Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.05.2000, Az.: 1 A 35/98

Auswahlentscheidung; Bestenauslese; Kausalität; Leistungsgrundsatz; Pflichtverletzung; quasi-vertraglich; schuldhafte Pflichtverletzung; Verbindlichkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
18.05.2000
Aktenzeichen
1 A 35/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 27.11.2001 - AZ: OVG 2 LB 1087/01
BVerwG - 27.02.2003 - AZ: BVerwG 2 C 16/02

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung.

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Er war als Kriminalhauptmeister beim Polizeikommissariat Lüneburg tätig. Im Laufe des Jahres 1996 wurden landesweit für den Bewährungsaufstieg im Bereich der Schutzpolizei insgesamt 270 Beförderungsstellen und für den Bewährungsaufstieg im Bereich der Kriminalpolizei insgesamt 60 Beförderungsstellen zur Verfügung gestellt. Davon wurden der Beklagten 7 Beförderungsstellen nach BesGr. A 10 (Schutzpolizei) und 5 Planstellen für den Aufstieg bei der Kriminalpolizei von Polizeihauptmeistern zu Polizeioberkommissaren zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde eine Planstelle der BesGr. A 9 für den Bewährungsaufstieg im Bereich der Kriminalpolizei zugewiesen.

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Der Kläger bewarb sich für den Bewährungsaufstieg zum 1. Dezember 1996, was jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, er befinde sich nach den anzuwendenden Kriterien nicht unter den 6 zu befördernden Beamten. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte erfolgreich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes: Mit insgesamt 6 Beschlüssen vom 29. Januar 1997 (1 B 90/96, 1 B 6 bis 10/97) wurde der Beklagten die Beförderung der 6 Mitbewerber vorläufig untersagt und insoweit festgestellt, dass das Auswahlverfahren wegen Verstoßes gegen das Leistungsprinzip rechtswidrig sei. Die Beklagte führte daraufhin ein neues Auswahlverfahren mit einem anderen, erheblich erweiterten Bewerberkreis durch. Danach sollten Polizeivollzugsbeamte, die im Bewährungsaufstieg in den höheren Dienst aufsteigen, nur noch zu Kommissaren der BesGr. A 9 ernannt werden, nicht mehr jedoch zu Oberkommissaren der BesGr. A 10. Denn die im Rahmen der geplanten Beförderung zum 1. Dez. 1996 zur Verfügung gestellten Planstellen der BesGr. A 10 sollten jetzt unter Berücksichtigung der Dienstaltersstruktur der Polizeiinspektionen kontingentiert werden. Danach hätte die Dienststelle des Klägers keine entsprd. Planstelle mehr erhalten.

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Dagegen legte der Kläger erneut Widerspruch ein und beantragte wiederum mit Erfolg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes: Durch Beschluss vom 30. Juli 1997 (1 B 49/97) wurde der Beklagten untersagt, auf den 5 Planstellen der BesGr. A 10 die geplanten Beförderungen vorzunehmen; der Beklagten wurde aufgegeben, das Auswahlverfahren mit dem ursprünglichen Bewerberkreis vom 1. Dezember 1996 fortzusetzen.

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Mit Wirkung vom 1. September 1997 wurde der Kläger dann zum Kriminaloberkommissar befördert.

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Im Oktober 1997 beantragte der Kläger, ihn dienst- , besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei er schon zum 1. Dezember 1996 befördert worden. Dieser Antrag wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 28. Januar 1998 abgelehnt, u.zw. mit der Begründung, der geltend gemachte Schaden sei nicht adäquat kausal allein schon mit den als rechtswidrig eingestuften Auswahlentscheidungen verbunden, da nicht angenommen werden könne, dass der Kläger bei fürsorglichem Verhalten der Beklagten schon zum 1. Dez. 1996 zum Kriminaloberkommissar ernannt worden wäre.

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Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 15. April 1998, in dem der Standpunkt der Beklagten erweitert und vertieft wurde, zurückgewiesen.

