Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.12.2022, Az.: 9 K 87/19

Einkommensteuerliche Berücksichtigung des Verlusts aus der Auflösung einer ausländischen Kapitalgesellschaft; Entstehung eines bereits vor abgeschlossener Liquidation einer Kapitalgesellschaft enstandenen Verlusts

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.12.2022
Aktenzeichen
9 K 87/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 68689
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2022:1214.9K87.19.00

Fundstelle

  • IWB 2024, 138

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für die Beurteilung, ob bereits vor abgeschlossener Liquidation einer Kapitalgesellschaft ein Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG entstanden ist, ist unbeachtlich, ob die Gesellschaft bei Konkurseröffnung überschuldet oder zahlungsunfähig war. Entscheidend ist, ob die Konkursschuldnerin aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter hatte.

  2. 2.

    Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts zur Vertagung, wenn die Verhinderung des durch den Kläger zu stellenden ausländischen Zeugen nicht hinreichend und überprüfbar entschuldigt wird und keine Angaben gemacht werden, wann damit zu rechnen ist, dass der Zeuge für eine Aussage zur Verfügung steht.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Verlust aus der Auflösung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2.498.124,60 € bereits im Jahr 2010 zu berücksichtigen ist.

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften beider Eheleute aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen erzielte der Kläger zudem Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Beratungsleistungen, Aufsichtsratvergütung). Einkünfte aus diversen bestehenden Beteiligungen wurden vom Kläger im Streitjahr mit 0 € erklärt.

Darüber hinaus war der Kläger Aktionär der A-AG (im Weiteren: AG), einem (...)-Hersteller mit Sitz in B. Die vom Kläger gehaltenen Aktien im Umfang von 22.732 Stück entsprachen 13,07 % des Aktienkapitals der Gesellschaft. Die Anschaffungskosten der Aktien betrugen insgesamt 2.498.124,60 €. Die Anteile wurden im Privatvermögen gehalten.

Mit Beschluss des Kreisgerichts in C (Republik B) vom 9. August 2010 wurde über das Vermögen der AG das Konkursverfahren eingeleitet und als Konkursverwalter Herr D bestimmt. In seinem Beschluss führte das Kreisgericht aus, dass der Schuldner den Antrag auf Beginn des Konkursverfahrens eingereicht habe und in diesem Fall vermutet werde, dass der Schuldner insolvent sei. Die Insolvenzvermutung könne mit der Beschwerde gegen den Beschluss angefochten werden. Dem Antrag auf Konkurseröffnung war eine Bilanz auf den 30. Juni 2010 beigefügt. Diese weist ein Eigenkapital in Höhe von 1.986.317 € sowie eine Bilanzsumme von 67.702.040 € aus.

In der am 11. April 2011 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung des Streitjahres erklärte der Kläger einen Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 2.498.124,60 €. Diesen berechnete der Kläger wie folgt:

AnschaffungsdatumStückBetrag in Euro
06.02.20073.102389.642,22
11.04.200123021.347,74
15.12.199915.0001.809.973,26
07.04.19994.400277.161,38
Anschaffungskosten2.498.124,60
Veräußerungserlös0,00
Veräußerungsverlust2.498.124,60

Da aus der Beteiligung keine Einnahmen erzielt worden seien, die dem Halbeinkünfteverfahren unterlegen hätten, beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) aus den Jahren 2009 und 2010 den Veräußerungsverlust in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen.

Ergänzend legte der Kläger eine vom Konkursverwalter erstellte (verdichtete) Bilanz auf den 9. August 2010 sowie den zur Vorlage an das Bezirksgericht in C (Insolvenzgericht) erstellten Eröffnungsbericht des Konkursverwalters vom 18. Januar 2011 vor. Hierin führt der Konkursverwalter zur Konkursmasse und dem Vermögen der AG aus, dass infolge der Komplexität des Vermögens Schätzungen hätten vorgenommen werden müssen. Wo Schätzungen noch nicht hätten erstellt werden können, seien die Daten aus der Schlussbilanz übernommen worden. Bis zur Erstellung des Eröffnungsberichts sei hauptsächlich das gesamte unbewegliche Vermögen geschätzt worden.

Auch der Wert der langfristigen Investitionen (Geschäftsanteile an Tochtergesellschaften) beinhalte sowohl Schätzungen nach Liquidationswerten als auch die Werte aus der Schlussbilanz. Trotz einiger aktivierter Konkursverfahren der Tochtergesellschaften seien die Werte der langfristigen Investitionen in der Eröffnungsbilanz erhalten geblieben. Die Summe aller Investitionen im Rahmen der Beteiligungen betrage 38.929.913,17 €.

Der Wert des gesamten Anlagevermögens sei mit 22.425.804,99 € berücksichtigt worden. Hierbei handele es sich teilweise um Liquidationswerte, teilweise um die Daten aus der Schlussbilanz. Der Wert des Anlagevermögens werde laufend angepasst.

Im Gesamtwert der offenen Forderungen seien noch einige umstrittene Forderungen enthalten, deren Schicksal von ausgelösten Zivilprozessen und eventuellen gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen abhänge. In jedem Fall würden die Eintreibungsaktivitäten bei den Schuldnern, bei denen Korrekturen unternommen worden seien, weitergeführt, was im Erfolgsfall die Konkursmasse zusätzlich vergrößern werde.

Die gewährten Darlehen seien zwar schwer einzuziehen. Es sei trotzdem entschieden worden, sie in die Eröffnungsbilanz einzustellen und zu versuchen, sie einzutreiben.

Darüber hinaus bestünden offene Zivilprozesse und Strafverfahren. Zudem sei damit zu rechnen, dass einige Gläubiger die angemeldete Forderung ganz oder teilweise abstreiten und Zivilprozesse anstreben würden.

Schließlich seien Verhandlungen über die Vermietung eines Teils des Vermögens vorgenommen worden. So seien mehrere Mietverträge über Geschäftsräume für einen Zeitraum von 6 Monaten mit Verlängerungsoption bis zu einem Jahr geschlossen worden. Weitere Mietverträge, die vor Beginn des Konkursverfahrens abgeschlossen worden seien, seien nicht gekündigt und die Mietverhältnisse weiter durchgeführt worden. Die meisten Mieter kämen ihren Pflichten regelmäßig nach.

Unter Ziff. 3 des Eröffnungsberichts stellt der Konkursverwalter fest, dass der Konkursschuldner hinsichtlich der Mittel in der Eröffnungsbilanz einen Überschuss an Mitteln ausweist, die in der Eröffnungsbilanz im Posten "Verpflichtungen gegen den Eigentümern" angegeben seien. Ausweislich der Eröffnungsbilanz zum 9. August 2010 wird die Höhe dieses Überschusses mit 3.957.210,72 € angegeben (Position A. des Passivbestands).

Abschließend kommt der Konkursverwalter zu der Einschätzung, dass bei Einlösung des Vermögens voraussichtlich kein Überschuss entstehen werde, weil aufgrund der Erfahrungen aus anderen Konkursverfahren und weiterer Unwägbarkeiten unmöglich einzuschätzen sei, ob das Vermögen in der angegebenen Höhe eingelöst werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2017 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte zunächst der Auffassung der Kläger und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 8. September 2011 einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in der beantragten Höhe. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

In der Zeit vom (...) 2014 bis zum (...) 2017 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung bei den Klägern eine allgemeine Außenprüfung durch. Im Rahmen der Außenprüfung wurde der vorliegende Sachverhalt aufgegriffen und weitere Ermittlungen durchgeführt. Nach Aufforderung durch die Außenprüfung legten die Kläger weitere Bescheinigungen des Konkursverwalters vor. Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Schreiben:

Im Schreiben vom 27. November 2014 bescheinigt der Konkursverwalter, dass das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen und das Ende nicht absehbar sei. Es seien einzelne anspruchsvolle Rechtsverfahren noch offen. Ebenfalls könne das komplette Grundvermögen noch nicht eingelöst werden. Die Gesellschafter hätten bis dato noch keine Ausgleichszahlungen erhalten. Im Hinblick auf die noch offenen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern seien unter Berücksichtigung der noch einzulösenden Konkursmasse keine Ausgleichszahlungen an die Gesellschafter vorgesehen.

