Amtsgericht Stadthagen
Urt. v. 27.10.2004, Az.: 41 C 381/04

Abflussrohr; Abgrenzung; bestimmungsgemäßer Gebrauch; Eindringen; Entwässerungsrohr; flüchtender Fuchs; Freiwillige Feuerwehr; Gebrauchsbeeinträchtigung; Hundehalterhaftung; Instandsetzungskosten; Jagdhaftpflichtversicherung; Jagdhund; Jäger; Leistungsausschluss; Rettungseinsatz; Rettungskostenersatz; Sachschaden; Substanzverletzung; Tierhalterhaftung; Verfolgung; Verkeilen; versicherter Schaden; versichertes Ereignis; Versicherungsnehmer; Versicherungsschutz; Verstopfen

Bibliographie

Gericht
AG Stadthagen
Datum
27.10.2004
Aktenzeichen
41 C 381/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50912
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 644,61 € nebst Zinsen in Höhe von für das Jahr 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch nicht mehr als 7 %, seit dem 06.08.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 644,61 € festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger nimmt den beklagten Versicherer auf Leistung aus einem Jagdhaftpflicht-Versicherungsvertrag in Anspruch. Nach den Vertragsbedingungen war der Kläger u. a. als Halter von höchstens drei brauchbaren oder sich nachweislich in jagdlicher Abrichtung befindlichen Jagdhunden versichert.

2

Am 03.03.2004 hatte ein Jagdhund des Klägers selbstständig einen Fuchs hochgemacht und in ein Entwässerungsrohr verfolgt, dessen anfänglicher Durchmesser sich unter dem Pferdestall eines Nachbarn des Klägers von 400 auf 150 Millimeter verengte. Der Fuchs und der Hund des Klägers blieben verkeilt stecken.

3

Nachdem der Kläger auf den Vorfall aufmerksam geworden war, wurden auf seine Veranlassung der Boden und das Entwässerungsrohr von der Freiwilligen Feuerwehr geöffnet und die Tiere geborgen.

4

Für die Wiederherstellung des Entwässerungsrohres und des Bodens stellte sein Nachbar dem Kläger den streitgegenständlichen Betrag in Rechnung, den der Kläger von der Beklagten ersetzt verlangt.

5

Er ist der Auffassung, sein Jagdhund habe einen Sachschaden verursacht, und die Kosten der Beseitigung dieses Schadens habe die Beklagte ihm zu erstatten.

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Er beantragt

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 644,61 € nebst 7 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, der Jagdhund des Klägers habe keinen Sachschaden verursacht, weil die Substanz des Entwässerungsrohres nicht durch den Hund, sondern erst durch den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr verletzt worden sei. Dieser Einsatz habe nicht der Beseitigung einer Rohrverstopfung gedient - die mit Nichtwissen bestritten werde -, sondern ausschließlich der Rettung des Hundes.

11

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und bis auf einen geringfügigen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs auch begründet.

13

Der Kläger kann aus dem Jagdhaftpflicht-Versicherungsvertrag von der Beklagten Erstattung der Kosten für die Instandsetzung des Entwässerungsrohres in unstreitiger Höhe von 644,61 € verlangen, weil sein Jagdhund einen Sachschaden an diesem Rohr verursacht hat, für den die Beklagte bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren hat.

14

Zwar war durch das Eindringen des klägerischen Hundes und des von ihm verfolgten Fuchses in das Rohr dessen Sachsubstanz noch nicht beschädigt. Eine Substanzschädigung ist jedoch für das Vorliegen eines Sachschadens auch nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als eine die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache (BGHZ 55, 153, 159).

15

Der bestimmungsgemäße Gebrauch des Rohres war durch die in ihm unstreitig verklemmten Tiere beeinträchtigt, ohne dass es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage ankäme, ob das Rohr durch die Tiere auch (vollständig) verstopft war. Entwässerungsrohre werden nämlich mit einem bestimmten Durchmesser verlegt, damit sie in der Lage sind, anfallendes Abwasser ohne Rückstau abzuführen. Eine Beeinträchtigung dieser Funktion liegt ersichtlich schon dann vor, wenn der Querschnitt des Rohres durch eine tatsächliche Einwirkung - im Streitfall das Eindringen und Verkeilen der beiden Tiere - verringert wird, weil die Leistungsfähigkeit des Rohres dadurch abnimmt.

16

Ob, wie die Beklagte meint, die Öffnung des Entwässerungsrohres in erster Linie oder gar ausschließlich der Rettung des Hundes und nicht der Beseitigung der Verstopfung dienen sollte, ist für den Grund des streitgegenständlichen Anspruchs unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Nachbar des Klägers einen Anspruch auf Beseitigung der Funktionsstörung seines Rohres hatte, den der Kläger erfüllt hat. Hierfür bestand bei der Beklagten Versicherungsschutz.

17

Soweit die Beklagte - was nicht recht deutlich wird - tatsächlich die Auffassung vertreten sollte, der Kläger hätte sich - wohl im Sinne der Schadenminderungspflicht - mit einer Rohrspülung begnügen können, bei der sein Hund und der Fuchs auch nach Einschätzung der Beklagten „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ ums Leben gekommen wären, hält der Kläger dem zu Recht entgegen, dass die Tötung von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund mit Strafe bedroht ist. Ein vernünftiger Grund in diesem Sinne sind geringere Kosten der Schadensbeseitigung im Streitfall nicht. Dem Gesetz, und zwar § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, kann nämlich entnommen werden, dass Wirtschaftlichkeitserwägungen keine Rolle zu spielen haben, wenn Tiere betroffen sind.

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Die Höhe der Schadensbeseitigungskosten als solche ist außer Streit, so dass die Beklagte wegen der Hauptforderung antragsgemäß zu verurteilen war.

19

Der Zinsanspruch des Klägers folgt dem Grunde nach aus § 291 BGB. Ein Zinsschaden von 7 % ist jedoch nicht schlüssig dargetan, so dass es bei dem gesetzlichen Zinssatz verbleibt (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Beschränkung des Zinsanspruchs auf 7 % folgt aus § 308 ZPO. Soweit der gesetzliche Zinssatz 7 % unterschreitet, war die Klage abzuweisen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf den Vorschriften der §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.