Amtsgericht Stade
Urt. v. 11.01.2024, Az.: 61 C 413/23

Rückzahlung von Reparatur- und Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall; Entfaltung materieller Rechtskraft des Urteils einer Feststellungsklage im Vorprozess

Bibliographie

Gericht
AG Stade
Datum
11.01.2024
Aktenzeichen
61 C 413/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 10246
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wird im Rahmen eines Vorprozesses trotz Teilrücknahme des Leisungsantrages die aufrechterhaltene Feststellungsklage, die eine vollumfängliche Haftung des Verkehrsunfallschädigers zum Gegenstand hat, vollständig rechtskräftig abgewiesen, entfaltet dies materielle Rechtskraft, sodass das Gericht im Folgeprozess zwischen Haftpflichtversicherer und nunmehr festgestelltem Schädiger an diese Feststellungen gebunden ist.

  2. 2.

    Ein Abrechnungsschreiben des Versicheres, in dem unter Hinweis auf divergierende Rechtsauffassungen und ohne Präjudiz für eigenen Ansprüche der versicherten Person eine 30-%ige Zahlung zugesagt wird, stellt keine deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis dar.

  3. 3.

    Kosten eines privatgutachterlichen, vorgerichtlichen Sachverständigen, die vom Versicherer im Rahmen einer Verkehrsunfallregulierung direkt an diesen gezahlt wurden, können vom Versicherer direkt vom vermeintlich Geschädigten kondiziert werden. Der Sachverständige soll gerade nicht mit Einwendungen im Verhältnis zwischen dem Unfallgeschädigten und dem Versicherer des Unfallgeschädigers belastet werden.

In dem Rechtsstreit
K.-AG
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: RAe G.& P.
gegen
W. W.
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: RAe K. N.
hat das Amtsgericht Stade auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2023 durch den Richter H.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 901,56 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2023 zu zahlen.

  2. 2.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. 4.

    Der Streitwert wird festgesetzt auf 901,56 €.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Rückzahlung von Reparatur- und Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin ist die Krafthaftpflichtversicherung eines Lkw. Der Beklagte ist Halter und Fahrer eines Pkw. Am 23.02.2022 kam es in der Finkenwerder Straße in 21129 Hamburg zum Unfall zwischen den Fahrzeugen. Vorgerichtlich nahm die Klägerin an, zu einer 30 % Haftungsquote verurteilt zu werden und regulierte dementsprechend die Schäden des Beklagten. Dies erfolgte auf Forderung des hiesigen Beklagtenvertreters vom 22.04.2022, wobei Bezug genommen wird auf Anlage K5. Die Klägerin zahlte 715,56 € an die Rechtsanwaltskanzlei D. und weitere 186,00 € an den vom Beklagten beauftragten Sachverständigen. Gemäß dem Abrechnungsschreiben vom 28.04.2022, Anlage K1, erfolgte dies "[a]usdrücklich ohne Anerkennung und Präjudiz für die Durchsetzung der eigenen Ansprüche der hier versicherten Person[...]". Der Beklagte verlangte die vollständige Regulierung seiner Schäden.

Der Beklagte erhob vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg Klage, der Rechtsstreit wurde geführt unter dem Az. XXX. Gemäß dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg beantragte der hiesige Beklagte, der dortige Kläger zuletzt,

"die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.725,44 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.03.2022 sowie 207,29 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 23.02.2022 entstanden sind bzw. noch entstehen werden."

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat die Abweisung unter anderem damit begründet, dass "der Unfall auf einem Verstoß des Klägers gegen seine Sorgfaltspflichten aus § 7 Abs. 5 StVO, der auch im Falle des § 7 Abs. 4 StVO gilt, beruhte, so dass dahinter auch die Betriebsgefahr des Lkw zurückzutreten und der Kläger für den Unfallschaden selbst einzustehen hat."

Wegen des weiteren Inhalts und Begründung wird auf das als Anlage K2 beigelegte Urteil Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 05.04.2023 und 10.05.2023, Anlagenkonvolut K3, forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Betrag in Höhe von 901,56 € zurückzuzahlen, was dieser mit anwaltlichem Schreiben vom 11.05.2023 verweigerte.

