Landgericht Lüneburg
Urt. v. 31.01.1991, Az.: 4 S 270/90

Ausgleichsanspruch gegen den Erzeuger des Kindes aufgrund entstandener Kosten durch einen Ehelichkeitsanfechtungsprozeß nach §§ 1610 Abs. 2, 1615 Abs. 1 BGB analog; Eingriffe Dritter in den familienrechtlichen Bereich der Ehe als vom Schutzzweck des § 823 BGB erfasst; Klarstellung der Abstammung eines Kindes als Lebensbedarf i.S.v. § 1610 Abs. 2 BGB

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
31.01.1991
Aktenzeichen
4 S 270/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 21343
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1991:0131.4S270.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Uelzen - 19.06.1990

Fundstellen

  • FamRZ 1991, 1095-1096 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1991, 711 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vorn 17. Januar 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...'
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.06.1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Uelzen wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das angefochtene Urteil wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 270,--DM nebst 4% Zinsen auf 90,-- DM für die Zeit vom 06.März bis 05. April 1990 und 4% Zinsen auf 180,-- DM für die Zeit vom 06. April bis 19. April 1990 und 12,5% Zinsen auf 180,-- DM für die Zeit vom 20. April bis 07. Mai 1990 und 12,5% Zinsen auf 270,-- DM für die Zeit ab 08. Mai 1990 zu zahlen.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 475,10 DM nebst 12,5% Zinsen auf 90,-- DM, ab 5. Juni 1990 zuzüglich 12,5% Zinsen auf jeweils weitere 90,-- DM ab 5. Juli 1990, 5. August 1990, 5. September 1990 und 5. Oktober 1990 und auf weitere 25,10 DM ab 5. November 1990 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

2

Das Amtsgericht hat den Beklagten bis auf einen geringen Zins- betrag zur Zahlung der Kosten verurteilt, die dem Kläger im Laufe eines Vorprozesses (4 C 1667/89 AG Uelzen) im Rahmen von Prozeßkostenhilfe durch anwaltliche Inanspruchnahme entstanden sind. In diesem Vorprozeß wurde der Kläger als Scheinvater auf Anfechtung der Nichtehelichkeit in Anspruch genommen, und zwar von dem am 06. November 1989 von seiner geschiedenen Ehefrau geborenen Kind ... Der Kläger ist damals einer Ratenzahlungsanordnung vollständig nachgekommen. Das Amtsgericht hat zur Begründung angeführt, daß der Beklagte als Erzeuger des Kindes dem Kläger die Erstattung der für das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen schuldet. Dazu seien auch die Kosten die der Kläger im Prozeß zur Feststellung der Nichtehelichkeit aufwenden mußte, zu rechnen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

3

Die Anschlußberufung des Klägers ist demgegenüber begründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, dem Kläger die im Streit stehenden Prozeßkosten zu erstatten. Der Kläger kann jedoch über die amtsgerichtliche Entscheidung hinaus 12,5% Zinsen ab dem 20. April 1990 verlangen.

4

Der Kläger hat wegen der Kosten, die ihm durch den Ehelichkeitsanfechtungsprozeß entstanden sind, einen sich nach Unterhaltsrecht bestimmenden Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten als den Erzeuger des Kindes ... gemäß §§ 1610 Abs. 2, 1615 Abs. 1 BGB analog.

5

Insoweit folgt die Kammer der überzeugenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 57, 229), die entgegen der Ansicht des Beklagten auch für den vorliegenden Fall anzuwenden ist, da sowohl die gesetzlichen Voraussetzungen als auch die Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie, mangels Eingreifens einer anderen gesetzlichen Regelung, vorliegen.

6

Die Kammer stimmt dem Beklagten soweit zu, als daß es sich vorliegend nicht um eine "Ehestörung" handelt, die eine Schadensersatzpflicht gemäß § 823 BGB nach sich ziehen könnte. Der Schutzzweck des § 823 BGB erfaßt grundsätzlich nicht Eingriffe Dritter in den familienrechtlichen Bereich der Ehe (vgl. BGHZ a.a.O. Seite 231). Es wäre kaum gerechtfertigt, von beiden Teilnehmern einer "Ehestörung" nur den Dritten nicht aber den Ehegatten in Anspruch nehmen zu können, da eine Mithaftung des Ehegatten mit der abschließenden gesetzlichen Regelung der Verletzung ehelicher Pflichten nicht vereinbar ist (vgl. BGHZ a.a.O. S. 232).

7

Der Kläger ist allerdings berechtigt, alle Kosten, die er aufgrund seiner Unterhaltspflicht als Scheinvater gegenüber dem Kind aufgewendet hat, vom Beklagten erstattet zu verlangen, da der Unterhaltsanspruch des Kindes nach Abschluß des Verfahrens zur Feststellung der Nichtehelichkeit auf ihn übergeleitet ist, nachdem dieser vorher gegen den Kläger gerichtet war. Nachdem der Beklagte die Vaterschaft anerkannt hat, ist er als Erzeuger des Kindes diesem unterhaltspflichtig.

8

Die vom Kläger im Rahmen seiner damaligen Unterhaltspflicht aufgewendeten und nunmehr verlangten Prozeßkosten gehören zum Lebensbedarf des Kindes (§ 1610 Abs. 2 BGB). Zum Lebensbedarf gehört nicht nur Ernährung, Kleidung und Wohnung, sondern auch die Klarstellung der Abstammung des Kindes. Diese ist für die rechtlichen und sozialen Verhältnisse des Kindes von so grundlegender Bedeutung, daß die Aufwendungen, die für diese Klärung erforderlich sind, insgesamt zum Lebensbedarf zu rechnen sind. Dazu gehört nicht nur die Ermöglichung der Prozeßführung (Prozeßkosten des Kindes), sondern auch die Klärung der Abstammung insgesamt mit allen dafür erforderlichen Kosten (BGHZ a.a.O.) und nicht nur die Zahlung von Prozeßkostenvorschüssen, wie der Beklagte meint.

9

Diese Lösung entspricht auch der Billigkeit. Der Beklagte, der als Erzeuger für die Kosten der Abstammungsklärung aufzukommen hat, steht dieser Aufgabe jedenfalls näher als der Kläger als Scheinvater. Dieses gilt ungeachtet der Kostenregelung von § 93 c ZPO, die lediglich Ausfluß der gesetzlichen Ausgestaltung des Anfechtungsprozesses als Parteiprozeß zwischen dem Kind und dem Ehemann der Mutter (dem Kläger) ist. Aus prozessualen Gründen ist es in einem Anfechtungsprozeß nicht möglich, einem unbeteiligten Dritten (dem Beklagten) die Kosten aufzuerlegen. Die Kostenregelung des § 93 c ZPOändert jedenfalls nichts an der Zahlungsverpflichtung des Beklagten.

10

Auch die Neuregelung des § 93 c ZPO steht dieser Auffassung nicht entgegen, da sie einerseits nur das oben angesprochene prozessuale Verhältnis zwischen dem Ehemann der Mutter und dem Kind betrifft, sie andererseits mit in die Entscheidung des BGH eingeflossen ist (vgl. BGHZ a.a.O. Seite 236).

11

Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils geboten. Dem Kläger ist zuzubilligen, anwaltlichen Beistand einzuholen. Dieses gilt insbesondere für einen Prozeß, der die Anfechtung der Ehelichkeit betraf, mit möglicherweise für einen juristischen Laien nicht ohne weiteres erkennbaren Konsequenzen, zumal die Gegenseite anwaltlich vertreten war (vgl. § 121 Abs. 2, 2. Alt.ZPO).

12

Der Zinsanspruch in Höhe von 12,5% ab dem 20.04.1990 ist ebenfalls begründet, nachdem durch Vorlage der schriftlichen Auskunft der Kreissparkasse Uelzen vom 27. November 1990 ein Zinsschaden des Klägers in dieser Höhe belegt ist.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 2, 97, 296 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Kläger hat zwar durch seinen in erster Instanz nachträglich gestellten Ratenzahlungsantrag teilweise die Klage zurückgenommen, jedoch war seine Zuvielforderung insoweit verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlaßt. Es konnte deshalb nicht bei der Belastung des Klägers mit den Kosten der ersten Instanz zu 1/4 verbleiben. Die Rücknahme macht einen derart geringen Teil des Streitwertes aus, daß dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen waren. Der Kläger hat nämlich durch den eingeschränkten Ratenzahlungsantrag im Verhältnis zum Zahlungsantrag nur eine ganz geringe Zinseinbuße erlitten, die rechnerisch nicht einmal 30,--DM ausmacht. Letzterer Betrag war zu der Gesamtforderung ins Verhältnis zu setzen.