Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 24.09.2002, Az.: 7 A 2966/01

Bestattungsvorsorgevertrag; Vermögen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
24.09.2002
Aktenzeichen
7 A 2966/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43618
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 23.07.2003 - AZ: 4 LC 523/02
BVerwG - 28.07.2004 - AZ: BVerwG 5 B 107.03

Tatbestand:

1

Die am 04.10.1913 geborene Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme ungedeckter Heimkosten ab 01.01.2000. Sie lebt seit 17.09.1999 im Altenzentrum G-Stift in Hannover.

2

Vor der Heimaufnahme lebte die Klägerin in ihrer eigenen Wohnung und wurde von ihrer Tochter betreut, welcher sie am 08.07.1999 einen am 07.11.1996 von ihr gekauften und bis zum 06.11.2004 festgelegten Sparkassenbrief mit einem Nennwert von 20.000,-- DM und einem Zinssatz von 6 % abtrat.

3

Am 01.09.1999 schloss die Klägerin mit dem Bestattungs-Institut G. GmbH in Hannover einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag „über ihre dereinstige Bestattung und/oder das Grabmal und die Grabpflege“ und leistete am 28.09.1999 die vereinbarte Vertragssumme von 8.050,-- DM an den Treuhänder, die Deutsche Bestattungsvorsorge Treuhand AG. Auf den Inhalt der in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Vertragsurkunde wird wegen der Einzelheiten der Vertragsgestaltung Bezug genommen.

4

Die Heimkosten (Heimentgelt für Pflege sowie Unterkunft und Verpflegung) und die Investitionskosten für die Zeit ab Heimaufnahme bis zum 31.12.1999 bezahlte die Klägerin aus eigenen Mitteln.

5

Ende Dezember 1999 erhielt das Sozialamt der Landeshauptstadt Hannover durch das Altenzentrum G-Stift Kenntnis davon, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, die Heimkosten selbst zu zahlen. Im Januar 2000 bestätigte die Tochter der Klägerin, dass das Vermögen ihrer Mutter bis auf den Freibetrag verbraucht sei. Unter dem 16.02.2000 stellte die Klägerin einen förmlichen Antrag auf Übernahme der Heimkosten durch Leistungen der Sozialhilfe. Sie verfügte im Januar 2000 über ein Sparkonto bei der Stadtsparkasse Hannover mit einem Guthaben von 4.500,-- DM sowie ein Girokonto bei der Stadtsparkasse Hannover, auf welchem ihre Renten (Alters- und Witwenrente) eingingen und von dort an das Altenzentrum G-Stift überwiesen wurden. Das Girokonto wurde am 23.10.2000 aufgelöst. Seitdem werden die Renten direkt an das Altenzentrum überwiesen. Ausweislich der Rechnungen des G-Stiftes  beliefen sich die Heimkosten (ohne Investitionsfolgekosten) für die Monate Januar bis März 2000 auf jeweils 5.600,32 DM und für die Monate April 2000 bis Juni 2001 auf jeweils 5.296,28 DM. Für Investitionsfolgekosten wurden für die Monate Januar 2000 bis Juni 2000 jeweils 730,50 DM, für die Monate Juli 2000 bis März 2001 jeweils 656,16 DM und für die Monate April 2001 bis Juni 2001 jeweils 701,18 DM in Rechnung gestellt. Das Renteneinkommen der Klägerin (abzüglich der Kindererziehungsleistungen) betrug von Januar bis Juni 2000 monatlich 1.400,65 DM und von Juli 2000 bis Juni 2002 monatlich 1.410,59 DM. Die Pflegekasse der Klägerin zahlte monatlich 2.800,-- DM an das G-Stift auf die Heimkosten.

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Am 12.03.2001 überwies die Tochter der Klägerin 10.288,44 DM an das G-Stift, und zwar auf den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss (BAZ) in Höhe der Investitionsfolgekosten für die Monat Januar 2000 bis März 2001 (Rechnung Nr. 104114 vom 08.03.2001). Eine auf die Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses gemäß § 13 NPflegeG ab Heimaufnahme gerichtete Klage in Höhe der Investitionsaufwendungen ist zum Aktenzeichen 3 A 1148/01 anhängig.

7

Am 20.02.2002 überwies der Ehemann der Tochter der Klägerin 4.965,44 € (= 9.711,56 DM) auf die Heimkosten an das G-Stift. Auf dem Überweisungsträger ist handschriftlich vermerkt: „Rest vom Sparbrief, insgesamt 20.000,-- DM“.

