Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.1981, Az.: 3 Sa 23/81

Konkursrechtliche Privilegierung eines einzelvertraglichen Konkursanspruches; Gerichtliche Feststellung eines einzelvertraglichen Abfindungsanspruches; Vorrechte eines Arbeitnehmers bei konkursbedingter Kündigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.06.1981
Aktenzeichen
3 Sa 23/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 10277
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1981:0619.3SA23.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 02.12.1980 - AZ: 4 Ca 896/80

Verfahrensgegenstand

Forderung und Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Zusammenfassung

Der Kläger war als leitender Angestellter für ein Unternehmen tätig, dessen nunmehriger Konkursverwalter der Beklagte ist. Der Arbeitsvertrag des Klägers wurde bereits vor dem Konkursfall vom Arbeitgeber des Klägers aus Gründen, die nicht in seiner Person lagen gekündigt. Gemäß dem Arbeitsvertrag des Klägers war für diesen Fall eine Abfindung in Höhe von drei Monatslöhnen zu zahlen. Der Kläger begehrte daher die gerichtliche Feststellung, dass ihm für diesen einzelvertraglichen Abfindungsanspruch ein konkursrechtliches Vorrecht zugesprochen und ihm die Abfindung ausgezahlt wird. In der ersten Instanz obsiegte der Kläger vor dem zuständigen Arbeitsgericht in vollem Umfang. Die darauf vom Beklagten eingelegte Revision hatte überwiegend Erfolg, da der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers nur in geringem Umfang konkursrechtlich privilegiert und damit auch nur teilweise begründet war.

In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 1981
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Frohner und
die ehrenamtlichen Richter Terjung und Weinrich
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 2. Dezember 1980 - 4 Ca 896/80 - hinsichtlich des Urteilsausspruchs unter Ziffer 1. b) teilweise unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß der Widerspruch des Beklagten vom 17. April 1980 gegen die Beanspruchung des Vorrechts aus dem Rang vor § 61 Abs. 1 Ziff. 1 Konkursordnung für die zur Konkurstabelle angemeldete Abfindungsforderung von 30.600,00 DM in Höhe eines Betrages von 2.652,00 DM unbegründet ist und daß die Forderung in dieser Höhe als Konkursforderung mit dem beanspruchten Vorrecht besteht.

Die diesbezüglich weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 5/6, der Beklagte zu 1/6. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 10/11, der Beklagte zu 1/11.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nunmehr noch über den Widerspruch des Beklagten gegen das vom Kläger für einen einzelvertraglichen Abfindungsanspruch geltend gemachte Vorrecht im Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 der Konkursordnung.

2

Der Kläger war vom 1. September 1976 bis zum 31. Dezember 1978 bei der Firma B. GmbH als Leiter der Abteilung Marketing und Verkauf bei einem Monatsgehalt von zuletzt 5.100,00 DM brutto beschäftigt. Im Anstellungsvertrag der Parteien vom 1. September 1976, dessen Fotokopie sich Blatt 13 bis 16 der Akten befindet, war unter Ziffer 11.1 folgendes vereinbart:

"Wird der Anstellungsvertrag aus Gründen gelöst, die nicht in der Person des Herrn S. liegen, wird eine Abfindung in Höhe von 3 Monatsbezügen im ersten Jahr, danach von 6 Monatsbezügen gezahlt."

3

Am 17. November 1978 wurde das Arbeitsverhältnis von der Firma B. GmbH zum 31. Dezember 1978 gekündigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 22. Dezember 1978 das Konkursverfahren eröffnet; der Beklagte wurde als Konkursverwalter eingesetzt, nachdem er bereits zuvor als Sequester tätig geworden war. Die Kündigung erfolgte im Zusammenhang mit diesem bevorstehenden Konkursverfahren und der dabei vorgenommenen Betriebsstillegung.

4

Der Kläger erhielt letztmalig für Oktober 1978 Bezüge von der späteren Gemeinschuldnerin. Für die Monate November und Dezember 1978 stand ihm Konkursausfallgeld zu. Vom 1. Januar bis zum 30. April 1979 war der verheiratete, jetzt 48 Jahre alte Kläger, der drei unterhaltsberechtigte Kinder zu versorgen hat, arbeitslos.

5

In einem Einigungsstellenverfahren über die Erstellung eines Sozialplanes beschloß die Einigungsstelle in ihrer Sitzung vom 19. Juni 1979 mit Mehrheit, den Sozialplan insgesamt mit 85.000,00 DM zu dotieren. Außerdem kamen Betriebsrat und Beklagter überein, in erneute Verhandlungen über einen Nachtragssozialplan einzutreten, "wenn die gemäß § 61 KO zu verteilende Masse mehr als 100.000,00 DM beträgt." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das bei den Akten befindliche Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle (Bl. 90 bis 96 d. A.) verwiesen. Außerdem sind sich Betriebsrat und Beklagter über die näheren Einzelheiten eines Sozialplans zur Ausfüllung des von der Einigungsstelle beschlossenen Dotierungsrahmens in Höhe von 85.000,00 DM einig geworden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen "Sozialplan" (Bl. 100/101 d. A.) ebenfalls verwiesen, der indes vom Beklagten bislang noch nicht unterschrieben worden ist, allein deshalb, weil der Ausgang dieses Rechtsstreits abgewartet werden soll. Die aber gleichwohl bestehende inhaltliche Einigung des Betriebsrats mit dem Beklagten ergibt, daß von den etwa 110 bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer rund 43 Arbeitnehmer eine Abfindung in der durchschnittlichen Höhe von ca. 2.000,- erhalten sollen (vgl. die Liste Bl. 102 bis 105 d. A.). Die zur Zeit zur Verteilung zur Verfügung stehende Masse beläuft sich nach dem Wert per 1. April 1981 auf ca. 223.000,00 DM. Hieraus müssen allerdings noch Masse-Kosten und Masse-Schulden reguliert werden, so daß für die Bedienung eines Sozialplans voraussichtlich keinesfalls mehr als 100.000,00 DM bereit-gestellt werden können.

6

Mit Schreiben vom 25. Juli 1979 hat der Kläger die sich nach seinem Anstellungsvertrag aus dem Monatsgehalt unter Berücksichtigung der über einjährigen Beschäftigungszeit zu berechnende Abfindungssumme in Höhe von 30.600,00 DM in einem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zur Konkurstabelle angemeldet, nach dem er sie zuvor mit Schreiben vom 14. Februar 1979 erfolglos außergerichtlich geltend gemacht hatte. Beim Prüfungstermin am 17. April 1980 hat der Beklagte unter Anerkennung als nichtbevorrechtigte Forderung das vom Kläger geltend gemachte Vorrecht bestritten und die Auffassung vertreten, es handele sich um eine nichtbevorrechtigte Forderung im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO.

7

Mit der am 14. Mai 1980 beim Arbeitsgericht Oldenburg erhobenen Feststellungsklage, die sich auch auf andere Ansprüche, teilweise nach späterer Klageerweiterung, bezogen hat, hat der Kläger dagegen gemeint, diese Auffassung des Beklagten sei unzutreffend. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 1978 (GS 1/77), wonach Abfindungen aus dem Sozialplan bevorrechtigte Konkursforderungen mit einem Rang vor Nr. 1 in § 61 Abs. 1 KO seien, gelte das gleiche auch für einzelvertraglich vereinbarte Abfindungen. Zwar würden die Erwägungen des Großen Senats nicht unmittelbar greifen, da er leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsrechts gewesen sei. Gleichwohl sei aber davon auszugehen, daß leitende Angestellte genauso wie andere Arbeitnehmer schutzbedürftig seien, wenn sie aufgrund eines Konkurses ihren Arbeitsplatz verlören. Von dieser Bewertung des notwendigen sozialen Bestandschutzes ausgehend, müßten auch die Abfindungen für den verloren gegangenen Arbeitsplatz in der konkursrechtlichen Einordnung gleichbehandelt werden. Die einem leitenden Angestellten einzelvertraglich zugesagte Abfindung, die durch die Kündigung wegen eines Konkurses ausgelöst werde, erfülle nur dann ihren Zweck, wenn sie im Konkurs auch Chancen habe, realisiert zu werden. Insoweit würden die gleichen Erwägungen gelten, die der Große Senat bei seiner Entscheidung im Hinblick auf Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan angestellt habe.

