Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.10.2004, Az.: 9 U 66/04
Erwerb eines gebrauchten Pkw Seat Cordoba; Schenkung des Pkw an dritte; Fraglicher Übergang des Eigentumsrechts; Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb von Gebrauchtwagen; Vereinbahrung von Teilzahlungen und Eigentumsvorbehalt; Unvollständige Begleichgung des Kaufpreises
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 19.10.2004
- Aktenzeichen
- 9 U 66/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 30926
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2004:1019.9U66.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 09.07.2004 - AZ: 1 O 2659/03
Rechtsgrundlagen
- § 433 BGB
- § 932 Abs. 2 BGB
- § 985 BGB
Fundstelle
- DAR 2005, 90 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
Autohaus L... GmbH
vertr.d.d. Geschäftsführ L...., ... R...,
Rechtsanwälte G... und Partner, O...
Prozessgegner
K..., W...
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte M....
Geschäftszeichen: 690-03 Hö/pö
Der 9. Zivilsenat hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2004
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts .....,
den Richter am Oberlandesgericht S.... und
die Richterin am Oberlandesgericht M....
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.07.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück - AZ.: 1 O 2659/03 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Pkw Seat Cordoba 1.6, Fahrzeugidentitätsnummer VSSZZZ6KZXR182 172, herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Fahrzeuges.
Die Beklagte ist die Tochter des am 06.12.2002 verstorbenen K............ Der Verstorbene erwarb am 11.12.2001 von der Klägerin einen gebrauchten Pkw Seat Cordoba. Er schenkte den Wagen der Beklagten, an die er ihn unmittelbar ausliefern ließ. Den Kfz-Brief behielt die Klägerin.
Die Klägerin behauptet, sie habe mit dem Verstorbenen Ratenzahlung vereinbart. Das Eigentum an dem Fahrzeug habe erst nach vollständiger Zahlung übergehen sollen. Der Kaufpreis sei nicht vollständig beglichen worden.
Die Beklagte meint, sie habe das Fahrzeug gutgläubig erworben, weil ihr Vater ihr auf ihre Frage nach dem Kfz-Brief versichert habe, sie müsse sich keine Gedanken machen, das Fahrzeug gehöre ihr.
Das Landgericht Osnabrück, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, ist von einem gutgläubigen Erwerb der Beklagten ausgegangen und hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,
das am 09.07.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Pkw Seat Cordoba 1.6, Fahrzeugidentnummer VSSZZZ6KZXR 182, 172, herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G... und D... Auf das Protokoll der Beweisaufnahme und die Schriftsätze der Parteien wird Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu, denn sie ist Eigentümerin des Fahrzeuges Pkw Seat Cordoba geblieben.
Auf Grund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin mit dem Vater der Beklagten einen Eigentumsvorbehalt i.S.v. § 455 Abs. 1 BGB a.F. vereinbart hatte.
Die Zeugin G.... bekundete, sie führe bei der Klägerin die Buchhaltung. Den Kaufpreis des streitgegenständlichen Fahrzeuges habe sie zwar nicht mehr in Erinnerung, sie wisse aber noch, dass er nicht vollständig gezahlt worden sei. Der Kfz-Brief befinde sich nach wie vor bei den Papieren der Klägerin. Es entspreche der ständigen Praxis der Klägerin, den Kfz-Brief erst bei vollständiger Zahlung herauszugeben. Die Zeugin D... bestätigte das.
Die vereinbarte Ratenzahlung in der Zusammenschau mit dem Einbehalt des Kfz-Briefes lässt keinen anderen einsichtigen Schluss zu, als dass der behauptete Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde. Er bewirkt die sachenrechtliche Vermutung, dass die Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt.
Aus der glaubhaften Aussage der Zeugin G... folgt, dass der Kaufpreis nicht vollständig gezahlt wurde. Die Zeugin erinnerte sich an zwei Teilzahlungen des Käufers, die nicht ausreichten, den Kaufpreis zu begleichen.
Der Vater der Beklagten war deshalb nicht Eigentümer des Fahrzeuges.
Die Beklagte hat das Fahrzeug nicht gutgläubig erworben. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss sich der Erwerber eines Gebrauchtwagens den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lassen, um sich nicht dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit i.S.v. § 932 Abs. 2 BGB auszusetzen. Bei gebrauchten Kraftfahrzeugen muss jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr wissen, dass Kraftfahrzeuge oft als Sicherheit für einen bei ihrer Anschaffung gewährten Kredit dienen und deshalb der Umstand, dass der Veräußerer den Kraftfahrzeugbrief nicht vorlegen kann, Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben muss. Jedenfalls ist ein schützenswertes Vertrauen, dass der Besitzer des Gebrauchtwagen Eigentümer oder zur Verfügung über die Sache ermächtigt ist, nicht gerechtfertigt (vgl. BGH NJW 1996, 2226 m.w.N.). Diese Erwägungen beschränken sich nicht auf den privaten oder gewerblichen Kfz-Handel, sondern gelten für jeden Erwerb eines Gebrauchtwagens, auch den schenkweisen. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Der Umstand, dass ihr Vater ihr versicherte, sie brauche sich keine Gedanken zu machen, der Wagen gehöre ihr, reicht nicht. Die von ihr eingeräumte Nachfrage zeigt im Gegenteil, dass sie sich über die Bedeutung des Fahrzeugbriefes als Nachweis des Eigentums bewusst war.
Die Beklagte müsste das Fahrzeug im Übrigen auch bei einem gutgläubigen Erwerb herausgeben, denn sie erhielt es unentgeltlich. Gemäß § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB ist derjenige, der auf Grund der unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten einen rechtlichen Vorteil erlangt, zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet.
Der Kaufvertrag begründet für die Beklagte kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB. Wegen des Eigentumsvorbehaltes ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verkäufer zum Rücktritt von dem Vertrage berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt. Ob hier ein Verzug auf Käuferseite vorliegt, kann dahin stehen, denn Rechtsnachfolgerin des Käufers ist nicht die Beklagte, sondern die Erbengemeinschaft, die allein sich auf ein schuldrechtliches Recht zum Besitz berufen könnte.
Auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen des verschrotteten Fahrzeuges kommt nicht in Betracht. Eine Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch der Beklagten ist nicht ersichtlich. Jedem Anspruch würde zudem ein weit überwiegendes Mitverschulden der Beklagten entgegenstehen. Sie gab das Eigentum an ihrem bisherigen Fahrzeug auf, obwohl sie hinsichtlich des Eigentumserwerbs an dem streitgegenständlichen Fahrzeug wegen des fehlenden Kfz-Briefes nicht gutgläubig sein konnte.
Ein eventueller Schadensersatzanspruch aus § 523 BGB richtet sich nicht gegen die Klägerin, sondern gegen die Erbengemeinschaft.
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf den § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.