Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.09.1993, Az.: II 368/88
Steuerbegünstigung einer Wohnung im eigenen Haus; Steuerliche Anerkennung teilentgeltlicher Rechtsgeschäfte; Grundstückskaufvertrag unter nahen Angehörigen; Rechtsmissbräuchlichkeit der Vereinbarung ratenweiser Restkaufpreistilgung; Bemessung der Anschaffungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.09.1993
- Aktenzeichen
- II 368/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 18859
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1993:0916.II368.88.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 1 EStG
- § 42 AO 1977
- § 10e EStG
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1987
Redaktioneller Leitsatz
Die Gestaltung einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wohnhauses vom Vater auf das Kind und Rückvermietung einer Wohnung an den Vater als Veräußerer durch das Kind als Erwerber stellt sich nur dann als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO 1977) dar, wenn die Tilgung des Grundstückskaufpreises bis zu einem Zeitpunkt hinausgeschoben wird, den der Verkäufer voraussichtlich nicht mehr erlebt.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. September 1993,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht Dr. Kappe
2. Richter am Finanzbericht Georgi
3. Richter am Finanzgericht Hauschild
4. ehrenamtlicher Richter Industriekaufmann Fessel
5. ehrenamtlicher Richter Dipl.-Kfm. Wagner
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1987 vom 31. März 1988 und der Einspruchsbescheid vom 30. Juni 1988 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen und darin ein zu versteuerndes Einkommen von 26.049 DM und zusätzlich eine Steuerermäßigung gem. § 34 f EStG von 1.200 DM zugrundezulegen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 13 v.H. und der Beklagte zu 87 v.H. zu tragen.
Die Hinzuziehung des Prozeßbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Tatbestand
Streitig ist die Steuerbegünstigung der Wohnung im eigenen Haus gemäß § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die hiervon abhängige Steuerermäßigung nach § 34 f EStG. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere darum, ob die Klägerin (Kl.in) das fragliche Wohnhaus entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich erworben hat. Streitig ist ferner die steuerliche Anerkennung eines mit den Eltern der Kl.in abgeschlossenen Wohnungsmietvertrags.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 20. November 1987 erwarft die Kl.in von ihrem Vater ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück in L..
Als Kaufpreis wurden 240 TDM vereinbart; ein Teilbetrag über 100 TDM war zehn Tage nach Eigentumsumschreibung, die am 28.12.1987 erfolgte, fällig, der Restbetrag von 140 TDM war zinslos gestundet und in monatlichen Raten von 500 DM zu tilgen. Die gestundet und auf dem Grunstück noch ruhenden Lasten aus einem Bauspardarlehen, valutierend mit rd. 9.000 DM, sollten weiterhin vom Vater persönlich geschuldet und getilgt werden. Auf die Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Kl. in wurde verzichtet. Für die Restkaufpreisforderung von 140 TDM wurde an rangbereiter Stelle eine Restkaufpreishypothek bewilligt, allerdings der Kl in ein Rangvorbehalt bis zu 100 TDM für evtl. noch einzutragende Grundpfandrechte eingeräumt. Ferner gewährte die Kl. in ihren Eltern ein Vorkaufsrecht.
Am gleichen Tage schloß die Kl.in mit ihren Eltern über die Wohnung im Obergeschoß (OG) unter Verzicht auf das Recht der Kündigung, "soweit dieses rechtlich möglich ist", einen auf die Lebenszeit des Längstlebenden befristeten Mietvertrag (Kaltmiete 320 DM; Garage 30 DM; Abschläge für Heizung und Wasser zunächst 150 DM). Das Gebäude wurde wie bisher im OG (80,72 qm Wohnfläche) von den Eltern der Kl. in und im Ergeschoß (100,11 qm Wohnfläche) von den Kl. bewohnt.
