nicht nur ineffizient, sondern bürge auch die Gefahr einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen, sollten andere Gerichte die Fragen anders bewerten. Es müssen stattdessen einmalige Prüfungen erfolgen, die dann Grundlage einer gesetzgeberischen Entscheidung bezüglich der grundsätzlichen Zulässigkeit des Digitalbons und der an ihn zu stellenden Anforderungen werden.

Zweitens: Selbst wenn der e-Bon in allen Belangen dem physischen Bon gleichwertig wäre, wäre seine Einführung eine Entscheidung des Gesetzgebers, der sich - auch bei vollständiger funktionaler Äquivalenz - noch gegen dessen Einführung entscheiden könnte. Dieser gesetzgeberische Spielraum würde durch eine zulassende gerichtliche Entscheidung konterkariert.

Drittens: Eine Zulassung des e-Bons höhlte die bisherigen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU in einem erheblichen Umfang aus, in dem der Verzicht auf einen herkömmlichen Bonausdruck nicht nur in randständigen Fällen, sondern in nahezu allen Fällen möglich würde. Wenn Rechtsfortbildung in Fällen derartiger Reichweite mit Blick auf die Gewaltenteilung nicht schon generell unzulässig ist, so ist in diesen Fällen jedenfalls besondere Zurückhaltung geboten.

Viertens: In diesem Zusammenhang steht die Problematik der Bestimmtheit von Normen. Der Digitalbon steht zum Wortlaut nach hiesiger Auffassung in Widerspruch (s.o.). Die Zulassung wäre vor dem Hintergrund der Häufigkeit der Erscheinung des Digitalbons mit dem Grundsatz der Normenklarheit nicht vereinbar. Dessen Beeinträchtigung bei Rechtsfortbildungen nur in Randbereichen wäre weniger virulent als bei einem Fall mit einer Wirkung wie dem hiesigen. Der allgemeine rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz muss dabei auch bei Normen Beachtung finden, die (internationalen Normwerken entstammende) technische Vorgaben enthalten. Dies stellt die möglicherweise notwendige Technologieoffenheit bei der Interpretation derartiger Vorschriften (dazu OVG NRW, Urteil vom 8.9.2022 - 4 A 1278/21, Leitsätze 5 und 6, Rn. 43, juris) nicht in Abrede, die aber nach dem oben Gesagten hier ohnehin nicht angezeigt ist, weil auch der R 76-1 der OIML keine Zulässigkeit des Digitalbons für preisrechnende Waagen an öffentlichen Verkaufsstellen zu entnehmen ist. Nach Auffassung des Gerichts ist - insbesondere in Fällen jenseits einer erforderlichen Interpretation im Sinne internationaler technischer Normwerke - gerade bei technischen Vorgaben eine besondere begriffliche Schärfe der Rechtsvorschriften erforderlich, die auch erst dadurch erreicht werden kann, dass untergeordnete technische Normwerke wie die DIN EN 45501, die kraft Rechtsvorschrift für verbindlich erklärt werden, auf das wesentliche beschränkte Vorgaben von Rechtsnormen konkretisieren. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen in den jeweiligen Verordnungen und Richtlinien weite Begriffe zu wählen, die eine Vielzahl von technischen Lösungen zulassen und diese durch Exekutivnormen oder technische Normen zu konkretisieren. Dem entspricht ja auch hier das Vorgehen, indem sich die Richtlinie 2014/31/EU auf die wesentlichen Anforderungen beschränkt. Ist die technische Lösung aber schon nicht unter die regelmäßig weiten Rechtsvorschriften der hierarchisch höchsten Norm zu subsumieren, ist sie unzulässig. So liegt es hier.

2.

Zum anderen - und insofern selbständig tragend - fehlt es nach Auffassung der Kammer auch an dem erforderlichen Nachweis für die Erfüllung der wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU gemäß § 6 Abs. 3 MessEG.

Nach Auffassung der Kammer ist bei einer Veränderung an einem WKS, die dazu führt, dass nicht nur zusätzliche Funktionen erfüllt werden, sondern auch Funktionen nicht mehr erfüllt werden, die nach der Prüfungsbescheinigung der PTB erfüllt werden und erfüllt werden müssen, eine Änderung der Prüfungsbescheinigung und damit auch der Konformitätserklärung, der die Prüfungsbescheinigung angehängt wird, erforderlich, weil eine wesentliche Veränderung der Bauart im Sinne von § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG stattgefunden hat. Es bedarf mithin letztlich eines neuen Konformitätsbewertungsverfahrens, das hier nicht erfolgt ist.

