Amtsgericht Springe
Beschl. v. 04.10.1985, Az.: 5 UR II 8/85

Wohnungseigentümergemeinschaft; Wohnungseigentümerversammlung; Breitbandnetz; Beschluß; Einstimmigkeit; Zustimmung; Bauliche Veränderung; Antenne; Fernsehanschluß

Bibliographie

Gericht
AG Springe
Datum
04.10.1985
Aktenzeichen
5 UR II 8/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1985, 12785
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGSPRIN:1985:1004.5UR.II8.85.0A

Tenor:

I. Der Antrag der Antragsteller auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses Tagesordnungspunkt 7 der Versammlung vom 20.03.1985 wird zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten haben die Antragsteller als Gesamtschuldner zu tragen, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits sind Eigentümer und Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft ...

2

Die Wohnungen sind in mehreren Hochhäusern untergebracht.

3

Die einzelnen Wohnungen empfangen bisher über eine Gemeinschaftsantennenanlage Fernseh- und Rundfunksendungen. Diese Anlage gehört der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht, Eigentümer ist die Stadt Springe, die einzelnen Wohnungseigentümer betreiben lediglich die Anlage, bedienen sich hierzu jedoch einer Firma.

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Mit der bestehenden Antennenanlage werden vier Fernsehsender und drei Rundfunksender im UKW-Bereich empfangen. Daneben können Rundfunksender im Bereich der Mittel-, Lang- und Kurzwelle empfangen werden, die direkt in die im Hause zu den einzelnen Wohnungen verlegten Antennenkabel dringen.

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Die Bundespost bietet den Anschluß an das von ihr verlegte sogenannte Breitbandkabelnetz an. Sie hat die Leitungen von der Antenne zum Übergabepunkt verlegt. Hierzu hat sie auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft das Kabel unterirdisch und im Keller eines der Häuser bis zum Übergabepunkt der bisherigen Antennenanlage an die zu den einzelnen Wohnungen führenden Leitungen installiert.

6

Die Wohnungseigentümergemeinschaft diskutierte den Anschluß an das Breitbandnetz auf ihrer Versammlung vom 20.03.1985. Die Verwaltung vertrat zunächst die Meinung, der Beschluß über die Anschließung müsse einstimmig erfolgen. Die Abstimmung ergab eine Mehrheit von 68 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und keiner Enthaltung. Auf Antrag eines Wohnungseigentümers wurde daraufhin der Beschluß gefaßt, gleichwohl den Verwalter zu beauftragen, bei der Post den Anschluß an das Breitbandkabelnetz zu beantragen, da, die überwiegende Mehrheit dies so wolle. Dieser Beschluß fand eine Mehrheit von 69 Stimmen bei einer Gegenstimme und keiner Enthaltung.

7

Die Antragsteller machen die Unwirksamkeit dieses Beschlusses geltend mit der Begründung, bei der Einführung des Breitbandkabels handele es sich um eine bauliche Veränderung, die nur einstimmig beschlossen werden könne.

8

Im übrigen meinen die Antragsteller, eine neue Antennenanlage sei nicht nötig, die bisherige erfülle - notfalls nach Modernisierung oder Erweiterung - ihre Funktion. Es werden möglicherweise mit der neuen Anlage weniger Programme zu empfangen sein als bisher. Der Anschluß stelle deshalb eine Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungs- und Informationsfreiheit dar. Die Kosten der neuen Anlage, insbesondere die Folgekosten in Form der Benutzungsgebühren werden steigen.

9

Die Antragsteller beantragen die Feststellung, der Beschluß, mit dem die Verwaltung beauftragt wurde, den Anschluß an das Breitbandnetz zu beantragen, sei unwirksam.

10

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

11

Sie trägt vor, mit dem Breitbandkabel werden mehr Programme als bisher zu empfangen sein. Wahrscheinlich werde die Erhaltung der bisherigen Antennenanlage nicht billiger als der Anschluß an das Breitbandnetz, zumal zum jetzigen Zeitpunkt die Bundespost sowohl die Installation als auch die Folgekosten zum Sonderpreis anbiete. Da die laufenden Gebühren jeweils vom Verwaltungsrat der Bundespost beschlossen werden müssen, sei mit einer jedenfalls willkürlichen Erhöhung dieser Gebühren in Zukunft nicht zu rechnen.

12

Es ist Beweis erhoben worden zur Frage des Umfangs der Empfangsmöglichkeiten der bestehenden und der Breitbandantennenanlage durch Anhörung eines Sachverständigen der Bundespost.

