Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 24.05.2019, Az.: S 22 AS 1393/17

Offensichtlich unzlässige Klage wegen einer Erstattungsforderung im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
24.05.2019
Aktenzeichen
S 22 AS 1393/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2019:0524.S22AS1393.17.00

In dem Rechtsstreit
1. B.
2. C.
vertreten durch
D.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
zu 1-2: Rechtsanwalt E.
gegen
Jobcenter F.
- Beklagter -
hat die 22. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2019 durch den Richter am Sozialgericht G. sowie die ehrenamtlichen Richterinnen H. und I. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Klägerin zu 1) und ihrem Prozessbevollmächtigten werden Kosten des Verfahrens i.H.v. 250 Euro auferlegt. Die Klägerin zu 1) und ihr Prozessbevollmächtigter haften für diesen Betrag gesamtschuldnerisch.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Erstattungsforderung i.H.v. 19,21 Euro gegenüber der Klägerin zu 1).

Die Klägerin zu 1) und ihr 2009 geborener Sohn, der Kläger zu 2), stehen seit geraumer Zeit im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II.

Mit Bescheid vom 1.3.2013 bewilligte der Beklagte den Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum Februar bis Juli 2013 vorläufig. Mit weiterem Bescheid vom selben Datum lehnte der Beklagte die Übernahme einer Nebenkostenabrechnung datierend auf den 31.1.2013 mit einer Forderung von 577,05 € ab. Grund hierfür war, dass der Beklagte für den Abrechnungszeitraum bereits einen Betrag bewilligt hatte, der den angefallenen Verbrauch überstieg.

Nach Vorlage der Einkommensnachweise für Januar und Februar 2013 setzte der Beklagte die Leistungen für diese beiden Monate endgültig fest. Dies erfolgte für Januar und Februar 2013 jeweils dergestalt, dass ein Änderungsbescheid und ein Erstattungsbescheid pro Monat erlassen wurde.

So erging ein Änderungsbescheid vom 21.6.2013, der die Leistungen für Februar 2013 änderte und ein Rückforderungsbescheid vom 20.6.2013 mit einer Forderung von 19,21 € gegenüber der Klägerin zu 1).

Gegen diese beiden Bescheide wurde am 22.7.2013 jeweils gesondert Widerspruch erhoben. Entsprechendes geschah für die beiden Bescheide betreffend den Januar. Das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Erstattung trug das Aktenzeichen 1918/13 und das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Änderung für Februar 2013 das Aktenzeichen 1919/13.

Hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1.3.2013, der die Übernahme der Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung vom 31.1.2013 abgelehnt hatte, erging am 23.8.2013 ein Widerspruchsbescheid. Das anschließende Klageverfahren S 49 AS 3947/13 endete am 11.5.2015 durch klageabweisendes Urteil. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 17.3.2016 zurückgewiesen.

Am 10.12.2013 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 21.6.2013 für Februar 2013 als unzulässig zurück. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 49 AS 62/14 wurde am 11.5.2015 durch Klagerücknahme beendet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2017 wies der Beklagte sodann den Widerspruch hinsichtlich der Erstattungsforderung in Höhe von 19,21 € für Februar 2013 als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, wie die jeweiligen Bedarfe zu berechnen seien und dass sich aus der Gegenüberstellung der vorläufigen und der endgültigen Leistung eine Erstattung von 19,21 € ergebe.

Am 17.8.2017 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Sie haben es zunächst verabsäumt, die Klage in irgendeiner Form zu begründen. Auf eine Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheids hin haben die Kläger wahrheitswidrig vorgetragen, dass die vom Beklagten im Februar 2013 angerechnete Zahlung von Wohngeld in Höhe von 158 € nicht zugeflossen sei. An diesem Vortrag hielten die Kläger auch nach Ladung zur mündlichen Verhandlung fest, bis die Kammer mit Schreiben vom 22.5.2019 darauf hinwies, dass die Klägerin zu 1) am 1.2.2013 gegenüber der Wohngeldstelle bestätigt hatte, dass Sie den Betrag am selben Tag in bar erhalten habe. Sodann rügten die Kläger, dass bei der Bedarfsberechnung die Forderung aus der Nebenkostenabrechnung nicht berücksichtigt worden sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 20.6.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Ausführungen Widerspruchsbescheid vom 12.7.2017 und ergänzend darauf, dass vorliegend nur der Erstattungsbescheid angefochten worden sei.