8

Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt,

festzustellen, daß der Widerspruch des Beklagten vom 17. April 1980 gegen die Beanspruchung des Vorrechts zur Konkurstabelle, bezogen auf die angemeldete Forderung in Höhe von 30.600,00 DM, unbegründet ist.

9

Der Beklagte hat auch insoweit beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hat hierzu die Auffassung vertreten, daß der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers nicht als bevorrechtigt anerkannt werden könne, da der Kläger an dem Sozialplan, den der Betriebsrat der Gemeinschuldnerin mit Wirkung vom 19.06.1979 erstellt habe, nicht teilnehme und auch keine Beteiligung daran begehre. Der Klageanspruch könne auch nicht auf die Entscheidung des Großen Senats gestützt werden. Dieser erstrecke sich nur auf Abfindungsansprüche aus dem Sozialplan. Eine Gleichstellung sei darüber hinaus nicht sachgerecht, weil dadurch zum Teil wirklich hart betroffene gewerbliche Arbeitnehmer in ihren Ansprüchen geschmälert würden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß der Abfindungsanspruch des Klägers bevorrechtigt sei, müsse sichergestellt sein, daß dieser in einem angemessenen Verhältnis zu den übrigen Abfindungsansprüchen stünde.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands einschließlich der weiteren erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

12

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch Urteil vom 2. Dezember 1980 neben den weiteren Klageanträgen auch dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen und den Streitwert insgesamt auf 33.267,00 DM festgesetzt. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt.

13

Hinsichtlich des Feststellungsantrages hat das Arbeitsgericht zur Begründung ausgeführt, daß der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers von der konkursrechtlichen Rangstelle her ebenso zu behandeln sei wie ein Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan. Jedenfalls dann könne im Grundsatz nichts anderes gelten, wenn die Abfindung ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werde und die Abfindungszahlung auf einem Umstand beruhe, der von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sei. Auch sei der Kläger als leitender Angestellter durch den Verlust des Arbeitsplatzes genauso hart betroffen worden wie jeder andere Arbeitnehmer der Gemeinschuldnen auch. Insoweit sei der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers genauso schützenswert, wie ein Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan. Ob möglicherweise eine weitere Rangstelle zwischen der vom Bundesarbeitsgericht geschaffenen Rangstelle "Null" und Nr. 1 des § 61 Abs. 1 Konkursordnung zu bilden sei, könne im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, weil sich der Klageantrag auf die grundsätzliche Feststellung beschränke, daß der Abfindungsforderung ein Rang vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO zukomme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Seiten 8 bis 11, Bl. 60 bis 63 d. A.) wiederum verwiesen.

14

Das Urteil ist dem Beklagten am 6. Februar 1981 zugestellt worden. Er hat dagegen mit einem am 4. März 1981 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. März 1981 Berufung eingelegt und diese am 19. März 1981 begründet.

15

Der Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe nicht über seinen Widerspruch gegen vom Kläger konkret geltend gemachten Rang vor Nr. 1 in § 61 Abs. 1 KO und damit auch nicht über den Klageantrag entschieden, sondern der Forderung des Klägers im Urteil irgendwo einen Rang unter mehreren möglichen Rangstufen vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zugewiesen. Das Arbeitsgericht habe deshalb den Streitgegenstand des Prozesses eigentlich nicht entschieden. Der Beklagte vertieft im übrigen sein erstinstanzliches Vorbringen in rechtlicher Hinsicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und meint, leitenden Angestellten stehe, soweit hinreichende Gründe vorlägen, ein Anspruch auf sozialplanähnliche Abfindungen zu. Mangels Regelungslücke sei eine weitere Rechtsfortbildung nicht möglich. Außer dem habe sich der Kläger trotz Aufforderung durch ihn nicht um eine Berücksichtigung bei der Aufstellung des Sozialplans bemüht.

16

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Urteilsausspruches unter Ziffer 1. b) die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, meint allerdings ebenfalls, das Gericht habe den Klageantrag falsch bewertet. Es habe indes gleichwohl im Ergebnis richtig entschieden. Er vertritt weiter die Auffassung, er könne sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und damit auch keine sozialplanähnliche Abfindung beanspruchen, weil dies nur in Betracht käme, wenn es von der Sache her berechtigt sei. Einzelvertragliche Abfindungsansprüche würden sich von Sozialplanabfindungen nicht so wesentlich unterscheiden, daß sie konkursrechtlich nicht gleich eingeordnet werden können. Letztlich würde eine andere Bewertung dazu führen, daß ein leitender Angestellter ohne einzelvertraglichen Abfindungsanspruch besser gestellt sei, weil er unter Berufung auf den Sozialplan einen Sozialplanabfindungen gleichgestellten Anspruch geltend machen könne.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die vorgetragenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze vom 12. März 1981 nebst Anlagen (Bl. 77 bis 105 d. A.), vom 10. April 1981 (Bl. 108 bis 120 d. A.), vom 2. Juni 1981 (Bl. 128 d. A.) sowie vom 3. Juni 1981 (Bl. 135 bis 146 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

21

A.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG).

22

B.

Die Berufung ist auch zum überwiegenden Teil begründet.

23

Die zulässige (§ 146 KO) Klage ist lediglich zu einem geringen Teil begründet.

24

Der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers ist lediglich mit einem Betrag von 2.652,00 DM als Konkursforderung mit einem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigt. Nur in dieser Höhe ist daher der Widerspruch des Beklagten unbegründet. Zwar ist aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers für den Ausgleich von Nachteilen aus dem Verlust des Arbeitsplatzes aus Ziffer 11.1 des Anstellungsvertrages, der auch nicht gemäß Ziffer 12 dieses Vertrages verfallen ist, dem Grunde nach konkursrechtlich als Abfindung mit dem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO ebenso zu behandeln wie eine Abfindung aus einem Sozialplan. Der Anspruch nimmt an diesem Rang der Höhe nach aber nur insoweit teil, als sie sich ergeben würde, wenn der Kläger eine Abfindung aus einem Sozialplan beanspruchen könnte.

25

Dieser gibt zugleich der Höhe nach das Maß der Schutzbedürftigkeit an, die eine konkursrechtliche Privilegierung rechtfertigt.

26

I.

Der eigentliche Sinn des Vorrechts in der Konkursordnung liegt in der Privilegierung schutzbedürftiger Forderungen.

27

1.

Bei formaler Betrachtung ist die vom Kläger geltend gemachte einzelvertragliche Abfindung als nicht privilegierte sonstige Konkursforderung unter § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO einzuordnen - Nr. 2 bis 5 scheiden ohnehin von vornherein aus der Betrachtung aus. Diese letzte Rangstelle für nicht privilegierte Konkursforderungen war vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand für alle nur denkbaren Konkursforderungen gedacht, die sonst nicht eingeordnet werden können. Dadurch ist nach seinem Willen ein lückenloses System geschaffen worden, das mit dem Masseschuldkatalog des § 39 KO und der Rangordnung in § 61 Abs. 1 KO nicht zur Disposition steht. Es handelt sich um zwingendes Recht (BAG AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972 sub. III A der Gründe). Jedoch führt eine derartig formale Betrachtungsweise am eigentlichen Sinn der Vorrechtsregelung der Konkursordnung vorbei und mißachtet den Grund, der den damaligen Gesetzgeber veranlaßt hat, das mit der Konkursordnung angestrebte Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (§ 3 KO) mit der Regelung des § 61 KO zu durchbrechen (Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck KO, 9. Auflage, § 61 Rd. Nr. 1). Hinter der Anordnung der vorzugsweisen Befriedigung bestimmter Klassen von Konkursgläubigern für bestimmte Ansprüche in bestimmter Rangordnung und damit die Einräumung einer günstigeren Befriedigungschance für bestimmte Konkursforderungen steht die Anerkennung eines besonderen Schutzbedürfnisses dieser Forderungen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Wertung. Bestimmte Konkursforderungen sollten mit einem besonderen Schutz versehen werden. Einen anderen Sinn hat die Vorrechtsregelung nicht.