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Mit Schreiben vom 13.07.2000 teilte die Landeshauptstadt Hannover der Klägerin mit, dass der Bestattungsvorsorgevertrag als einzusetzendes Vermögen zu betrachten sei und wies auf die Kündigungsmöglichkeit hin.

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Mit Bescheid vom 20.12.2000 lehnte die Landeshauptstadt Hannover die Übernahme der Heimkosten mit der Begründung ab, ihre Prüfungen hätten ergeben, dass die Klägerin über Vermögen verfüge, welches die Vermögensfreigrenze von 4.500,-- DM übersteige. Dazu gehöre auch der Bestattungsvorsorgevertrag. Es seien keine Gründe erkennbar, von dem Vermögenseinsatz abzusehen.

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Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 09.01.2001 machte die Klägerin – Bezug nehmend auf bisherigen Schriftverkehr - geltend, dass das in den Bestattungsvorsorgevertrag eingebrachte Vermögen der Sterbevorsorge diene und deshalb dessen Einsatz bzw. Verwertung nicht verlangt werden könne. Der Übertragung des Sparkassenbriefes an ihre Tochter stehe als Äquivalent eine jahrelange intensive Pflege gegenüber, die einem Rückforderungsanspruch entgegenstehen dürfte. Eine Gegenüberstellung der aufgelaufenen Forderungen des G-Stiftes und des Vermögens (Spar- und Girokonto sowie Sparkassenbrief) ergebe, dass nunmehr Sozialhilfe zu gewähren sei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2001 wies die Landeshauptstadt Hannover den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ungeachtet eines Schenkungsrückforderungsanspruches der Klägerin gegen ihre Tochter stehe das Vermögen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag der Sozialhilfegewährung solange entgegen, wie es nicht eingesetzt oder verwertet werde. Ein Härtefall gemäß § 88 Abs. 3 BSHG liege nicht vor. Eine Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen würde in erster Linie die Erben begünstigen, die zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet seien.

12

Am 25.07.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Unter Berücksichtigung ihres Alters bei Vertragsabschluss und der für eine Bestattung angemessenen Höhe der Vertragssumme sei der Bestattungsvorsorgevertrag nicht als anrechenbares Vermögen zu behandeln. Ansprüche auf die Vertragssumme stünden im übrigen nicht ihr, sondern dem Bestattungsinstitut zu.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 20.12.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides der Landeshauptstadt Hannover vom 28.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Heimkosten im G-Stift abzüglich des durch ihr Renteneinkommen gedeckten Teils sowie der auf die Heimkosten geleisteten Zahlungen ab Januar 2000 zu übernehmen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, es sei der Klägerin zuzumuten, den Bestattungsvorsorgevertrag zu kündigen und den dadurch wieder verfügbaren Betrag für ihren Lebensunterhalt einzusetzen. Der Vertrag sei unmittelbar vor der Heimaufnahme rechtsmissbräuchlich abgeschlossen worden. Im übrigen würde die Anerkennung von Bestattungsvorsorgevertragen nicht den Hilfesuchenden, sondern den Erben zugute kommen, ohne deren wirtschaftliche Verhältnisse in Betracht zu ziehen. Dies würde die Systematik des Bundessozialhilfegesetzes unterlaufen. § 15 BSHG stelle eine ausreichende Regelung dar, um eine angemessene Bestattung zu ermöglichen und das finanzielle Risiko für die Erben abzufedern. Zu berücksichtigen seien auch das Schonvermögen in Höhe von 4.500,-- DM und das Sterbegeld von der gesetzlichen Krankenkasse in Höhe von 2.100,-- DM, so dass eine würdige Bestattung realisiert werden könne, ohne Angehörige hierdurch stark zu belasten. Ein atypischer Sachverhalt im Sinne der Härteregelung des § 88 Abs. 3 BSHG liege nicht vor. Durch den Abschluss einer Sterbeversicherung bestehe in angemessenem Umfang die Möglichkeit, eine Sterbevorsorge zu treffen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in dem auf Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses für die Klägerin gerichteten Verfahren 3 A 1148/01 und der zu den jeweiligen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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Sie ist bei sachgerechter Auslegung gerichtet auf die Übernahme lediglich der ungedeckten Heimkosten ohne Berücksichtigung der Investitionsfolgekosten, die der Klägerin von dem G-Stift ebenfalls in Rechnung gestellt wurden. Denn in Höhe der Investitionsfolgekosten streitet die Klägerin in dem Verfahren 3 A 1148/01 um die Gewährung eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses gemäß § 13 NPflegeG.