Die Klägerin meint, der Beklagte habe die vorgerichtliche Zahlung zu Unrecht erhalten. Das Abrechnungsschreiben sei kein konstitutives Anerkenntnis. Es sei auch kein deklaratorisches Anerkenntnis. Jedenfalls fehle es hierfür aber an einer Annahme des hiesigen Beklagten.

Die Klägerin beantragte,

der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 901,56 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2023 zu zahlen.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Klägerin hafte aus dem Unfallereignis zu mindestens 30 %. Dass die Klägerin ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage geleistet habe, sei dem Abrechnungsschreiben nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Er meint, dieser Haftungsanteil sei bei dem AG Hamburg-Harburg nicht beurteilt worden, lediglich die nicht-regulierte Forderung sei vollständig abgewiesen worden. Das AG habe nicht entschieden, dass der hiesige Beklagte erhaltene Schadensersatzzahlungen zurückzahlen müsse, die jetzige Klägerin hätte dies in einer Widerklage geltend machen müssen. Er ist der Ansicht, es sei von einer Haftungsquote der Klägerin zu 100 % auszugehen. Die Entscheidung des AG Hamburg-Harburg sei fehlerhaft. Die Klägerin habe außerdem in Kenntnis der Nichtschuld geleistet. Da die Zahlungen nicht direkt an den Kläger gegangen sind, habe der Beklagte schon nichts erlangt.

Das Gericht hat mit Zustellung der Klageerwiderung am 20.10.2023 und in der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2023 Hinweise erteilt, Bl. 49 und 85f. d.A. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 21.12.2023, Bl. 85f. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 901,56 € nebst Zinsen gem. §§ 812 Abs. 1S. 1, Alt. 1 und Alt. 2, 288, 291 BGB.

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der an die Rechtsanwaltskanzlei D. geleisteten 715,56 € gem. § 812 Abs. 1, S. 1, Alt. 1 BGB zu.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Beklagte durch Leistung oder in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

Der Beklagte erlangte 715,56 € durch Leistung der Klägerin an die von ihm beauftragte Rechtsanwaltskanzlei. Zwar erfolgte die Leistung nicht direkt an den Beklagten, jedoch muss er sich die Zahlung an die Rechtsanwaltskanzlei zurechnen lassen, §§ 164 Abs. 1, Abs. 3, 362 BGB. Der jetzige Prozessvertreter des Beklagten und damalig bei der zahlungsempfangenden Kanzlei tätige Rechtsanwalt erklärte im Schreiben vom 22.04.2022, dass er Geldempfangsvollmacht habe (Anlage K5, Bl. 60f.). Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist nicht davon auszugehen, dass diese nicht vorlag. Vielmehr ist an das Schreiben auch eine vom Beklagten unterschriebene Vollmacht angehängt, die eine Geldempfangsvollmacht darlegt. Die Auffassung, der Beklagte habe nichts erlangt, ist nicht haltbar.

Diese Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund. Das bedeutet, es wurde auf eine nicht zustande gekommene Verpflichtung geleistet (vgl. Staudinger/Lorenz (2007) BGB § 812).

Es liegt kein Schuldanerkenntnis vor, weder ein konstitutives, noch ein deklaratorisches bzw. kausales. Hinsichtlich eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses ist bereits nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine Leistung unabhängig vom Schuldgrund gewähren und sich einseitig binden wollte. Das Abrechnungsschreiben, Anlage K1, leitet bereits ein mit einer Beschreibung der unterschiedlichen Rechtsansichten und Auffassungen hinsichtlich der Tatsachenlage bzgl. des Unfalls.

Es liegt auch kein kausales Schuldanerkenntnis vor.

Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen. Die erforderliche Einigung kann nur angenommen werden, wenn sich ein entsprechendes Angebot sowie dessen Annahme feststellen lassen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05 -, Rn. 8, juris). Bei Aussagen von Haftpflichtversicherern gegenüber geschädigten Dritten im Rahmen der Regulierung kann ein deklaratorisches Anerkenntnis vorliegen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Januar 2019 - 1 U 25/18 -, Rn. 36, juris).