28

2.

Unter diesem materiellen Gesichtspunkt sind der Masseschuldkatalog und die Rangordnung in § 61 Abs. 1 KO jeweils für sich lediglich Ausdruck dafür, wie der Gesetzgeber seinerzeit die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Forderungsgruppen bewertet und in welchem Umfang er unter Beachtung des Normzwecks den besonderen Schutz für notwendig und gerechtfertigt erachtet hat. Deswegen ist die Schutzbedürftigkeit der Forderung auch das entscheidende Merkmal dafür, ob sie nach dem Sinn und Zweck der Vorrechtsregelung im Konkursverfahren privilegiert ist und mit welchem Rang das daraus resultierende Vorrecht eine Realisierungschance erhält. Genauso, wie das Vorrecht der Forderung als eine ihr selbst innewohnende Kraft anhaftet (Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck am angeführten Ort Rd. Nr. 2), so stellt sich auch das Schutzbedürfnis als eine wesentliche Eigenschaft der privilegierten Forderung dar. Es wurzelt im Wesen der Forderung (Jaeger-Lent, Konkursordnung, 8. Auflage, § 61 Ed. Nr. 11). Die gesetzliche Bewertung der Schutzbedürftigkeit von Forderungen war jedoch nur mit den Wertmaßstäben und unter Berücksichtigung der Tatbestände möglich, wie sie der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Situation vor mehr als 100 Jahren entnommen werden konnten (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 13. Aufl., Einleitung VI. Seite 5). Diese Situation hat sich, ohne daß dies weiterer Erörterung bedarf, umfassend verändert. Die durch das Grundgesetz bestimmten Wertmaßstäbe unserer heutigen, dem Sozialstaatsgedanken verpflichteten Gesellschaft sind mit den damaligen Wertungen selten in Übereinstimmung zu bringen, wie sich gerade daran zeigt, daß die durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 und andere Gesetze geschaffenen Ansprüche nicht in das herkömmliche System der Konkursordnung passen oder jedenfalls dort bei einer nur formalen Betrachtugsweise lediglich sinnwidrig plaziert werden können. Bestätigt wird das nicht zuletzt durch die anhaltende Diskussion um die Reformbedürftigkeit der Konkursordnung (vgl. Weber, Ziele und Wege der Insolvenzrechtsreform, in Festschrift "100 Jahre KO 1877 bis 1977", Herausgeber Uhlenbruck/Klasmeyer; Heinze KonkTrW 1980 Seite 1 ff.; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

29

3.

Aus der heutigen Sicht ist daher das herkömmliche System der Konkursordnung nicht mehr ohne weiteres geeignet, alle im Konkursverfahren möglichen Gläubigerforderungen in seine Vorrechtsregelung aufzunehmen. Die einst ausreichende Katalogisierung und das einst lückenlose System der Rangordnungen des § 61 Abs. 1 KO können dem Sinn der Vorrechtsregelung bei einer materiell-wertenden Betrachtungsweise nicht mehr gerecht werden. Festzuhalten ist allerdings, daß sich die Prüfung, welches Vorrecht für die Forderung besteht, ausschließlich nach den Vorschriften der Konkursordnung entscheidet. Dieses ist maßgebend dafür, mit welchem Rang und wie ein solcher Anspruch im Konkurs geltend zu machen ist (vgl. Uhlenbruck Recht der Arbeit 1976 Seite 248, 251 und Anm. EzA § 59 Nr. 1 KO; Beuten RdA 1976 Seite 147 ff., 158; Schlüter, Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG 1972, Seite 111; BAG, Beschluß vom 30.10.1979 - 1 ABR 112/77 - ZIP 1980 Seite 202, 204). Da aber als heute noch unverändert geltender Wille des Gesetzgebers beachtet werden muß, daß schutzbedürftige Konkursforderungen vor anderen Forderungen bevorzugt zu befriedigen sind, ist auch der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts zu folgen, die darauf hingewiesen haben, daß die Regelungen der §§ 59, 61 KO keine abschließende Einordnung aller in Betracht kommenden Arbeitsentgeltsansprüche enthielten und deshalb eine sachgerechte Einordnung jeweils nach dem Charakter und dem Schutzbedürfnis der einzelnen Ansprüche zu erfolgen habe. Neben der Schutzbedürftigkeit sind andere Kriterien nicht mehr als erheblich anzusehen (so zu Recht Gagel ZIP 1981 Seite 122, 123 zu Fußnote 5 unter Hinweis auf BAG AP Nr. 6 zu § 61 KO; AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972; BSG SozR 4100 § 141 b Nr. 10 Seite 36, 37; zum sozialen Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers im allgemeinen: Picot Recht der Arbeit 1979 Seite 16 ff.).

30

II.

Die sachgerechte konkursrechtliche Einordnung von Ausgleichsansprüchen der Arbeitnehmer aus Anlaß des Verlustes des Arbeitsplatzes nach ihrer Schutzbedürftigkeit entspricht bei richtiger Wertung den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, die daher, soweit notwendig, eine richterliche Rechtsfortbildung in gesetzes-übersteigender Weise legitimieren.

31

1.

Schutzbedürfnis und Bedeutung der Abfindung aus einem Sozialplan waren, in Übereinstimmung mit Sinn und Zweck der Konkursordnung, in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausschlaggebende Kriterien für deren Einordnung in die neue Rangstelle vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Im Hinblick auf die hohe soziale Bedeutung solcher Abfindungen sollte deren wirtschaftlicher Wert im Konkurs durch einen nicht von vornherein aussichtslosen Rang erhalten bleiben. Diese für den kollektivrechtlich begründeten Abfindungsanspruch getroffene Bewertung gilt nach dem Beschluß des Großen Senats des BAG auch für den individualrechtlichen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 in Verbindung mit Absatz 1 BetrVG 1972, da beide Ansprüche wesensgleich sind (BAG AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972).

32

Diese Rechtsprechung hat in der Literatur vielfache Kritik gefunden (Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 61 Anm. 3 III. ff.; Henckel KTS 1979 Seite 171 ff.; vgl. weiter Sieg SAE 1979 Seite 119 ff.; Hess Anm. EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 15 Seite 87 ff.; Richardi RdA 1979 Seite 193 ff.; Beuthien ZIP 1980 Seite 83 ff.). Die Kammer schließt sich dennoch den Erwägungen des Großen Senats, soweit sie in dieser Sache von Bedeutung sind, in vollem Umfang an. So kann sie vor allem der Auffassung nicht folgen, der Beschluß sei verfassungswidrig, weil er durch eine grundgesetzlich nicht gedeckte Rechtsfortbildung gegen die Artikel 20 Abs. 3, 100 Abs. 1, 3 Abs. 1 Grundgesetzverstoße, in dem der Große Senat, statt eine Gesamtreform von Betriebsverfassungs- und Konkursrecht abzuwarten, § 112 BetrVG im Konkursverfahren anwendbar zu machen versucht habe (Beuthien, der Sozialplan im Konkurs, Auswirkungen des BAG Beschlusses vom 13.12.1978 für die Insolvenzpraxis, Köll 1979, Seite 41 ff.). Indes ist ein Ende der Konkursrechtsreformdiskussion überhaupt nicht abzusehen, ein Zuwarten auf unabsehbare Dauer aber unerträglich.