In seinem Schreiben vom 11. Dezember 2015 bestätigt der Konkursverwalter, dass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 9. August 2010 die Überschuldung der Gesellschaft bei ca. 60 Mio. € gelegen habe (Vermögenswerte ca. 70 Mio. €, Schulden ca. 130 Mio. €). Bei dieser Überschuldungssituation habe zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits festgestanden, dass die Anteilseigner/Aktionäre keine Zahlungen mehr auf ihre Kapitalanteile erhalten würden. Das Insolvenzverfahren sei noch nicht abgeschlossen, die deutliche Überschuldungssituation am 9. August 2010 habe sich aber bestätigt, Zahlungen an Anteilseigner würden nicht stattfinden.

Im Schreiben vom 9. März 2016 weist der Konkursverwalter nochmals darauf hin, dass das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Der Abschluss sei nicht absehbar, weil einige anspruchsvolle Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Ebenfalls sei noch nicht das gesamte Immobilienvermögen verwertet worden. Erstattungen aus der Konkursmasse würden die Gesellschafter nicht erhalten. Aufgrund eines Vergleichs der Restverbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern mit der zukünftig noch zu verwertenden Konkursmasse könne bestätigt werden, dass die Gesellschafter aus der Konkursmasse nicht entschädigt würden.

In einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2017 erläutert der Konkursverwalter gegenüber dem Bezirksgericht den (bisherigen) Ablauf des Konkursverfahrens. Insbesondere führt er aus, dass aus dem Eröffnungsbericht ersichtlich sei, dass die Verbindlichkeiten der AG den geschätzten Wert ihres Gesamtvermögens überschreiten würden und zwar in Höhe von ungefähr 4 Mio. €. Es könne daher mit Sicherheit behauptet werden, dass bisher kein einziger Gläubiger der gesonderten Insolvenzmasse vollständig aus dem Vermögen ausbezahlt worden sei. Die Reihenfolge der Auszahlungen sei gesetzlich festgelegt. Gesellschafter erhielten das Recht auf einen proportionalen Anteil aus der Verteilungsmasse erst dann, wenn die gesamte Insolvenzmasse abgerufen worden sei und alle geprüften Forderungen und die Kosten des Insolvenzverfahrens bezahlt worden seien. Diese Forderungen lägen bei mindestens 33 Mio. € und überschritten bei weitem das Gesamtvermögen der AG. Denn das verbleibende materielle und finanzielle Vermögen der AG stelle eine Immobilie im Wert von etwa 7,3 Mio. € dar sowie geschätzte finanzielle Mittel von ungefähr 1,5 Mio. €. Realistischer Weise sei die Immobilie jedoch für nicht mehr als 4 Mio. € veräußerbar.

Abschließend versicherte der Konkursverwalter in seinem Schreiben vom 19. Juli 2017 gegenüber dem Bezirksgericht nochmals, dass keine Möglichkeit bestehe, dass Gläubiger nach der Einlösung der Insolvenzmasse im Verhältnis der Höhe ihrer Anteile ausbezahlt würden. Es sei beabsichtigt, das Insolvenzverfahren im Jahr 2018 abzuschließen.

Nach Abschluss der Außenprüfung gelangte der Betriebsprüfer zu der Auffassung, dass ein Verlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 2.498.125 € im Jahr 2010 nicht zu berücksichtigen sei. Hierzu führte er im Betriebsprüfungsbericht vom 3. Juli 2017 im Wesentlichen wie folgt aus:

Im Insolvenzfall entsteht der Verlust grundsätzlich erst bei Abschluss des Verfahrens. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für die Schlussverteilung (§ 196 Insolvenzordnung - InsO -/§ 161 Konkursordnung - KO -) vorliegen.

Ausnahmen hiervon bestehen bei Abweisung mangels Masse und bei vorzeitiger Verlustkonkretisierung.

Die Realisierung eines Auflösungsverlustes setzt voraus, dass mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist (zum Beispiel bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft) und dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten sowie der sonstigen im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähigen Veräußerungs-/Aufgabekosten weitgehend feststeht.

Vorliegend führt das Vorhandensein von erheblichen Vermögenswerten - trotz Überschuldung - dazu, dass der Auflösungsverlust noch nicht im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu berücksichtigen ist.

Stille Reserven sind bei Veräußerungsgeschäften erst dann realisiert, wenn der Insolvenzverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens (hier u. a. Grundstücke und umfangreiche Beteiligungen) oder das Unternehmen im Ganzen veräußert und mit dem letzten Geschäftsvorfall die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen wurde. Denn die Dauer eines Insolvenzverfahrens ist nicht abschätzbar. Dies gilt vor allem dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - umfangreiches Betriebsvermögen mit erheblichen stillen Reserven abzuwickeln ist. Während des Insolvenzverfahrens können sich die Marktwerte der Wirtschaftsgüter erheblich verändern.

Zudem ist nicht hinreichend erkennbar, welche Bewertungsmethode zur Ermittlung der Vermögenswerte angewandt wurde und ob unter Umständen zusätzliche nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte vorhanden sind.

Die Prognosen des Insolvenzverwalters, dass keine Ausgleichszahlungen an die Anteilseigner zu erwarten sind, reichen für die Berücksichtigung des Verlustes in 2010 nicht aus.

Die vorzeitige Verlustkonkretisierung muss sich aus den vorliegenden Unterlagen ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben. Dies ist hier nicht der Fall, da der Insolvenzverwalter selbst bescheinigt, dass noch eine Vielzahl von offenen Fragen zu klären sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht (AD- Nr. (...) und (...) vom 3. Juli 2017 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Außenprüfers und erließ am 7. September 2017 einen nach § 164 Abs. 2 AO - unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung - geänderten Einkommensteuerbescheid 2010.

Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch führten die Kläger aus, dass nach der Rechtsprechung des BFH eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes in dem Zeitpunkt zu erfolgen habe, in welchem der beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen könne. Bereits im Zeitpunkt des Insolvenzantrags im Jahr 2010 seien den antragstellenden Personen, als auch den Klägern klar gewesen, dass aufgrund der die Aktiva um ein Vielfaches übersteigenden Verbindlichkeiten eine Zuteilung und Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen sei. Es sei daher niemals mit einer Rückzahlung gerechnet worden. Darüber hinaus müsste nur noch feststehen, ob und in welchem Umfang noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufgabe- oder Veräußerungskosten anfallen würden. Im Streitfall würden nachträgliche Anschaffungskosten keine Rolle spielen und auch die Höhe der historischen Anschaffungskosten stehe zweifelsfrei fest.

Ergänzend führte der Kläger aus, dass nach den Ausführungen des Konkursverwalters zur Überschuldungssituation der AG der bilanzierte Wert der Immobilien überbewertet gewesen sei und die tatsächlich erzielbaren und erzielten Veräußerungspreise deutlich darunter gelegen hätten. Tochtergesellschaften, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch aktiv gewesen seien, seien ebenfalls in Konkurs gegangen und hätten zu einem weiteren Ausfall der Aktiva geführt.

Darüber hinaus seien auf der Passivseite der Insolvenzeröffnungsbilanz vom 9. August 2010 nur die Verbindlichkeiten aufgeführt gewesen, die bilanziert gewesen seien. Hinzugekommen seien eventuelle Verbindlichkeiten aus Haftungsverhältnissen gegenüber Tochterunternehmen und Forderungen der Tochterunternehmen, weil diese aus Haftungsverhältnissen in Anspruch genommen worden seien. Dem Konkursverwalter habe sich bei Konkurseröffnung eine Summe von etwa 130 Mio. € Verbindlichkeiten geboten, die ihn bereits im Jahr 2010 zu der Einschätzung habe gelangen lassen, dass eine Rückzahlung von Einlagen an die Gesellschafter niemals möglich sein werde.