Ob im Einzelfall ein deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten zu ermitteln (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. Februar 2013 - 1 U 130/12 -, Rn. 46, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Annahme eines Anerkenntnisses nur gerechtfertigt ist, wenn die Beteiligten unter den konkreten Umständen dazu einen besonderen Anlass hatten. Ein solcher besteht dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte (BGH, Beschluss vom 03. Juni 2008 - XI ZR 239/07 -, juris). Bei Verwendung des Wortes "anerkennen" durch eine Haftpflichtversicherung liegt regelmäßig ein deklaratorisches Anerkenntnis vor (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Januar 2019 - 1 U 25/18 -, Rn. 37, juris).

Das ist hier allerdings nicht der Fall. Denn die Klägerin verwendete bereits nicht das Wort "anerkennen", sondern erläuterte unter Hinweis auf die "Haftungseinschätzung" zunächst, dass nicht bewiesen sei, dass dem Beklagten ein Vorrang beim Einfädeln gem. § 7 Abs. 4 StVO wegen des Reißverschlussverfahrens zugutekomme (vgl. Anlage K1). Sodann wurde ausdrücklich ohne Anerkennung geleistet. Daran ändert auch nichts der Nachsatz, dass dies ohne Präjudiz für die Durchsetzung der eigenen Ansprüche der "hier versicherten Person" (Anlage K1) erfolge. Zwischen den Unfallbeteiligten bestehen mehrere Rechtsverhältnisse wegen der gegenseitigen Ausgleichspflicht bei einer Unfallverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge gem. § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG. Die teilweise Zahlung in Annahme einer gerichtlich oftmals ausgeurteilten Haftungsquote auf Basis der Betriebsgefahr in Höhe von 25-30 % ist damit aber gerade nicht ein Fall, in dem der Versicherer eine Haftung anerkennen will. Zwar dürfte mit einer teilweisen Zahlung durchaus der Zweck verfolgt werden, Streit zu beseitigen, was für ein kausales Anerkenntnis spräche (vgl. Staudinger/Hau (2020) BGB § 781, Rn. 80), indes sollen hier aber durch die Eingrenzung, dass ohne Anerkennung geleistet werde und ohne Präjudiz für die Durchsetzung eigener Ansprüche gerade nicht Zweifel über die Haftungsfrage ausgeräumt werden, was allerdings Voraussetzung wäre. Der erklärte Wille der Parteien muss die umfassenden Rechtsfolgen aber gerade tragen (BGH, Urt. v. 10.01.1984 - VI ZR 64/82; NJW 1984, 799). Hier liegt aber durch diese einschränkende Erläuterung der Klägerin gar kein Angebot auf Abschluss eines solchen Schuldanerkenntnisvertrages vor. Das wird auch deutlich daran, dass der Beklagte im sodann folgenden Prozess zunächst Klage auf Zahlung aller geltend gemachten Kosten erhob, einschließlich der bereits regulierten. Denn offenbar war der Beklagte von vorneherein nicht mit der Haftungsquote von 30 % der hiesigen Klägerin einverstanden, sodass es auch an einer Annahme mangeln würde, wenn im Schreiben der Anlage K1 - anders als das hiesige Gericht es sieht - doch ein Angebot auf Abschluss eines solchen kausalen Schuldanerkenntnisvertrages gesehen werden sollte.

Der Unfallhergang muss indes auch nicht erneut festgestellt werden, um Tatsachen festzustellen, die einen Rechtsgrund rechtfertigen könnten, denn das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat im Verfahren zum Az. XXX das zugrundeliegende Haftungsverhältnis zwischen den Unfallbeteiligten rechtskräftig festgestellt.

Die materielle Rechtskraft hindert die Gerichte daran, in einem neuen Verfahren (unabhängig von der sachlichen Richtigkeit) abweichend vom rechtskräftigen Urteil des Vorprozesses zu entscheiden (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu § 322, Rn. 14). Soweit die im Vorprozess entschiedene Rechtsfolge nur Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, erschöpft sich die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des später entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung (BGH 17.2.1983 - III ZR 184/81, NJW 83, 2032 [BGH 17.02.1983 - III ZR 174/81]; BGH 6.3.1985 - IVb ZR 76/83, NJW 85, 2535 f; BGH 17.3.1995 - V ZR 178/93, NJW 95, 1757; BGH 14.7.1995 - V ZR 171/94, NJW 95, 2993; BGH 26.6.2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059).

