Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.11.1985, Az.: 5 OVG B 99/85
Gerichtliche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber den von einem Untersuchungsausschuß beschlossenen Maßnahmen des Zeugniszwanges
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.11.1985
- Aktenzeichen
- 5 OVG B 99/85
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1985, 14185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1985:1127.5OVG.B99.85.0A
Rechtsgrundlage
- § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO
Verfahrensgegenstand
Maßnahmen des Zeugniszwangs - Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
Prozessführer
des Versicherungsdirektors ... 56, ... 1,
Prozessgegner
das Land Niedersachsen - Niedersächsischer Landtag, Zehnter Parlamentarischer Untersuchungsausschuß -,
durch den Präsidenten des Niedersächsischen Landtags, Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 1, Hannover,
Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat am 27. November 1985
beschlossen:
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die von dem Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß durch die Beschlüsse vom 4. und 16. Juli 1985 gegenüber dem Antragsteller angeordneten Maßnahmen des Zeugniszwanges (Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten, Anordnung eines Ordnungsgeldes und ersatzweiser Ordnungshaft sowie der zwangsweisen Vorführung) bis zum rechtskräftigen Abschluß des gegen diese Maßnahmen gerichteten Klageverfahrens zu unterlassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Gründe
I.
Mit Beschluß vom 14. Mai 1984 stellte der Niedersächsische Landtag dem Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß die Aufgabe, verschiedene Fragen zu klären, die Kontakte zwischen dem für Versicherungen tätigen ... alias ... alias ... und niedersächsischen Landesbehörden betreffen. Am 26. April 1985 beschloß der Zehnte Parlamentarische Untersuchungsausschuß (im folgenden: Untersuchungsausschuß), den in Mannheim lebenden und dort als Versicherungsdirektor in der ... Versicherungs AG tätigen Antragsteller zu bestimmten Fragen des Untersuchungsauftrages (Teil I A 2 des Landtagsbeschlusses vom 14.05.1984) als Zeugen zu vernehmen, und lud ihn zu den Ausschußsitzungen am 7. und 20. Juni sowie 4. und 16. Juli 1985 nach Hannover.
Weil der Antragsteller zu diesen Terminen nicht erschienen war, beschloß der Untersuchungsausschuß am 4. Juli 1985:
"Dem im heutigen Termin am 4. Juli 1985 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienenen und nicht ausreichend entschuldigten Zeugen" (es folgen Name und Geschäftsadresse des Antragstellers) "werden die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 DM. ersatzweise für je 100,00 DM ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt."
und am 16. Juli 1985:
"Der im Termin vom 4. Juli 1985 trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienene Zeuge" (es folgt der Name des Antragstellers) "soll zu einem noch zu bestimmenden Termin vorgeführt werden."
Gegen diese Beschlüsse hat sich der Antragsteller mit der am 22. Juli 1985 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Klage und dem gleichzeitig eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Zur Begründung seiner Begehren hat der Antragsteller vorgetragen: Die Vorschriften über die Maßnahmen des Zeugniszwanges der Strafprozeßordnung seien nicht eingehalten. Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung iVm den Vorschriften über den Strafprozeß verpflichte nur die im Geltungsbereich dieser Vorschriften lebenden Personen zum Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß, nicht aber Ihn als Einwohner des Landes Baden-Württemberg. Die Beweisfragen lägen außerhalb des Untersuchungsauftrages. Im übrigen sei sein Nichterscheinen aber auch deswegen entschuldigt, weil er aufgrund der die herrschende Ansicht widerspiegelnden Rechtsauskunft seines Prozeßbevollmächtigten von dem Nichtbestehen einer Erscheinenspflicht habe ausgehen können.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Beschlüsse des Antragsgegners vom 4. und 16. Juli 1985 anzuordnen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat geltend gemacht: Der Antragsteller sei aufgrund des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung iVm den Vorschriften über den Strafprozeß verpflichtet, vor dem Untersuchungsausschuß zu erscheinen. Der räumliche Geltungsbereich dieser landesrechtlichen Regelung sei unbegrenzt, lediglich die Vollzugsmöglichkeiten endeten an der Landesgrenze.
Der räumlich unbegrenzte Geltungsbereich finde eine Grenze nur im Willkürverbot, solange aber ein Anknüpfungspunkt im gesetzgebenden Land bestehe, gelte die Regelung auch für in Baden-Württemberg lebende Deutsche. Anknüpfungspunkt sei hier die Tatsache, daß der Antragsteller voraussichtlich vor dem Untersuchungsausschuß für den Untersuchungsauftrag bedeutsame Aussagen machen könne. Die Vorschriften der Strafprozeßordnungüber die Maßnahmen des Zeugniszwanges seien beachtet worden. Das Nichterscheinen des Antragstellers sei jedenfalls am 4. Juli 1985 nicht entschuldigt gewesen, da dem Antragsteller zu diesem Zeitpunkt die in diesem Zusammenhang noch maßgebliche Rechtsansicht des Untersuchungsausschusses, daß eine Erscheinenspflicht bestehe, bekannt gewesen sei.