Außer der Gerichtsakte haben die die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Die Klage des Klägers zu 2) ist offensichtlich unzulässig, weil der hier streitige Erstattungsbescheid vom 20.6.2013 gegenüber dem Kläger zu 2) keine Forderung geltend macht, was sich daraus begründet, dass auch keine Leistungen bewilligt worden waren. Dementsprechend fehlt es an der Beschwer betreffend eine isolierte Anfechtungsklage.

Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 1) nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Kammer nimmt Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12.7.2017 und folgt ihnen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Streitgegenständlich ist nach Ansicht der Kammer lediglich die Erstattungsforderung für Februar 2013 in Höhe von 19,21 €. Dies folgt daraus, dass an diesem und am Folgetag zwei Bescheide mit unterschiedlichen Regelungsgehaltes ergangen sind. Der Änderungsbescheid vom 21.6.2013 setzte die Leistung für Februar 2013 endgültig fest und rechnete dabei das tatsächliche Einkommen der Klägerin zu 1) an. Der Erstattungsbescheid vom 20.6.2013 regelte hingegen eine Erstattung in Höhe von 19,21 € gegenüber der Klägerin zu 1).

Dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Verwaltungsakte mit unterschiedlichen Regelungen handelt, zeigt sich auch daraus, dass der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 22.7.2013 gegen beide Bescheide gesondert Widerspruch eingelegt hat (vergleiche Blatt 1091 und 1096 VA).

Soweit nunmehr im Klageverfahren vorgetragen wird, dass der Erstattungsbescheid vom 20.6.2013 auch eine Regelung hinsichtlich der Anspruchshöhe enthalte, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Höhe der Ansprüche ist alleine im Änderungsbescheid vom 21.6.2013 geregelt, auf den der Erstattungsbescheid zwar Bezug nimmt, dies aber, ohne eine entsprechende Regelung zu treffen oder treffen zu wollen. Aus welchem Aspekt ein Regelungswille des Beklagten auch im Erstattungsbescheid folgen soll, vermochten die Kläger nicht zu erklären. Eine solche - aus Sicht des Beklagten doppelte - Regelung ergibt auch keinen Sinn, weshalb sich nicht erschließt, warum der Beklagte zu diesem Mittel hätte greifen sollen.

Selbst wenn man zugunsten der Kläger aber davon ausgehen sollte, dass auch die Leistungshöhe Streitgegenstand dieses Verfahrens wäre, so wäre die Kammer daran gehindert, einen höheren Bedarf als im Bescheid vom 21.6.2013 geregelt, festzustellen. Dem steht nämlich die Rechtskraft des Urteils vom 11.5.2015 zum Aktenzeichen S 49 AS 3947/13 entgegen. Dort hat das Sozialgericht Braunschweig rechtskräftig entschieden, dass der Bedarf der Kläger für den Monat Februar 2013 durch die Nebenkostenabrechnung vom 31.1.2013 keiner Änderung unterliegt.

Ohnehin spricht einiges dafür, dass der Bescheid vom 1.3.2013, der rechtlich eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X für Februar 2013 ablehnt, dazu führt, dass auch der Änderungsbescheid vom 21.6.2013, der die Anspruchshöhe für Februar 2013 neu festgestellt hat, Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 1.3.2013 geworden sein dürfte, mithin die Leistungshöhe für diesen Monat bestandskräftig ist.