Nach Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch am 28.12.1987 entrichtete die Kl.in den Teilkaufpreis von 100 TDM am 20.01.1988. Hierzu standen ihr Mittel aus einem zu diesem Zeitpunkt gewährten Bauspardarlehen und Zwischenkredit zur Verfügung. Wegen der Einzelheiten der Zahlungsvorgänge wird auf den Inhalt der Bankbescheinigung der ... vom 05.05.1988 (Bl. 9 Einspruchsakte), der Girokontoauszüge des Kl. vom 19.01. und 20.01.1988 (Bl. 8 Einspruchsakte, Bl. 11 Einkommensteuerakte, Bl. 43 Gerichtsakte), der mit Schreiben der Kl. vom 03.09.1993 übersandten Girokontoausdrucke für 1988 (Bl. 45-57 Gerichtsakte) - Buchungen vom 19. und 20.01.1988 -und des in der mündlichen Verhandlung überreichten Girokontoauszugs des Vaters der Kl.in vom 23.02.1988 (Bl. 61 Gerichtsakte) verwiesen. Die Kaufpreisraten von monatlich 500 DM wurden jeweils mit Miete und Nebenkosten von ebenfalls monatlich 500 DM verrechnet, erstmals am 04.12.1987. Auf die vorgelegten Kopien aus dem Mietquittungsbuch (Bl. 10-12 Einspruchsakte) wird verwiesen.
In ihrer Einkommensteuererklärung beantragten die Kl., gemäß § 10 e EStG DM 6.333,00 wie Sonderausgaben abzuziehen (Steuerbegünstigungen der Wohnung im eigenen Haus) sowie die Steuerermäßigung nach § 34 f Abs. 2 EStG für 2 Kinder (1.200 DM) zu gewähren. Für die an die Eltern vermietete Wohnung erklärten sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) von 473 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen FW und V zur Einkommensteuererklärung (Bl. 14, 15 der Steuerakte) Bezug genommen.
Der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) erkannte den Kaufvertrag steuerlich nicht an und versagte die beantragten Steuerbegünstigungen. Zur Begründung führte das FA aus, die Vereinbarungen seien nicht wie unter fremden Personen üblich getroffen worden und die zinsfreie Ratenzahlung des Kaufpreises entspreche nicht der üblichen Vertragsgestaltung. Die Grundstücksübertragung sei als vorweggenommene Erbfolge und damit als in vollem Umfang unentgeltlich anzusehen. Hierfür spreche auch der im Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks vereinbarte geringe Kaufpreis. Zinse man nämlich den zinslos gestundeten Restkaufpreis von 140 TDM nach Anhang 2 a Tabelle 1 Vermögenssteuerrichtlinien 1986 ab, ergebe sich ein Gegenwartswert von 80.121 DM und damit ein Gesamtkaufpreis von 180.121 DM (vgl. Berrechnung Bl. 3 Einspruchsbescheid). Dem stehe ein nach dem Feuerversicherungswert überschlägig ermittelter Grundstückswert von rd. 318.000 DM gegenüber; auf die Berechnung (Bl. 21 Rechtsbehelfsakte) wird verwiesen. Der Wertunterschied zeige sich auch daran, daß die Herstellungskosten des Gebäudes 1974 rd. 212 TDM betragen hätten.
Den zwischen der Kl.in und ihren Eltern abgeschlossenen Mietvertrag erkannte das FA steuerlich nicht an und erfaßte daher nicht die erklärten Einkünfte aus V+V. Entsprechend lehnte es die Antragsveranlagung gemäß § 46 EStG ab und führte einen Lohnsteuerjahresausgleich durch. Der Einspruch der Kl. hatte keinen Erfolg.
Die Kl. tragen vor, sie hätten sehr wohl für den Erwerb des Grundstücks und des Gebäudes Aufwendungen getätigt, also Anschaffungskosten gehabt. Die in dem notariellen Kaufvertrag getroffenen Vereinbarungen seien auch tatsächlich wie unter Fremden durchgeführt worden. Der Teilkaufpreis von 100 TDM sei bezahlt worden, der Restkaufpreis werde unter Verrechnung mit Miete vereinbarungsgemäß getilgt. Entgegen der Auffassung des FA handele es sich nicht um eine Schenkung unter Auflage im Wege vorweggenommener Erbfolge. Die von den Eltern zu zahlenden Mieten einschl. Nebenkosten würden lediglich aus Vereinfachungsgründen mit ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag verrechnet, wie es Dritte in einem solchen Falle ebenfalls tun würden. Die Zeitwertschätzung des FA sei falsch. Sie seien bei Abschluß des Kaufvertrages von einem realistischen Verkehrswert in Höhe von 240 TDM ausgegangen; der Vater habe für das 1974 fertiggestellte Gebäude rd. 205 TDM Herstellungskosten aufgewendet, und da es im Zeitpunkt der Übertragung bereits 14 Jahre alt gewesen sei, habe man mit den ersten Reparaturen rechnen müssen, wodurch sich der angenommene Verkehrswert rechtfertigte.