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Zur Begründung seiner am 27. April 1998 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, bei Anwendung leistungsgerechter Kriterien wäre er schon zum 1. Dez. 1996 befördert worden. Das habe ihm die Beklagte auch ausdrücklich in zwei Besprechungen vom 11.2.1997 und vom 12.3.1997 bestätigt. Nach der Orientierungsliste, die für den Bewährungsaufstieg erstellt worden sei, habe der Kläger auf Platz 6 gestanden. Dabei hätte der Mitbewerber KHM A. (Platz 3 der Liste) nicht berücksichtigt werden dürfen, da er bereits zuvor schriftlich auf einen Bewährungsaufstieg verzichtet habe. Auch KHM A. (Platz 2 der Liste) habe von der Liste gestrichen werden müssen, da er aus beamtenrechtlichen Gründen nicht habe ernannt werden können. Somit hätte er auf Platz 4 der Liste leistungsgleich mit KHM Ernst gestanden und damit zu den 5 zu befördernden Beamten gehört. Die Tatsache, dass er dann tatsächlich zum Kriminaloberkommissar ernannt worden sei, unterstreiche im übrigen nur, dass er zu den 5 leistungsstärksten Bewerbern gehört habe. Im übrigen hätte bei einer leistungsgerechten Auswahl nicht zwischen Schutz- und Kriminalpolizei differenziert werden dürfen, so dass eigentlich 42 Stellen zur Verfügung gestanden hätten. Danach hätte er auf jeden Fall zu den leistungsstärksten Bewerbern gehört, da im Bereich der Schutzpolizei viele leistungsschwächere Beamte mit Rücksicht auf ihr Lebensalter befördert worden seien. Letztlich trage die Beklagte aber auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden nicht etwa adäquat kausal von ihr verursacht worden sei, wie die Entscheidung des BGH in DVBl. 1995, 922 = ZBR 1995, 316 = NJW 1995, 2344 zeige.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 28.1.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.4.1998 zu verpflichten, den Kläger gemäß seinem Antrag vom 27.10.1997 dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er bereits zum 1.12.1996 zum Kriminaloberkommissar befördert worden wäre.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide und führt aus, der dem Kläger entstandene Schaden sei nicht von ihr adäquat kausal verursacht worden, da für sie keine Verpflichtung bestanden habe, den Kläger schon zum 1.12.1996 zu befördern. Bei der Besprechung am 11.2.1997 sei nicht bestätigt worden, dass der Kläger bei Anwendung leistungsgerechter Kriterien schon am 1.12.1996 zur Gruppe der zu befördernden Beamten gehört hätte. Es sei lediglich besprochen worden, dass es zu einem neuen Auswahlverfahren kommen werde, bei dem der Kläger zu den Bewerbern gehören werde. Die Beförderung zum 1.9.1997 belege nicht die Kausalität, da auch bei dem neu durchgeführten Auswahlverfahren nicht etwa ein Anspruch des Klägers auf eine Beförderung bestanden habe. Bei dem Verfahren seien 4 Planstellen an Bewerber vergeben worden, die nach Eignung, Leistung und Befähigung den Anforderungen besser entsprochen hätten. Die Auswahl des Klägers für die 5. Stelle sei nicht zwingend gewesen, da er mit einem anderen Bewerber leistungsgleich gewesen sei. Die Beförderung des Klägers sei unter Berücksichtigung der gerichtlichen Entscheidung 1 B 49/97 ergangen, um eine endgültige Befriedung der Situation zu erreichen und eine weitere Blockierung der Stelle zu verhindern. Die Argumentation des Klägers hinsichtlich der Orientierungsliste gehe fehl, weil er bei 18,8 Punkten mit einem Mitbewerber auf Platz 6 der Liste gestanden habe. Der Mitbewerber A. habe berücksichtigt werden müssen, da er den prüfungsfreien Aufstieg 1993 beantragt habe und seine Ernennung zum Kriminalkommissar auch angenommen habe. Die Tatsache, dass der Mitbewerber A. bei der 2. Auswahlentscheidung aus beamtenrechtlichen Gründen ausgeschieden sei, sei insofern bedeutungslos, als allein auf den Bewerberkreis des 1. Verfahrens abzustellen sei. Das Beförderungshindernis dieses Mitbewerbers sei im übrigen erst im Dezember 1996 bekannt geworden. Die Differenzierung zwischen Schutz- und Kriminalpolizei habe im Dezember 1996 noch bestanden; erst 1997/98 sei eine gegenseitige Besetzung der Planstellen haushaltsrechtlich möglich gewesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob er zum 1. Dezember 1996 befördert worden wäre.

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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, wobei das erforderliche Vorverfahren (§ 126 BRRG, 68 f. VwGO) durchgeführt worden ist.