33

2.

Zwar hat der Große Senat zunächst eine vermeintliche Regelungslücke ermittelt, die ihn legitimiere, rechtsfortbildend tätig zu werden (BAG AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972 Blatt 400; vgl. weiter Bundesverfassungsgericht E 34, 249, 284 ff. = AP Nr. 21 zu Art. 2 GG; BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; AP Nr. 156 zu § 242 Ruhegehalt). Es mag durchaus sein, daß eine Regelungslücke nicht angenommen werden kann (vgl. auch Schmid/Schmid NJW 1980 Seite 2563 [BGH 21.04.1980 - II ZR 107/79]). Immerhin hat der Gesetzgeber letztmals im Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (Bundesgesetzblatt I Seite 1481) wesentliche Vorschriften der Konkursordnung zu Gunsten des Arbeitnehmerschutze geändert. Als Begründung für die Umwandlung eines Teils von vormals bevorrechtigten Konkursforderungen in Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO n.F. hat der Gesetzgeber nach der Amtlichen Begründung ausgeführt, daß gleichzeitig die Stellung des Arbeitnehmers im Falle des Konkurses seines Arbeitgebers auch durch Änderung konkursrechtlicher Vorschriften verbessert werden soll. Als kurzfristig zu verwirklichende gesetzgeberische Maßnahme biete sich hier die Möglichkeit an, im Konkurs des Arbeitgebers die für 6 Monate rückständigen Lohnforderungen in Masseschulden umzuwandeln. Darüber hinausgehende Verbesserungen des geltenden Rechts zu Gunsten der Arbeitnehmer im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Ergebnisses bedürften noch eingehender Prüfung, dem Ergebnis dieser Prüfung solle durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht vorgegriffen werden. Man wird daher nicht davon sprechen können, daß der Gesetzgeber für die Frage der konkursrechtlichen Einordnung von Sozialplanforderungen "blind" gewesen sei. Im übrigen lag bereits das unmittelbar nach Inkrafttreten des Konkursausfallgeldgesetzes ergangene Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 17. September 1974 (AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972) zum Masseschuld Charakter von Sozialplanforderungen bei bestimmten Fallgestaltungen vor, von zweitinstanzlichen Judikaten ganz zu schweigen (vgl. auch bereits BAG AP Nr. 8 zu § 72 BetrVG 1952). Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß eine Gesetzeslücke nur dann vom Richter ausgefüllt werden dürfe, wenn er aufgrund der gesamten Umstände feststellen könne, welche Regelung der Gesetzgeber getroffen haben würde, hätte er den zu regelnden Sachverhalt bedacht (vgl. Bundesverwaltungsgericht E 11, 263; E 45, 85; Recht im Amt 1979 Seite 144 ff.). Dabei ist auch zu bedenken, daß sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Bundesgerichtshof stets betont haben, daß die Bestimmungen über Konkursvorrechte wegen der darin liegenden Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger eben im Interesse einer solchen gleichmäßigen Befriedigung eng ausgelegt werden sollten (vgl. BAG E 17, 84, 89; BGHZ 52, 155, 166[BGH 29.05.1969 - III ZR 172/68] m.w.N.).

34

Jedoch ist eine Rechtsfortbildung als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung auch über den Rahmen einer bloßen Lückenausfüllung hinaus zulässig, auch wenn sie sich dann nicht mehr allein an der ratio legis orientiert, sondern an einem darüber hinaus-greifenden Rechtsgedanken, jedenfalls dann, wenn für eine solche Rechtsfortbildung noch gewisse Anhaltspunkte im Gesetz gefunden werden können und sie sich im Einklang mit den allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung und der verfassungsmäßigen "Wertordnung" bewegt. Insoweit ist auch ohne Vorliegen einer "planwidrigen" Unvollständigkeit des Gesetzes eine richterliche Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs möglich (so Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1979, Seite 402 ff.). Es handelt sich dabei nicht um eine dem Richter nicht gestattete Rechtsprechung "contra legem", weil nicht gesagt werden kann, daß der Gesetzgeber dies habe ausschließen wollen.

35

3.

Gerade das Konkursverfahren ist durch eine solche richterliche Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs entscheidend geprägt und verändert worden, wie dies beispielsweise die Sicherungsübereignung oder das Anwartschaftsrecht, besonders seine Übertragbarkeit, als im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Rechtsinstitute ohne Zweifel bewirkt haben (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. Einleitung VIII. Seite 10 ff.). Dabei spricht im Falle der Sicherungsübereignung die Teleologie des Gesetzes eher gegen als für sie (so Larenz a.a.O. Seite 403). Gleichwohl mag es den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, jedenfalls den ökonomischen Interessen einzelner "Verkehrsteilnehmer", entsprochen haben, zum Schütze sonst im Konkurse nicht privilegierter Gläubigerforderungen, die Sicherungsübereignung als richterrechtlich entwickeltes Rechtsinstitut anzuerkennen. Die Sicherungsübereignung hat aber neben dem Eigentumsvorbehalt und den ansteigenden Masseschulden wesentlich dazu beigetragen, daß den restlichen Gläubigern, auch den Arbeitnehmern, in einer Vielzahl von Insolvenzen keine zu verteilende Masse mehr zur Verfügung steht. Dadurch wurde die Konkursordnung in dem ihr von der Rechtsordnung zugewiesenen Gebiet oftmals wirkungslos (vgl. Kilger, Der Konkurs des Konkurses, KTS 1975 Seite 142 ff.; Uhlenbruck, Zur Krise des Insolvenzrechts, NJW 1975 Seite 897 ff.; Henckel KTS 1979 Seite 174, 175). Wenn daher im wirtschaftlichen Ergebnis, was ohne weiteres zuzugeben ist, manche Sozialplanforderungen als Auswirkung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zumindest auch von den "kleinen Gläubigern" mitgetragen werden müssen, so darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Belastung dieses Kreises von Gläubigern jedenfalls auch deshalb eingetreten ist, weil den "großen Gläubigern" konkursfeste Sicherungsrechte zur Verfügung stehen, die außerhalb des Gesetzes im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erst entwickelt worden sind (vgl. Richardi Recht der Arbeit 1979 Seite 193, 201; Zeuner Juristenzeitung 1976 Seite 1 ff.).

36

Mit mindestens gleicher Legitimationskraft sind als solche eine Rechtsfortbildung legitimierende Bedürfnisse des Rechtsverkehrs auslösende Fakten auch die gewandelte Auffassung vom Schutz der Arbeitnehmeransprüche, dem in Rechtsvorschriften, wie etwa dem Betriebsverfassungsgesetz, gesetzlicher Ausdruck verliehen worden ist, sowie die im Konkurs dagegen stehenden, tatsächlichen Befriedigungsquoten für nicht privilegierte Arbeitnehmerforderungen zu betrachten. Soweit Arbeitnehmeransprüche einerseits einem vom Gesetzgeber gewollten Schutz unterstellt werden, andererseits für ihre Realisierung jedoch nur mangelhafte oder nicht ausreichende und daher bei einer formalen Betrachtung überholte Instrumentarien, wie die Konkursordnung, zur Verfügung stehen, ist es legitim und innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen kein Verstoß gegen die Rechtsordnung, solchen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs durch richterliche Rechtsfortbildung zu entsprechen. Daher bietet der in der Konkursordnung, wie ausgeführt, erkennbare Wille des Gesetzgebers, schutzbedürftige Forderungen zu privilegieren, einen ausreichenden Anhaltspunkt für eine solche Rechtsfortbildung. Die gewandelte Auffassung über den Schutz und die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmeransprüchen unter Beachtung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20, 28 GG, dessen Wertentscheidung auch hier Beachtung finden muß, verlangt angesichts der realen Befriedigungschancen für nicht bevorrechtigte Gläubiger nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO eine Regelung, die eine wirksame Realisierungschance im Konkurs beinhaltet. Mit dem Vorrechtsrang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts dieser Notwendigkeit entsprochen und ein der Bedeutung und dem Schutzbedürfnis von Abfindungen aus dem Sozialplan adäquates Vorrecht festgestellt.