Ferner führte der Kläger aus, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs nicht realistisch gewesen sei. Das Engagement der Firma E sei insgesamt nicht lange fortgeführt worden. Der Standort habe nur für kurze Zeit gehalten werden sollen, um später die Produktion zu verlagern. Von einer Unternehmensfortführung könne nicht die Rede sein. Es sei zudem nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern übernommen worden.

Erläuternd erklärten die Kläger, dass bereits vor der Konkurseröffnung das Eigenkapital von rund 4,9 Mio. € auf 1,9 Mio. € geschrumpft sei. Das Unternehmen habe sich in einer drastischen Abwärtsspirale befunden. Die bei der Beantragung des Konkursverfahrens vorgelegte Bilanz habe dabei die historischen Anschaffungskosten bzw. Buchwerte ausgewiesen, die anzusetzen gewesen wären, wenn das Unternehmen fortgeführt worden wäre. Dieses sei slowenisches Recht. In Deutschland wäre die Bewertung mit deutlich niedrigeren Zerschlagungswerten vorgenommen worden. Dieses erkläre, warum sowohl die Konkursantragsbilanz als auch die Konkurseröffnungsbilanz ein positives Eigenkapital ausgewiesen habe. Alle Beteiligten hätten hiervon jedoch Kenntnis gehabt und seien davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt des Konkursantrages kein Aktionär Rückzahlungen erhalten werde. Hierauf habe auch der Konkursverwalter mehrmals ausdrücklich hingewiesen.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Kläger nicht und wies den Einspruch in Bezug auf die Anerkennung eines steuerlichen Verlustes aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 EStG im Rahmen einer Teil-Einspruchsentscheidung vom 21. März 2019 als unbegründet zurück.

Mit Ablauf des Veranlagungszeitraum 2010 habe noch nicht festgestanden, ob und in welcher Höhe der Kläger einen Verlust gemäß § 17 EStG erlitten habe. Denn der Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft sei erst in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. Ein Auflösungsverlust stehe dann fest, wenn der gemeine Wert des den Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststünden. Gleiches gelte, wenn sicher sei, dass eine Zuteilung oder Rückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheide und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststünden. Dies sei aus der Ex-Ante-Sicht zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse, wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens, seien nicht zu berücksichtigen. Im Falle der Liquidation einer Gesellschaft schließe der BFH eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann aus, wenn die Liquidation abgeschlossen sei. Nur ausnahmsweise könne dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden, etwa wenn die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden sei oder wenn aus anderen Gründen feststehe, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos gewesen sei. Bei einer Auflösung der Gesellschaft infolge der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens lasse sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen. Etwas Anderes habe der BFH in diesen Fällen ausnahmsweise nur dann für möglich gehalten, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheine.

Nach diesen Grundsätzen sei der von den Klägern geltend gemachte Verlust nicht zu berücksichtigen. Das im Jahr 2010 eröffnete Konkursverfahren über das Vermögen der AG sei bis zur Einspruchsentscheidung noch nicht abgeschlossen worden. Im Streitjahr habe nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestanden, dass der Einspruchsführer mit einer Zuteilung oder Rückzahlung aus dem Vermögen der Gesellschaft nicht mehr habe rechnen können. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Eröffnungsbericht und den späteren Stellungnahmen des Konkursverwalters. Zu Unrecht schlössen die Kläger daraus, dass mit einer Zuteilung oder Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen bereits bei der Eröffnung des Verfahrens nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die durch den Konkursverwalter vorgenommenen Bewertungen ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend gewesen wären. Dies ergebe sich jedoch nicht aus dem Eröffnungsbericht. Denn der Konkursverwalter habe darin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Bewertung des komplexen Vermögens der AG auf geschätzten Werten basiere und für ihn daher eine Einschätzung unmöglich sei, ob das Vermögen in der in der Eröffnungsbilanz angegebenen Höhe eingelöst werden könne. Vielmehr habe selbst der Konkursverwalter sehr umfangreiche Ermittlungen und Maßnahmen für erforderlich gehalten, um die Vermögenssituation der Gesellschaft abschließend und sicher beurteilen zu können.

Darüber hinaus seien bei Konkurseröffnung neue Arbeitsverträge geschlossen, ein Teil der Produktionsstätten vermietet und bestehende Mietverträge beibehalten worden. Noch am 27. November 2014 habe der Konkursverwalter mitgeteilt, dass einzelne anspruchsvolle Rechtsverfahren der AG noch offen seien und das komplette Grundvermögen der AG noch nicht eingelöst worden sei. Sei - wie im Streitfall - umfangreiches Betriebsvermögen vorhanden, lasse sich nicht abschätzen, wie sich die Marktwerte der Wirtschaftsgüter im Laufe des Konkursverfahrens entwickelten. Außerdem sei im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht sicher gewesen, ob es zu einer Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem endgültigen Liquidationsverlust der Gesellschafter kommen werde. Es habe die Aussicht bestanden, dass die AG, z.B. durch die Firma E, fortgeführt werde. Werde das Aktivvermögens in seiner Gesamtheit übertragen, habe es regelmäßig einen erheblich höheren Wert, als wenn die Wirtschaftsgüter einzeln verwertet würden.

Gegen die Entscheidung des Beklagten richtet sich die beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobene Klage, mit der die Kläger ihr Begehren auf Berücksichtigung eines Verlustes aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 2.498.124,60 € im Jahr 2010 weiterverfolgen. Zur Begründung verweisen sie auf ihren Vortrag aus dem Vorverfahren sowie die hierzu vorgelegten Unterlagen.

Ergänzend führen sie aus, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG der mit einer Auflösung in Zusammenhang stehende Verlust des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der (zivilrechtlichen) Auflösung der Gesellschaft, d. h. mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen sei. Der Stichtag für die Berücksichtigung des Auflösungsverlustes sei daher durch den Gesetzgeber genau bestimmt. Indem der BFH für die Berücksichtigung des Auflösungsverlustes auf einen "Realisationszeitpunkt" abstelle, weiche er vom ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift ab. Dies widerspreche dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Denn die Beteiligung des Gesellschaftes habe im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft durch Eröffnung des Konkursverfahrens einen Wert von 0 €. Der tatsächliche Verlust des Steuerpflichtigen sei daher im Zeitpunkt der Auflösung entstanden, zumal der Anteilseigner ab diesem Zeitpunkt keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der Gesellschaft habe. Erfolge später wider Erwarten doch noch eine Zuteilung, so sei diese als nachträgliche Einnahme zu erfassen.

Bei Anwendung des sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebenden Willen des Gesetzgebers sei der Auflösungsverlust im Streitfall eindeutig im Zeitpunkt der konkursbedingten Auflösung der Gesellschaft im Jahr 2010 zu berücksichtigen.

Doch selbst wenn man - mit dem BFH - auf den Zeitpunkt der Verlustrealisierung abstelle, sei der Verlust vorliegend im Jahr 2010 angefallen.

Bei der AG habe es sich um eine Dachgesellschaft gehandelt, die u.a. gegenüber ihren Tochtergesellschaften verschiedene Dienstleistungen erbracht habe. Der wesentliche Teil des operativen Geschäfts sei von den Tochterunternehmen ausgeführt worden, deren Anteile überwiegend zu 100 % von der AG gehalten worden seien. Bereits seit dem Jahr 2008 sei die Unternehmensgruppe, die insbesondere in der Herstellung und dem Verkauf von Sitzbezügen für die Automobilindustrie tätig gewesen sei, immer tiefer in eine wirtschaftliche Krise geraten. Die ehemaligen Großkunden F und G hätten keine neuen Aufträge mehr an die Unternehmensgruppe vergeben. Im Februar 2009 seien deshalb fast die Hälfte der Mitarbeiter der AG in B entlassen oder in Zwangsurlaub geschickt worden. Mitte 2010 sei die Unternehmensgruppe schließlich nicht mehr zu sanieren gewesen. So seien die Kreditschulden gegenüber Banken auf 56,3 Mio. € angestiegen. Die Bankkonten der AG seien von den kreditgebenden Banken gepfändet worden. Auch die Löhne der verbliebenen Mitarbeiter hätten nicht mehr oder nur noch zögerlich gezahlt werden können.

