Verwaltungsgericht Stade
v. 02.04.2014, Az.: 1 A 3018/13

Eintritt der Bindungswirkung durch die Regelung des § 3 Abs. 4 StVG hinsichtlich des Ergebnisses der Beurteilung der Kraftfahreignung durch das Strafgericht

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
02.04.2014
Aktenzeichen
1 A 3018/13
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2014, 16380
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0402.1A3018.13.0A

Amtlicher Leitsatz

Eine Bindungswirkung tritt durch die Regelung des § 3 Abs. 4 StVG nur dann ein, wenn die Behörde den schriftlichen Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Kraftfahreignung beurteilt hat.

In der Verwaltungsrechtssache des pp.
gegen
den Landkreis Cuxhaven, vertreten durch den Landrat, Vincent-Lübeck-Straße 2, 27474 Cuxhaven, - —
Beklagter,
Streitgegenstand: Entziehung der Fahrerlaubnis
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer - am 2. April 2014 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts L - als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig voll- streckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Mit Strafbefehl vom Januar 2013 verurteilte das Amtsgericht L den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete die Einziehung des Führerscheins an. Der Kläger habe am April 2012 gegen Uhr in. mit einem Personenkraftwagen öffentliche Straßen befahren, obwohl er infolge eines Blutalkoholgehalts von mindestens 1,73 Promille nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, was er hätte erkennen können und müssen. Der Kläger erhob hiergegen Einspruch. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am Mai 2013 erklärte sein Verteidiger:

"Die Anklage trifft zu. Wir beschränken unseren Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Anzahl und Höhe des einzelnen Tagessatzes sowie auf die Entziehung der Fahrerlaubnis.

II.

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger mit Urteil vom Mai 2013 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Weiter untersagte es ihm, für die Dauer von drei Monaten Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot sei durch die bisherige Sicherstellung des Führerscheins abgegolten.

Mit Schreiben vom xx Juni 2013 forderte der Beklagte den Kläger auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Die Beibringung solle bis zum xx August 2013 erfolgen. Der Kläger wandte sich hiergegen. Der Strafbefehl des Amtsgerichts L sei nicht rechtskräftig geworden. Tatsächlich sei hinsichtlich der Rechtsfolgen der Tat ein Urteil ergangen. Es sei nur noch ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten verhängt worden, eine Feststellung, dass der Kläger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, sei nicht mehr getroffen worden. Im Übrigen stehe nicht fest, dass er, der Kläger, mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,73 Promille ein Kraftfahrzeug geführt habe. Nach der Mitteilung seines Nachbarn habe er den Nachmittag trinkend auf der Terrasse verbracht. Eine rechtssichere Feststellung des Inhalts, dass hier eine Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von über 0,6 Promille stattgefunden habe, sei nicht getroffen worden. Es folgte ein Schriftverkehr, in denen die Beteiligten die jeweiligen Standpunkte wiederholten und vertieften. Der Kläger erklärte ergänzend, eine Anordnung nach § 13 Ziffer 1 FeV komme nicht in Betracht. Diese könne nur bei Vorliegen von Verdachtsmomenten hinsichtlich einer Alkoholabhängigkeit getroffen werden.

Mit Bescheid vom xx Juli 2013 entzog der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis und gab ihm auf, den Führerschein innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der Verfügung zurückzugeben. Er ordnete weiter die sofortige Vollziehung an. Der Kläger habe sich ohne Grund geweigert, das Gutachten beizubringen. Deswegen könne davon ausgegangen werden, dass er zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Bescheid vom xx Juli 2013 Bezug genommen.

Der Kläger hat am xx August 2013 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine bisherigen Erwägungen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom xx Juli 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt und ergänzt zur Begründung die Gründe seines Bescheides.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Es hat auch die Akte l/12 der Staatsanwaltschaft Stade vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO über die Klage nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Der Beklagte hat auf der Grundlage des § 3 Absatz 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVO) i.V. mit § 46 Absatz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen. Nach den genannten Vorschriften hat die Straßenverkehrsbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde ein von ihr zur Recht gefordertes Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie nach § 11 Abs. 8 FeV i.V. mit § 46 Abs. 3 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen.

Die Voraussetzung der genannten Vorschriften liegen hier vor. Der Beklagte hat zunächst auf der Grundlage des § 13 Ziff. 2 Buchst. c FeV i.V. mit § 46 Abs. 3 FeV zu Recht den Kläger aufgefordert, ein ärztliches Gutachten beizubringen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, findet u.a. § 13 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 13 Ziff. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßen- verkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Dies steht hier auf Grund der Verurteilung des Klägers durch den Strafbefehl sowie das Urteil des Amtsgerichts L und im Übrigen auch durch die eigene Einlassung des Klägers vor dem Amtsgericht fest. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren bestreitet, dass er im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug mit einem Blutalkoholgehalt von 1,73 Promille geführt habe, kann er damit angesichts dessen keinen Erfolg haben. Der Umstand, dass das Amtsgericht L., in seinem Urteil vom Mai 2013 dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht entzogen hat, steht einer Anordnung, ein medizinisch- psychologisches Gutachten beizubringen, auch mit Rücksicht auf die Regelung des § 3 Abs. 4 StVG nicht entgegen. Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, kann sie nach der genannten Vorschrift zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils u.a. insoweit nicht ab- weichen, als es sich auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.

Eine Bindungswirkung tritt durch die Regelung des § 3 Abs. 4 StVG aber nur dann ein, wenn die Behörde den schriftlichen Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Kraftfahreignung beurteilt hat. Dies setzt voraus, dass insoweit eine ausdrückliche Entscheidung ergeht. Eine Begründung, die nicht ausdrücklich die Ungeeignetheit verneint, bindet nicht. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht - ohne ausdrückliche Feststellungen zur Frage der Eignung zu treffen - auf ein Fahrverbot erkennt (BVerwG, Urt. v. 15.7.1988 - 7 C 46.87 [...]; Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 3 StVG Rn. 28, 29). Hieran gemessen ist der Beklagte nicht daran gebunden, dass das Amtsgericht L dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht entzogen hat, denn dieses hat in seinem Urteil vom Mai 2013 keine ausdrücklichen Feststellungen zur Kraftfahreignung des Klägers getroffen.

Auch ansonsten ist die Anordnung des Beklagten, der Kläger möge ein medizinisch- psychologisches Gutachten beibringen, nicht zu beanstanden; insbesondere hat der Beklagte die Vorgaben des § 11 Abs. 6 FeV beachtet. Weil der Kläger das von ihm angeforderte Gutachten innerhalb der ihm gesetzten Frist ohne ausreichende Gründe nicht beigebracht hat, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht geeignet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwG°. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwG0 i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.