Die Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses beschränkt sich also auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, wobei dieser Streitgegenstand durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (vgl. BGHZ 98, 353, 358; BGH NJW 1993, 3204, 3205; BGH NJW 1995, 1757 f.).

Vor dem AG Hamburg-Harburg hat der hiesige Beklagte als Kläger die ursprünglich auf die volle Schadenssumme, inkl. des bereits regulierten Teils, gem. § 269 Abs. 1 ZPO noch vor der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des bereits regulierten Teils zurückgenommen, aber im Übrigen Verurteilung zur Zahlung der Summe von 1.725,44 € nebst Zinsen beantragt und den Feststellungsantrag aufrechterhalten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem AG Hamburg-Harburg vom 09.11.2022 (Bl. 44ff. d.A.)). Die positive Feststellungsklage war darauf gerichtet, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, dem hiesigen Beklagten alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 23.02.2022 entstanden sind bzw. noch entstehen werden.

Welches Recht oder Rechtsverhältnis demnach durch die Abweisung der positiven Feststellungsklage rechtskräftig verneint wurde, ist dem Tenor und den Gründen des Urteils zu entnehmen (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 322 ZPO, Rn. 12). Über rechtliche Vorfragen eines Rechtsverhältnisses wird (ausnahmsweise) dann rechtskräftig entschieden, wenn sie unmittelbar Streitgegenstand sind. Dies kann der Fall sein bei der (begleitenden) Feststellungsklage (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu § 322, Rn. 34a). Entscheidend ist grundsätzlich der Umfang des Streitgegenstands (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.).

Das ist anders, wenn nur eine den Prozessen gemeinsame Vorfrage zugrundegelegt ist, die nicht Streitgegenstand geworden ist. Zwar ist höchstrichterlich bspw. entschieden, dass die rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung eines restlichen Kaufpreises im Vorprozess nicht das Bestehen des Kaufvertrags mit Bindungswirkung für einen Folgeprozess feststellt; es handelt sich insoweit nur um die Feststellung einer Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Februar 2023 - V ZR 212/21 -, Rn. 15, juris). Das ist hier allerdings gerade nicht der Fall.

Denn der Vorprozess hat mit der Abweisung der positiven Feststellungsklage explizit über das Bestehen eines umfassenden Schadensersatzverhältnisses, nicht nur hinsichtlich der der Leistungsklage noch zugrundeliegenden 70 % der Schadenssumme zu entscheiden gehabt und hierfür den gesamten zugrundeliegenden Lebenssachverhalt beurteilt. Nach den dargelegten Maßstäben war Streitgegenstand damit nicht nur der bloße Zahlungsanspruch, sondern der gesamte Unfallhergang und insbesondere die damit verbundene gesamte Haftungsquote, was die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 249ff. BGB bildet.

Das AG Hamburg-Harburg hat dann auch in den Entscheidungsgründen ausgeführt: "Doch selbst wenn sich der B. mehrere Sekunden durchgängig im toten Winkel des Lkw befunden hätte, ist das fehlerhafte Fahrmanöver des Klägers noch als so schwerwiegend anzusehen, dass eine Mithaftung von Fahrer und Haftpflichtversicherung des Lkw nicht in Betracht kommt [...]." (Urteil v. 23.11.2022, Anlage K2). Damit hat es sich auch mit der Frage beschäftigt, ob eine Mithaftung in Höhe von 30 % in Betracht käme und diese verneint.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs v. 15.06.2021, Az. VI ZR 1029/20. Der BGH wiederholt dort nur die oben bereits dargestellten Wirkungen und Reichweite der materiellen Rechtskraft von Urteilen gem. § 322 ZPO. Der dortige zugrundeliegende Fall ist auch nur auf den ersten Blick vergleichbar mit dem hiesigen. Denn im dortigen Fall war vom Amtsgericht die auf Zahlung und Feststellung der Ersatzpflicht gerichtete Widerklage zur Hälfte abgewiesen worden. Die Widerkläger haben Berufung eingelegt, womit nach hiesiger Auffassung schon keine Rechtskraft hinsichtlich des Feststellungstenors eintreten konnte, sodass mindestens die restliche Haftungsquote zur weiteren Entscheidung stehen musste. Das ist hier indes gerade nicht der Fall, denn es wurde insgesamt rechtskräftig entschieden.