13

Zum Anschluß an das Breitbandkabel ist am Übergabepunkt die Leitung der bisherigen Antennenleitung durch die des Breitbandkabels auszutauschen. Darüber hinaus müssen In den jeweiligen Wohnungen neue Anschlußdosen installiert werden. Eine Neuverlegung der im Hause liegenden Antennenkabel ist nicht erforderlich, die Antennenkabel können aber nur entweder an das Breitbandnetz oder das herkömmliche Antennennetz angeschlossen werden, die von den beiden Antennen aufgefangenen Wellen können nicht gleichzeitig über die genannten Kabel geführt werden.

14

Der Antrag der Antragsteller ist zulässig, § 43 Abs. 1 Ziff. 4 WEG. Er ist auch rechtzeitig eingelegt worden. Er ist jedoch nicht begründet.

15

Der Antrag der Antragsteller war zurückzuweisen, da der Beschluß der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht unwirksam ist, denn mit der Anschließung an das Breitbandkabel wird keine bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte, bewirkt, vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme der allgemeinen Verwaltung, § 21 Abs. 3 WEG, die mit Mehrheit beschlossen werden kann.

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Eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG ist dann anzunehmen, wenn der Gegenstand - hier die Antennenanlage - selbst verändert wird. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Antennenanlage wird nicht ersetzt, weil die Gemeinschaft über sie nicht verfügt. Denn die bisherige Antennenanlage gehört ebenso wenig der Gemeinschaft wie die Breitbandantennenanlage der Bundespost. Geändert wird lediglich der Bezug der Rundfunk- und Fernsehprogramme. Bisher erhielten die Wohnungseigentümer sie über die bestehende Antennenanlage, nunmehr sollen sie über das Breitbandkabel zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet keine bauliche Veränderung.

17

Es kann in der Maßnahme auch keine Neuerung in dem Sinne gesehen werden, daß ein bisher nicht bestehender Zustand geschaffen werden soll. Denn eine Antennenanlage besteht. Die bisherige und die neue Antennenanlage sind auch nicht etwa als zwei verschiedene Gegenstände anzusehen, vielmehr sind von dem Begriff Antenne ausgehend die bestehende und die beabsichtigte Anlage der gleiche Gegenstand im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes. Die Änderung des Anschlusses verändert danach nicht auch den Gegenstand des Wohnungseigentums als solchen.

18

In der Verlegung der Kabel und des Anschlusses im Keller sowie der Änderung der Anschlußdosen in den einzelnen Wohnungen kann ebenfalls eine bauliche Veränderung nicht gesehen werden.

19

Danach stellt die Beschlußfassung eine Maßnahme der allgemeinen Verwaltung dar, die die Mehrheit beschlossen hat und die damit auch für die Minderheit verbindlich geworden ist.

20

Durch den Beschluß wird das Grundrecht der freien Informationsfreiheit nicht beeinträchtigt. Wie der Sachverständige ausgeführt und die Antragsteller nicht mehr bestritten haben, werden über die neue Antennenanlage nicht nur die bisher empfangenen Sender zu hören und zu sehen sein, sondern darüber hinaus noch weitere Rundfunk- und Fernsehsender. Die daneben über das im Hause verlegte Antennenkabel direkt empfangenen Sender im Kurz-, Mittel- und Langwellenbereich werden durch das Breitbandnetz nicht ausgeschlossen.

21

Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Gutachters an. Der Gutachter hat in sich widerspruchsfrei und überzeugend dargestellt, daß die Empfangsmöglichkeit über das Breitbandkabel umfangreicher ist als über die bestehende Antennenanlage.

22

Danach tritt eine Einschränkung der Informationsfreiheit durch die Einführung des Breitbandnetzes nicht ein.

23

Andere Erwägungen, wie etwa die Frage der Kosten, auch der Folgekosten durch die Benutzungsgebühren, oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen liegen innerhalb der Entscheidungsbefugnis der Gemeinschaft und sind im Rahmen des Verfahrens vom Gericht nicht zu überprüfen.

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Die Kostenentscheidung folgt billigem Ermessen und ergibt sich aus § 47 WEG. Da im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich die beteiligten Parteien ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen sollen, wurde auch im vorliegenden Verfahren daran festgehalten.

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3257 Springe 1, den 4. Oktober 1985

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Amtsgericht

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Holz

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Richter am Amtsgericht