37

4.)

Die Kammer hat davon abgesehen, in diesem Rechtsstreit zunächst das Ergebnis der beim Bundesverfassungsgericht offenbar noch anhängigen Verfassungsbeschwerde, die sich mittelbar gegen den Beschluß des Großen Senats vom 13. Dezember 1978 richtet (2 BvR 486/80, vgl. ZIP 1980 Seite A 17), abzuwarten. Dies gebietet das Interesse der Parteien und der letztlich vom Ausgang dieses Rechtsstreits mittelbar betroffenen anderen Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin an einer nicht verzögerten endgültigen Entscheidung. Der Beklagte hat den vom Betriebsrat erstellten Sozialplan bei inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Betriebsrat allein wegen dieses Rechtsstreits noch nicht unterschrieben, weil vom Ausgang dieses Verfahrens die endgültige Dotierung des Sozialplanes abhängig ist, der nach den gegenwärtigen Verhältnissen ohnehin mit lediglich etwa 85.000,00 DM, allenfalls 100.000,00 DM ausgestattet werden kann.

38

III.

Der einzelvertragliche Abfindungsanspruch eines Arbeitnehmers für den Verlust des Arbeitsplatzes aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, ist, wie der Nachteilsausgleich aus § 113 Betriebsverfassungsgesetz und wohl auch wie eine Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz, mit einem Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan gemäß § 112 Betriebsverfassungsgesetz dem Grunde nach wesensgleich. Die Wesensgleichheit ergibt sich aus der Übereinstimmung von Aufgabe und Funktion eines solchen Anspruches. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob es sich bei dem Begünstigten um einen leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BVerfG handelt oder nicht. Dies bedeutet für die konkursrechtliche Einordnung eines einzelvertraglichen Abfindungsanspruches, daß er grundsätzlich ebenso zu behandeln ist, wie ein Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan. Auf die Rechtsgrundlage im einzelnen kommt es dabei nicht an (anderer Auffassung wohl BAG Urteil vom 25.02.1981 - 5 AZR 922/78 -, vgl. ZIP 1981 Seite A 21 Nr. 041).

39

1.)

a)

Abfindungen aus einem Sozialplan und aus dem Nachteilsausgleich des § 113 Abs. 3 BVerfG sind wesensgleich, weil in beiden Fällen durch den ungewollten Verlust des Arbeitsplatzes entstandene Nachteile ausgeglichen werden (BAG AP Nr. 6 zu § 112 BVerfG 1972). Der Anspruchsberechtigte kommt in den Genuß von Elementen der Daseinsvorsorge (vgl. Schmid/Schmid NJW 1980 Seite 2563 [BGH 21.04.1980 - II ZR 107/79]; Galperin-Löwisch, BVerfG, 5. Auflage, § 112 Anm. 3; Wiedemann - Willemsen, Anm. AP Nr. 3 zu § 112 BVerfG 1972).

40

b)

Das bedeutet nach Auffassung des Berufungsgerichts, daß jeder Abfindungsanspruch, der den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund betriebsbedingter Umstände, die somit nicht in die Sphäre des Arbeitnehmers fallen, mit dem Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan wesensgleich ist. Auch Abfindungen nach den §§ 9, 10 KSchG sollen ebenfalls jedem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Nachteile ausgleichen (vgl. KR-Becker § 10 KSchG Rn 11 ff., 73; Brill Arbeit u. Recht 1960 Seite 268 ff), so daß die Frage, ob dieser Ausgleichsanspruch als vermögensrechtliches Äquivalent für die Aufgabe des als sozialen Besitzstand anzusehenden Arbeitsplatzes im Konkurs wie eine Sozialplanabfindung zu privilegieren ist (Schmid/Schmid NJW 1980 Seite 2563; Gagel ZIP 1981 Seite 126) im Hinblick auf die hierfür allein entscheidende Schutzbedürftigkeit nicht zu Unrecht gestellt wird. Freilich ist dabei auch zu berücksichtigen, daß die Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz bei ihrer Bemessung durchaus Besonderheiten aufweist (vgl. zu den Bemessungsfaktoren KR-Becker § 10 Kündigungsschutzgesetz Rn. 45 ff.).

41

Auch wenn die Kündigungsabfindung nach §§ 9, 10 KSchG kein unmittelbares Arbeitsentgelt, keinen Ersatz für ein Arbeitsentgelt und auch keinen sonstigen Schadensersatz darstellt (BAG AP Nr. 22, 24 zu § 7 KSchG), so werden oft in Abfindungen Arbeitsentgeltansprüche mit abgegolten und in die Höhe der Abfindungen mit einbezogen (vgl. hierzu BVerfG AP Nr. 1 zu § 117 AFG; BAG EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 8 = Der Betrieb 1980 S. 358 = SAE 1980 S. 165 mit Anmerkung Herschel; vgl. weiter Behrens, Der Betrieb 1978, S. 1224 [BAG 12.09.1979 - 4 AZR 420/77]; Ottow, Der Betrieb 1978, S. 1226). Der Ausgleich von Entgeltansprüchen ist wohl ebenfalls ein Teil der erforderlichen Daseinsvorsorge. Sie wird damit jedoch über den das Wesen von Sozialplanabfindungen bestimmenden Rahmen hinaus zur allgemeinen gesellschaftspolitischen Funktion. Das die Schutzbedürftigkeit der Abfindung nach § 112 BetrVG 1972 ausmachende Wesen besteht aber in der demgegenüber abgegrenzten Funktion, Nachteile, die durch den ungewollten und nicht wesentlich beeinflußbaren Verlust des Arbeitsplatzes entstanden und eingetreten sind, etwa der Verlust von während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erworbenen Vorteilen, künftige schlechtere Arbeitsbedingungen oder erforderliche Mehraufwendungen für die Begründung und Durchführung eines neuen Arbeitsverhältnisses (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O., § 61 Anm. 3. *B a, m.w.N.; Henckel KTS 1979, S. 172) auszugleichen, ohne daß eben der Eintritt dieses Verlustes auf ein eigenes Vertretenmüssens des Arbeitnehmers zurückgeführt werden könnte. Entgeltansprüche sind nach dem System der Konkursordnung nicht mit dem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 Konkursordnung, sondern, entsprechend den einzelnen Sachverhaltsgestaltungen, anderweitig einzuordnen (vgl. BAG, Urteil vom 21. Mai 1980 - 5 AZR 441/78; vgl. weiter Schlüter, Der Betrieb 1978, S. 299 f; Kraushaar, Arbeit und Recht 1978, S. 33 f; Arbeitsgericht Mönchengladbach, Arbeit und Recht 1981, S. 92; zur konkursrechtlichen Einordnung von Kündigungsschutzabfindungen auch KR-Becker, § 9 KSchG Rn 74 m.w.N.).

42

2.

Jedenfalls ist das Wesen und die Punktion einer einzelvertraglichen Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes aus Gründen, die nicht in der Person, der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, mit Wesen und Funktion von Sozialplanabfindungen identisch.