Auch die Anmerkung des Beklagten persönlich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2023, dass mit der teilweisen Rücknahme der Leistungsklage doch gerade gezeigt werde, dass die 30 % Haftungsquote nicht zur Disposition hätten stehen sollen, ist nicht geeignet, an dieser Auffassung etwas zu ändern. Denn dann hätte nach Auffassung des hiesigen Gerichts auch die Feststellungsklage angepasst werden müssen, um den Lebenssachverhalt insofern ebenfalls zu verkleinern.

Der Beklagte ist entsprechend mit Einwendungen, wonach die Klägerin in Höher dieser 30 % aus dem Unfallereignis haften müsste, wegen entgegenstehender Rechtskraft präkludiert.

Soweit der Beklagte Entreicherung einwendet, ist bereits nicht ersichtlich, aus welchen Umständen sich diese ergeben soll. Der Beklagte hat hierzu schon nicht ausreichend vorgetragen. Die reine Verwendung des erhaltenen Geldes stellt keine Entreicherung i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB dar, wie der Blick auf Abs. 2 zeigt; regelmäßig verbleibt der Vermögensvorteil des Kondiktionsschuldners.

Der Klägerin stehen daneben die geltend gemachten Zinsen gem. §§ 288, 291 BGB seit dem 01.05.2023 zu.

2.

Hinsichtlich der an den Sachverständigen geleisteten 186 € steht der Klägerin ebenfalls ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten gem. § 812 Abs. 1, S. 1, Alt. 2 BGB zu.

Der Beklagte hat hier jedenfalls die Befreiung einer Verbindlichkeit in dieser Höhe erlangt, denn er musste den Rechnungsbetrag des von ihm beauftragten Sachverständigen in dieser Höhe nicht mehr ausgleichen. Mangels Herausgabefähigkeit der Befreiung einer Verbindlichkeit ist Wertersatz in dieser Höhe zu leisten, § 818 Abs. 2 BGB.

Der Beklagte ist Kondiktionsschuldner, es handelt sich um einen sog. Anweisungsfall, wonach in der Leistung gegenüber dem Sachverständigen keine Zweckverfehlung zu erkennen ist mit der Folge, dass es sich nicht um ein Dreiecksverhältnis handelt, wonach die Rückforderung gegenüber dem Sachverständigen geltend zu machen wäre. Die (ursprünglich angenommene) Verbindlichkeit bestand allein zwischen dem Beklagten und der Klägerin. Wenn der Beklagte als Berechtigter allerdings - hier vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - Zahlung direkt an den Sachverständigen verlangt (vgl. Anlage K5, Bl. 60ff.), dann ändert dies die Zweckbestimmung der Versicherungsleistung nicht. Das ist hier allerdings der Fall.

Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rückabwicklung von Leistungen im Dreipersonenverhältnis gelten dann bei einer Stellvertretung auf Seiten des Leistungsempfängers nicht. Hier handelt es sich nicht um ein Dreiecksverhältnis (BGH, Urt. v. 21.06.2012, Az. III ZR 291/11). Ein Versicherer hat regelmäßig ausschließlich Interesse daran, von seiner echten oder vermeintlichen Regulierungspflicht frei zu werden. Darauf, dass eine bestimmte Person die Versicherungsleistung empfängt, kommt es ihm in aller Regel nicht an; auch hier sind solche Gründe nicht dargetan. Eine Zweckverfehlung kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht (OLG Dresden, Urt. v. 13.12.2016, Az. 4 U 1353/16). Dazu kommt auch, dass der Sachverständige gerade nicht mit Einwendungen im Verhältnis des Unfallgeschädigten und dem Versicherer des Unfallschädigers belastet werden soll.

Auch bzgl. dieser Summe gilt im Übrigen das Vorgesagte zu Ziff. 1 zum nicht bestehenden Rechtsgrund und zur materiellen Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Hamburg-Harburg.

Auch diesbezüglich stehen der Klägerin daneben die geltend gemachten Zinsen gem. §§ 288, 291 BGB seit dem 01.05.2023 zu.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 3 ZPO, 39 GKG.