Während das Bruttoeinkommen der AG im Jahr 2009 noch 43,5 Mio. € betragen habe, seien es im Jahr 2010 (hochgerechnet) nur noch 3,3 Mio. € gewesen. Für das Jahr 2010 sei mit einem Verlust von 3 Mio. € gerechnet worden. Dies habe bedeutet, dass im Jahr 2010 die Aufwendungen der AG fast 100 % höher gewesen seien als deren Einnahmen. Den Verbindlichkeiten in Höhe von erheblich mehr als 50 Mio. € auf der Aktivseite hätten im Wesentlichen nur die Werte der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften gegenübergestanden. Jedoch hätten sich auch diese in wirtschaftlicher Schieflage und im Insolvenzantragsverfahren befunden.

Vor diesem Hintergrund habe der Konkursverwalter im Konkurseröffnungsbericht vom 9. August 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwar die Eröffnungsbilanz einen Überschuss ausweise, jedoch tatsächlich kein Überschuss entstehen könne, weil die Vermögenswerte in der Eröffnungsbilanz mit den Anschaffungskosten oder Buchwerten angegeben worden seien und daher für die vorliegende Beurteilung unzutreffend seien.

Insbesondere die Beteiligungen an den verschiedenen Tochtergesellschaften seien mit den ursprünglichen Anschaffungskosten bzw. -werten angegeben worden. Diese Ansätze seien jedoch offenkundig falsch gewesen, denn die Insolvenzgründe hätten die gesamte Unternehmensgruppe, einschließlich der Tochtergesellschaften, betroffen. Bei zutreffender Bewertung der Beteiligungen und Darlehen an Tochtergesellschaften wäre allein aus der Eröffnungsbilanz sofort ersichtlich gewesen, dass keine Zahlungen an die Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens mehr hätten erfolgen können. Dies habe der Konkursverwalter ausdrücklich im Eröffnungsbericht klargestellt, indem er darauf hingewiesen habe, dass in der Eröffnungsbilanz der Wert der Beteiligungen erhalten geblieben sei und nach abgeschlossenem Konkursverfahren ausgetragen werde, weil davon auszugehen sei, dass die Konkursmasse für die Tilgung aller Verpflichtungen nicht ausreichen werde.

Aufgrund des Eröffnungsberichts sei daher bereits zur Eröffnung des Konkursverfahrens im Jahr 2010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass der Kläger keine Rückzahlung von Einlagen aus dem Gesellschaftsvermögen der AG habe erwarten können. Aktiva, die auch für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausgereicht hätten, hätten nicht zur Verfügung gestanden.

Schließlich habe auch festgestanden, dass eine Fortführung oder Sanierung der AG ausgeschlossen gewesen sei. Allein im Zeitraum 1. Januar 2010 bis 9. August 2010 sei ein Nettoverlust von 4,3 Mio. € entstanden. Im selben Zeitraum hätte die Gesellschaft nur noch Einnahmen in Höhe von lediglich ca. 5 Mio. € erzielt, während im Jahr 2009 noch ein Bruttoeinkommen von ca. 43,5 Mio. € erzielt worden sei. Die früheren Vertragspartner F und G hätten die Vertragsbeziehung nicht mehr fortgeführt und die Aufträge langfristig anderweitig vergeben. Die wesentlichen Tochtergesellschaften seien deswegen ebenfalls in Insolvenz gegangen. Es habe folglich keine Aussicht auf eine Sanierung oder Fortführung der AG gegeben. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis des Beklagten auf ein mögliches Engagement der Firma E sei wenig relevant, da es sich hierbei um nach der Auflösung eingetretene Ereignisse handele. Unabhängig davon habe es zu keinem Zeitpunkt eine Aussicht darauf gegeben, dass durch das Engagement der E-Gruppe die Schulden der AG hätten zurückgezahlt werden können oder die Gesellschafter der AG noch Zahlungen aus dem Konkursverfahren hätten erhalten können. Die E-Gruppe sei im Wesentlichen daran interessiert gewesen, die Lieferbeziehungen der AG zu übernehmen, welche jedoch bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht mehr bestanden hätten. Das Interesse der E-Gruppe sei daher auch nur von sehr kurzer Dauer gewesen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 8. September 2011, geändert durch Bescheid vom 7. September 2017, in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 21. März 2019, dahin zu ändern, dass der Auflösungsverlust in Höhe von 2.498.124,60 € erklärungsgemäß berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die im Vorverfahren und im Einspruchsbescheid vom 21. März 2019 dargelegte Auffassung.

Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass der Konkursverwalter den Eröffnungsbericht erst am 18. Januar 2011 und nicht bereits im Streitjahr erstellt habe. Selbst wenn - was nicht zutreffe - die Einschätzung des Konkursverwalters im Eröffnungsbericht die Annahme rechtfertigen würde, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu rechnen gewesen sei, so handele es sich aus der Sicht des Streitjahres nicht um eine Beurteilung aus früherer Sicht. Bei der Betrachtung ex-ante entfielen später ablaufende Vorgänge, die zu einem früheren Zeitpunkt noch nicht bekannt sein konnten. Im Jahr 2010 sei die Einschätzung des Konkursverwalters aus dem Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 noch nicht bekannt gewesen. Gleiches gelte für die späteren Stellungnahmen des Konkursverwalters vom 11. Dezember 2015, 9. März 2016 und 7. Dezember 2018, die daher ebenfalls unbeachtlich seien. Auch berufe sich der Konkursverwalter lediglich auf seine Erfahrungen aus anderen Konkursverfahren und führe aus, dass es für ihn unmöglich sei einzuschätzen, ob das Vermögen in der angegebenen Höhe eingelöst werden könne.

In der Eröffnungsbilanz seien die Buchwerte übernommen worden, da es verifizierte Liquidationswerte im Jahr 2010 schlichtweg noch nicht gegeben habe. Diese sollten erst im laufenden Konkursverfahren ermittelt werden. Damit sei aus Sicht des Jahres 2010 ohne weitere Ermittlungen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht decken würde. Auch habe es Aussichten auf eine Sanierung oder Fortführung der AG gegeben. Beispielhaft sei auf einen Artikel der Zeitung "(...)" vom 4. Oktober 2010 zu verweisen, der die damalige Situation beschreibe.

Darüber hinaus wendet der Beklagte ein, dass die gleichzeitig oder später eröffneten Konkursverfahren der Tochtergesellschaften nicht automatisch zur sofortigen Wertlosigkeit der Beteiligungen und Forderungen führten. Denn im Streitjahr sei keineswegs gewiss gewesen, dass die Beteiligungen wertlos gewesen seien und die Forderungen an die Tochtergesellschaften in voller Höhe ausfallen würden. Zudem habe der Konkursverwalter ausgeführt, dass die Darlehen zwar schwer einziehbar seien, der bisherige Buchwert in der Eröffnungsbilanz jedoch beibehalten werde. Man habe vielmehr versuchen wollen, die Forderungen einzutreiben. Wenn der Konkursverwalter von der Erfolglosigkeit der Beitreibung überzeugt gewesen wäre, hätte er erst gar nicht versucht, die Forderungen einzutreiben.

Dem Senat haben die beim Beklagten unter den Steuernummern (...) bzw. (...) geführten Steuerakten des Streitjahres einschließlich der Arbeitsakte I des Betriebsprüfers zur Auftragsnummer (...) vorgelegen. Wegen des weiteren Vorbringens und der gestellten Beweisanträge wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2022 Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 8. September 2011 in der Fassung der (Teil-)Einspruchsentscheidung vom 21 März 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Verlust aus der Auflösung der A-AG gemäß § 17 Abs. 4 EStG im Jahr 2010 nicht zu berücksichtigen ist.

1. Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält (vgl. u.a. Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 41. Aufl., § 17 Rz 10). Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH, Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344, unter 1. der Gründe, m.w.N.).

Der Kläger war seit mehr als 5 Jahren wesentlich am Kapital der AG beteiligt. Die Beteiligung betrug im Streitjahr 13,07 % und gehörte zum Privatvermögen des Klägers. Mit Beschluss des Kreisgerichts in C vom 9. August 2010 wurde über das Vermögen der AG das Konkursverfahren eröffnet. Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens ist die AG auch nach slowenischen Recht aufgelöst.