Die Kl. beantragen,
unter Aufhebung des Bescheids über den Lohnsteuerjahresausgleich 1987 vom 31. März 1988 und der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 1988 das FA zu verpflichten, eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen und die Einkommensteuer auf 2.196 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an seiner Auffassung fest, die Grundstücksübertragung sei als Schenkung unter Auflage unentgeltlich erfolgt, zumal die abgeschlossenen Verträge ihrem Inhalt nach nicht dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen, wie sich aus nachfolgendem ergebe:
Der Vater der Kl.in und Verkäufer habe die im Grundbuch eingetragenen Verbindlichkeiten bis zu deren endgültigen Tilgung weiter zu erfüllen gehabt, üblicherweise würde ein Fremder auf Übernahme durch den Käufer oder vorherige Ablösung durch den Verkäufer bestanden haben, damit eine lastenfreie Übergabe erfolgen könne.
Ein Teil des Kaufpreises sei 10 Tage nach Eigentumsumschreibung fällig gewesen. Damit sei der Zahlumgszeitpunkt ungewiß gewesen, weil er z.B. vom Arbeitsanfall beim Grundbuchamt und weiter auch von der Einholung der erfoderlichen Genehmigungen abgehangen habe. Hierdurch habe eine nicht unerhebliche Verzögerung eintreten können, so daß das zeitliche Risiko der Zahlung des Teilkaufpreises allein beim Verkäufer gelegen habe. Dieses sei nicht üblich.
Eine zinslose Stundung des Kaufpreises sei ebenfalls unter Fremden nicht üblich, sofern nicht der Kaufpreis entsprechend höher vereinbart werde. Aufgrund der Zinsfreiheit und der langen Tilgungsdauer sei letztlich nicht der im Kaufpreis genannte Restkaufpreis von 140 TDM sondern lediglich ein Restkaufpreis von ca. 80 TDM vereinbart gewesen. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß der Vater der Kl.in mit einer im Zeitpunkt der Grundstücksübergabe mittleren statistischen Lebenserwartung von noch etwa 17 Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Zahlung des vollen Kaufpreises erleben werde. Auch dieses widerspreche der üblichen Gestaltung zwischen Fremden, da zum Wesen eines Kaufvertrages die alsbaldige Bezahlung gehöre.
Auch sei es nicht üblich, einen Restkaufpreis bei Verkauf an einen Dritten sofort fällig zu stellen, hierin liege eine Art indirekte Verfügungsbeschränkung, die durch das vereinbarte Vorkaufsrecht noch erheblich verstärkt werde. Üblicherweise werde auch zur Absicherung des Kaufpreises eine Auflassungsvormerkung vorgesehen, worauf die Beteiligten trotz Belehrung durch den Notar ausdrücklich verzichtet hätten. Auch die Zahlung auf ein Notar Anderkonto sei unüblich - nicht vereinbart.
Der Mietvertrag stelle sich seinem Gehalt nach als Wohnrecht dar, weil er auf Lebenszeit geschlossen sei und die Kl. in als Vermieterin auf das ihr zustehende Kündigungsrecht verzichtet habe.