Wahrend des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hannover, die der Antragsgegner um Vollstreckungshilfe gebeten hatte, mit Schreiben vom 11. September 1985 mitgeteilt, entsprechend der vom Antragsgegner geäußerten Bitte werde bis auf anderslautende Nachricht von Maßnahmen zur Vollstreckung aus den Beschlüssen "des Untersuchungsausschusses vom 4. und 26. Juli 1985""vorerst abgesehen" (12 AR 35/85).
Das Verwaltungsgericht hat nach mündlicher Verhandlung durch sein Urteil vom 24. Oktober 1985 den Beschluß des Antragsgegners vom 4. Juli 1985 insoweit aufgehoben, als er Ordnungsgeld und Ersatzordnungshaft gegen den Kläger festsetzt, und im übrigen die Klage abgewiesen (6 VG A 130/85). Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf dieses Urteil durch Beschluß die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellers insoweit angeordnet, als der Antragsgegner in seinem Beschluß vom 4. Juli 1985 Ordnungsgeld und Ersatzordnungshaft gegen den Antragsteller festgesetzt hat, und im übrigen den Antrag abgelehnt (6 VG D 41/85). Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Bei den angegriffenen Beschlüssen des Untersuchungsausschusses handele es sich um sofort vollziehbare Verwaltungsakte, die vor den Verwaltungsgerichten mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können und denen gegenüber vorläufiger Rechtsschutz durch gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (§ 80 Abs. 5 VwGO) gewährt werden könne. Die Anordnung des Ordnungsgeldes und der Ersatzordnungshaft seien rechtswidrig, weil die Höhe des Ordnungsgeldes nicht begründet worden sei. Die übrigen Anordnungen des Untersuchungsausschusses (Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten, Anordnung der zwangsweisen Vorführung) seien gerechtfertigt. Der Antragsteller sei aufgrund der landesrechtlichen Regelung des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung iVm den Vorschriften der Strafprozeßordnung verpflichtet, vor dem Untersuchungsausschuß zu erscheinen. Es sei allgemein anerkannt, daß Landesrecht auch für den Nicht- Landesangehörigen Pflichten zu begründen vermöge, wenn er in seiner Person bestimmte Tatbestände erfülle. Der Hoheitsgewalt eines Landes unterfielen auch Rechtsverhältnisse, die mit einem verdinglichten Objekt innerhalb des örtlichen Geltungsbereichs eines Rechtssatzes gegeben seien, wie mit dem Grundeigentum, dem Gewerbebetrieb oder sonstigen Steuerquellen im Sinne der Steuergesetze. Die Begründung einer landesgesetzlichen Pflicht für den Bürger eines anderen Landes bedürfe einer persönlichen oder sachlichen Beziehung des Betroffenen zu dem Pflichten begründenden Land. Anders ausgedrückt: Die Pflichtigkeit setze die Anknüpfung an bestimmte Tatbestände mit Landesbeziehung voraus. Ein solcher Anknüpfungspunkt sei auch die in das Wissen des Antragstellers gestellte Kenntnis von Tatsachen, zu deren Ermittlung der Antragsgegner berufen sei. Aus Art. 33 Abs. 1 des Grundgesetzes ergäbe sich, daß die Zeugnispflicht - und zwar zunächst diejenige vor Gericht - als staatsbürgerliche Pflicht für jeden Deutschen in jedem Lande bestehe. Sie treffe nach dem Willen des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung auch den Bürger gegenüber einem Untersuchungsausschuß, und zwar unabhängig von seinem Wohnsitz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Das Ausbleiben des Antragstellers sei nicht genügend entschuldigt. Dem Antragsteller sei die Rechtsansicht des Untersuchungsausschusses, es bestehe eine Erscheinenspflicht, bekannt gewesen. Auf die Auffassung seines Prozeßbevollmächtigten habe er nicht vertrauen dürfen. Denn andernfalls würde das Erscheinen des Zeugen in dessen Belieben gestellt und damit dem Entscheidungsgremium die Möglichkeit zur Gestaltung des Verfahrens genommen. Die übrigen sich aus der Strafprozeßordnung ergebenden Voraussetzungen für die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten und die Anordnung der zwangsweisen Vorführung seien gegeben.
Gegen das ihm am 6. November 1985 zugestellte Urteil hat der Antragsteller Berufung eingelegt und gegen den ihm gleichzeitig zugestellten und nach der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 1985 verkündeten Beschluß am 1. November 1985 Beschwerde erhoben. Über die Berufung ist bisher noch nicht entschieden.