43

a)

Die Abfindung ist in solchen Fällen nach der vertraglichen Vereinbarung an den ungewollten Verlust des Arbeitsplatzes gebunden. Sie soll nur gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen gelöst wird, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. In der von einer insgesamt starken Fluktuation geprägten Arbeitswelt (vgl. die Ergebnisse der Untersuchung der Sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht - Bundesarbeitsblatt 1981 S. 18 ff -, über deren Repräsentativität hier allerdings nicht zu befinden ist) werden auf diesem Weg vertragliche Zusicherungen gegen mögliche Nachteile gegeben, die entstehen können, wenn das Arbeitsverhältnis, aus welchem Grund auch immer, vom Arbeitgeber beendet oder wesentlich verändert wird und dadurch mit dem Eintritt von wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Nachteilen gerechnet werden kann.

44

Der Kläger hat allerdings konkrete Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe der vorweg im Anstellungsvertrag vereinbarten Größenordnung nicht vorgetragen. Aus seiner familiären Situation und der 4-monatigen Arbeitslosigkeit sind Nachteile in dieser Höhe auch nicht ohne weiteres herzuleiten. Damit gewinnt der einzelvertragliche Abfindungsanspruch des Klägers, wie in diesen Fällen üblich, die Qualität einer Pauschalabfindung. Jedoch verändert sich hierdurch die Funktion eines solchen Anspruches nicht wesentlich. Er verliert dadurch nicht die Funktionsgleichheit mit der Sozialplanabfindung.

45

b)

Denn auch im Wege der Erstellung von Sozialplänen sind Pauschalabfindungen zulässig (so zu Recht LAG Baden-Württ. ZIP 1981, S. 529 f). Eine Einigungsstelle überschreitet daher nicht den ihr gesetzten Rahmen billigen Ermessens bei der Festlegung der Abfindungsbeträge, wenn sie die den Arbeitnehmern durch die Entlassung entstandenen Nachteile nicht genau feststellt, wobei die Angemessenheit der finanziellen Gesamtausstattung eines Sozialplanes im Individualprozeß des einzelnen Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nicht einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterzogen werden kann (vgl. BAG, ZIP 1981, S. 642). Es genügen für die Bestimmung entstandener Nachteile ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß einer Mehrheit der Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes überhaupt ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist. Auch der Verlust des durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit erworbenen Besitzstandes ist als wirtschaftlicher Nachteil im Sinne von § 112 BetrVG 1972 zu werten. Auch aus Gründen der Praktikabilität ist es nicht zu beanstanden, pauschalierte und gestaffelte Abfindungen ohne Rücksicht darauf vorzusehen, ob einzelne Arbeitnehmer tatsächlich einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten haben (vgl. zum ganzen BAG AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972; Ohl, Arbeit und Recht 1980, S. 108; Fitting-Auffarth-Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 13. Aufl., § 112 Rn 11; Richardi, Sozialplan im Konkurs, S. 13, 14 und Anmerkung AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972; Vogt, Betriebsberater 1975, S. 1581, 1584; vgl. aber auch Galperin-Löwisch a.a.O., § 112 Rn 3, 21; Weitnauer ZfA 1977, S. 111, 117; Wiedemann-Willemsen Anm. AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972).

46

Das Gericht vermag sich daher nicht der Meinung anzuschließen, Pauschalabfindungen seien im Sozialplan unzulässig, es müsse zudem stets auf die Verhältnisse des Zeitpunkts abgestellt werden, in dem der Sozialplan erstellt werde (so aber LAG Hamburg, ZIP 1981, S. 82 f). Es ist nicht recht einsichtig, das Ausmaß der auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteile vom zufällig bestimmten Zeitpunkt der Sozialplanvereinbarung und ohne Berücksichtigung der später eingetretenen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt der Betriebsänderung abhängig zu machen.

47

c)

Eine Pauschalierung ist auch zum Ausgleich nichtwirtschaftlicher Nachteile (hierzu auch Heinze NJW 1980, S. 145, 147) nicht zu vermeiden, ohne daß dadurch die Ausgleichsfunktion verändert werden würde. Zwar wird mitunter die Auffassung vertreten, nicht - wirtschaftliche Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes seien nicht ausgleichspflichtig (vgl. Böhle-Stamschräder-Kilger a.a.O., § 61 Anm. 3. III. Ab, B a, m.w.N.). Eine überzeugende Begründung hierfür gibt es jedoch nicht. Allenfalls läßt sich dieser Argumentation entnehmen, daß der "wirtschaftlich" schwer oder gar nicht meßbare Wert nicht-wirtschaftlicher Nachteile, die quasi fehlende Konvertibilität zwischen immateriellen Wert und Geld diesen Standpunkt rechtfertige. Im Wirtschaftsleben wird aber unbestritten das immaterielle Wirtschaftsgut als durchaus handelbares Objekt mit nicht geringem Wert betrachtet (vgl. kritisch zur Angemessenheit der Unterscheidung zwischen dem zu ersetzenden Vermögensschaden und dem sogenannten Nichtvermögensschaden im Schadenersatzrecht, für den gemäß § 253 BGB grundsätzlich kein Ersatz verlangt werden kann: Köndgen AcP 177, 5 ff). Es gibt daher prinzipiell keinen Grund, immaterielle Werte der Arbeitswelt als Teil des Wirtschaftslebens nicht ebenso durch pauschale Bestimmung handelbar und handhabbar zu machen und so auch ausgleichsfähige nicht-wirtschaftliche Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes zu ermitteln. Als nicht-wirtschaftlicher Nachteil aus dem verlorengegangenen Arbeitsplatz entsteht immer ein "Eingliederungsverlust". Die vom Arbeitnehmer in sicherlich unterschiedlichem Umfange vollbrachte Eingliederungsleistung durch seinen Arbeitsantritt, darüber hinaus durch die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Betriebes mit der fortgesetzten Erbringung seiner Arbeitsleistung, durch Anpassung der Kenntnisse und Fähigkeiten an die Anforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes und die damit verbundene Spezialisierung, hat zur Folge, daß eine Verwertung der Arbeitskraft in anderen Betrieben nicht mehr oder nur noch teilweise möglich ist. Andere als die mit der Spezialisierung als Folge arbeitsteiliger Arbeitsorganisation verbundenen Fähigkeiten verkümmern, der Betroffene verliert an Flexibilität, um so mehr, je länger ein Arbeitsverhältnis besteht. Gleiches geschieht im Hinblick auf die damit verknüpfte Eingliederung in das Netz sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz, die auch den Bereich der privaten Lebensführung erfaßt. Diese Eingliederung des Arbeitnehmers stellt eine von ihm vollbrachte Leistung dar, die in der ökonomischen Theorie als "Humankapital" bezeichnet wird. Das so geschaffene Humankapital geht dem Arbeitnehmer mit dem ungewollten Verlust des Arbeitsplatzes jedenfalls teilweise endgültig verloren, ein Teil mag, je nachdem, wie "allgemein" verwertbar die Inhalte betrieblicher Ausbildung von Fähigkeiten und Kenntnisse ausfallen, auch an einem Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb verwertet werden können (vgl. hierzu ausführlich Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, Baden-Baden 1978, S. 9 ff, 14) Der Ausgleich dieses Humankapitalverlustes ist jedenfalls immer dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer bei eigener Betriebstreue durch nicht von ihm zu vertretende Umstände daran gehindert wird, es weiterhin durch Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes zu verwerten. Hieran ändert die im Einzelfall durchaus mögliche Schwierigkeit, das Humankapital wertmäßig zu erfassen, nichts. Vielmehr ergibt sich hieraus gerade die Rechtfertigung einer Pauschalierung.

48

d.)

Aus diesen Erwägungen ist auch für den konkreten Fall des Klägers abzuleiten, daß hier von einem gewissen wirtschaftlichen Nachteil aus dem Verlust des Arbeitsplatzes schon im Hinblick auf seine 4-monatige Arbeitslosigkeit ausgegangen werden muß. Hinzu kommt insoweit, daß, wie noch zu erörtern ist, auch die Anwendung der Sozialplanformel auf die Daten des Klägers zu einem auszahlungspflichtigen Ausgleichsbetrag führen würde und auf jeden Fall auch ein Eingliederungsverlust in dem eben erörterten Sinne eingetreten ist.