Im Einzelnen:

a.

Die Erfüllung der wesentlichen Anforderungen gemäß § 6 Abs. 2 MessEG kann nur durch ein Konformitätsbewertungsverfahren und eine Konformitätserklärung nachgewiesen werden, § 6 Abs. 3 MessEG.

b.

Das Konformitätsbewertungsverfahren, bei dem der Hersteller zunächst technische Unterlagen bereitstellt, verläuft unter Mitwirkung einer Konformitätsbewertungsstelle (KBS). Die zuständige KBS für nicht selbsttätige Waagen ist die KBS der PTB (Sektor 2). Das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß § 9 MessEV mündet in die Konformitätserklärung des Herstellers gemäß § 11 MessEV. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 MessEV muss die Erklärung für die in § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV bezeichneten Geräte dem Anhang IV der Richtlinie 2014/31/EU entsprechen. Dort findet sich das Muster für die Konformitätserklärung. Dieses Muster wiederum enthält unter Ziff. 7 die Formulierung: "Die notifizierte Stelle (Name, Kennnummer) ... hat ... (Beschreibung ihrer Maßnahme) ... und folgende Bescheinigung ausgestellt." Hiermit wird die Prüfungsbescheinigung der KBS bezeichnet (vgl. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU i.V.m. Anhang IV zur Richtlinie). Die Bescheinigung wird also der Konformitätserklärung beigefügt.

c.

Dass § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG nur auf § 6 Abs. 2 MessEG und nicht auf dessen Absatz 3 verweist, ist nach Auffassung der Kammer unschädlich.

Es geht der Vorschrift darum, dass die wesentlichen Anforderungen für Messgeräte gewahrt werden. Diese Anforderungen finden sich in § 6 Abs. 2 MessEG. § 6 Abs. 3 MessEG betrifft nur die Form des Nachweises für das Erfüllen der Anforderungen. Die fehlende Nennung von § 6 Abs. 3 MessEG dürfte daher allein darauf beruhen, dass die Vorschrift keine eigenständige materielle Anforderung enthält. Es ist dagegen nicht anzunehmen, dass der fehlende Verweis auf § 6 Abs. 3 MessEG bezwecken soll, dass Abweichungen von Inhalten der Prüfungsbescheinigung, die - wie hier - auf zwingenden Vorgaben beruhen (Ziff. 14 und 10 Anh. I RL 2014/31/EU), nicht durch die KBS der PTB (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG i.V.m. § 9 MessEV i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV i.V.m. Anlage 3 Tab. 1 Spalte 4: Module B und F bzw. B und D bzw. G: jedenfalls also Modul B = Bauartzulassung durch die PTB), sondern durch den Beklagten zu 2 zugelassen werden. Vielmehr muss dann nach Auffassung des Gerichts eine Änderung der Prüfungsbescheinigung unter erneuter Konsultation der KBS der PTB erwirkt und darf diese nicht einfach umgangen werden.

d.

An einem Konformitätsbewertungsverfahren und einer Konformitätserklärung mit Prüfungsbescheinigung, die das in Rede stehende Software-Modul einbeziehen, fehlt es.

e.

Das Fehlen einer der jetzigen Bauart (im Sinne von § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG) vollständig entsprechenden Prüfungsbescheinigung wäre mutmaßlich unschädlich, wenn lediglich eine Funktion hinzugefügt oder geändert worden wäre, ohne dass dies dem Inhalt der Prüfungsbescheinigung und den wesentlichen Anforderungen der Richtlinie widerspräche. Dann käme ggf. auch eine bloße Prüfung und Eichung durch das Eichamt in Betracht, § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG.

Aus der hiesigen Prüfungsbescheinigung aus dem Jahr 2019 (nach der 15. Revision) - wie auch aus der Richtlinie (s.o.) - geht jedoch an zahlreichen Stellen hervor, dass der Ausdruck eines Zwangsbons erfolgt und erfolgen muss (zu Letzterem siehe unter Ziff. 6.2 der Prüfungsbescheinigung den Verweis auf die DIN EN 45501: "(...) müssen alle für den Abdruck erforderlichen Zusatzinformationen korrekt dargestellt werden."). Im Übrigen wird auf die Anlage B1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.7.2022 (Bl. 60 ff. GA) verwiesen. Die Inbezugnahme dieses Dokuments ist zur Ersparung überflüssiger Schreibarbeit zulässig, auch wenn § 117 Abs. 5 VwGO nicht unmittelbar anwendbar ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 31.3.2023 - 9 LA 188/21, n.v.). Es liegt damit eine so wesentliche Veränderung der Bauart im Sinne von § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG vor, dass eine Eichung zur Bewertung der Konformität mit der NAWID-Richtlinie nicht ausreicht.

f.

