Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.11.1982, Az.: 12 U 15/82
Berufungsverfahren; Schadensersatzanspruch wegen grundlosem Rücktritts vom Verlöbnis; Gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsanspruch nach Rücktritt vom Verlöbnis; Hingabe als Schenkung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.11.1982
- Aktenzeichen
- 12 U 15/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 12877
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1982:1118.12U15.82.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 25.03.1982 - AZ: 3 O 455/81
Rechtsgrundlagen
- § 1298 Abs. 1 BGB
- § 516 Abs. 1 BGB
- § 705 BGB
Fundstelle
- NJW 1983, 1065-1066 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Anspruchs aus der Abwicklung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
In dem Rechtstreit
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 1982
durch
die Richter ... und
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 25. März 1982 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, Die Beschwer der Klägerin beträgt 5.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien lebten vom Jahre 1976 bis Ende März 1981 zusammen in dem der Klägerin gehörenden Haus in .... Am 05.02.1981 kaufte der Beklagte unter Vermittlung des Autohauses ... einen gebrauchten Pkw der Marke Audi 100. Zur Finanzierung des Preises beabsichtigte er zunächst, einen von der Klägerin verbürgten Bankkredit bei der ... Bank aufzunehmen; kurz vor Unterzeichnung des entsprechenden Darlehensantrages händigte die Klägerin ihm jedoch überraschend die erforderlichen 5.000,00 DM in bar aus, mit der Erklärung, sie habe diesen Betrag noch auf ihrem Sparkonto gehabt. Knapp 2 Monate nach dem Autokauf, am 01.04.1981, verließ der Beklagte die Klägerin unter Mitnahme des Pkw's. Am 15. Dezember desselben Jahres heiratete er seine jetzige Frau.
Die Klägerin verlangt mit der Klage Erstattung des von ihr für den Autokauf zur Verfügung gestellten Betrages.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Ihre gegen dieses Urteil gerichtete Berufung stützt die Klägerin zum einen darauf, daß sie und der Beklagte sich Weihnachten 1975 offiziell verlobt und sich gegenseitig Verlobungsringe geschenkt hätten. Von der Festsetzung eines konkreten Heiratstermins habe man zwar in den folgenden Jahren abgesehen, um ihr, der Klägerin, die ihr aus einer früheren Ehe zustehende Witwenrente zu erhalten. Im übrigen habe der Beklagte die Trennung von ihr langfristig geplant und schon am Tage des Autokaufs den Entschluß gefaßt gehabt, sie kurze Zeit später zu verlassen. Denn der Beklagte habe seine jetzige Ehefrau bereits im September 1980 näher kennengelernt, als die Klägerin infolge eines von ihm verursachten Unfalls in ... im Krankenhaus gelegen und er während dieser Zeit in ... bei ... gewohnt hätte.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.06.1981 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bestreitet sowohl eine offizielle Verlobung Weihnachten 1975 als auch überhaupt jegliche Absicht der Parteien, zu heiraten. Im Zeitpunkt des Erwerbs des Wagens sei er sich noch keineswegs darüber im klaren gewesen, die Klägerin zu verlassen; vielmehr habe er nach der Rückkehr aus ... festgestellt, daß sich die Klägerin zunehmend vernachlässige, und dies habe ihn schließlich bewogen, sich von ihr zu trennen. Hilfsweise erklärt der Beklagte außerdem die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch wegen der behaupteten Finanzierung verschiedener Einrichtungsgegenstände, die in der Wohnung der Klägerin verblieben sind.
Der Senat hat den Beklagten als Partei darüber vernommen, ob er bei Entgegennahme der 5.000,00 DM gewußt hat, daß er die Klägerin bald verlassen werde. Bei dieser Vernehmung hat der Beklagte im wesentlichen sein eigenes Parteivorbringen bestätigt. Er habe sich insbesondere nicht wegen einer anderen Frau von der Klägerin Ende März 1981 getrennt. Zu seiner jetzigen Ehefrau, die er bis dahin nur einige Male flüchtig, im Rahmen größerer Wirtshausrunden, gesprochen hätte, habe er erst nach seinem Weggang aus ... engere Kontakte geknüpft und mit ihr auch erst seit Mitte bis Ende April 1981, also nach der Trennung von der Klägerin, geschlechtlich zu verkehren begonnen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin konnte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben.