49

3.

Konkursrechtlich ist der einzelvertragliche Abfindungsanspruch wegen seiner Wesensgleichheit grundsätzlich ebenso zu behandeln, wie ein Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan oder der Nachteilsausgleich aus § 113 BetrVG 1972. Nach der Rechtsprechung des großen Senats des Bundesarbeitsgerichts haben Bedeutung und Schutzbedürftigkeit der Sozialplanabfindung zu der gerechtfertigten Vorrechtsgewährung vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO geführt. Nach eben dieser Rechtssprechung kann die konkursrechtliche Behandlung des Nachteilsausgleichs hiervon nicht verschieden sein, da die sanktionsweise nach § 113 BetrVG zu gewährende Abfindung an die Stelle einer Sozialplanabfindung tritt und damit deren Funktion übernimmt. Wenn einem einzelvertraglichen wesensgleichen Abfindungsanspruch die gleiche Funktion zuzusprechen ist, kann die konkursrechtliche Einordnung ebenfalls nicht anders sein. Gerade aus der Funktion des Anspruches und seiner Bedeutung für den Arbeitnehmer bestimmt sich die Schutzbedürftigkeit der Forderung als eine ihr innewohnende Kraft (vgl. Gagel Zipp 1981 S. 123) und damit das einzige relevante Kriterium für eine konkursrechtliche Privilegierung. Nicht die Forderung als Zahlungsanspruch an sich ist schutzwürdig und schutzbedürftig, sondern das mit ihr angestrebte Ziel; diese Funktion fahrt zur Schutzwürdigkeit. Deshalb ist es unerheblich für die Frage der sachgerechten konkursrechtlichen Einordnung eines Abfindungsanspruches, aus welcher rechtstechnischen Anspruchsgrundlage im einzelnen eine Abfindung zu gewähren ist. Soweit gesagt wird, ein Konkursvorrecht beruhe grundsätzlich auf dem Entstehungsgrunde der Forderung (Böhle-Stammschröder-Tilda § 61 Anm. 2), ist "Entstehungsgrund" und rechtliche Anspruchsgrundlage nicht identisch. Vielmehr ist unter "Entstehungsgrund" in diesem Zusammenhang der Lebenssachverhalt des Arbeitsverhältnisses und seiner vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Beendigung zu verstehen, aus dem heraus dem Arbeitnehmer ein Abfindungsanspruch zu gewähren ist, auf welcher vertraglichen oder gesetzlichen Anspruchsgrundlage auch immer. Diese rechtstechnische Anspruchsgrundlage hat keinen Einfluß auf die Funktion und damit auch nicht auf die der Forderung innewohnende und im Konkurs zu beachtende Schutzbedürftigkeit dieser Forderung.

50

4.

Die Frage, ob ein einzelvertraglicher Abfindungsanspruch bei einem leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG 1972 im Konkurs ebenfalls wie eine Sozialplanabfindung zu behandeln ist, kann ebenfalls nicht anders beantwortet werden. Das Bundesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen (AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972 = AR Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis, Entscheidungen 54 mit Anm. Mayer-Maly = Der Betrieb 1979 Seite 1039 = NJW 1979 S. 1621 = SAE 1980 S. 49 f. mit Anm. Löwisch-Hetzel), daß die Herausnahme der leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG aus dem persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes keine Wertentscheidung des Gesetzgebers bedeute, daß diese Personengruppe kraft ihrer herausgehobenen Stellung weniger schutzwürdig und besser gesichert wäre als die übrigen Arbeitnehmer. Bei aller Unterschiedlichkeit der gesetzestechnischen Ausformung des Begriffs des leitenden Angestellten bestätigte dies ein Blick auf die Regelungen gemäß §§ 14 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG (vgl. zum Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes KR-Becker § 14 KSchG Rdnr. 23 ff.). Das BAG hat a.a.O. weiter darauf verwiesen, daß die auf einem Sozialplan beruhende Abfindungsregelung in einem, weiteren Sinne Teil des von unserer Rechtsordnung für die Arbeitnehmer geschaffenen Bestandschutzes sei, den die leitenden Angestellten grundsätzlich ebenso benötigen wie alle anderen Arbeitnehmer auch. Somit läßt sich die Schutzbedürftigkeit eines einzelvertraglich begründeten Abfindungsanspruches eines leitenden Angestellten für die Frage der sachgerechten konkursrechtlichen Einordnung nicht anders werten als bei Arbeitnehmern, die keine leitenden Angestellten sind (anderer Auffassung wohl Löwisch-Hetzel SAE 1980 S. 56). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit der Kläger bei seiner früheren Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG 1972 angesehen werden kann. Daher braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsrechts in drei Entscheidungen vom 29. Januar 1980 (DB 1980 S. 1545 = NJW 1980 S. 2665 [BAG 29.01.1980 - 1 ABR 45/79]; DB 1980 S. 1946 [BAG 29.01.1980 - 1 ABR 49/78] sowie S. 1947) gefolgt werden kann (vgl. zu § 5 Abs. 3 BetrVG: Brill Der Betrieb 1979 S. 2132; Hanau Recht der Arbeit 1979 S. 324; Küttner-Zietsch-Gravenhorst Der Betrieb 1979 S. 546; Müller Der Betrieb 1979 S. 1746 f. und 1794 f; Schirdewahn ZfA 1979 S. 183; nunmehr auch: Martens NJW 1980 S. 2665; Fischer Der Betrieb 1980 S. 1988; Rüthers-Brodmann SAE 1980 S. 312; Kraft Anm. zu EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 35; Eichenhof er ZfA 1981 S. 219; Schaub Der Betrieb 1981 S. 1331). Nachdem der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat, wonach von einem vorgegebenen, im Gesetz selbst nicht definierten oder umschriebenen Oberbegriff des leitenden Angestellten ausgegangen werden müsse, in den Fällen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG die dort aufgeführten Tatbestandsmerkmale auszulegen seien, scheint die Frage der schon verfassungsrechtlich erforderlichen Justizisibilität der Bestimmung nicht mehr ohne weiteres bejaht werden zu können, hat doch das Bundesarbeitsgericht selbst in seiner grundlegenden Entscheidung vom 5. März 1974 (EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 7) darauf hingewiesen, daß § 5 Abs. 3 BetrVG zu allgemein gefaßt sei, um justiziabel zu sein. Außerdem enthält, um einen weiteren Punkt zu nennen, auch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Ansatzpunkte für die inhaltliche Interpretation des Begriffs der unternehmerischen Tätigkeit. Die mögliche und wohl auch gebotene Anwendung beispielsweise betriebswirtschaftswissenschaftlicher Kriterien wird weiterhin nicht erwogen (vgl. Wiedemann-Wank Anm. zu AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972; Frohner Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1978 S. 1 ff., 5).

51

IV.

Das Vorrecht mit einem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO besteht allerdings für einzelvertragliche Abfindungen, die mit Sozialplanabfindungen wesensgleich sind, nur in den Grenzen, die den Rahmen von Sozialplanabfindungen bestimmen. Der Sozialplan, unter des der Arbeitnehmer ohne einzelvertraglichen Abfindungsanspruch fallen würde, gibt zugleich das Maß der Schutzbedürftigkeit der Höhe nach an, die eine konkursrechtliche Privilegierung und damit die Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung nach § 3 KO rechtfertigt. Im Hinblick darauf, daß auch im Konkursfalle eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung von leitenden und nicht leitenden Arbeitnehmern wegen des ihnen gleichermaßen zukommenden Bestandschutzes besteht (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972 = Der Betrieb 1979 S. 1039 [BAG 31.01.1979 - 5 AZR 454/77]), gilt insoweit auch für leitende Angestellte nichts anderes (so wohl auch Hanau Recht der Arbeit 1979 S. 324, 331).