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Die Landeshauptstadt Hannover hat auch bereits im vorliegend angefochtenen Ausgangsbescheid hinsichtlich der Heimkosten darauf hingewiesen, dass über die Investitionskosten ein gesonderter Bescheid ergangen ist.

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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit ihrem Antrag auch klargestellt, dass ihr Begehren um die auf die Heimkosten geleisteten Zahlungen reduziert sein soll. Da die Zahlung vom 12.03.2001 in Höhe von 10.288,44 DM auf den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss geleistet wurde, war diese in diesem Verfahren nicht in Abzug zu bringen. In Abzug zu bringen war allerdings die Zahlung vom 20.02.2002 in Höhe von 4.965,44 € (=9.711,56 DM), welche auf die Heimkosten geleistet wurde. Der Umstand, dass die Zahlung erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides (28.06.2001) erfolgte, führt nicht dazu, dass sie in diesem Verfahren keine Berücksichtigung finden kann. Denn sie ist anzurechnen auf den Bedarf im für das Verfahren maßgeblichen Zeitraum. Standen nämlich Heimkosten ab Januar 2000 offen und wurde ausweislich des im Überweisungsträger genannten Verwendungszwecks pauschal auf die Heimkosten gezahlt, ohne eine Bestimmung hinsichtlich des Leistungszeitraums (etwa durch Bezugnahme auf eine bestimmte) Rechnung zu treffen, erfolgt die Anrechnung der Leistung gemäß § 366 Abs. 2 BGB. Da die Verbindlichkeiten hinsichtlich der Heimkosten im maßgeblichen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides im Zeitpunkt der Zahlung sämtlich fällig, in gleicher Weise gesichert und lästig waren, war die Zahlung auf die jeweils älteste Schuld anzurechnen. Anzurechnen war sie also auf die Heimkosten für den Monat Januar 2000 und die Folgemonate. Nach den Berechnungen des Gerichts war die Zahlung ausreichend, um die durch Rentenzahlungen und Leistungen der Pflegekasse nicht gedeckten Heimkosten von Januar bis einschließlich Juli 2000 komplett (9.371,59 DM) und weitere 339,97 DM aus dem Monat August 2000 abzudecken. Der Umstand, dass das G-Stift den Betrag ausweislich des am 23.09.2002 von dort vorgelegtem Auszugs aus dem Buchhaltungskonto auf die Heimkosten 2001 verbucht hat, ändert an dem Anrechnungsmodus gemäß § 366 Abs. 2 BGB nichts.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten ab August 2000 bis Juni 2001 im Rahmen der Hilfe zur Pflege gemäß § 68 BSHG. Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann, § 2 Abs. 1 BSHG. Die Klägerin konnte sich selbst helfen, nämlich durch Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages und Einsatz des dadurch zurückerhaltenen Vermögens.

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Bei dem Bestattungsvorsorgevertrag handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, nämlich um einen gemischten Vertrag, der überwiegend Elemente des Werkvertrages enthält (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Einführung vor § 631 Rdnr. 9). Auf diesen Vertrag hat die Klägerin die vereinbarte Vertragssumme von 8050,-- DM eingezahlt, die hierdurch aus ihrem Vermögen ausgeschieden ist. Dafür hat sie den schuldrechtlichen Anspruch erworben, dass ihre Bestattung in der vertraglich geschuldeten Weise durchgeführt wird. Dieser Anspruch, das Recht, von dem Vertragspartner die Bestattung zu verlangen, stellt allerdings kein für den sozialhilferechtlichen Bedarf verwertbares Vermögen dar.

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Aus der Vertragsurkunde (Punkt 3 der Vertragsbestimmungen) geht jedoch hervor, dass die Klägerin den Bestattungsvorsorgevertrag kündigen und sich hierdurch wieder in den Besitz ihres Vermögens setzen kann. In diesem Fall erfolgt die Auszahlung vom Treuhänder an den Bestatter und von diesem an die Klägerin.