2. Der Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG ist jedoch nicht bereits im Jahr 2010 entstanden.

a) Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlust vorzunehmen ist. Maßgebend ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre (BFH, Urteil vom 19. November 2019 IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675). Ein Gewinn ist erst in dem Jahr zu erfassen, in dem das auf die Beteiligung entfallende Vermögen der Gesellschaft verteilt wurde; ein Verlust kann bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteile des BFH vom 19. November 2019 IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675 Rz. 16; vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, BStBl II 2014, 786 Rz. 18; vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385, Rz. 13; vom 10. Mai 2016 IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681, Rz. 17; jeweils m.w.N.).

Ein Auflösungsverlust steht fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen (BFH, Urteile vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, BStBl II 2014, 786 und vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385, Rz. 14). Die Frage ist aus der Ex-ante-Sicht zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH, Urteile vom 2. Dezember 2014 IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666, Rz. 14; vom 10. Mai 2016 IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681 und vom 13. März 2018 IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721 Rn. 18).

Im Falle der Liquidation der Gesellschaft schließt der BFH eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann aus, wenn die Liquidation abgeschlossen ist (vgl. BFH, Urteil vom 19. November 2019 IX R 17/19, BFH/NV 2020, 675 [BFH 19.11.2019 - IX R 7/19], Rz. 18 und vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385). Nur ausnahmsweise kann dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden (grundlegend BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731), etwa wenn die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385, Rz. 37; Beschlüsse vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406 [BFH 27.11.1995 - VIII B 16/95], Rz. 10; vom 4. Oktober 2007 VIII S 3/07 -PKH-, BFH/NV 2008, 209 [BFH 04.10.2007 - VIII S 3/07 (PKH)], Rz. 4) oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH, Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344, Rz. 20). In diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden (BFH, Urteil vom 10. Mai 2016 IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681, Rz. 19).

Bei einer Auflösung der Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 76 [BFH 23.08.2000 - VII B 146/00], unter II.3., Rz 24). Etwas anderes hat der BFH in diesen Fällen ausnahmsweise nur dann für möglich gehalten, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters (§§ 123,124 KO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 132 Abs. 2 KO) ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (BFH, Urteile vom 12. Dezember 2000 VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757, unter I.2., Rz 20; vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, unter II.4., Rz 25; vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385, Rz. 17; vom 11. April 2017 IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155 [BFH 11.04.2017 - IX R 24/15], Rz. 31). Entsprechendes gilt, wenn sich derartige Erkenntnisse aus dem Inventar und der Insolvenzeröffnungsbilanz (§§ 151, 153 f. InsO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 66 Abs. 2 InsO) des Insolvenzverwalters ergeben (Schmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17 EStG Rz 276; Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz E 106; Jäschke in: Lademann, EStG, § 17 EStG Rz 299; FG Köln, Urteil vom 26. November 2014 7 K 1444/13, EFG 2015, 638).

Zudem setzt die Entstehung eines Auflösungsverlusts voraus, dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht. Es muss daher absehbar sein, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten entstehen. Insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten. Zu der Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene der Gesellschaft muss also die Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten (vgl. u.a. BFH, Urteile vom 25. März 2003 VIII R 24/02 BFH/NV 2003, 1305 [BFH 25.03.2003 - VIII R 24/02], beginnend II.2.c cc, Rz 21 ff.; vom 21. Januar 2004 VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 947, unter II.2.b, Rz 20; vom 1. März 2005 VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2171, unter II.2., Rz 18; vom 28. Oktober 2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561, unter II.2.b bb, Rz 17; vom 14. März 2012 IX R 37/11, BStBl II 2012, 487; vom 2. Dezember 2014 IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666, Rz. 12; vom 10. Mai 2016 IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681, Rz. 20; Gosch in: Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 17 Rz 127; Weber-Grellet in: Schmidt, a.a.O., § 17 Rz 223 ff.). Hat der Gesamtvollstreckungsverwalter gegen den Gesellschafter eine zivilrechtliche Klage erhoben, die für den Gesellschafter im Fall seines Unterliegens zu weiteren nachträglichen Anschaffungskosten führt, ist sein Auflösungsverlust jedenfalls nicht vor Beendigung des Klageverfahrens realisiert (vgl. BFH, Urteil vom 1. März 2005 VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2171).

b) Der Senat folgt diesen, durch die Rechtsprechung gefestigten Grundsätzen und schließt sich nicht der von den Klägern vertretenen Auffassung an, dass der Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG regelmäßig bereits mit der zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft, d.h. mit Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens, entstanden und zu berücksichtigen ist.

Insbesondere sieht der Senat - entgegen der Ansicht der Kläger - hierin auch keinen Verstoß gegen den Wortlaut des § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG und die Grundsätze des Leistungsfähigkeitsprinzips. Denn der Gesellschafter einer Aktiengesellschaft kann auch nach einer Auflösung der Gesellschaft weiterhin über seine Anteile verfügen und diese u.U. sogar noch veräußern. Ein möglicher vollständiger Verlust in Form der Wertlosigkeit der Anteile konkretisiert sich erst im Zeitpunkt des Schlussberichtes des Konkursverwalters.

c) Der Senat folgt ferner nicht der Auffassung des Bevollmächtigten im Termin der mündlichen Verhandlung, dass sich aus dem Urteil des BFH vom 17. November 2020 (VIII R 20/18, BStBl II 2021, 378) ein weiterer Ausnahmetatbestand für die Berücksichtigung des Verlustes im Streitjahr ergibt.

Die zitierte Entscheidung des BFH betrifft bereits nicht die Berücksichtigung eines Verlustes im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG, sondern die Frage der Realisation von Substanzgewinnen und -verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dabei ist der BFH in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass bei analoger Anwendung des Tatbestands in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG eine Veräußerung im Sinne der Norm bereits dann vorliegen kann, wenn die Aktien aus dem Depot des Steuerpflichtigen ausgebucht werden. In seinem Urteil weist der BFH jedoch ausdrücklich darauf hin, dass - im Gegensatz zur Ermittlung des Gewinns oder Verlusts nach § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG - gerade keine Stichtagsbewertung nach einer Ex-ante-Prognose vorzunehmen ist, sondern das Zuflussprinzip gemäß § 11 EStG gilt. Die Ermittlung der Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG und des Gewinns bzw. Verlusts i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG folgen vielmehr unterschiedlichen Grundsätzen.

d) Nach Maßgabe der vom BFH aufgestellten Grundsätzen kommt eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes im Streitjahr 2010 nicht in Betracht.

aa) Eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an den Kläger war im Streitjahr, dem Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nicht ausgeschlossen, weil das Konkursverfahren nicht mangels Masse abgelehnt worden ist, sondern durch Beschluss des Kreisgerichts in C vom 9. August 2010 eröffnet wurde und die Gesellschaft in diesem Zeitpunkt, dem Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses, nicht vermögenslos war.

Vermögenslosigkeit in dem Sinne, dass eine Vorverlagerung des Verlustentstehungszeitpunktes in Betracht kommt, ist nur dann gegeben, wenn nach ordentlicher kaufmännischer Betrachtungsweise kein Vermögen mehr vorhanden ist, das als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden kann und zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung steht (BFH, Urteil vom 13. März 2018 IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721).

Die AG war im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht vermögenslos, da sie ausweislich der dem Vorschlag für die Einleitung des Konkursverfahrens (Konkurseröffnungsantrag) vom 4. August 2010 beigefügten Vermögensaufstellung auf den 30. Juni 2010 über ein positives Kapital in Höhe von 1.986.317 € sowie Vermögenswerte im Umfang von 67.702.040 € verfügte. Auch die Eröffnungsbilanz des Konkursverwalters vom 18. Januar 2011 weist auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 9. August 2011 einen Überschuss an Mitteln in Form der Verpflichtungen gegenüber Eigentümern in Höhe von 3.957.210,72 € sowie verwertbares Aktivvermögen in Form von Sachanlagen (Grundstücke, Gebäude, Produktionsausrüstung), Vorräte, Forderungen, Finanzinvestitionen und Geldmittel im Umfang von 73.887.478,39 € aus.