Darüber hinaus sei auch ein Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 42 AO anzunehmen, denn es sei eine Gestaltung gewählt worden, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen, also ungewöhnlich sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei: Durch die Übertragung des Grundstücks, die Eintragung eines Vorkaufsrechts und die Vereinbarung eines lebenslänglichen Mietverhältnisses hätten die Beteiligungen Voraussetzungen geschaffen, wie sie auch bei unentgeltlichen Grundstücksübertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge unter gleichzeitiger Eintragung eines dinglichen Wohnrechts gegeben wären. Da die monatlichen Zahlungsverpflichtungen der Eltern aus dem Mietvertrag und der Kl.in aus dem Grundstückskaufvertrag die gleiche Höhe hätten, trete eine wirtschaftliche Belastung für beide Vertragsparteien nicht ein. Es seien also zwar Geldflüsse vereinbart, diese fänden indes nicht statt, da die Forderungen gleichwertig gegenüber stünden und aufgerechnet würden. Die Kl.in sei zwar Eigentümerin des Grundstücks geworden, könne jedoch nicht frei hierüber verfügen, da der Vater sich das jederzeitige Vorkaufsrecht und ein lebenslängliches Wohnrecht für sich und die Mutter durch den auf Lebenszeit unkündbaren Mietvertrag habe einräumen lassen. Die gewählte Gestaltung sei insgesamt ungewöhnlich, da sie wirtschaftlich nicht sinnvoll, insbesondere durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Die Vereinbarungen zielten letzlich nur darauf ab, in den Genuß der Vergünstigungen nach § 10 e EStG/34 f EStG zu gelangen und gleichzeitig die auf die Mietwohnung entfallenden Aufwendungen als Werbungskosten abziehen zu können, obwohl sich die tatsächlichen Verhältnisse im Ergebnis nicht geändert hätten. Auch entspreche der vereinbarte Kaufpreis nicht dem Verkehrsweftt des Grundstücks; zudem müsse der Vater damit rechnen, nicht in den vollen Genuß des Kaufpreises zu kommen, da die Tilgungsdauer seine Lebenserwartung um drei Jahre übersteige. Gemäß § 42 Satz 2 AO entstehe deshalb der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstünde, d.h. wie er bei einer unentgeltlichen Übertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts für die Eltern entstanden wäre; dies bedeute, daß die Kl. in keine nach § 10 e wie Sonderausgaben abzugsfähigen Anschaffungskosten für die zu eigenen Wohnzwecken genutze Wohnung hätte und im übrigen die Eltern die Wohnung wie bei einem dinglichen Wohnrecht aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nutzten, so daß Einkünfte aus V+V insoweit für die Kl.in nicht entstanden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des notariellen Vertrags vom 20. November 1987 und des Mietvertags vom selben Tage (beide Vorheftung Lohnsteuer - Arbeitnehmerakte) Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.
Anstelle des vom FA durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleichs war gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. a EStG auf den entsprechenden Antrag der Kl. eine Einkommensteuerveranlagung zur Anwendung der Vorschriften der §§ 10 e und 34 f EStG durchzuführen, denn entgegen der Auffassung des FA liegen die Voraussetzungen für die begehrte Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus gem. § 10 e EStG und der hiervon abhängigen Steuerermäßigung gem. § 34 f EStG vor.
1.
Allerdings setzt die Steuerbegünstigung gem § 10 Abs. 1 EStG außer der Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus zu eigenen Wohnzwecken weiter voraus, dar der Steuerpflichtige die Wohnung entweder hergestellt oder angeschafft hat, also entweder Herstellungskosten oder Anschaffungskosten gehabt hat.
Entgegen der Auffassung des EA hat die Kl. in von ihrem Vater das fragliche Grundstück nicht etwa in vollem Umfang unentgeltlich, sondern z.T. entgeltlich und im übrigen unentgeltlich, also im Wege einer gemischten Schenkung erhalten. Denn die Kl. in hat zumindest den Teilkaufpreis von 100.000 DM, wie er im notariellen Kaufvertrag vom 20. Nov. 1987 vereinbart war, auch an den Vater entrichtet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind teilentgeltliche Rechtsgeschäfte steuerlich anzuerkennen und führen beispielsweise die Übernahme von Verbindlichkeiten und/oder Ausgleichszahlugen an Geschwister bei Vermögensühertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge oder von Erbauseinandersetzungen insoweit zu Anschaffungskosten (grundlegend BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BStBl II 1990, 837, und vom gleichen Tage GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847). Sind aber teilentgeltliche Rechtsgeschäfte bei Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge oder bei Erbauseinandersetzungen möglich, muß dieses erst recht gelten, wenn sonst Vermögen teilweise geschenkt und teilweise entgeltlich übertragen wird.
Daß die vereinbarten 100.000 DM tatsächlich gezahlt worden sind, geht aus den vorgelegten Bankunterlagen hervor und wird auch vom Beklagten nicht bezweifelt.