Zur Begründung seines mit der Beschwerde weiterverfolgten Begehrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezieht sich der Antragsteller auf sein bisheriges Vorbringen in beiden Verfahren und macht geltend: Der von dem Verwaltungsgericht angenommene Anknüpfungspunkt für eine landesüberschreitende Rechtspflicht, vor dem Untersuchungsausschuß zu erscheinen, bestehe nicht. Die Behauptung des Untersuchungsausschusses, eines politischen Gremiums, er könne für den Untersuchungsauftrag Wesentliches aussagen, genüge hierfür nicht. Im übrigen sei er bereit, sich von einem ersuchten Richter an seinem Wohn- bzw. Arbeitsort vernehmen zu lassen.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
den angefochtenen Beschluß zu ändern und ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten (5 OVG B 99 und A 200/85) sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Für das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz ... ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 1 VwGO); das Recht des Antragstellers, nicht rechtswidrig (ohne Eingriffsgrundlage) Maßnahmen des Zeugniszwanges unterworfen zu werden (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -), ist, durch die vorstehend tenorierte einstweilige Anordnung zu sichern, weil die Gefahr besteht, daß dieses Recht durch die Vollstreckung der mit den Beschlüssen des Antragsgegners vom 4. und 16. Juli 1985 angeordneten Maßnahmen des Zeugniszwanges vereitelt wird (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, weil es sich um eine öffentlich rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. handelt, die weder durch Bundes- noch durch Landesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO).
Die öffentlich-rechtliche Natur der Streitigkeit ergibt sich aus der Rechtsnatur der von dem Antragsgegner dem Antragsteller gegenüber ausgeübten Befugnisse. Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung - NdsVerf. -, wonach auf die Erhebungen der (Untersuchungs-)Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung finden, und § 51 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Strafprozeßordnung - StPO -, wonach die hier umstrittenen Maßnahmen des Zeugniszwanges angeordnet werden können, ermächtigen den Antragsgegner, diese Maßnahmen durch Beschluß des Untersuchungsausschusses anzuordnen (vgl. Lammers, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, in Handbuch des Deutschen Staatsrechts, herausgegeben von Anschütz und Thoma, 2. Band, 1932, § 94 S. 471 m.w.N.; Maunz, Dürig, Herzog, Grundgesetz Kommentar (Maunz), Loseblattsammlung, Stand: Januar 1985, RdNr. 53, Anm. 8 zu Art. 44 m.w.N.; Stern, Die Kompetenz der Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG im Verhältnis zur Exekutive unter besonderer Berücksichtigung des Steuergeheimnisses. AöR 1984 (Bd. 109), S. 200 (233)). Damit wird dem Untersuchungsausschuß durch Landesverfassungsrecht die Kompetenz verliehen, dem Bürger gegenüber hoheitlich tätig zu werden, so daß die diese Tätigkeit betreffenden Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 7 C 85.78 -, BayVBl 1981, 214 [BVerwG 21.11.1980 - BVerwG 7 C 85.78] m.w.N.). Es handelt sich nicht um eine Strafsache im Sinne des § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -. Zwar ist nach § 13 GVG im Rahmen eines Strafverfahrens für die Überprüfung der strafrichterlichen Anordnungen in Anwendung des § 51 Abs. 1 StPO der ordentliche Rechtsweg gegeben; der die Maßnahme des § 51 Abs. 1 StPO anordnende Untersuchungsausschuß wird jedoch nicht strafrichterlich im Rahmen einer "Strafsache" tätig (vgl.: BVerwG. BayVBl 1981, 214 [BVerwG 21.11.1980 - BVerwG 7 C 85.78]).
Die Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art, weil der Untersuchungsausschuß als Hilfsorgan des Landtages (vgl.: Maunz, a.a.O., RdNr. 3 zu Art. 44) nicht in der dem Landtag verfassungsrechtlich zugewiesenen Funktion als Legislative tätig wird (vgl.: BVerwG, BayVBl 1981, 214 [BVerwG 21.11.1980 - BVerwG 7 C 85.78]). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Staatsgerichtshofs Bremen vom 17. April 1970 (StGH Bremen, Entscheidung v. 17.04.1970 - St 1/69 -, DÖV 1970, 386 [BVerfG 03.12.1969 - 1 BvR 624/56] (387)), nach der der Untersuchungsausschuß jedenfalls für die hier nicht in Rede stehende Durchsuchung und Beschlagnahme von Beweismitteln lediglich berechtigt ist, diese Maßnahmen bei dem zuständigen Richter zu beantragen. Denn in jenem Fall hatte der Untersuchungsausschuß beim Amtsgericht die Anordnung der Durchsuchung und die Beschlagnahme von Beweismitteln erfolgreich beantragt und der Staatsgerichtshof entschieden, nachdem im Beschwerdeverfahren die Antragsbefugnis des Untersuchungsausschusses bestritten wurde. Im vorliegenden Fall hat der Untersuchungsausschuß aber die Maßnahme selbst angeordnet; es handelt sich nicht um Beschlagnahme von Beweismitteln und Durchsuchung, d.h. um Rechtsinstitute, von denen umstritten ist, ob sie von der verfassungsrechtlich normierten "sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß" erfaßt werden (vgl. StGH Bremen, DÖV 1970, 386 [BVerfG 03.12.1969 - 1 BvR 624/56] m.w.N.).