Ob ein Hersteller (gleich, ob der eigentliche Hersteller des WKS oder wegen § 2 Nr. 6 Hs. 2 auch der Kläger als Verwender und Veränderer eines Messgeräts) eine Änderung der Prüfungsbescheinigung herbeiführen kann, wenn die zuständige Behörde sich weigert, eine Ergänzung um eine Digitalbonfunktion einzufügen, kann offenbleiben. Erstens hat dies im hiesigen Verfahren niemand begehrt. Zweitens müsste sich eine solche Klage auch gegen den Rechtsträger der zuständigen und die Anpassung der Prüfungsbescheinigung verweigernden Konformitätsbewertungsstelle richten. Da diese KBS bei der PTB angesiedelt ist, wäre die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten. Drittens hätte ein solches Verfahren nach dem oben Gesagten in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

II.

Versteht man den weitergehenden Feststellungsantrag wegen seiner Formulierung als unbedingten Hauptantrag und nicht als unechten Hilfsantrag - obwohl sein Schicksal (wegen der identischen Frage: Erfüllung der wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU) das des ersten Feststellungsantrages teilen muss - hat der Antrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Das angenommene Rechtsverhältnis besteht nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Eichung der fünf in seinem Markt befindlichen WKS am Ende der (nach dem oben Gesagten ohnehin vorzeitig beendeten) Eichfrist. Grundlage für einen Anspruch auf Eichung ist § 37 Abs. 3, 4 Sätze 1, 2 MessEG i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG i.V.m. § 8 Abs. 1 MessEV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 RL 2014/31/EU i.V.m. deren Anhang I. Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen nach dem oben Gesagten nicht vor, weil die wesentlichen Anforderungen nicht erfüllt werden. Demgemäß kommt auch eine Aufhebung des Bescheides vom 17.1.2022, soweit darin die Eichung der fünf WKS verweigert wird, nicht in Betracht.

D.

Der explizit hilfsweise gestellte Anfechtungsantrag gegen den Beklagten zu 2) bezüglich der Beanstandung vom 17.1.2022 hat - wenn überhaupt über ihn zu entscheiden sein sollte - jedenfalls keinen Erfolg.

I.

Der Antrag ist wohl nicht bereits im Ansatz unzulässig, weil das Rechtsverhältnis zum Beklagten zu 2) in der Schwebe bleibt (vgl. MüKO-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 18, beck-online). Das Gericht hält es für angezeigt, in Fällen, in denen es wegen des landesrechtlich nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen vorgesehenen, § 79 Abs. 2 NJG, und vorsehbaren, § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Behördenprinzips zu mehreren Beklagten kommt, weniger strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Rechtsunsicherheit für den Rechtsträger der Behörde, ob er oder die von ihm getragene Behörde verklagt wird, nicht sonderlich hoch zu gewichten ist.

II.

Über den rechtshängig gewordenen Antrag ist nicht mehr zu entscheiden, weil die aufschiebende Bedingung (vgl. MüKO-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 19, beck-online) - die Abweisung der Klage mit ihren Hauptanträgen als unstatthaft - nicht eingetreten ist.

Diese Auffassung beruht auf folgenden Erwägungen:

Der Antrag ist als echter Hilfsantrag anzusehen: Er entspricht dem ursprünglichen Klageantrag und zielt wortwörtlich auf die Aufhebung der "Anordnung, die Mängel abzustellen", die nach Auffassung des Gerichts eine begünstigende Alternative zur kraft Gesetzes vorgesehenen Nichtverwendung der Messgeräte ist. Der Antrag zielt dagegen - trotz des Hinweises des Berichterstatters vom 19.6.2023 - seinem Wortlaut nach nicht auf die Aufhebung der Mängelfeststellung, in der das Gericht den einzigen belastenden Verwaltungsakt der Beanstandungsanordnung erblickt. Die Bedingung, unter der über den Anfechtungsantrag entschieden werden soll, ist demgemäß nach hiesigem Verständnis die Abweisung der Feststellungsanträge - die vom gerichtlichen Verständnis der Beanstandung ausgehen - als unstatthaft. Diese Bedingung ist nach dem oben Gesagten nicht eingetreten.