Die Kl. in hat aber darüber hinaus noch weitere Anschaffungskosten in Höhe des auf die vereinbarte Tilgungsdauer abgezinsten Restkaufpreises von 140.000 DM und damit von weiteren 80.111 DM gehabt. Sieht nämlich ein Vertrag nicht vor, daß der noch ausstehende Teil des Kaufpreises verzinst wird, so ist im Regelfall davon auszugehen, daß jede Rate einen angemessenen Zinsanteil enthält. Dementsprechend muß der Barwert des Kaufpreises abgezinst werden, wobei in der Regel ein Zinssatz von 5,5 v.H. zugrunde zu legen ist. Dabei hat es die Rechtsprechung zugelassen, daß aus Vereinfachungsgründen die Berechnung des Gegenwartswerts und der enthaltenen Zinsanteile nach der Hilfstafel 2 zu § 13 Abs. 1 Bewertungsgesetz erfolgt (vgl. zu allem: BFH-Urteile vom 21. Okt. 1980 VIII R 190/78, BStBl 1981, 160; vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BStBl II 1975, 431; vom 5. Juni 1991 XI R 8/85, BFH/NV 1992, 23). Der vom FA in der Einspruchsentscheidung ermittelte Barwert in Höhe von 80.121 DM ist daher nicht zu beanstanden. Mithin hatte die Kl.in Teilanschaffungskosten von insgesamt 182.117 DM (Teilkaufpreis 100.000 DM zuzüglich abgezinster Restkaufpreis 80.121 DM zuzüglich Anschaffungsnebenkosten 1.996 DM).
2.
Der Senat vermag dem FA nicht darin zu folgen, daß der zwischen der Kl.in und ihrem Vater abgeschlossene notarielle Grundstückskaufvertrag und der zwischen ihr und ihren Eltern am gleichen Tage abgeschlossene auf die Lebensdauer beider Eltern unkündbare Mietvertrag den Anforderungen der Rechtsprechung zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen unter nahen Angehörigen nicht genügten. In diesem Zusammenhang kann nicht darauf abgestellt werden, daß letztlich ein Kaufpreis vereinbart worden ist, der hinter dem unstreitigen Verkehrswert von 317.000 DM erheblich zurückbleibt; denn, wie bereits oben dargelegt, sind teilentgeltliche Geschäfte nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung steuerlich anzuerkennen.
Der notarielle Kaufvertrag enthält auch keine Regelungen, die so ausgefallen wären, daß sie nicht mehr dem auch unter einander Fremden üblichen und Denkbaren entsprächen. Zwar wurde ausdrücklich auf die Eintragung einer Auflassungsvormerkung verzichtet und auch die Einrichtung eines Notaranderkontos nicht vereinbart, wie es beides in der überwiegenden Zahl von Grundstücksveräußerungsgeschäften üblich ist. Indes bedurfte es der Einrichtung eines Notaranderkontos schon deshalb nicht, weil nach den getroffenen Vereinbarungen der Kaufpreis erst nach Eigentumsumschreibung fällig war, so daß für die Kl. in kein Zahlungsrisiko bestand. Auch der Zweck der Eintragung einer Auflassungsvormerkung besteht im wesentlichen darin, dem Käufer das Zahlungsrisiko zu nehmen, denn in der Regel werden Kaufpreise bei Grundstücksgeschäften auf den Zeitpunkt der Eintragung einer Auflassungsvormerunkung fällig gestellt.
Auch die weiter vom FA gegen eine steuerliche Anerkennung des Grundstücksvertrags vorgetragenen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen.
Daß der auf Lebenszeit abgeschlossene Mietvertrag seinem Gehalt nach einem dinglichen Wohnrecht nahekomme, ist ohne Bedeutung, da Grundstückskaufverträge unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts üblich sind und regelmäßig auch steuerlich anerkannt werden. Auch die Wertung, die Vereinbarung der sofortigen Fälligkeit des Restkaufpreises bei einem Weiterverkauf an einen Dritten und das den Eltern eingeräumte Vorkaufsrecht führten zu einer indirekten Verfügungsbeschränkung, vermag nicht zu überzeugen. Verfügungsmöglichkeiten werden durch Vorkaufsrechte nicht eingeschränkt; die Verfügung über das Grundstück bleibt vielmehr in vollem Umfange erhalten, lediglich dem Vorkaufsberechtigten wird das Recht eingeräumt, in den Vertrag einzutreten. Auch in der Vereinbarung der sofortigen Fälligkeit des Restkaufpreises im Falle der Veräußerung an einen Dritten kann keine indirekte Verfügungsbeschränkung gesehen werden, da der Kl.in bei einem Verkauf die erforderlichen Mittel hierfür ja zur Verfügung stünden.