Dabei ist unbeachtlich, ob die Gesellschaft bei Konkurseröffnung überschuldet oder zahlungsunfähig war. Der BFH stellt in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 13. März 2018 IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721) allein darauf ab, ob "nach ordentlicher kaufmännischer Betrachtungsweise kein Vermögen mehr vorhanden ist, dass als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden kann und zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung steht". Danach kommt es nicht darauf an, ob - wie die Kläger behaupten - die Schulden das Vermögen der Konkursschuldnerin um ein Vielfaches übersteigen (siehe auch BFH, Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BStBl II 2000, 344 [BFH 14.03.2000 - X R 46/99]). Entscheidend ist, ob die Konkursschuldnerin aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter hatte. Dieses war im Streitfall gegeben. Das vom Konkursverwalter am 18. Januar 2011 auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung festgestellte Vermögen in Höhe von 73.887.478,39 € stellt dabei ein mehr als nur unerhebliches Vermögen dar.

bb) Die Berücksichtigung des Auflösungsverlustes vor dem Abschluss eines Liquidationsverfahrens kommt im Streitfall auch nicht deshalb in Betracht, weil aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erschien (BFH, Urteile vom 19. November 2019 IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675, vom 12. Dezember 2000 VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757 [BFH 12.12.2000 - VIII R 34/94] und VIII [BFH 09.08.2000 - IX B 55/00] R 96/97, BFH/NV 2001, 761 [BFH 12.12.2000 - VIII R 36/97]).

(1) Unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der dem Eröffnungsantrag beigefügten Bilanz auf den 30. Juni 2010, der Konkurseröffnungsbilanz vom 18. Januar 2011 auf den 9. August 2010 sowie den gegenüber dem Konkursgericht erfolgten Zwischenberichten vom 18. Januar 2011 bzw. 24. Februar 2011 für den Zeitraum 9. August 2010 bis 31. Dezember 2010 konnte diese Feststellung nicht getroffen werden. Die Feststellung ist dabei im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens aus Ex-ante-Sicht zu treffen. Es kommt damit lediglich darauf an, wie sich die (Vermögens-)Situation der Konkursschuldnerin zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens am 9. August 2010 dargestellt hat. Erkenntnisse über den Wert der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens der AG, welche sich später - insbesondere nach dem Streitjahr - eingestellt haben, bleiben unberücksichtigt. Hieraus folgt, dass auch die werterhellenden Ermittlungen, wie sie der Konkursverwalter im Rahmen seiner Berichtspflicht gegenüber dem Konkursgericht schildert, nur insoweit Berücksichtigung finden können, als sie im Streitjahr bereits offen zutage getreten sind. Die laufende Anpassung der Eröffnungsbilanz auf den 9. August 2010 infolge der fortschreitenden Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens und die sich hieraus ergebenden Erkenntnisse über die Vermögenssituation der AG sind hingegen außer Betracht zu lassen.

Vor diesem Hintergrund hält es der erkennende Senat bereits für fraglich, ob die Berichte des Konkursverwalters, auf welche sich die Kläger maßgeblich stützen, überhaupt geeignet sind, als Grundlage für eine solche Feststellung zu dienen. Denn die Wertermittlungen des Konkursverwalters erfolgten zwar auf den Stichtag der Konkurseröffnung am 9. August 2010 wurden jedoch erst außerhalb des Streitjahres vorgenommen und berücksichtigen damit zwischenzeitlich erlangte werterhellende Erkenntnisse. So führt der Konkursverwalter in seinem Bericht vom 18. Januar 2011 aus, dass der Wert des Anlagevermögens bis zur endgültigen Anfertigung aller Schätzungsberichte laufend korrigiert werde. Eine Ermittlung der Vermögenswerte der AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung aus der maßgebenden Ex-ante-Sicht liegt im Streitfall tatsächlich nicht vor. Die erste Einschätzung des Konkursverwalters datiert auf den 18. Januar 2011 und auch hier mangelt es an aussagekräftigen Liquidationswerten, da nach eigenen Angaben des Konkursverwalters infolge der Komplexität des Vermögens der Konkursschuldnerin eine abschließende (Ein-)Schätzung noch nicht vorgenommen werden konnte (vgl. Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 Ziffer 2. "Beschreibung der Konkursmasse und des Vermögens").

(2) Dies vorangestellt stützen auch die Berichte des Konkursverwalters nicht die Annahme, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens - ohne weitere Ermittlungen - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststand, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr werde decken können.

Eine abschließende Beurteilung der Vermögenssituation war dem Konkursverwalter im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht möglich. Auch er hat weitere umfangreiche Ermittlungen und Maßnahmen für erforderlich gehalten, um das Vermögen der AG zu beurteilen. So weist er in seinem Bericht an das Konkursgericht vom 18. Januar 2011 daraufhin, dass die Vermögenswerte geschätzt werden müssten und, "dort wo die Schätzungen noch nicht erstellt wurden", die ursprünglichen Bilanzwerte übernommen worden seien. Ferner führt er aus, dass auch das Anlagevermögen teilweise nach Liquidationswerten, teilweise jedoch nach den Daten aus der Schlussbilanz vor dem Beginn des Konkursverfahrens berücksichtigt und laufend angepasst worden sei. Zudem seien die offenen Forderungen aufgrund anhängiger Zivilprozesse und eingeleiteter Strafverfahren unbestimmt. Ebenso habe der Wert der bestehenden erheblichen Beteiligungen der AG an Tochtergesellschaften im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nach den Ausführungen des Konkursverwalters im Bericht an das Konkursgericht vom 24. Februar 2011 nicht abschließend bestimmt werden können, da auch über das Vermögen einiger Tochtergesellschaften das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Schließlich weist der Konkursverwalter in seinem Bericht über den Verlauf des Konkursverfahrens vom 24. Februar 2011 darauf hin, dass insbesondere hinsichtlich der Beteiligungen zahlreiche geschäftliche und eigentumsrechtliche Verpflichtungen bestünden, die nur "schrittweise und mit viel Geduld" gelöst werden könnten. Zur Wertermittlung der Geschäftsanteile, Immobilien und Ausrüstung sah es der Konkursverwalter sogar als erforderlich an, mehrere Sachverständige zu beauftragen (Bericht vom 24. Februar 2011 Ziffer 1.1 vorletzter Absatz).

Wenn die Kläger demgegenüber einwenden, dass trotz fehlender Liquidationswerte und abschließender Beurteilung einzelner Vermögenswerte bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung für die Beteiligten festgestanden habe, dass eine Auszahlung an die Gesellschafter infolge einer offensichtlichen, vielfachen Überschuldung der AG ausgeschlossen sei, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Denn sowohl die Bilanz auf den 30. Juni 2010 als auch die mit Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 vorgelegte Bilanz auf den Tag der Konkurseröffnung am 9. August 2010 weisen ein positives Kapital aus. Eine Überschuldung der Gesellschaft lag hiernach nicht vor. Auch der Konkursverwalter sah sich Ausweislich seiner Ausführungen im Eröffnungsbericht aufgrund der Komplexität des Vermögens der Konkursschuldnerin nicht in der Lage, deren Vermögensstand hinreichend zu bewerten.

Der Vortrag, das realistische Vermögen der Gesellschaft habe im Zeitpunkt der Konkurseröffnung lediglich einen Bruchteil des angegebenen Wertes betragen, findet in den vorliegenden Unterlagen keine Bestätigung. Die vom Konkursverwalter im Schreiben vom 11. Dezember 2015 aufgestellte Behauptung einer Überschuldung der AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung von ca. 60 Mio. € lässt sich anhand der vorliegenden Zahlen nicht nachvollziehen. Es ist zudem nicht erkennbar, wie die angegebenen "Liquidationswerte" ermittelt wurden. Dabei macht es einen Unterschied, ob es sich um "Zerschlagungswerte" oder um "normale Abwicklungswerte" handelt (vgl. dazu Scholz/Karsten Schmidt, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 63 Rz. 10, 11; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 102 Rz. 6 i, 6 l, m.w.N.).

Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass der Konkursverwalter in seinen Bescheinigungen vom 27. November 2014, 11. Dezember 2015 und 9. März 2016 sowie in seinen zusätzlichen Erläuterungen zur Eröffnungsbilanz vom 30. November 2018 bzw. 7. Dezember 2018 unmissverständlich ausgeführt habe, dass keine Ausgleichszahlungen an die Gesellschafter erfolgen würden, ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass die Beurteilung des Konkursverwalters über die wirtschaftliche Situation der AG in diesem Zusammenhang ex-post erfolgt ist und nicht - wie erforderlich - ex-ante vorgenommen wurde.

(3) Schließlich kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Dauer eines Konkursverfahrens - wie auch der Streitfall angesichts des nun mehr als 10 Jahre andauernden Verfahrens zeigt - nicht abzuschätzen ist und sich die Marktwerte der Wirtschaftsgüter im Laufe des Verfahrens erheblich verändern können. Stille Reserven sind bei Veräußerungsgeschäften erst dann realisiert, wenn der Veräußerer seine Sachleistung erbracht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 41. Aufl., § 5 Rz. 607; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Aufl., § 6 I. 2.) oder der Konkursverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert. So führt auch der Konkursverwalter am 19. Juli 2017 aus, dass eine zunächst mit 5,9 Mio. € bewertete Immobilie voraussichtlich lediglich einen Kaufpreis von 4,0 Mio. € erzielen werde. Angesichts dieser Unwägbarkeiten kann es nur ausnahmsweise (etwa in Fällen der Vermögenslosigkeit) zu einer Vorverlegung des Verlustzeitpunktes im Sinne des § 17 EStG kommen.

(4) Vorliegend ist vielmehr festzustellen, dass - selbst nach den Ausführungen des Konkursverwalters - im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ohne weitere Ermittlungen die Vermögenswerte der AG nicht festgestellt werden konnten. Soweit der Konkursverwalter in seinem Bericht vom 18. Januar bzw. 24. Februar 2011 und in den folgenden Berichten zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Einlösung des Vermögens der AG ein Überschuss nicht entstehen werde und mit einer Auszahlung an die Gesellschafter nicht zu rechnen sei, handelt es sich lediglich um Mutmaßungen - und nicht um gesicherte Erkenntnisse -, die eine Vorverlegung des Berücksichtigungszeitpunktes des Auflösungsverlustes nicht zu begründen vermögen.

(5) Darüber hinaus kommt eine vorzeitige Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes auch dann nicht in Betracht, wenn ein endgültiger Liquidationsverlust der Gesellschafter möglicherweise ausscheidet, weil es aufgrund eines Sanierungsplans und der Fortsetzung des laufenden Geschäftsbetriebs gar nicht zu einer Vollbeendigung der Gesellschaft kommt.

Denn die infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgte Auflösung der Gesellschaft muss nicht notwendig zu deren Vollbeendigung führen. Ziel der Eröffnung eines Konkursverfahrens kann neben der Zerschlagung der Gesellschaft auch die Herbeiführung eines Zwangsvergleichs oder die Übernahme des Geschäftsbetriebs durch einen Investor sein. Selbst bei erheblicher Überschuldung der Gesellschaft ist bis zur Schlussverteilung ein Zwangsvergleich möglich, wenn die Masse ausreicht, um die Masseansprüche und die bevorrechtigten Gläubiger zu befriedigen (vgl. §§ 173, 175, 191 KO, und dazu Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 175 Rz. 6). Solange diese Möglichkeiten nicht auszuschließen sind, ist eine Prüfung der jeweiligen Vermögenssituation der Gesellschaft mit dem Ziel der Feststellung, dass ein endgültiger Verlust bereits eingetreten ist, nicht vorzunehmen.

Im vorliegenden Streitfall bestand nach Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens durchaus die Möglichkeit der Fortführung des Geschäftsbetriebs der AG durch Eintritt eines Investors.

Entsprechend des Eröffnungsberichts vom 9. August 2010 wurde der Geschäftsbetrieb der AG in einzelnen Bereichen fortgeführt. Laufende Mietverträge waren nicht gekündigt und weitere, teilweise befristete, Mietverhältnisse mit den Firmen E, H und I abgeschlossen worden. Die Mietverhältnisse, welche im August/September 2010 abgeschlossen worden waren, waren aufgrund einer 6-monatigen Befristung mit Verlängerungsoption zum 31. Dezember 2010 noch nicht beendet und ihre Verlängerung über das Streitjahr hinaus noch ungewiss. Ausweislich vorliegender journalistischer Berichte waren die Verhandlungen zur Übernahme der AG durch den (...) Konkurrenten E ebenfalls noch nicht beendet. So berichtete das Magazin "(...)" am 6. und am 11. August 2010 unter Berufung auf die (...) Wirtschaftsministerin von einer Übernahme der AG durch die Firma E. Auch das (...) berichtete noch am 4. Oktober 2010 - unter Bezugnahme auf eine Rede des (...) Ministerpräsidenten vom 15. September 2010 - von einer Übernahme durch den (...) Autozulieferer und einem "Neuanfang" bei der AG und zitierte den Geschäftsführer der Firma E zu den Absichten des Unternehmens eine bestehende Kaufoption für bisher angemietete Produktionsstätten einlösen zu wollen. Wie aus einem weiteren Bericht des (...) vom 17. März 2013 ersichtlich, endete das Engagement der Firma E erst im Frühjahr 2013.

cc) Neben der Beurteilung der Vermögenssituation der Gesellschaft im Zeitpunkt der Konkurseröffnung erfordert die vorzeitige Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes auf Ebene des Gesellschafters zudem die gesicherte Feststellung, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen werden und welche im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufgabekosten der Gesellschafter zu tragen hat.

Diese Feststellung kann der Senat mit der aus dem Verfahren erlangten Überzeugung nicht treffen. Zwar gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die historischen Anschaffungskosten durch den Kläger ordnungsgemäß ermittelt wurden. Nach Auffassung der Kläger war auch mit nachträglichen Anschaffungskosten nicht zu rechnen. Diese Auffassung vermag das Gericht nicht zu teilen. Vielmehr weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass im Streitfall nicht auszuschließen war und ist, dass aufgrund der laufenden vielfältigen Gerichtsverfahren weitere Aufwendungen gemäß § 17 Abs. 2 EStG, z.B. Verfahrens-, Rechts- und Beratungskosten sowie Schadensersatzforderungen, anfallen könnten. Ausweislich der Ausführungen des Konkursverwalters im Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 war mit weiteren Gerichtsverfahren zu rechnen. Auch für mögliche Klagen ehemaliger Arbeitnehmer gegen die Gesellschafter der AG wegen ausstehender Gehaltszahlungen finden sich Anhaltspunkte in den vorliegenden Unterlagen. Ebenso ist infolge der Vorlage verdichteter Bilanzen nicht auszuschließen, dass die Veränderung des Kapitals in den Bilanzen auf den 31. Dezember 2009 und dem Tag der Konkurseröffnung am 9. August 2010 auf eine Kapitalherabsetzung/-rückzahlung zurückzuführen ist, die zur nachträglichen Veränderung der historischen Anschaffungskosten führen würde.

3. Die Sache war nicht zu vertagen, um den Beweisanträgen der Kläger nachzugehen. Den Beweisanträgen war nicht zu entsprechen.

a) Soweit die Kläger geltend machen, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen sei, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheide, das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und keine Aussicht mehr bestanden habe, die AG zu sanieren oder fortzuführen und hierzu Beweis durch Vernehmung des Konkursverwalters Herrn D angeboten haben, war der Senat nicht verpflichtet, das Verfahren zu vertagen, um den benannten Zeugen zu vernehmen.

aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass ein im Ausland ansässiger Zeuge vom Gericht nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung dieses Zeugen beantragt, gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO zu stellen ist. (vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 11. November 2004 V B 82/04, BFH/NV 2005, 568; vom 21. August 2006 X B 154/05, BFH/NV 2006, 2285; vom 10. April 2014 XI B 138/13, BFH/NV 2014, 1079 [BFH 10.04.2014 - XI B 138/13]). Insoweit darf das Gericht für den Fall, dass der Zeuge von dem rechtskundig vertretenen Beteiligten nicht gestellt wurde, grundsätzlich ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) würdigen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 11. November 2004 V B 82/04, BFH/NV 2005, 568; vom 23. September 2010 XI B 97/09, BFH/NV 2011, 269; vom 30. Mai 2011 XI B 90/10, BFH/NV 2011, 1479).