Die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine solche. Rechtswegzuweisung ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 1 EGGVG, wonach die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen entscheiden, die von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet - neben anderen hier nicht in Betracht kommenden Gebieten - der Strafrechtspflege getroffen werden. Die hier umstrittenen Anordnungen des Untersuchungsausschusses sind nicht auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen: der Untersuchungsausschuß ist keine Justizbehörde. Wie noch darzustellen sein wird, fehlt dem Untersuchungsausschuß als Maßnahmen des Zeugniszwanges anordnende Institution auch die Eigenschaft einer, Behörde.
Ebenfalls zu verneinen ist eine landesgesetzliche Zuweisung des Rechtsstreites an die ordentlichen Gerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Zwar gibt es eine solche Rechtswegzuweisung in verschiedenen Bundesländern, jedoch ist sie Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. nicht zu entnehmen. Nach § 16 Absätze 2, 3 und 6 des Baden-württembergischen Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages vom 3. März 1976 (GBl S. 194, geändert durch Gesetz v. 12.12.1983 (GBl S. 834) zitiert nach: Recht und Organisation der Parlamente, herausgegeben im Auftrag der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft von Wolfgang Burhenne, Loseblattsammlung, Stand: März 1984 - Burhenne -, Band 3, 231601) werden Maßnahmen des Zeugenzwanges auf Antrag des Untersuchungsausschusses durch das Amtsgericht am Sitz des Landtages (Stuttgart) festgesetzt; im Beschwerdeverfahren (§ 304 StPO) tritt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses an die Stelle der Staatsanwaltschaft. Ähnliche Regelungen bestehen in Berlin (§§ 12 Abs. 4, 17 Absätze 1 und 2 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 22.06.1970 (GVBl S. 925, geändert durch Gesetz vom 03.12.1974 (GVBl S. 2747), zitiert nach: Burhenne), Bremen (§§ 11 Absätze 2 und 3, 17 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen vom 15.11.1984 (GVBl, S. 329), zitiert nach: Burhenne) und Nordrhein-Westfalen (§§ 16, 27 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages Nordrhein-Westfalen v. 18.12.1984 (GV. NW. 1985 S. 26), zitiert nach: Burhenne). Eine solche Regelung besteht in Niedersachsen nicht. Man könnte sie jedoch dem Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. mit der Begründung entnehmen, die mit der "sinngemäßen Anwendung""der Vorschriften über den Strafprozeß" verbundene Rezeption der strafprozeßrechtlichen Vorschriften durch den Landesverfassungsgeber enthalte eine landesrechtliche Bestimmung des ordentlichen Rechtsweges für Streitigkeiten, die im Zusammenhang stehen mit Maßnahmen des Zeugniszwanges, die der Untersuchungsausschuß angeordnet oder beantragt hat. Hiervon scheinen Amtsgericht und Landgericht in dem erwähnten, von dem Staatsgerichtshof Bremen entschiedenen Fall (DÖV 1970, 386 [BVerfG 03.12.1969 - 1 BvR 624/56]) ausgegangen zu sein; zu dieser Zeit gab es die vorstehend erwähnte landesrechtliche Rechtswegzuweisung noch nicht, auch in Bremen bestand lediglich die dem Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. vergleichbare Regelung des Art. 105 Abs. 6 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen (zitiert nach: Burhenne, a.a.O., S. 033501). Eine solche Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. ist jedoch nicht, gerechtfertigt. Zwar kann eine Rechtswegzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch angenommen werden, wenn sie durch das zuweisende Gesetz nicht unmittelbar ausgesprochen ist, jedoch muß sich der Wille des Gesetzgebers aus dem Gesamtgehalt einer Regelung und dem Sachzusammenhang iVm der "Sachnähe" der betroffenen Materien hinreichend deutlich und logisch zwingend ergeben (vgl.: Kopp, Kommentar zur VwGO. 6. Aufl., RdNr. 49 zu § 40 m.w.N.). Diese Voraussetzungen können aus Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. und seiner Entstehungsgeschichte nicht hergeleitet werden. Aus den Materialien zur Niedersächsischen Verfassung ergeben sich keine Anhaltspunkte für den Willen des Verfassungsgebers, eine Rechtswegregelung zu treffen (vgl. Art. 12 der Regierungsvorlage, LT-Drs. 2073, Beschlüsse des Verfassungsausschusses, LT-Drs. 2500, Art. 11 der Fassung der 3. Lesung, LT-Drs. 2626). Der Verfassungsgeber hat in Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. die Formulierung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GGübernommen, die ihrerseits auf Art. 34 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reiches - WeimRV - (RGBl 1919, S. 1383) beruht. Zur Zeit. der Geltung des Art. 34 Abs. 3 WeimRV ging man jedoch davon aus, daß gegen von den Untersuchungsausschüssen angeordnete Maßnahmen des Zeugniszwanges den Betroffenen kein Rechtsmittel zusteht (vgl.: Lammers, a.a.O., S. 471, Anm. 127 m.w.N.); auch im Geltungsbereich des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG ist hiervon teilweise unter Hinweis auf Art. 44 Abs. 4 GG, wonach die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Erörterung entzogen sind, noch ausgegangen worden (vgl. Partsch, Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern?, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, Bd. 1, S. 212), ohne zu beachten, daß sich dieser Erörterungsausschluß nur auf die das Ergebnis der Untersuchung feststellende, nicht aber auf Maßnahmen des Zeugniszwanges anordnende Beschlüsse bezieht (vgl. Maunz, a.a.O., RdNr. 63 zu Art. 44 m.w.N.). Gegen eine landesrechtliche Rechtswegbestimmung durch Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. spricht auch - darauf weist das Verwaltungsgericht zu Recht hin - Art. 41 Abs. 2 NdsVerf., wonach über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten Verwaltungsgerichte entscheiden, soweit nicht die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gesetzlich begründet ist. Hätte der Verfassungsgeber von der danach grundsätzlich bestehenden Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte mit Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. abweichen wollen, hätte er dies ausdrücklich getan.