Der Kaufvertrag ist nicht nur insoweit tatsächlich durch geführt worden, als das Grundstück tatsächlich übertragen worden ist und die Kl. in den Teilkaufpreis von 100.000 DM unstreitig entrichtet hat, sondern auch insoweit, als die Kl.in die vereinbarten Tilgungszahlungear von monatlich 500 DM erbracht hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß nach steuerlicher Sichtweise in den als Tilgungsleistung vereinbarten Zahlungen auch Zinsanteile enthalten sind.
Die tatsächliche Durchführung des Kaufvertrags hinsichtlich der ratenweisen Tilgung des Restkaufpreises und des Mietvertrages hinsichtlich der Zahlungen der monatlichen Miete kann auch nicht etwa daran scheitern, daß Miete und Tilgungsleistungen jeweils miteinander verrechnet worden sind und, da sie sich der Höhe nach deckten, keine weiteren Zuzahlungen erforderlich waren. Im Geschäftsverkehr ist es üblich, daß wechselseitige Verpflichtungen gegeneinander aufgerechnet, d.h., miteinander verrechnet werden. Daß dieses so erfolgte, zeigen die vorgelegten Ablichtungen aus dem Mietquittungsbuch.
3.
Die von den Kl. gewählte Gestaltung der teilentgeltlichen Vermögensübertragung und Rückvermietung einer der beiden Wohnungen an den Vater als Veräußerer und die Mutter der Kl.in stellt sich auch nicht als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i.S.d. § 42 AO dar. Eine Umgehung in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B. BFH-Urteil vom 14. Jan. 1992 IX R 33/89, BStBl II 1992, 549).
Zwar hat der BFH mit Urteil vom 3. Dez. 1991 IX R 142/90 (BStBl II 1992, 397) darauf hingewiesen, für eine unangemessene Gestaltung könne es u.U. sprechen, daß die Tilgung eines Grundstückskaufpreises bis zu einem Zeitpunkt hinausgeschoben werde, den der Verkäufer voraussichtlich nicht mehr erlebe. Indes liegt der Streitfall anders, denn nach der voraussichtlichen Lebensdauder des voraussichtlich Längstlebenden der Eltern der Kl.in von noch 17 Jahren wird der Restkaufpreis aufgrund der vereinbarten monatlichen Zahlungen weitgehend getilgt sein, da die Gesamttilgungsdauer rd. 23 Jahre beträgt. Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn der gesamte Restkaufpreis erst nach Ablauf der voraussichtlichen Lebensdauer fällig wäre.
In der Vereinbarung der ratenweisen Tilgung des Restkaufpreises vermag der Senat keine ungewöhnliche Rechtsgestaltung zu erblicken; es kann keinen Unterschied machen, ob die Kl.in sogleich den abgezinsten Restkaufpreis in Höhe von rd. 80.000 DM entrichtet und der Vater bzw. die Eltern, da es in diesem Falle nichts mehr zu verrechnen gäbe, die Mietzahlungen bar oder durch Überweisungen entrichteten oder ob die Kl. in den Restkaufpreis in Raten einschl. eines Zinsanteils entrichtet und Miete und Raten nunmehr miteinander verrechnet werden. In beiden Fällen kommt es zur Zahlung des Restkaufpreises und zur Zahlung der Miete. Daß sich aus der gewählten Gestaltung möglicherweise steuerliche Vorteile ergeben, macht die Vertragsgestaltung allein nicht ungewöhnlich und unangemessen.
4.
Da die Kl. in mithin Anschaffungskosten für das von ihrem Vater erworbene Zweifamilienhaus einschl. Grundstück hatte, kann sie gem. § 10 e Abs. 1 EStG 5 v.H. des auf ihre Wohnung entfallenden Anteils der Anschaffungkosten zuzüglich der Hälfte der auf den zugehörigen Grund und Boden entfallenden Anschaffungskosten wie Sonderausgaben abziehen. Dabei sind die Anschaffungskosten zunächst auf Grund und Boden und Gebäude im Verhältnis der Verkehrswerte, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind, aufzuteilen. Danach beträgt der Verkehrswert insgesamt 317.000 DM, wovon 27.800 DM auf den Grund und Boden entfallen, das sind 8,77 v.H. Daraus errechnen sich von den Gesamtanschaffungskosten in Höhe von 182.117 DM Teilanschaffungskosten für das Gebäude von 166.145 DM und für den Grund und Boden von 15.972 DM. Die Bemessungsgrundlage für die Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG beträgt daher 174.131 DM (Teilanschaffungskosten Gebäude 166.145 DM zuzüglich 1/2 von 15.992 DM der Teilanschaffungskosten für den Grund und Boden). Der Abzugsbetrag nach § 10 e EStG beträgt hiervon 5 v.H., das sind 8.707 DM, wovon wiederum unstreitig nach den Wohnflächenverhältnissen 10/18 auf die Wohnung der Kl.in entfallen, mithin 4.837 DM.
Von den Teilanschaffungskosten in Höhe von 166.145 DM entfallen 8/18 auf die an die Eltern vermietete Wohnung, also 73.842 DM. Diese kann die Kl. in gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 a EStG mit jährlich 2 v.H., also 1.477 DM abschreiben. Soweit die Kl.in das Gebäude von ihrem Vater unentgeltlich erworben hat, hat sie gem. § 11 d Einkommensteuerdurchführungsverordnung die Absetzungsbeträge des Rechtsvorgängers fortzuführen. Da die Kl.in Anschaffungskosten von 182.117 DM gegenüber einem Verkehrswert von 317.000 DM hatte, hat sie zu 42,5 v.H. unentgeltlich erworben. Sie kann daher 42,5 v.H. der AfA des Rechtsvorgängers, soweit (8/18) diese auf die vermietete Wohnung entfällt, fortführen. Hieraus ergibt sich eine weiter AfA von 613 DM (42,5 % von 3.244 DM × 8/18). Insgesamt kann die Kl.in daher eine AfA von 2.090 DM bei ihren Einkünften aus V+V aus der vermieteten Wohnung berücksichtigen, im Streitjahr wiederum nur 1/12 (174 DM), da die Wohnung erst ab Dezember vermietet war.
Bei den Einkünften aus V+V aus der vermieteten Wohnung ist weiter zu berücksichtigen, daß in den monatlichen Raten von 500 DM, wie oben bereits ausgeführt, auch ein Zinsanteil enthalten ist, wobei nach der Rechtsprechung in der Regel von einem Zinssatz von 5,5 v.H. auszugehen ist. Diese Zinsanteile sind Werbungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 16. Jan. 1979 VIII R 38/76, BStBl II 1979, 334). In dem am Anfang Dezember verrechneten Ratenbetrag von 500 DM sind die Zinsen für den ersten Monat enthalten, so daß sich der Zinsanteil auf 5,5 v.H. von 80.121 DM × 1/12 und damit auf 367 DM errechnet.
Nach alledem ergeben sich als Einkünfte aus V+V:
lt. Steuererklärung | + | 473 DM |
---|---|---|
AfA lt. Erklärung | + | 159 DM |
AfA lt. Urteil | ./. | 174 DM |
Zinsen Dezember | ./. | 367 DM |
Einkünfte aus V+V: | + | 91 DM. |
Da die Kl. neben diesen Einkünften aus V+V keine weiteren einkommensteuerpflichtigen Einkünfte haben, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, ist dieser Betrag (91 DM) wieder vom Einkommen abzuziehen gem. § 46 Abs. 3 EStG (sog. Härteausgleich).
Es ergibt sich danach folgendes zu versteuernde Einkommen:
zu verst. Einkommen lt. Lobnsteuer-Jahresausgleichsbescheid vom 31.03.1988: | 30.886 DM | |
---|---|---|
Einkünfte aus V+V | + | 91 DM |
Abzugsbetrag nach § 10 e EStG | ./. | 4.837 DM |
26.140 DM | ||
Härteausgleich § 46 Abs. 3 EStG | ./. | 91 DM |
zu verst. Einkommen lt. Urteil: | 26.049 DM. |
Da die Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gem. § 10 e EStG vorliegen, haben die Kl. außerdem Anspruch auf die Steuerermäßigung gem. § 34 f Abs. 2 EStG (sog. Baukindergeld) für ihre beiden zum Haushalt gehören den Kinder in Höhe von 1.200 DM.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Entscheidung über die vorliegende Fallgestaltung einer (teil)entgeltlichen Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt und gleichzeitiger Rückvermietung an den Vermögensübergeber mit Verrechnung der wechselseitigen Leistungen ist in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle von Bedeutung; die dabei anstehenden Rechtsfragen erscheinen dem Senat höchstrichterlich noch nicht hinreichend sicher geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.