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2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist eine im öffentlich-rechtl. Dienstverhältnis wurzelnde quasi-vertragliche Verbindlichkeit, die als Institut eigener Art aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 NBG hergeleitet wird (BVerwGE 80, 123). Der Anspruch setzt voraus, dass der Dienstherr seine Pflicht zur Bestenauslese verletzt hat. Diese Pflichtverletzung muss zum einen adäquat kausal zu dem geltend gemachten Schaden geführt haben und zum andern auch schuldhaft erfolgt sein. In entsprechender Anwendung von § 839 Abs. 3 BGB ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Beamte nicht versucht hat, den Schaden durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes abzuwenden.

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3. Zunächst einmal liegt hier eine Pflichtverletzung der Beklagten vor, da die dem Auswahlverfahren für die Beförderung zum 1. Dezember 1996 zugrunde gelegten Kriterien nicht dem Leistungsgrundsatz entsprachen. Das ist in den Beschlüssen der Kammer vom 29. Jan. 1997 (1 B 90/96 und 1 B 7 bis 10/97) ausführlich dargestellt und so festgestellt worden. Es wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

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4. Diese Pflichtverletzung war - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch adäquat kausal für den eingetretenen Schaden: Die erforderliche Kausalität iSv Adäquanz ist dann gegeben, wenn festgestellt wird, dass die Behörde bei Vermeidung des die Pflichtwidrigkeit begründenden Fehlers voraussichtlich zugunsten des Klägers entschieden hätte (BVerwG, Beschl. v. 16.10.1991, NJW 1992, 927/928). Für den Nachweis der Kausalität ist nicht erforderlich, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt wird, der Kläger wäre ohne die Pflichtverletzung (s.o. 3) befördert worden. Schon gar nicht ist erforderlich, dass der Kläger - im Sinne einer „Ermessensreduzierung auf Null“ - einen vollen Anspruch auf Beförderung hatte (vgl. Wittkowski, NJW 1993, 823). Es reicht vielmehr eine Voraussicht, die retrospektiv auf den Entscheidungszeitpunkt der Behörde zurückzubeziehen ist. Bei einer leistungsgerechten Auswahlentscheidung zum 1. Dezember 1996 aber wäre der Kläger nach der Einschätzung der Kammer aller Voraussicht nach befördert worden. Dem Kläger kommen nämlich hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität die Beweiserleichterungen des § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO iVm § 173 VwGO zugute. Danach entscheidet das Gericht über die gen. Voraussicht, also darüber, ob der eingetretene Schaden ohne die Pflichtverletzung wahrscheinlich vermieden worden wäre, nach freier Überzeugung.

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4.1 Allerdings kommt es hier nicht zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers: Denn die materielle Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen trägt grundsätzlich der Anspruchssteller. Zwar kommt in Schadensersatzfällen dem Beweispflichtigen hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität oftmals eine Beweiserleichterung zugute, etwa dann, wenn eine Beweisvereitelung bzw. -vernichtung im Rechts- und Organisationskreis des Prozessgegners vorliegt, die dem Beweispflichtigen seinen Beweis unzumutbar erschwert, oder aber dann, wenn eine Pflichtverletzung schon in aller Regel - nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge - zu dem eingetretenen Schaden hinführt. Bei der Verletzung des Leistungsprinzips durch den Dienstherrn kann letzteres jedoch nicht so ohne weiteres angenommen werden, da auch bei einem ordnungsgemäßen Auswahlverfahren - ohne Pflichtverletzung - aufgrund des Ermessens- und Beurteilungsspielraums des Dienstherrn durchaus auch anderen Bewerbern als dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren obsiegenden Antragsteller grundsätzlich noch der Vorzug gegeben werden könnte. Die Orientierungslisten dienten ja nur als bloße „Orientierung“ und nicht als verbindliche Beförderungsreihenfolge. Allerdings ist dem Kläger zuzugestehen, dass bei sehr eng vorstrukturierten Beförderungsreihungen (durch Orientierungslisten) eine Pflichtverletzung u.U. schon nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu dem eingetretenen Schaden - der Nichtbeförderung - führen kann, so dass dann eine Beweislastumkehr in Betracht gezogen werden könnte und der Dienstherr seinerseits darzulegen und zu beweisen hätte, dass der Kläger trotz Reihung nicht etwa schon „dran gewesen“ wäre.