Nicht gefolgt werden kann jedoch der in dem angegriffenen Beschluß vertretenen Ansicht, statthafter Rechtsbehelf für die gerichtliche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber den von dem Untersuchungsausschuß beschlossenen Maßnahmen des Zeugniszwanges sei der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen diese Maßnahmen erhobenen Klage; statthafter Rechtsbehelf ist vielmehr die Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Das Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gerichtet auf die Sicherung des Rechtes, nicht rechtswidrig (ohne Eingriffsgrundlage) Maßnahmen des Zeugniszwanges unterworfen zu werden. Da es sich bei diesen Maßnahmen nicht um Verwaltungsakte, sondern um Maßnahmen eigener Art. eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses handelt, begehrt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegenüber schlichten Amtshandlungen. Die angegriffenen Maßnahmen des Zeugniszwanges sind keine Verwaltungsakte, weil sie nicht von einer Behörde getroffen sind (vgl.: § 1 NdsVwVfG (v. 03.12.1976, Nds. GVBl S. 311, zuletzt geändert durch Gesetz v. 02.06.1982, Nds. GVBl S. 139) iVm § 35 VwVfG (v. 25.05.1976, BGBl I S. 1253, geändert durch Gesetz v. 02.07.1976, BGBl I S. 1749). Der hiervon abweichenden Auffassung des OVG Berlin vermag sich der beschließende Senat nicht anzuschließen. Die Behördeneigenschaft eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nimmt das OVG Berlin unter Hinweis auf verschiedene Literaturangaben mit der Begründung an, durch die positiv-rechtliche Rechtsverleihung sei die Verwaltungsakteigenschaft hinreichend gekennzeichnet, die für eine Behörde an sich erforderliche "ständige Organisation des Amtes" fehle, sei aber im Hinblick auf die Rechtsverleihung entbehrlich (OVG Berlin. Urt. v. 30.10.1969 - 5 B 22.69 -, DVBl 1970, 293 (294)[OVG Berlin 30.10.1969 - V B 22/69]). Das Bundesverwaltungsgericht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lassen diese Frage ausdrücklich offen (BVerwG, BayVBl 1981, 214 [BVerwG 21.11.1980 - BVerwG 7 C 85.78]; BayVGH, Urt. v. 19.05.1978 - Nr. 276 III 77 -, BayVBl 1981, 209 (211)). Die von dem OVG Berlin vertretene Ansicht verkennt, daß nicht jede "positiv-rechtliche Rechtsverleihung" die Annahme eines Verwaltungsaktes rechtfertigt. So verleiht die Strafprozeßordnung dem Strafgericht die Befugnis, Maßnahmen des Zeugniszwanges anzuordnen (§ 51 Abs. 1 StPO); diese Anordnungen sind keine Verwaltungsakte. Gerade diese Kompetenz wollte Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. ebenso wie Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG und 34 Abs. 3 WeimRV (vgl. Kaufmann, Untersuchungsausschuß und Staatsgerichtshof, 1920 S. 30; Lammers, a.a.O. S. 471) aber den Untersuchungsausschüssen verleihen. Der Untersuchungsausschuß wird daher bei Anordnung von Maßnahmen aufgrund einer gerichtsähnlichen, nicht aufgrund einer behördenähnlichen Kompetenz tätig (vgl. Stern, AöR 1984 (Bd. 109). S. 199 (241), der lediglich bei Anwendung der Befugnisse nach Art. 44 Abs. 3 GG (Inanspruchnahme von Rechts- und Amtshilfe) eine behördenähnliche Kompetenz des Untersuchungsausschusses annimmt). Darüber hinaus würde die Annahme einer Behördeneigenschaft des Untersuchungsausschusses zu einem Widerspruch zwischen der Regelung des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. und dem Verwaltungsverfahrensrecht führen. Nach § 1 Abs. 1 NdsVwVfG iVm §§ 26 Abs. 3 und 65 VwVfG ist eine beweiserhebende Behörde auf die Vorschriften der ZPOüber die Beweiserhebung verwiesen und nicht berechtigt, Maßnahmen des Zeugniszwanges anzuordnen, sondern darauf angewiesen, das zuständige Verwaltungsgericht (vgl. § 180 VwGO) um die Vernehmung zu ersuchen. Ziel des Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. ist es aber - wie bereits ausgeführt -, dem Untersuchungsausschuß die Kompetenz zu verleihen, selbst Maßnahmen des Zeugniszwanges anzuordnen.