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Der Umstand, dass die Klägerin die 8050,-- DM für ihre Bestattung vorgesehen hat, entbindet sie nicht von der Verpflichtung, das Geld zur Deckung ihres Lebensunterhaltes einzusetzen. Denn es handelt sich nicht - bzw. wie unten näher ausgeführt nur zu einem geringen Teil - um Schonvermögen gemäß § 88 Abs. 2 BSHG, von dessen Einsatz oder Verwertung die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf. Auch ein Härtefall ist vorliegend nicht gegeben. Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass nach der Systematik des BSHG das Bedürfnis nach einer würdigen Bestattung die Verschonung eines für eine angemessene Bestattung zurückgelegten Betrages rechtfertigt. Vorliegend ist diese Verwendung durch die gewählte Form des (kündbaren) Bestattungsvorsorgevertrages jedoch nicht sichergestellt.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Härte i. S. v. § 88 Abs. 3 BSHG vor, wenn die Anwendung der Regelvorschriften des § 88 Abs. 2 BSHG über das vom Hilfesuchenden nicht einzusetzende Vermögen zu einem den Leitvorstellungen dieser Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (BVerwG, U. v. 26.01.1966 – 5 C 88.64 – FEVS 14, 81 (90)). Die Vorschriften über das Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe die vorhandenen wesentlichen Lebensgrundlagen nicht beeinträchtigt, zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf und einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt. Die Vorschriften über das Schonvermögen beschränken sich nicht allein auf den Schutz wirtschaftlicher Güter, sondern erfassen auch immaterielle Bedürfnisse (vgl. § 88 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 6 BSHG). Dem vergleichbar ist der Wunsch der Klägerin, für die eigene Bestattung Vorsorge zu treffen und ihre Erben nicht mit zusätzlichen Kosten zu belasten. Die Vorstellungen über den Tod und die eigene Bestattung gehören zum Kern jeder Persönlichkeit und haben für viele, insbesondere alte Menschen herausragende Bedeutung (vgl. dazu im einzelnen: OVG Berlin, U. v. 28.05.1998 – 6 B 20.95 -, FEVS 49,218 ff., 223). Dies spricht gegen eine Einsatzpflicht des für eine sozialhilferechtlich angemessene Bestattung angesparten Vermögens.

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Gegen eine Einsatzpflicht spricht ferner auch die Systematik des BSHG. So können gemäß § 14 BSHG im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt die Kosten übernommen werden, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen für ein angemessenen Sterbegeld zu erfüllen. Es ist ferner anerkannt, dass gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG auch Beiträge für eine Sterbeversicherung  - soweit sie angemessen sind – vom einzusetzenden Einkommen abgesetzt werden können (vgl. OVG Berlin, a.a.O., S. 224 m.w.N.). Aus dieser gesetzlichen Wertung kann gefolgert werden, dass ebenso wie eine Sterbeversicherung auch ein Bestattungsvorsorgevertrag in angemessener Höhe vom Hilfesuchenden nicht zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden muss. Denn es kann von der Wertung des Gesetzgebers her keinen Unterschied machen, ob laufend geringe Beträge in einer Sterbegeldversicherung angespart werden, oder aber im Alter ein bereits angesammelter einmaliger Betrag in die Hand eines Treuhänders gegeben wird.

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Weder § 1968 BGB noch § 15 BSHG sprechen gegen die Einbeziehung eines angemessenen, für die Bestattung vorgesehenen Betrages in das Schonvermögen. § 1968 BGB bestimmt lediglich, dass der Erbe die Kosten der Bestattung trägt, nicht dagegen, dass er auch die wirtschaftliche Last übernehmen muss. Als Nachlassverbindlichkeiten werden die Bestattungskosten regelmäßig aus dem Nachlass beglichen. § 15 BSHG liegt zwar der Gedanke zugrunde, dass die würdige Bestattung eines Toten nicht daran scheitern soll, dass der Tote selbst über kein oder nur geringes Einkommen verfügt hat und seinen Angehörigen oder sonstigen Verpflichteten die Kostenübernahme nicht zugemutet werden kann. Die Bestimmung regelt allerdings lediglich für diesen Fall das Eintreten der Sozialhilfe, schließt es jedoch nicht aus, eine bereits zu Lebzeiten getroffene Bestattungsvorsorge vom Einsatz zur Deckung des laufenden Bedarfs freizuhalten.