52

1.

Die grundsätzliche Privilegierung einzelvertraglicher Abfindungen im Konkurs besagt nicht, daß sie jeden vereinbarten Abfindungsbetrag in vollem Umfange erfassen müßte. Vielmehr ergeben sich die Anhaltspunkte dafür, welche Grenzen dieser Privilegierung zu ziehen sind, aus einem Vergleich der Umstände und Vorschriften, die für die Festsetzung anderer Abfindungen, die Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen sollen, zu berücksichtigen sind, sowie aus den Gründen, die die sozialplangleiche Behandlung im Konkurs rechtfertigen.

53

So wird die Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz durch das Gericht bestimmt. Sie unterliegt hinsichtlich der Höhe nicht der Entscheidung der Parteien (§ 9, 10 KSchG). Sie muß angemessen sein, wobei insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers sowie sein Lebensalter zu berücksichtigen sind, indes aber auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers einen Umstand darstellt, den das Gericht bei der Bemessung der Abfindung berücksichtigen kann (KR-Becker § 10 KSchG Rdnr. 60). Bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen ist die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ebenfalls zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 4 S. 2 BetrVG 1972). Im Konkursfall treten an die Stelle der Interessen des Arbeitgebers die Interessen der Konkursgläubiger (BAG AP Nr. 6 zu § 112 des BVerfG 1972; ZIP 1980 Seite 204; LAG Baden-Württemberg ZIP 1981 Seite 531; Henkel KTS 1979 Seite 172; Beuthien ZIP 1980 Seite 83 ff). Zudem wird die Abfindungshöhe zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bzw. Konkursverwalter oder im Einigungsstellenverfahren festgelegt. Die betroffenen Arbeitnehmer sind hieran jedenfalls unmittelbar nicht beteiligt (vgl. zum Verhältnis einer Abfindung aus dem Kündigungsschutzgesetz zum Nachteilsausgleich nach § 113 BVerfG sowie zu Abfindungsregelungen in Sozialplänen: KR-Becker § 9 KSchG Rn. 69 ff). Sowohl die Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz als auch die Sozialplanabfindung und der Nachteilsausgleich des § 113 BVerfG (über Absatz 1 dieser Vorschrift in Verbindung mit § 10 KSchG) unterliegen damit der Höhe nach einer Reihe von Beschränkungen, unter denen die Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Situation oder die Interessen Dritter dominiert. Sozialplanabfindungen werden, wie gerade auch das hier vorliegende Konkursverfahren zeigt, in ihrer Höhe schon wegen der geringen zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse wegen derart beschränkt, daß noch nicht einmal ein eigentlich notwendiger Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile möglich ist.

54

Demgegenüber werden einzelvertragliche Abfindungen, wie die des Klägers, wenn überhaupt, an einem fiktiven, mitunter willkürlich bemessenen Nachteil, fernab einer konkret in der Nähe liegenden Fälligkeit und damit ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage oder knapper Ressourcen des Arbeitgebers vereinbart. Kollektive Rücksichtnahmen sind nicht erforderlich. Eine Begrenzung findet allenfalls in den arbeitsmarktüblichen Usancen solcher Vereinbarungen statt. Unabhängig von Manipulationsmöglichkeiten, einem denkbaren Mißbrauch bei der Begründung solcher Abfindungsforderungen, kann der vereinbarte Ausgleichsbetrag den tatsächlich eintretenden und auszugleichenden wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Nachteil aus dem Verlust des Arbeitsplatzes weit übersteigen. Abfindungen aber, die keine Nachteile ausgleichen oder die auszugleichenden Nachteile übersteigen, können mit dem übersteigenden Betrag nicht diejenige soziale Bedeutung und Schutzbedürftigkeit für sich beanspruchen, die Abfindungen aus einem Sozialplan zukommt. Sie erfüllen somit hinsichtlich dieses übersteigenden Teiles nicht mehr dieselbe Funktion wie Sozialplanansprüche. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß bei einer nur beschränkten Verteilungsmasse die Anerkennung einzelvertraglicher Abfindungsansprüche in vollem Umfange die Realisierungschancen von Sozialplanabfindungen erheblich beeinträchtigen kann. Stehen beispielsweise wie im vorliegenden Fall, für rund 110 Arbeitnehmer, von denen mehr als die Hälfte ohnehin im Sozialplan aus dem Kreis abfindungsberechtigter Personen ausgeschieden worden ist, lediglich ca. 85.000,00 DM, allenfalls 100.000,00 DM, zur Verfügung, mit der Folge, daß die etwa 43 anspruchsberechtigten Arbeitnehmer Abfindungen in der Größenordnung von durchschnittlich 2.000,00 DM erhalten werden, müßte die Anerkennung einer einzelvertraglichen Abfindung in Höhe von 30.600,00 DM, wie sie der Kläger hier begehrt, zu einer Reduzierung der ohnehin geringen Abfindungen der anderen Arbeitnehmer um 30 bis 35 % führen.

55

Aus alledem folgt, daß ein vorweg im Arbeitsvertrag vereinbarter Abfindungsanspruch konkursrechtlich zwar ebenso wie ein Sozialplananspruch einzuordnen ist, allerdings nur insoweit, als er nicht über das hinausgeht, was sich aus einer entsprechenden Anwendung des Sozialplanes ohnehin ergeben würde.

56

2.)

Insoweit ergibt sich bei Anwendung der Berechnungsformel aus dem zwischen Betriebsrat und Beklagtem zumindest inhaltlich vereinbarten Sozialplan für den Kläger bei einem Alter von 47 Jahren (Stichtag 31.10.1979) sowie drei schulpflichtigen Kindern und einer viermonatigen Arbeitslosigkeit nach der Formel Lebensalter mal Dauer der Arbeitslosigkeit in Monaten mal 4 plus Zahl der Kinder mal 300,00 DM plus 1.000,00 DM bei einem Lebensalter über dem 40. Lebensjahr der aus dem Tenor ersichtliche Betrag von 2.652,00 DM. Der diesen Betrag übersteigende Teil seiner einzelvertraglichen Abfindung kann, wie dargelegt, konkursrechtlich nicht sozialplangleich eingeordnet werden.

57

3.)

Die konkursrechtliche Einordnung dieses, den Betrag von 2.652,00 DM übersteigenden Teils der Abfindungsforderung des Klägers ist vom Berufungsgericht nicht zu entscheiden. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszuge, insbesondere gerade auch dem Vorbringen des Klägers, ist zutreffenderweise Streitgegenstand dieses Rechtsstreits nur die Begründetheit des Widerspruchs des Beklagten gegen die sozialplangleiche Inanspruchnahme des Vorrechts vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Danach stellt sich schon prozessual die Frage nach einer anderen Vorrechtsposition oder nach einer in sich differenzierten Rangstelle "Null" vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO, wie dies vom Arbeitsgericht angesprochen und auch in der Literatur bereits erwähnt worden ist (Schmid/Schmid NJW 1980 Seite 2563 [BGH 21.04.1980 - II ZR 107/79]) nicht. Im übrigen ist aber das Berufungsgericht der Auffassung, daß über die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene, hier auch im Ergebnis für richtig gehaltene Rechtsfortbildung mit der Schaffung eines Vorrechts vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO hinaus eine weitere Rechtsfortbildung nicht zulässig ist.

58

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97, 92 ZPO.

59

Der kostenrechtliche Wert des Streitgegenstandes hat sich nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils geändert. Er ist daher gemäß §§ 3 ZPO, 148 KO neu festgesetzt worden, § 69 Abs. 2 ArbGG.

60

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.600,00 DM festgesetzt.