Der danach hier statthafte Rechtsbehelf der Sicherungsanordnung ist auch nicht gegen den Untersuchungsausschuß zu richten. Denn der Untersuchungsausschuß ist - wie vorstehend ausgeführt - gegenüber dem Antragsteller nicht als Behörde tätig geworden; seine Verfahrensbeteiligung ergibt sich daher nicht aus den die Behördeneigenschaft voraussetzenden §§ 61 Nr. 3, 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO iVm § 10 des Niedersächsischen Verwaltungsgerichtsgesetzes (i.d.F. v. 22.05.1981, Nds. GVBl S. 117). Träger des Untersuchungsrechts ist nach Art. 11 Abs. 1 NdsVerf. der Niedersächsische Landtag; er übt dieses Recht durch den Untersuchungsausschuß aus. Daher betrifft der Rechtsstreit eine Angelegenheit des Landtages, bei der nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 NdsVerf. der Präsident des Landtages das Land Niedersachsen vertritt, das nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig ist, am Verfahren beteiligt zu sein. Das Vorbringen der Beteiligten auslegend, geht der Senat davon aus, daß das auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Begehren des Antragstellers als ein gegen das Land Niedersachsen (Landtag, 10. Parlamentarischer Untersuchungsausschuß), vertreten durch den Präsidenten des Niedersächsischen Landtages, gerichteter Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu werten ist und daß der Antragsgegner dem nicht widerspricht (vgl.: Schriftsatz vom 14. November 1985).
Der Erlaß der tenorierten einstweiligen Anordnung ist gerechtfertigt, weil die Gefahr besteht, daß das Recht des Antragstellers, nicht rechtswidrig (ohne Eingriffsgrundlage) Maßnahmen des Zeugniszwanges unterworfen zu werden, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt werden könnte.
Das Recht des Antragstellers, nicht rechtswidrig Maßnahmen des Zeugniszwanges unterworfen zu werden, ergibt sich aus dem Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie aus der Bindung der Staatsgewalt an die verfassungsmäßige Ordnung und Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Untersuchungsausschuß unterwirft durch seine Beschlüsse vom 4. und 16. Juli 1985 den Antragsteller rechtswidrig Maßnahmen des Zeugniszwanges, weil die Rechtsordnung den Untersuchungsausschuß nicht ermächtigt, dem Antragsteller die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen, Ordnungsgeld und Ordnungshaft festzusetzen und ihn zwangsweise vorführen zu lassen.
Eine solche Ermächtigung des Untersuchungsausschusses kann sich allein aus Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. ergeben, laßt sich aus dieser Landesverfassungsnorm aber nicht herleiten. Nach Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. iVm § 51 StPO ist für die Anordnung der genannten Maßnahmen des Zeugniszwanges vorausgesetzt, daß der Antragsteller verpflichtet war, am 4. Juli 1985 vor dem Untersuchungsausschuß zu erscheinen. Eine solche Verpflichtung bestand jedoch nicht. Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. rezipiert mit der Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozeß ein bundesrechtliches Normensystem als Landesrecht; als niedersächsische landesrechtliche Regelungen können Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. und die Vorschriften über den Strafprozeß Pflichten nur gegenüber solchen Personen begründen, die der niedersächsischen Landesstaatsgewalt unterworfen sind. Der in Baden-Württemberg (Mannheim) lebende und sich gegenwärtig nicht in Niedersachsen aufhaltende Antragsteller gehört nicht zu diesen Personen. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, daß der Landesstaatsgewalt nicht nur die im Geltungsbereich des Landesrechts sich aufhaltenden, sondern auch solche außerhalb lebenden Personen unterworfen sind, die im Geltungsbereich des Landesrechts Grundeigentum haben, ein Gewerbe betreiben oder Inhaber einer sonstigen Steuerquelle im Sinne der Steuergesetze sind (vgl.: Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., § 8, 2). Für sie gelten die das Grundstück, den Gewerbebetrieb oder die sonstige Steuerquelle betreffenden landesrechtlichen Bestimmungen. Einen solchen dem Landesrecht unterworfenen Bezugspunkt weist der Antragsteller als möglicher Zeuge des Untersuchungsausschusses des Niedersächsischen Landtages nicht auf. Die mit Art. 11 Abs. 4 Satz 1 NdsVerf. landesrechtlich normierte Zeugnispflicht enthält einen solchen Bezugspunkt nicht, während die Grundstücke, Gewerbe etc. betreffenden landesrechtlichen Regelungen den Bezugspunkt selbst bezeichnen. Der Untersuchungsausschuß kann als außerlegislative Institution diesen Bezugspunkt nicht dadurch herstellen, daß er für die Untersuchung wesentliche Tatsachen in das Wissen des Antragstellers stellt. Der Anspruch auf Geltung staatlichen Rechts über das eigene Territorium hinaus setzt vielmehr einen besonderen Rechtstitel voraus (vgl.: Schneider, Gesetzgebung 1982, RdNr. 580). Dieser ergibt sich hinsichtlich der Grundstücke, Gewerbe etc. betreffenden landesrechtlichen Vorschriften aus der verfassungsrechtlichen Kompetenz, Regelungen; für im eigenen Hoheitsbereich belegene Sachen zu treffen. Ein solcher Rechtstitel kann für die hier umstrittene Zeugnispflicht aber nicht daraus hergeleitet werden, daß die Zeugnispflicht gegenüber Gerichten und Untersuchungsausschüssen des Bundestages bundesweit besteht und es in Art. 33 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes heißt, jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Denn die bundesweit bestehende Zeugnispflicht beruht auf bundesrechtlichen Regelungen. Sie ergibt sich für die gegenüber den Untersuchungsausschüssen des Bundestages bestehende Zeugnispflicht aus Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, für die Zeugnispflicht gegenüber den Gerichten, aus den jeweiligen bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften. Wenn in diesen Verfahrensvorschriften die Zeugnispflicht nicht besonders normiert, sondern als bestehend vorausgesetzt wird (vgl. Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO. 23. Aufl., RdNr. 7 vor § 48), gilt dies auch bundesweit gegenüber den Gerichten. Nach Rezeption dieser Verfahrensvorschriften als Landesrecht für die Untersuchungsausschüsse des Niedersächsischen Landtages kann diese Zeugnispflicht lediglich als landesweit bestehend vorausgesetzt werden.
Ein Rechtstitel, bundesweit eine Zeugnispflicht gegenüber den Untersuchungsausschüssen des Niedersächsischen Landtages zu begründen, ergibt sich daraus nicht. Anhaltspunkte dafür, daß es bundesweit eine nicht ausdrücklich normierte Zeugnispflicht gegenüber den Untersuchungsausschüssen aller Landesparlamente gibt, sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich einer solchen Zeugnispflicht bestehen auch deshalb Zweifel, weil die nicht ausdrücklich normierte Zeugnispflicht nur gegenüber Gerichten besteht, Zeugnispflichten anderen Institutionen gegenüber aber ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben sind (vgl.: § 161 a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 65 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Aus Art. 33 Abs. 1 GG kann eine bundesweit bestehende Zeugnispflicht gegenüber allen Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente nicht hergeleitet werden. Denn in jedem Lande gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten hat jeder Deutsche auch dann, wenn für ihn eine Zeugnispflicht lediglich gegenüber den Untersuchungsausschüssen des Bundestages und denen des jeweiligen Bundeslandes, dem er angehört oder in dem er sich aufhält, besteht. Eine Differenzierung, die Art. 33 Abs. 1 GG hinsichtlich der staatsbürgerlichen Pflichten vermeiden will (vgl. Maunz, a.a.O., RdNr. 4 zu Art. 33), besteht bei dieser Rechtssituation nicht.