III.

Der Antrag wäre im Übrigen unzulässig und unbegründet, weil eine Rechtsverletzung durch die Aufforderung zur Mängelabstellung als begünstigende Alternative zur Außerbetriebsetzung nicht denkbar ist. Im Übrigen hat sich der Bescheid vom 17.1.2022 nach Auffassung der Kammer auch bezüglich dieser begünstigenden Aufforderung erledigt. Auch diesbezüglich wird auf den Hinweis vom 19.06.2023 verwiesen.

IV.

Selbst wenn man den Antrag entgegen seinem Wortlaut dahingehend verstünde, dass die Aufhebung der Mängelfeststellung begehrt wird, hätte dieser keinen Erfolg. Er wäre unzulässig, weil sich auch die Mängelfeststellung erledigt hat (vgl. den Hinweis des Berichterstatters vom 19.6.2023) und im Übrigen unbegründet. Die Beanstandung vom 17.1.2022 begegnet keinen Bedenken. Die Mängelfeststellung ist zu Recht erfolgt.

1.

Da das Messgerät am 17.1.2022 nicht mehr die Anforderungen des § 6 Abs. 2 MessEG i.V.m. § 8 MessEV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der RL 2014/31/EU i.V.m. Ziff. 10 und 14 von deren Anhang I erfüllte, endete gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG die Eichfrist vorzeitig.

2.

Ob es für die dann erfolgte Mängelfeststellung überhaupt einer Rechtsgrundlage bedarf und - wenn ja - ob diese auf die Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Marktüberwachung oder der Verwendungsüberwachung gestützt wird, kann dahinstehen. Beides erscheint jedenfalls möglich.

a.

Eine Maßnahme der Marktüberwachung gemäß § 50 Abs. 2, 1 MessEG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 MessEG i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG muss sich zwar gegen Wirtschaftsakteure richten, zu denen der Verwender grundsätzlich nicht zählt, § 51 Abs. 1 MessEG. Allerdings ist einem Hersteller gemäß § 2 Nr. 6 Hs. 2 MessEG gleichgestellt, wer ein auf dem Markt befindliches Messgerät derart verändert, dass die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen des § 6 Abs. 2 MessEG beeinträchtigt werden kann. Auf die Frage, ob gleichzeitig ein erneuertes Messgerät im Sinne von § 2 Nr. 7 Hs. 2 MessEG vorliegt, kommt es dabei nicht an. Diese Fiktion geht zwar über die Richtlinie 2014/31/EU hinaus, die eine entsprechende Fiktion nur für Wirtschaftsakteure und nicht für Verwender vorsieht. Die Richtlinie regelt die Verwendung von Messgeräten aber generell nicht, so dass der Bundesgesetzgeber insofern in seiner Entscheidungsfreiheit nicht beschränkt ist. § 2 Nr. 6 Hs. 2 MessEG greift hier nach dem oben Gesagten ein.

Eine Herstellerpflichtverletzung ist unter anderem das Inverkehrbringen von Messgeräten, obwohl diese möglicherweise nicht mehr den wesentlichen Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 2014/32/EU entsprechen, § 23 Abs. 1 Satz 1 MessEG. Eine solche Pflichtverletzung liegt hier wegen § 2 Nr. 6 Hs. 2 MessEG vor.

Es handelt sich bei der Feststellung auch um eine erforderliche Maßnahme im Sinne von § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG.

b.

Eine Maßnahme der Verwendungsüberwachung ließe sich auf §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Satz 1 MessEG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 MessEG i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG stützen. Im Übrigen gilt das zur Maßnahme der Marktüberwachung Gesagte entsprechend.

3.

Geht man von einer solchen belastenden Maßnahme (gleich, ob Marküberwachungs- oder Verwenderüberwachungsmaßnahme) aus, hat das Gericht angesichts des mündlichen Austausches zwischen Herrn BM. und Herrn GN. am 17.1.2022 keinen Zweifel an einer Anhörung vor der Beanstandung.

E.

Wollte man in die Anträge des Klägers hilfsweise - für den Fall der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Beklagten - noch den aus dessen Sicht statthaften Verpflichtungsantrag auf Eichung (unter Aufhebung der Verweigerung der Eichung vom 17.1.2022) hineinlesen - was eher fernliegt -, wird nach dem oben Gesagten deutlich, dass ein solcher Antrag jedenfalls keinen Erfolg hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.