Auch braucht das Gericht einem Antrag auf Vertagung nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Verhinderung eines im Ausland lebenden Zeugen jeweils dann nicht nachgehen, wenn dessen Verhinderung nicht nachprüfbar entschuldigt ist und außerdem der Beweisführer keine Angaben dazu macht, wann damit zu rechnen ist, dass dieser für eine Aussage zur Verfügung steht (vgl. BFH, Beschlüsse vom 5. Februar 2004 V B 205/02, BFH/NV 2004, 964 und vom 8. August 2006 X B 161/04, BFH/NV 2006, 2119).

Im Streitfall war mit dem Konkursverwalter D eine im Ausland ansässige Person als Zeuge benannt worden. Dieser war im Termin der mündlichen Verhandlung durch die fachkundig vertretenen Kläger nicht gestellt worden. Eine hinreichende Entschuldigung der als Zeuge benannten Person erfolgte nicht. Ausweislich der im Termin der mündlichen Verhandlung durch den Steuerberater der Kläger überreichten E-Mail des Herrn D vom 13. Dezember 2022 sah sich dieser nicht in der Lage, am Termin der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und bat, das Gericht entsprechend zu informieren. Einen Grund für seine Verhinderung teilte er nicht mit.

Vor diesem Hintergrund war das Gericht nicht verpflichtet, die Sache zu vertagen, da die Verhinderung der als Zeuge benannten Person nicht nachprüfbar entschuldigt war. Weder die als Zeuge benannte Person noch die Kläger haben nachprüfbar dargetan, warum seine Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2022 nicht möglich gewesen ist. Es ist nicht erkennbar, dass der benannte Zeuge reiseunfähig erkrankt war oder sonstige gewichtige Gründe vorlagen, die ihn an der Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung gehindert haben.

bb) Darüber hinaus bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises (§ 291 ZPO). Hieraus folgt, dass nur Tatsachen, nicht aber Mutmaßungen oder subjektive Einschätzungen Gegenstand einer Beweiserhebung sein können.

Der vollständige und endgültige Ausfall eines Konkursgläubigers steht - als Tatsache - erst dann fest, wenn das Konkursverfahren beendet ist und er bei der Schlussverteilung keine Zahlung auf seine Forderungen erhalten hat. Bis zu diesem Zeitpunkt steht nicht fest, ob und ggf. in welchem Umfang er seine Forderungen realisieren kann. Ein vollständiger Ausfall mag bis zu diesem Zeitpunkt möglich erscheinen oder gar drohen. Es handelt sich bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens aber lediglich um eine spekulative, keines Beweises zugängliche Mutmaßung.

Im Streitfall hat der Konkursverwalter in seinem Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 angenommen, dass bei Einlösung des Gesellschaftsvermögens kein Überschuss entstehe, weil aufgrund der Erfahrungen aus anderen Konkursverfahren und weiterer Unwägbarkeiten unmöglich einzuschätzen sei, ob das Vermögen in der angegebenen Höhe eingelöst werden könne. In den nachfolgenden Schreiben des Konkursverwalters erklärt dieser, dass unter Berücksichtigung der noch einzulösenden Konkursmasse keine Ausgleichszahlungen an die Gesellschafter vorgesehen seien und bestätigt werden könne, dass diese aus der Konkursmasse nicht entschädigt würden. Es handelt sich insgesamt um Vermutungen und subjektive Einschätzungen des Konkursverwalters, die eines Beweises nicht zugänglich sind. Die diesen Vermutungen zugrundeliegenden Tatsachen in Form der Vermögenssituation der AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ergeben sich aus den vorliegenden Vermögensaufstellungen. Die Bewertung dieser Tatsachen und die sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen unterliegen allein der Beurteilung durch das Gericht.

Darüber hinaus erachtet der Senat den erfolgten Beweisantritt der Kläger als nicht schlüssig, da ausweislich der Ausführungen des Konkursverwalters im Eröffnungsbericht vom 18. Januar 2011 der Vermögensstand der Konkursschuldnerin im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgrund der Komplexität des Vermögens (noch) nicht abschließend beurteilt werden konnte. Infolge der stichtagsbezogenen Einschätzung des Konkursverwalters dürfte eine erneute Befragung desselben zu keinem anderen Ergebnis führen. Erhellende Erkenntnisse würden vielmehr einer rückblickenden Betrachtung unterliegen und damit gegen die gebotene Ex-ante-Betrachtung verstoßen.

b) Vor diesem Hintergrund war der Senat auch nicht verpflichtet, dem in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag der Kläger zu entsprechen und zum Beweis der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststand, dass keine Zuteilung oder Rückzahlungen oder sonstige Zahlungen an die Kläger im Zusammenhang mit der Beteiligung an der AG erfolgen werde, einen Sachverständigen zu hören. Denn die Begutachtung durch einen Sachverständigen würde aus heutiger Sicht erfolgen und damit dem Grundsatz einer Ex-ante-Prognose entgegenstehen. Zudem stellt die Begutachtung durch einen Sachverständigen mit der indizierten Behauptung, dieser komme zu einer anderen Bewertung als der Konkursverwalter, einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag dar.

c) Soweit die Kläger die Behauptung aufstellen, dass im Rahmen des Konkursverfahrens keine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter erfolgt ist und hierzu ebenfalls Beweis durch die Benennung des Konkursverwalters Herrn D angeboten haben, konnte der Senat auf eine Beweiserhebung verzichten, da diese Behauptung vom erkennenden Gericht als wahr unterstellt wird. Denn ein Vortrag, dessen Wahrheit das Gericht unterstellt, bedarf keines Beweises. Es ist deshalb in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass das Finanzgericht in einem solchen Fall von einer beantragten Beweiserhebung absehen darf (BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 I B 47/04, BFH/NV 2006, 746 m.w.N.).

Der Senat geht vorliegend mit den Klägern davon aus, dass das Konkursverfahren über das Vermögen der AG bisher nicht abgeschlossen wurde und eine Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen an die Kläger nicht erfolgt ist. Soweit die Kläger hieraus jedoch ableiten, dass damit die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes im Streitjahr bereits vorlagen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr hat die Beurteilung aus Ex-ante-Sicht zum Stichtag der Konkurseröffnung zu erfolgen. Nachträgliche Erkenntnisse bleiben hierbei unberücksichtigt. Insofern wird auf die zuvor gemachten Ausführungen verwiesen.

c) Wenn der Prozessbevollmächtigte im Termin der mündlichen Verhandlung ferner darauf hinweist, dass der Eröffnungsbericht des Konkursverwalters auf den 18. Januar 2011 teilweise unklar sei und nicht nachvollzogen werden könne und aus diesem Grund eine Zeugeneinvernahme des Konkursverwalters angezeigt sei, so handelt es sich nicht eine Tatsachenbehauptung, welche durch den angebotenen Zeugenbeweis bewiesen werden soll, sondern vielmehr um eine aufgestellte, unsubstantiierte Vermutung zur Erforschung des Aussagewertes des eigenen Beweisangebot. Einem unsubstantiierten Beweisantrag muss das Gericht jedoch nicht nachgehen. Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er - wie vorliegend - nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll (BFH, Urteil vom 17. Mai 2017 II R 35/15, BStBl II 2017, 966).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

5. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen im Streitfall nicht vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Entscheidung beruht maßgeblich auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls. Gleichfalls begründet die von den Klägern vertretene Auslegung des § 17 Abs. 1, Abs. 4 EStG keine Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Die Grundsätze für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Der Senat folgt mit seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des BFH.