Aus diesen Gründen ist der beschließende Senat im Einklang mit der bereits zu der vergleichbaren Rechtssituation zur Zeit der Geltung der Weimarer Reichsverfassung und auch gegenwärtig wohl überwiegend vertretenen Ansicht (vgl.: Lammers, a.a.O., S. 471; Kleinrahm, Dickersbach (Kleinrahm), Komm. zur Verf. d. Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., Anm. 11 d bb zu Art. 41; Zinn, Stein u.a., Komm. zur Verf. d. Landes Hessen. Loseblattsammlung, Stand: September 1984, Anm. 7 d, 8 zu Art. 92; Braun, Komm. zur Verf. d. Landes Baden-Württemberg, 1984, Anm. III 2 e zu Art. 35; Lässig, Beschränkungen des Beweiserhebungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse - insbesondere aufgrund des Bundesstaatsprinzips, DÖV 1976, 727) der Auffassung, daß die Zeugnispflicht gegenüber Untersuchungsausschüssen des Bundestages im ganzen Bundesgebiet, gegenüber den Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente nur für die der betreffenden Landesstaatsgewalt unterworfenen Personen gilt. Unterstützend hierfür können die Regelungen der Immunität der Landesparlamentarier herangezogen werden. Nach Art. 37 Abs. 1 WeimRV genoß Immunität jedes "Mitglied des Reichstags oder eines Landtags". Art. 46 GG trifft die Immunitätsregelung nur für Mitglieder des Bundestages, für die Mitglieder der Landesparlamente enthalten lediglich die jeweiligen Landesverfassungen Immunitätsbestimmungen (vgl. Art. 15 NdsVerf.; Bockelmann, Die Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht, 1951, S. 65 ff). Deshalb hatten Hamburg und Hessen die Immunität der Abgeordneten anderer Länder ausdrücklich anerkannt (vgl. Nachweise bei Peters, Strafprozeß, 1. Aufl., § 4 Abs. 1 d; Bockelmann, a.a.O., S. 66 und 74), was dann mit Schaffung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 152 a StPOüberflüssig wurde, die die Immunität der Mitglieder des Bundestages und der Landesparlamente mit bundesweiter Geltung normiert. Danach hat der Anspruch auf Geltung landesstaatlichen Immunitätsrechts über das eigene Landesterritorium hinaus einen Rechtstitel dadurch erhalten, daß eine entsprechende die Territorien aller Länder erfassende bundesgesetzliche Regelung (Art. 37 Abs. 1 WeimRV. § 152 a StPO) oder die gesetzliche Regelung eines anderen Landes (Hessen und Hamburg) den Geltungsbereich erweiterte. Eine solche erweiterte Regelung, die auch aufgrund eines Staatsvertrages zwischen zwei oder mehreren Ländern geschaffen werden könnte, ist bisher hinsichtlich der Zeugnispflicht gegenüber Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente nicht geschaffen worden. Danach muß davon ausgegangen werden, daß ohne eine dessen Geltungsbereich erweiternde Regelung Art. 11 Abs. 4 NdsVerf. in Verbindung mit den Vorschriften über den Strafprozeß eine über die Landesgrenzen hinausgehende Zeugnispflicht nicht begründet.
Allerdings vertritt Peters (Peters. Strafprozeß, 3. Aufl., § 4 I d) im Gegensatz zu anderen Autoren (Bockelmann, a.a.O., S. 90) die Auffassung, daß es im Immunitätsrecht den Geltungsbereich der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen erweiternder Regelungen (Rechtstitel) nicht bedurft hätte und § 152 a StPO ebenso wie die früheren Regelungen in Hamburg und Hessen überflüssig seien. Das ergäbe sich daraus, daß der Bundesgliedstaat nicht nur mit dem Bund, sondern über den Bund auch mit den übrigen Bundesgliedstaaten in einer Rechtseinheit stehe. Der Bund könne nur dann eine echte Einheit darstellen, wenn das im Rahmen der Bundesgesetze sich vollziehende Eigenleben gegenseitige Anerkennung finde (Peters, Strafprozeß, 1. Aufl., § 4 I d, S. 26). Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Sie beruht auf Gareis (Peters, a.a.O.; ZStW 7, 633), der für die vor Geltung der Weimarer Reichsverfassung bestehende verfassungsrechtliche Situation die von dem Reichsgericht (Beschl. v. 14.06.1917 - g.H. C 85/16/VIII. 768 -, RGSt 50, 425) abgelehnte Auffassung vertrat, daß die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesverfassungen die Reichsbehörden binden, also einen über das Landesgebiet hinausgehenden Geltungsbereich haben. Die von Peters vertretene Ansicht verkennt, daß die zwischen dem Bund und den Bundesgliedstaaten bestehende Rechtseinheit, soweit sie zu einer Erweiterung des Geltungsbereiches landesgesetzlicher Regelungen führen soll, eines Rechtstitels, einer entsprechenden gesetzlichen Regelung durch den Bund oder die Länder bedarf. Für die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten enthält Art. 33 Abs. 1 GG eine solche; Regelung. Diese erfaßt aber - wie vorstehend ausgeführt - die Zeugnispflicht der Bundesbürger gegenüber den Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente nicht.
Hiernach ist davon auszugehen, daß eine Zeugnispflicht des Antragstellers gegenüber dem Untersuchungsausschuß gegenwärtig nicht besteht und deshalb die mit dessen Beschlüssen vom 4. und 16. Juli 1985 angeordneten Maßnahmen des Zeugniszwanges nicht gerechtfertigt sind.
Da der Antragsgegner die Staatsanwaltschaft bereits mit der Durchführung (Vollstreckung) dieser Maßnahmen beauftragt hat und hiervon allein wegen dieses gerichtlichen Verfahrens vorerst abgesehen wird (Schreiben der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hannover vom 11.09.1985, 12 AR 35/85), besteht die Gefahr der Vereitelung des Rechts des Antragstellers, von diesen nicht gerechtfertigten Maßnahmen verschont zu bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO).