Amtsgericht Stadthagen
Urt. v. 15.11.2004, Az.: 41 C 546/03

Bibliographie

Gericht
AG Stadthagen
Datum
15.11.2004
Aktenzeichen
41 C 546/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43760
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGSTHAG:2004:1115.41C546.03.0A

Amtlicher Leitsatz

Wer ein Einwahlprogramm (Dialer) bewusst auf seinem PC installiert und sich damit ins Internet eingewählt hat, trägt die Darlegungs- und Beweislast für später ohne sein Wissen und Wollen durch dieses Programm hergestellte Internetverbindungen.

In dem Rechtsstreit

der Firma D.,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Unterbevollmächtigte:

gegen

Herrn S.,

Beklagter,

Prozessbevollmächtigter:

hat das Amtsgericht Stadthagen im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 15.11.2004 bestimmt war, durch den Richter am Amtsgericht Schwarz

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.177,74 € nebst 5,5 % Zinsen seit dem 18.05.2001 zu zahlen.

  2. 2.

    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 1.177,74 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ausgleich ihm mit Rechnung vom 07.03.2001 berechneter Telefonverbindungen zum Service 0190x in Höhe der Klageforderung in Anspruch. Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die Ablichtung nebst Einzelverbindungsübersicht (Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen.

2

Die Verbindungen sind durch ein Dialer-Programm namens "visit-x.exe" hergestellt worden, das der Beklagte zuvor aus dem Internet heruntergeladen und installiert hatte. Mit Hilfe dieses Programms hatte er eine Verbindung zum Internet hergestellt, um Erotikinhalte ansehen zu können; dabei hat er seine Personalausweisnummer eingeben.

3

Die Klägerin ist der Ansicht, für die Richtigkeit ihrer Einzelverbindungsübersicht streite der Beweis des ersten Anscheins.

4

Sie beantragt

  1. wie erkannt.

5

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Er bestreitet, sich "ständig und in der Häufigkeit in dieses Programm eingewählt zu haben". Er geht davon aus, "dass sich der Dialer heimlich ohne (sein) Wissen (...) in die so genannte ‚Startseite‚ bei Nutzung des Internets eingeschleust hat".

7

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

8

Das Gericht hat durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. D. gemäß dem Beweisbeschluss vom 14.07.2004 Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30.09.2004 (Bl. 93 ff. d. A. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist begründet.

10

1. Für die Richtigkeit der klägerischen Einzelverbindungsübersicht spricht der Beweis des ersten Anscheins. Das ist anerkannten Rechts. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Termin am 09.06.2004 erklärt, der Beklagte könne nicht substanziiert bestreiten, zu den aus der Einzelverbindungsübersicht der Klägerin ersichtlichen Zeiten im Internet gewesen zu sein.

11

Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.06.2004 bestritten hat, sich "ständig und in der Häufigkeit in dieses Programm eingewählt zu haben" (gemeint wohl: mit Hilfe des Dialers "visit-x.exe" eine Verbindung in das Internet hergestellt zu haben), kann er damit nicht gehört werden. Der Vortrag ist einerseits substanzlos, weil offen bleibt, welche Verbindungen im Einzelnen der Beklagte als Ausnahme bestreiten will, andererseits nicht unter Beweis gestellt. Ob "diese Art des ständigen neuen Einwählens (...) ungewöhnlich und auch nicht nachvollziehbar" ist, kann danach dahinstehen.

12

2. Der Beklagte hat vorgetragen, er gehe davon aus, "dass sich der Dialer heimlich ohne (sein) Wissen (...) in die so genannte "Startseite" bei Nutzung des Internets eingeschleust hat". Das kann er dem Gericht nicht verkaufen; das Gericht befindet sich nicht hinter dem Mond. Die Startseite ist - und das weiß der Beklagte nach vier Jahren Internetnutzung ganz genau - diejenige Internetseite, die der Browser beim Start aus dem Internet selbsttätig lädt, und zwar unabhängig davon, über welchen Anbieter die Verbindung ins Internet hergestellt wurde. Dabei kann der Beklagte einstellen, welches "seine" Startseite sein soll. Ein Programm kann sich auch nicht in die Startseite "einschleusen", weil die Startseite bei jedem Neustart des Browsers neu aus dem Internet geladen wird.

13

3. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat demgemäß in der mündlichen Verhandlung am 09.06.2004 klargestellt, dass der Beklagte bestreite, eine Verbindung ins Internet bewusst über den Dialer hergestellt zu haben. Unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung war dies als Behauptung des Beklagten zu werten, der Dialer habe - nach der zugestandenen einmaligen bewussten Installation und Einwahl unter Angabe der Personalausweisnummer - im Folgenden Verbindungen zum Internet hergestellt, ohne dass der Beklagte den Verbindungsaufbau erneut bestätigen musste.

14

Das konnte der insoweit beweisbelastete Beklagte nicht beweisen. Der Gerichtssachverständige konnte sich zwar das Programm "visit-x.exe" als lauffähigen Code beschaffen, aber keine Angaben dazu machen, wie sich das Programm bei der Einwahl ins Internet verhält. Dazu hätte es der Rekonstruktion des Quellcodes bedurft, die aus dem lauffähigen Programmcode aber nicht möglich ist.

15

4. Der Beklagte war daher zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages zu verurteilen; aus seinem Zahlungsverzug folgt der Zinsanspruch der Klägerin, den sie der Höhe nach schlüssig dargetan hat.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf den Vorschriften der §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.