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Obwohl nach alledem ein für eine sozialhilferechtlich angemessene Bestattung angespartes Vermögen dem Schonvermögen gemäß § 88 Abs. 2 BSHG gleichzuerachten ist, liegt ein Härtefall nicht vor. Denn es ist nicht sichergestellt, dass das in den Bestattungsvorsorgevertrag eingezahlte Vermögen tatsächlich für die Bestattung der Klägerin Verwendung finden wird. Anders als bei der Sterbegeldversicherung, bei der die Versicherungssumme beim Tod des Versicherten fällig wird und bei der die Möglichkeit der Kündigung unter Rückzahlung der Beiträge nicht besteht, ist der zwischen der Klägerin und dem Bestattungsinstitut Garvens GmbH geschlossene Bestattungsvorsorgevertrag ohne weiteres kündbar. Dies ergibt sich aus Nr. 3 der Vertragsbestimmungen und entspricht § 649 BGB. Wenngleich eine Kündigung vorzugsweise im Falle des Umzugs des Treugebers in Betracht kommen dürfte, wie seitens des Bestattungsinstituts dem Gericht gegenüber fernmündlich am 23.09.2002 mitgeteilt wurde, sind die Kündigungsgründe vertraglich nicht beschränkt worden. Vom Bestattungsinstitut wurde ferner mitgeteilt, dass je nach Umfang des Vertrages bei Rückzahlung des Treuvermögens nach Kündigung zur Deckung der Bearbeitungskosten ein Betrag entsprechend 150–250 DM einbehalten werde. Bei Vertragsabschluss würden keine Gebühren erhoben. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat die Klägerin zwar mit Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrages ihre damalige Absicht bekundet, ihr Vermögen in Höhe von 8050,-- DM für ihre Bestattung einzusetzen. Sie ist jedoch frei darin, diesen Willen noch zu ändern und wird hierdurch insbesondere nicht durch wirtschaftliche Erwägungen gehindert. Denn angesichts der in Bezug auf die Vertragssumme maßvollen Bearbeitungsgebühr wäre eine Kündigung des Vertrages nur mit einem unwesentlichen wirtschaftlichen Verlust verbunden. Allein das Alter der Klägerin schließt einen Sinneswandel hinsichtlich der Verwendung des eingezahlten Betrages nicht aus. Trotz der gewählten Konstruktion der Weggabe des Vermögens an einen Treuhänder ist die Anlage des Vermögens im Ergebnis nicht anders zu werten als eine für die Bestattung vorgesehene Geldanlage auf einem Sparbuch. Dieser Vergleich lässt erkennen, dass auch im Falle des Bestattungsvorsorgevertrages die bestimmungsgemäße Verwendung nicht sichergestellt ist. Daraus, dass in dem vom OVG Berlin (a.a.O.) entschiedenen Fall auch bei einem auf einem Sparbuch angesparten Vermögen eine Härte angenommen wurde, lässt sich angesichts der besonderen Fallgestaltung (die Hilfesuchende war Diakonisse ohne Angehörige) nichts Gegenteiliges herleiten.

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Liegt nach alledem bereits wegen der Kündbarkeit des Bestattungsvorsorgevertrages ein Härtefall nicht vor, bedurfte es näherer Überprüfung der Angemessenheit des für die Bestattung eingezahlten Betrages ebensowenig wie der Aufklärung, was genau vertraglich geschuldet ist (Bestattung und/oder Grabmal und Grabpflege).

32

Ausgehend von der Auskunft des Bestattungsinstitutes Garvens GmbH, dass im Fall der Kündigung höchstens ein Betrag entsprechend 250,-- DM an Bearbeitungsgebühren einbehalten würde, würde die Klägerin jedenfalls einen Betrag entsprechend 7.800,-- DM von ihrem Vermögen zurückerhalten. Die durch die Anlage erwirtschafteten Zinsen wurden hierbei noch nicht einmal berücksichtigt. Zwar wies das Sparkonto der Klägerin lediglich bis August 2000 den Schonbetrag in Höhe von 4.500,-- DM gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b) der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG auf, während das auf jenem Konto angesparte Vermögen im August und September 2000 lediglich 4.000,-- DM, von August bis Dezember 2000 4.211,40 DM und von Januar bis Juni 2001 4.230,34 DM betrug. Selbst wenn man den jeweiligen Differenzbetrag ebenso wie den der Klägerin zustehenden Barbetrag gemäß § 21 Abs. 3 BSHG von der Vermögenssumme aus dem Bestattungsvorsorgevertrag abzieht, ist aus dem dann noch verbleibenden Vermögen die Begleichung der monatlichen Heimkosten in Höhe von jeweils 1.085,69 DM (5.296,28 DM Heimentgelt – 1.410,59 DM Rente – 2.800 DM Pflegekasse) für die Monate August 2000 bis Juni 2001 problemlos möglich.