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Soweit der Kläger auf das Urteil des BGH v. 6.4.1995 (DVBl. 1995, 922 f.) verweist, ist jedoch zu unterstreichen, dass in jenem Fall die Pflichtverletzung des Dienstherrn in der nicht rechtzeitigen Benachrichtigung des unterlegenen Bewerbers bestand, was mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist. Denn beim Fehlen einer Benachrichtigung, die in ihrer „Behinderungsintensität“ einer Beweisvereitelung bzw. Beweisvernichtung (s.o.) gleichgestellt werden kann, hat der übergangene Bewerber von Anfang an keine Chance auf einen Rechtsschutz, so dass dann auch keine gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung mehr erfolgen kann. Aufgrund eines derart schwerwiegenden Verfahrensfehlers ist dann auch eine Beweislastumkehr gerechtfertigt. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor.

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4.2 Jedenfalls kommen dem Kläger hier die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute, die auch die Anforderungen an die Darlegungslast verringern (BGH, WM 1995, 64/66; NJW 1986, 2829/2831). Danach ist die Kausalität iSe. adäquat-kausalen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden erwiesen. Denn es steht fest, dass der Kläger aller Wahrscheinlichkeit bzw. Voraussicht nach zum 1. Dezember 1996 befördert worden wäre, wenn die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung nicht gegen das Leistungsprinzip verstoßen hätte.

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Sollten die Mitbewerber A. und A. von der Orientierungsliste an sich zu streichen gewesen sein, so wäre die Adäquanz schon dadurch belegt. Denn dann hätte der Kläger zur Beförderung angestanden, ohne dass ersichtlich wäre, aus welchen Gründen er noch nicht hätte zum Zuge kommen können. Ob insoweit der Beklagten gefolgt werden kann, die Gründe für die Streichung seien zum 1.12.1996 noch nicht bekannt gewesen (A.) oder hätten sich später durch Annahme der entsprechenden Beförderungsurkunde anderweit erledigt (A.), kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls ist die adäquate Kausalität aus den nachfolgenden Gründen belegt und bewiesen.

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Aufgrund des Beschl. d. Kammer v. 30.7.1997 (1 B 49/97) wurde das ursprüngliche Auswahlverfahren mit dem gleichen Bewerberkreis fortgesetzt. Bei der dann erfolgenden Auswahl hat die Beklagte den Kläger anderen Mitbewerbern vorgezogen und ihn befördert. Dabei ist davon auszugehen, dass die Beklagte diese Auswahl unter Beachtung des verfassungsrechtlich verankerten Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 NBG) getroffen hat und nicht etwa nach freiem Belieben. Deshalb kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Beförderung sei allein aufgrund der Tatsache des Verfahrens und des Beschlusses der Kammer erfolgt. Denn in dem Beschluss ist die Beklagte nicht zur Beförderung des Klägers verpflichtet worden, sondern nur zur erneuten Durchführung eines Auswahlverfahrens mit dem ursprünglichen Bewerberkreis - unter Beachtung gerade des Leistungsprinzips. Die Beklagte hat dazu vorgetragen, dass 4 Mitbewerber leistungsstärker gewesen seien und der Kläger mit dem 5. Bewerber leistungsgleich gewesen sei. Das unterstellt, ist festzustellen, dass der Kläger dem unmittelbaren Mitkonkurrenten vorgezogen worden ist. Dieses kann - in Anwendung des Leistungsgrundsatzes - nur aufgrund von leistungsgerechten Hilfskriterien und nicht etwa mit Blick auf das Vermeiden von weiteren Auseinandersetzungen geschehen sein. Zwar verbleibt dem Dienstherrn bei Hilfskriterien ein (weiter) Ermessensspielraum, doch darf auch hierbei das Leistungsprinzip nicht aus den Augen verloren werden. Da offenbar die Anwendung leistungsgerechter Hilfskriterien zur Auswahl des Klägers führte, ist (im Sinne adäquater Kausalität) davon auszugehen, dass diese Verfahrensweise auch schon bei der ersten Auswahlentscheidung zu einer Entscheidung zu Gunsten des Klägers geführt hätte, also nach dem Leistungsprinzip voraussichtlich zugunsten des Klägers entschieden worden wäre.