Ein Schadensersatzanspruch wegen grundlosen Rücktritts vom Verlöbnis (§ 1298 Abs. 1 BGB) steht der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil die Parteien im Zeitpunkt der Hingabe der 5.000,00 DM nicht mehr miteinander verlobt waren. Selbst wenn dabei zugunsten der Klägerin unterstellt wird, daß sie und der Beklagte ursprünglich die Absicht hatten, die Ehe miteinander einzugehen, und daß sie in diesem Bewußtsein auch Weihnachten 1975 ihre offizielle Verlobung feierten, so haben die Parteien diese Verlobung spätestens mit dem Entschluß, auf eine Heirat vorerst zu verzichten, um die Witwenrente der Klägerin nicht zu verlieren, wieder aufgelöst. Damit war der Termin der Eheschließung nicht etwa nur vorübergehend hinausgeschoben; vielmehr mußte die Klägerin damit rechnen, auf unabsehbare Zeit, wenn nicht sogar für immer, auf den Bezug der Rente angewiesen und damit zugleich aus wirtschaftlichen Erwägungen an der Heirat gehindert zu sein. Angesichts eines solchen Grades an Ungewißheit verbietet es sich, noch von einem Verlöbnis im Rechtssinne zu sprechen.
Auch ein Ausgleich nach gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen (§§ 705 ff, 741 ff BGB) kommt zugunsten der Klägerin nicht in Betracht, denn der Beklagte hat an dem gekauften Wagen rechtlich Alleineigentum erlangt und die Parteien haben sich auch nicht mit dem Erwerb des Pkw's einen wenigstens wirtschaftlich gemeinschaftlichen Vermögenswert schaffen wollen. Auf eine ausschließliche Berechtigung des Beklagten weisen nach Ansicht des Senats vor allem die folgenden Umstände hin: Der Beklagte unterschrieb den Vermittlungsauftrag für den Pkw allein und trat auch allein als Käufer auf; er versicherte den Wagen auf seinen Namen und seine Kosten; seine Person stand als alleiniger Halter im Kfz-Brief; und schließlich besaß nur er, nicht aber die Klägerin, eine Fahrerlaubnis, so daß nur er den Pkw überhaupt zu führen vermochte. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht auf die Hingabe des Geldbetrages berufen, weil sich diese Leistung gleichermaßen als einseitige Zuwendung zugunsten des Beklagten wie als Beitrag zu einer gemeinsamen Vermögensbildung deuten läßt. Die bekundete Absicht, den Kaufgegenstand gemeinsam zu benutzen, erscheint eher als selbstverständliche Begleiterscheinung des gemeinsamen Zusammenlebens, ohne daß dies schon Rückschlüsse auf die - rechtliche und wirtschaftliche - Vermögensverteilung gestattete. Insoweit befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (insbesondere BGHZ 77, 55 ff und NJW 1981, 1502 ff).
Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Ansicht nötigt der hier zu entscheidende Fall auch nicht etwa deshalb zu abweichenden Überlegungen, weil es sich einerseits um ein längerlebiges Konsumgut handelt und andererseits die Trennung der Parteien bereits sehr kurze Zeit nach der Zuwendung erfolgt ist. Wenn der Beklagte - wie der Senat festgestellt hat - rechtlich und wirtschaftlich Alleineigentümer des neu erworbenen Pkw's geworden ist, so enthielt dieses Alleineigentum notwendigerweise auch die Befugnis, zu jeder Zeit und unter Ausschluß jeglicher Ausgleichsansprüche der Klägerin über den Gegenstand zu verfügen und ihn bei einer Trennung der Parteien auch mitzunehmen.
Die Hingabe der 5.000,00 DM ist auch nicht als Schenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB aufzufassen, so daß die Klägerin dementsprechend auch nicht die Zuwendung wegen groben Undanks gemäß §§ 530 ff BGB widerrufen und zurückfordern kann. Es fehlt insoweit an der Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Die Klägerin hat den Geldbetrag nach Ansicht des Senats vielmehr noch im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erbracht, als Teil der gemeinsamen Wirtschaftsführung, zu der andererseits auch der Beklagte in erheblichem Umfange - etwa durch Mitfinanzierung der Kücheneinrichtung - beitrug.
Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Klägerin durch den Beklagten (§ 826 BGB) hat der Senat schließlich nicht festzustellen vermocht. Allerdings wäre unter diesem Gesichtspunkt der Klage stattzugeben gewesen, wenn der Beklagte die ihm offenkundig im Hinblick auf das gemeinsame Zusammenleben gewährten 5.000,00 DM in Empfang genommen hätte, obwohl er bereits zur Beendigung der Lebensgemeinschaft entschlossen war. Doch spricht für ein solches sittenwidriges Verhalten des Beklagten weder eine tatsächliche Vermutung noch hat die Beweisaufnahme insofern konkrete Anhaltspunkte erbracht. Zwischen dem Autokauf am 05.02.1981 und der Trennung der Parteien am 01.04.1981 lag unzweifelhaft nur ein recht kurzer Zeitraum; er erscheint mit fast zwei Monaten jedoch hier wiederum nicht so geringfügig, daß sich allein auf Grund dieses Umstandes mit hinreichender Sicherheit sagen ließe, der Beklagte habe bei Entgegennahme des Geldes um das baldige Ende der Beziehung bereits gewußt.