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Die Möglichkeit der Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrags war für die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum ein „bereites Mittel“ für die Bedarfsdeckung. Denn weder bedarf es für die Kündigung des Vertrages der Einhaltung einer Kündigungsfrist, noch ist bei der Abwicklung der Kündigung ein derartiger Aufwand ersichtlich, dass bei der Auszahlung des Vermögens mit einer unangemessenen Wartezeit zu rechnen wäre. Bei Geltendmachung einer Dringlichkeit dürfte sich die Auszahlung der Vertragssumme binnen weniger Tage bewerkstelligen lassen. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Mitteilung der Deutschen Bestattungsvorsorge Treuhand AG vom 23.09.2002 an das Gericht hinsichtlich des Procedere bei einer Kündigung. Danach kann bei Vorliegen des vom Bestatter übermittelten Kündigungsschreibens die Auszahlung sofort veranlasst werden. Dabei dürfte diese gemäß Nr. 3 der Vertragsbestimmungen im Fall der Freigabe durch den Bestatter unmittelbar an den Treugeber, sonst über den Bestatter an den Treugeber erfolgen. Das Gericht hat auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Bestatter sich geweigert haben würde, im Falle der Kündigung das nach Abzug der Bearbeitungskosten verbliebene Vermögen der Klägerin an diese auszuzahlen. Die fernmündliche Äußerung der Firma Garvens GmbH vom 23.09.2002 hinsichtlich der Einbehaltung von Bearbeitungsgebühren im Falle der Kündigung lässt vielmehr ein gesetzeskonformes Verhalten gemäß § 649 BGB erkennen. Deshalb hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Klägerin im Falle der Kündigung das ihr aus dem Bestattungsvorsorgevertrag zustehende Vermögen alsbald hätte realisieren und zur Deckung ihres Bedarf hätte einsetzen können.

34

Bezogen auf jeden Monat des hier noch streitigen Zeitraums (August 2000 bis Juni 2001) übersteigt das einzusetzende Vermögen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag jeweils den nicht durch anderweitiges Einkommen abgedeckten Teil der Heimkosten. Deshalb hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung von Sozialhilfe für den streitigen Zeitraum.

35

Entgegen ihrer Auffassung sind die aufgelaufenen Heimkosten nicht im Sinne einer Bilanzierung von den vorhandenen Vermögenswerten abzuziehen sind. In der Vergangenheit hatte zwar auch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20.10.1981 (– 5 C 16.80 – FEVS 31, 45 (50)) die Rechtsauffassung vertreten, dass bei einem Streit des Hilfesuchenden und des Sozialhilfeträgers darüber, ob mit Rücksicht auf vorhandenes Vermögen Hilfebedürftigkeit besteht, dem Bedarf, wie er für den gesamten Zeitraum, für den Hilfe beansprucht wurde, ermittelt wurde, der Wert des für einsetzbar angesehenen Vermögens mit der Folge gegenüberzustellen sei, dass Sozialhilfe insoweit zu gewähren ist, als ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf ungedeckt bleibt. Diese Rechtsansicht hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19.12.1997 (– 5 C 7.96 – FEVS 48, 145 (152ff.)) jedoch ausdrücklich aufgegeben und ausgeführt, dass wer sich weigere, einzusetzendes oder verwertbares Vermögen zur Beseitigung einer sozialhilferechtlichen Notlage einzusetzen, insoweit auf eigenes Risiko handele, als er sich, wenn seine Weigerung sich als ungerechtfertigt erweisen sollte, jederzeit auf das Vorhandensein des Vermögensgegenstandes zur Deckung des Bedarfs verweisen lassen muss. Die Kammer folgt dieser Auffassung. Demnach hat die Beklagte der Klägerin zu Recht entgegengehalten,  dass über den gesamten noch streitigen Zeitraum (August 2000 bis Juni 2001) Monat für Monat aufs neue das verwertbare Vermögen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag ihren Bedarf überstiegen hat. Jedenfalls seit dem (im Verwaltungsvorgang zum Verfahren 3 A 1148/01 befindlichen) Schreiben des Sozialamtes vom 13.07.2000 hatte die Klägerin auch Kenntnis davon, dass der Bestattungsvorsorgevertrag von dort als einzusetzendes Vermögen betrachtet wurde.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.