Selbst wenn man auch nicht von einer Rechtskraftbindung ausginge, so erhöht die Nebenkostenabrechnung vom 31.1.2013 den Bedarf für Februar 2013 nicht. Dabei unterstellt die Kammer den Zugang dieser Abrechnung erst im Februar 2013. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen im Urteil des SG Braunschweig vom 11.5.2015 zum Aktenzeichen S 49 AS 3947/13. In jenem Urteil stellt die Kammer fest, dass der Beklagte bereits höhere Unterkunftskosten für den Zeitraum der Abrechnung berücksichtigt hat, als überhaupt vom Vermieter als Kosten geltend gemacht werden. Eine Übernahme der Nachzahlung scheidet damit aus. Dem schließt sich die Kammer vollumfänglich an und verweist ergänzend auf den Bescheid vom 1.3.2013 (Bl. 907 VA) und den Widerspruchsbescheid vom 23.8.2013 (Bl. 1147 VA). Gründe, warum hiervon abzuweichen ist, vermochten die Kläger nicht vorzubringen mit Ausnahme der Behauptung, dass entgegen den Ausführungen des Beklagten alle Abschläge weitergeleitet worden seien (worauf es ersichtlich nicht ankommt) und dass der Beklagte nur die Hälfte der KdU berücksichtigt habe, was ersichtlich unzutreffend ist. Die auf den Kläger zu 2) entfallene Hälfte ist zwar nicht ausgezahlt worden, aber dennoch bei der Bedarfsberechnung anerkannt worden. Warum diese Hälfte außer Betracht bleiben soll, nur weil der Kläger zu 2) keine Leistungen ausbezahlt erhalten hat, erschließt sich der Kammer nicht.

Im Ergebnis besteht die Erstattungsforderung i.H.v. 19,21 Euro zu Recht. Einwendungen gegen die rechnerische Richtigkeit haben die Kläger nicht erhoben; sie sind für die Kammer auch nicht erkennbar.

Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache.

Die Kammer hat im Rahmen ihres Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter.

Die Kammer den Prozessbevollmächtigten der Kläger schriftlich am 22.5.2019 und sodann in der mündlichen Verhandlung vom 24.5.2019 auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen, weil in diesem Klageverfahren nur der Erstattungsbescheid Gegenstand sei und gegen die rechnerische Richtigkeit der Erstattungsforderung keine Einwendungen erhoben würden.

Das Gericht hat zudem auf die Mindesthöhe dieser Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG hingewiesen.

Die Kosten waren vorliegend der Klägerin zu 1) und ihrem Prozessbevollmächtigten aufzuerlegen (zu dieser Möglichkeit vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.2.2012 - L 29 AS 1144/11 m.w.N.), da aufgrund der Äußerungen in der mündlichen Verhandlung die Kammer davon überzeugt ist (§ 128 SGG), dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger deren Auffassung, dass hier auch die Leistungshöhe für Februar 2013 streitig sei, teilt, wiewohl er eine rechtlich begründete Argumentation für die von ihm vertretene Rechtsansicht nicht mitteilen konnte. Auch konnte er nicht begründen, warum ein abweichender Bedarf für Februar 2013 anzuerkennen sei.

Die weitere Rechtsverfolgung war insoweit auch missbräuchlich.

Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.11.1995 - 2 BvR 1806/95 - juris).

Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.6.2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18.9.2003 - L 2 RA 379/03 - jeweils juris).

Offensichtlich aussichtslos ist für jeden Einsichtigen ein Klageverfahren gegen einen Erstattungsbescheid, in dem nur die rechnerische Richtigkeit der Erstattung geprüft werden kann und in dem gegen diese keine Einwendungen vorgebracht werden.

Die Kammer hält vorliegend die Auferlegung von Kosten i.H.v. 250 Euro für angemessen. Sie geht dabei über den Mindestbetrag von 150 Euro hinaus und orientiert sich u.a. an den Kosten für Vorbereitung der Sitzung (u.a. vollständige Durchsicht der Verwaltungsakten) und Abfassung des Urteils (insoweit wird auf die Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.2.2012 - L 29 AS 1144/11, Rn. 66 Bezug genommen).

Die Kammer berücksichtigt dabei ferner, dass der im Verfahren erfolgte Vortrag, das Wohngeld sei im Februar 2013 nicht gezahlt worden, offenkundig wahrheitswidrig erfolgte und auch dem Prozessbevollmächtigten, der Akteneinsicht genommen hatte, bekannt sein musste (vgl. Bl. 1511 und 1512 VA).

Die Kammer stellt klar, wie im Tenor niedergelegt, dass die 250 Euro von der Klägerin zu 1) und ihrem Prozessbevollmächtigten gesamtschuldnerisch zu erbringen sind, damit nicht der Betrag von beiden Schuldnern jeweils verlangt wird.

Die Berufung ist nicht statthaft. Die Klägerin zu 1) ist nur mit 19,21 Euro beschwert, der Kläger zu 2) überhaupt nicht. Ein Wert der Beschwer von 750 Euro wird damit nicht überschritten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht behauptet.