In seiner Vernehmung als Partei hat der Beklagte eine in sich widerspruchsfreie und auch einem Dritten nachvollziehbare Erklärung dafür gegeben, daß er Ende März 1981 plötzlich den Entschluß gefaßt hat, die Klägerin zu verlassen. Die Klägerin hat sich, nach Darstellung des Beklagten, seit ihrem unfallbedingten Krankenhausaufenthalt im Herbst 1980 gehengelassen und sich so wenig gepflegt; entgegen seinen Hoffnungen auf eine Besserung ist sie nach seiner Darstellung auch später apathisch und lethargisch geblieben. Die Entscheidung, von ihr weg nach ... zu ziehen, sei dann schließlich mehr oder weniger impulsiv getroffen worden. An dieser Schilderung hat der Beklagte auch trotz mehrerer eindringlicher Vorhalte von seiten des Senats und der Klägerin festgehalten und für die Einzelumstände nach Auffassung des Senats jeweils plausible Erklärungen gegeben. Daß nach der Rückkehr aus ... die Telefonrechnungen erheblich angestiegen sind, kann ebensogut daran liegen, daß die den ganzen Tag allein gelassene und in ihrer Bewegungsfreiheit noch behinderte Klägerin mit ihrer Schwester und ihrem Schwager in ... Tagesgespräche geführt hat, wie daran, daß der Beklagte nachts mit seiner späteren Ehefrau telefoniert hat. Daß er im Anschluß an die Trennung der Parteien nach ... zurückgekehrt ist, mag an einer bereits vorhandenen Bindung an die Frau liegen, die er dann geheiratet hat; genauso einleuchtend ist aber auch die von ihm gegebene Erklärung, er sei deshalb wieder nach ... gefahren, weil er selbst von dort stamme und hier seine Eltern und Geschwister wohnten und weil er während des Aufenthalts in ... Firmen ausgemacht habe, bei denen er als Fenstertischler Arbeit finden konnte. Er hat ferner eingeräumt, seine jetzige Ehefrau habe im August 1981 eine Fehlgeburt gehabt, doch sei das Kind, dessen Erzeuger er gewesen sei, nach Auskunft der Ärzte erst zwei oder drei Monate vorher empfangen worden. Was schließlich zwei von der Klägerin im Termin vorgelegte Zettel betreffe, auf denen die Namen und Adressen mehrerer ... Bürger, u. a. der jetzigen Ehefrau des Beklagten, verzeichnet sind und die die Klägerin im Jackett des Beklagten gefunden haben will, so hat der Beklagte bei seiner Vernehmung zugegeben, daß diese Zettel, von ihm stammten; wahrend seines Aufenthaltes in ... im Herbst 1980 hätten ihm mehrere Leute, mit denen er in der Wirtschaft zusammen gesessen hätte, ihre Anschrift gegeben, damit er sie einmal besuchen könne. Für die Richtigkeit dieser letzten Aussage des Beklagten spricht nach Ansicht des Senats, daß es sich bei den Zetteln um Rechnungsbelege mit dem Namen einer Brauerei handelt, und daß zumindest einige Adressen offenkundig unverfänglicher Natur sind, wie z. B. der Name eines Ehepaares. Wenn dann der Beklagte darüber hinaus noch in seiner Vernehmung in Abrede gestellt hat, daß der Name seiner jetzigen Ehefrau im Herbst 1980 noch nicht auf diesen eben genannten Zetteln gestanden habe und daß weder er noch seine Ehefrau die Adresse geschrieben hätten, so kann diese Angabe auf sich beruhen: Selbst wenn sie zuträfe, ließe sich daraus für sich genommen kein Indiz dafür herleiten, daß der Beklagte bereits im Zeitpunkt der Zuwendung der 5.000,00 DM durch die Klägerin entschlossen gewesen ist, mit dem Pkw alsbald nach ... zu seiner jetzigen Ehefrau zurückzufahren. Faßt man alle diese von dem Beklagten während seiner Vernehmung gemachten Einzelaussagen zusammen, so erscheint seine Darstellung insgesamt jedenfalls nicht so unwahrscheinlich, daß der Senat vom Gegenteil, nämlich vom Vorliegen der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände, überzeugt wäre. Unter diesen Umständen konnte die Frage nach der Glaubhaftigkeit der Einzelheiten der Aussage des Beklagten dahinstellen.
Eine weitere Aufklärung des Falles war auch nicht von einer Beeidigung des Beklagten (§ 452 Abs. 1 ZPO) zu erwarten; der Senat hat daher von einer Beeidigung abgesehen. Die von dem Beklagten während seiner Vernehmung gemachten Angaben entsprechen im wesentlichen seinem vorausgegangenen Prozeßvorbringen. Der Beklagte ist von seiner Darstellung auch dann nicht abgewichen, als er vom Senat und von der Klägerin eingehend zu den Gründen für die Trennung befragt und von der Klägerin darüber hinaus überraschend mit den vorerwähnten Zetteln konfrontiert worden ist.
Eine Entscheidung über die Zulassung der vom Beklagten in der Berufungsinstanz erstmalig geltend gemachten Aufrechnung erübrigt sich nach alledem.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.