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Unabhängig davon, ob der Argumentation der Beklagten, die Auswahl sei zur „Befriedung“ erfolgt, mit Blick auf den Leistungsgrundsatz überhaupt gefolgt werden kann, verbleibt es auch insoweit bei der aufgezeigten Kausalität: Die Beklagte hat offenbar im Rahmen von Besprechungen (am 11.2. und am 12.3.1997) eingeräumt, dass der Kläger bei Beachtung des Leistungsprinzips und der Rechtsprechung dazu schon am 1. Dezember 1996 zu denjenigen gehört hätte, die zu befördern gewesen wären (S. 4 der Klageschrift). Der Vertreter der Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2000 ausgeführt, es sei richtig, dass der Kläger aufgrund der Rechtsprechung der Kammer auf einer „besseren Position als vorher“ gestanden habe. Allerdings sehe er das heute anders, da sich die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts inzwischen im Sinne einer Betonung des dienstherrlichen Ermessens verfestigt habe. Mit dieser Argumentation gibt die Beklagte zu erkennen, dass ihre eigene Einschätzung des Leistungsstandes jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt für den Kläger und dessen Beförderung sprach, zumal sie sämtliche Beschlüsse der Kammer damals nicht angegriffen, sondern hingenommen hat. Das zeigt, dass bei Orientierung am Leistungsgrundsatz, so wie er der Beklagten damals vor Augen stand, eine Beförderung des Klägers doch anstand. Hinzu kommt, dass im Verfahren 1 B 49/97 die Beklagte dem entsprechenden Vortrag des Klägers nicht entgegengetreten ist, was dazu geführt hat, dass dieser Vortrag in den Gründen des Beschlusses als unstreitig dargestellt wurde (S. 2 d. Beschl. v. 30.7.97). Das alles führt dazu, dass die Beklagte sich an ihrem Verhalten und an ihrer Einschätzung, der Kläger habe damals eine „bessere Position“ gehabt, festhalten lassen muss.

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Bei Würdigung sämtlicher Umstände iSv § 287 ZPO ist es somit hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger bei Vermeidung der o.a. Pflichtverletzung (Verletzung des Leistungsprinzips) schon zum 1. Dez. 1996 befördert worden wäre. Damit ist die erforderliche Kausalität - unabhängig von einer (denkbaren) Beweislastumkehr (s.o.) - gegeben.

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5. Auch ein Verschulden der Beklagten ist gegeben. Das Mindesterfordernis der Fahrlässigkeit liegt vor. Die Beklagte hat als Dienstherrin des Klägers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (§ 276 BGB).

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Die Pflichtverletzung ist auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung von Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 NBG zurückzuführen. Eine solche unrichtige Gesetzes- und Rechtsanwendung ist dann als fahrlässig anzusehen, wenn sie eindeutig gegen den Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften oder gegen eine (klare) höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt (Palandt, BGB-Komm. 58. Aufl. § 839 Rdn. 53 m.w.N.). Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabes ist zu beachten, dass die Beklagte als Dienstherrin des Klägers mit ihrem Verwaltungsapparat gerade in Bezug auf die beamtenrechtliche Rechtsanwendung eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft. So muss z.B. gefordert werden, dass sich die Beklagte in der höchstrichterlichen und der einschlägigen Rechtsprechung der Instanzgerichte auskennt. Bei Berücksichtigung dieser Pflichtenstellung ist einzubeziehen, dass dem Kläger hinsichtlich des Verschuldens eine Beweiserleichterung zugute kommt, da die Beweislast für das Fehlen des Verschuldens entsprd. § 282 BGB bei der Beklagten liegt. Somit hat sie nachzuweisen, dass ihr im konkreten Fall kein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last gelegt werden kann (BVerwG, Urt. v. 12.2.1981 in Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; Wittkowski, NJW 1993, 817 / 823). Insoweit hat die Beklagte jedoch lediglich pauschal vorgebracht, eine schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht liege nicht vor (S. 2 d. Widerspruchsbescheides v. 28.1.98), weil es an einer Ermessenreduzierung auf Null, also einem Anspruch des Klägers auf Beförderung fehle. Dass auch bei einem Fehlen eines solchen (direkten) Anspruchs auf Beförderung eine Fürsorgepflichtverletzung in Betracht kommt, ist oben dargelegt worden. Das gemäß § 282 BGB vermutete Verschulden daran kann nicht pauschal mit dem Fehlen eines Anspruchs in Abrede gestellt werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.