Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.02.2017, Az.: 6 W 16/17

Zulässigkeit einer lediglich angeblich dem Wunsch des Erblassers entsprechenden Beschwerde eines Erbprätendenten im Erbscheinsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.02.2017
Aktenzeichen
6 W 16/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 14600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2017:0220.6W16.17.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bremervörde - 04.11.2016 - AZ: 2 VI 158/16

Fundstellen

  • ErbR 2017, 289
  • ZEV 2017, 236

Amtlicher Leitsatz

Beschwerdeberechtigung besteht auch, wenn sie trotz Bestehens ausdrücklich nicht geltend gemacht wird.

Die Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht von Amts wegen ist gegeben, wenn das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren minderjährige Erbprätendenten nicht ordnungsgemäß beteiligt hat, indem es deren Mutter die Vertretung im Erbscheinsverfahren nicht entzogen und ihnen statt dessen insoweit einen Ergänzungspfleger nicht bestellt hat.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und das ihm zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Dieses wird auch zu entscheiden haben, ob es die zur Durchführung dieses Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten einem anderen in entgegengesetztem Sinne Beteiligten auferlegt.

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig und in dem aus der Formel dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind durch den angefochtenen Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG), obwohl sie (Seite 3 der Beschwerdeschrift - Bl. 86 d. A.) "darauf hinw(ei)sen, dass (sie) nicht in eigenem Interesse handel-(te)n, sondern lediglich den Wunsch (des Erblassers) berücksichtigt wissen woll-(t)en ..., dass die vier Kinder angemessen berücksichtigt w(ü)rden."

1. Da, wenn jemand das von ihm beanspruchte Erbrecht schon nach dem von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt nicht haben kann, seine Beschwerde nicht unzulässig, sondern von Amts wegen gleichwohl zu prüfen ist, ob das Amtsgericht den von ihm in Aussicht gestellten Erbschein erteilen darf (vgl. BGH Beschl. v. 16. Dez. 2015 zu IV ZB 13/15 bei juris Rn. 15 - 17), ist umgekehrt dieses ebenso zu prüfen, wenn jemand, der Beschwerde führt, ein Erbrecht haben kann, ein solches indessen ausdrücklich nicht für sich beansprucht. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (a. a. O. Rn. 18) ausgeführt, wenn ein Berechtigter Beschwerde eingelegt habe, seien Beschränkungen des Prüfungsumfangs auf Begründetheitsebene nicht mehr möglich.

2. Die Beteiligten zu 2 und 3, Eltern des Erblassers, kommen, falls ihre Ansicht zutrifft, das gemeinschaftliche Testament des Erblassers und der Beteiligten zu 1, dessen Ehefrau, vom 13. März 2016 sei unwirksam, als dessen Erben in Betracht aufgrund des von dem Erblasser am 29. Januar 2016 errichteten Einzeltestamentes. In diesem hat der Erblasser sein Vermögen nach Einzelgegenständen unter seinen vier Kindern, der Beteiligten zu 1 sowie den Beteiligten zu 2 und 3 aufgeteilt, bezogen auf letztgenannte durch die Verfügung "Dafür bekommen meine Eltern S...."

II.

Das Amtsgericht hat in der Sache noch nicht entschieden im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

1. Es hat die Kinder der Beteiligten zu 1 und Enkelkinder der Beteiligten zu 2 und 3, die es nach pflichtgemäßem Ermessen als Beteiligte hinzuziehen musste (§ 345 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG), weil sie nach dem Inhalt des Testamentes vom 29. Januar 2016 als Erben des Erblassers in Betracht kommen und nach den äußeren Umständen (Errichtung kurz vor dem Tod des Erblassers, zwei Unterschriften des Erblassers statt einer und deren undeutliches Erscheinungsbild, Mitzeichnung einer Zeugin) Zweifel an der Wirksamkeit des Testamentes vom 13. März 2016 bestehen, nicht wirksam hinzugezogen (dazu: Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 69 Rn. 14). Das Amtsgericht hat die Kinder der Beteiligten zu 1 zu deren Händen als gesetzlicher Vertreterin (§ 1629 Abs. 1 Satz 1, 3 Fall 1 BGB) beteiligt, obwohl es den Kindern einen Ergänzungspfleger (§ 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB) für die Vertretung im Erbscheinsverfahren hätte bestellen müssen, nachdem es der Beteiligten zu 1 die Vertretung ihrer Kinder in diesem Verfahren entzogen hatte (§ 1629 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1, § 1796 Abs. 1 Fall 1 BGB). Das Interesse der Kinder steht in erheblichem Gegensatz zu demjenigen der Beteiligten zu 1 (§ 1796 Abs. 2 Fall 1 BGB). Während der Beteiligten zu 1 daran liegt, als Alleinerbin des Erblassers aufgrund des Testamentes vom 13. März 2016 ausgewiesen zu sein, wie sich an ihrer Antragstellung im Verfahren und bedenkenlosen Vertretung ihrer Kinder dem Nachlassgericht gegenüber in ihrem - der Beteiligten zu 1 - Sinne zeigt, können die Kinder mit guten Gründen Wert darauf legen, die Unwirksamkeit des vorbezeichneten Testamentes geltend zu machen und zumindest als Miterben des Erblassers aufgrund dessen Testamentes vom 29. Januar 2016 zu gelten (vgl. auch: OLG Köln Beschl. v. 28. Feb. 2000 zu 27 UF 24/00 bei juris Rn. 6 - 9).

2. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen davon abgesehen, selbst für die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Kinder der Beteiligten zu 1 durch das Familiengericht zu sorgen, um alsdann selbst abschließend entscheiden zu können. Er bewertet das berechtigte Interesse der Kinder der Beteiligten zu 1 daran, nicht eine Tatsacheninstanz zu verlieren, höher als Mehrkosten, die den bislang Beteiligten durch die Zurückverweisung entstehen können. Es bleibt abzuwarten, wie die Kinder der Beteiligten zu 1 sich, ordnungsgemäß vertreten, zu deren Erbscheinsantrag stellen. Nicht auszuschließen ist, dass diese Stellungnahme weitere Ermittlungen, insbesondere hinsichtlich der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers, als er am 13. März 2016 letztwillig verfügte, nach sich zieht.

Dem Senat war verwehrt zu entscheiden, ob die Erstattung von Kosten des Beschwerdeverfahrens stattfindet. In die Entscheidung darüber gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, § 84 FamFG ist der endgültige Ausgang des Erbscheinsverfahrens einzubeziehen.

Für die Festsetzung des Beschwerdewerts bestand keine Notwendigkeit. Gerichtsgebühren sind für die erfolgreiche Beschwerde nicht angefallen (§ 25 Abs. 1 GNotKG).