Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob stickstoffempfindliche Pflanzen oder Ökosysteme im Einwirkungsbereich der Anlage liegen. Liegt Wald im Einwirkungsbereich, soll die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde die Anstalt Niedersächsische Landesforsten beteiligen. Diese Beteiligung kann regelmäßig auch bereits im Rahmen der Beratung gemäß § 2 Abs. 2 der 9. BImSchV erfolgen.
Entscheidet die Genehmigungsbehörde, dass stickstoffempfindliche Pflanzen und Ökosysteme im Einwirkungsbereich der Anlage liegen, ist im Genehmigungsverfahren entsprechend den Vorgaben des Anhangs 1 TA Luft die zu erwartende jährliche Ammoniakemission zu ermitteln und zu prüfen, ob der im Diagramm des Anhangs ausgewiesene Mindestabstand unterschritten wird. Die TA Luft bestimmt in Anhang 1 hierzu, dass bei Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren mithilfe der Emissionsfaktoren der Tabelle 11 für Tierart, Nutzungsrichtung, Aufstallung und Wirtschaftsdüngerlagerung und die jeweiligen Tierplatzzahlen die unter ungünstigen Bedingungen zu erwartende Ammoniakemission der Anlage je Jahr zu ermitteln ist. In der Fußnote der Tabelle 11 wird ausgeführt, dass, wenn Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren wesentlich in Bezug auf Tierart, Nutzungsrichtung, Aufstallung, Fütterung oder Wirtschaftsdüngerlagerung von den in Tabelle 11 genannten Verfahren abweichen, auf der Grundlage plausibler Begründungen (z. B. Messberichte, Praxisuntersuchungen) abweichende Emissionsfaktoren zur Berechnung herangezogen werden können. Die im September 2011 als Weißdruck veröffentlichte Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. "VDI Richtlinie 3894" Blatt 1 stellt den Stand der Technik dar. Sie enthält gegenüber der Tabelle 11 differenziertere und aktuellere Werte für die Emissionsfaktoren, die für die Ermittlung der Ammoniakemission heranzuziehen sind.
Wird der Mindestabstand unterschritten, ist zur Prüfung, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile gegeben sind, wie folgt vorzugehen: Es ist durch eine Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 TA Luft zu prüfen, ob an allen maßgeblichen Beurteilungspunkten der Wert für die Zusatzbelastung von 3 μg/m3 eingehalten wird. Sofern dies zutrifft, ist kein Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme aufgrund der Einwirkung von Ammoniak gegeben. Bei der durchzuführenden Ausbreitungsrechnung sind die gesamten Ammoniakemissionen der Anlage - nicht nur die einer etwaig geplanten Erweiterung - als Eingangsdaten zu berücksichtigen.
Wird der Wert von 3 μg/m3 für die Zusatzbelastung überschritten, ist gemäß des Anhangs 1 TA Luft zu prüfen, ob die Gesamtbelastung an Ammoniak an keinem Beurteilungspunkt 10 μg/m3 überschreitet. In diesem Fall ist die Vorbelastung unter Einbeziehung aller vorhandenen Anlagen explizit zu bestimmen. Da die vorhandenen Anlagenteile der Antragstellerin oder des Antragstellers in den Daten zur Vorbelastung zu berücksichtigen sind, ist lediglich die Zusatzbelastung auf der Grundlage der Emissionen des geplanten Anlagenteils zu berechnen. Sofern die Gesamtbelastung an Ammoniak an einem Beurteilungspunkt 10 μg/m3 überschreitet, sind Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile gegeben. In diesem Fall ist eine Einzelfallprüfung gemäß Nummer 4.8 Abs. 7 TA Luft für Ammoniak erforderlich. Vor der Forderung nach einem Einzelfallgutachten ist von der Genehmigungsbehörde zu prüfen, ob durch die Ausschöpfung der möglichen organisatorischen und technischen Minderungsmöglichkeiten auf ein Einzelfallgutachten verzichtet werden kann.
Durch den Einbau von geeigneten Abluftreinigungsanlagen können z. B. die Ammoniakemissionen deutlich gesenkt werden. Nicht zu den Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen sind Variationen der Schornsteinhöhe zu rechnen. Zukünftige Betriebserweiterungen sollten bereits zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung für die erste Baustufe unter Einbeziehung aller weiteren vorgesehenen Baustufen bei der Ermittlung des notwendigen Abstandes zu stickstoffempfindlichen Ökosystemen berücksichtigt werden.
Die TA Luft sieht in Nummer 4.8 eine parallele Prüfung sowohl hinsichtlich Ammoniakkonzentration als auch Stickstoffdeposition vor, wenn Anhaltspunkte für Schädigungen von empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen durch Stickstoffdeposition vorliegen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass auch erhebliche Nachteile durch Stickstoffdeposition zu besorgen sind, ist beispielsweise die Überschreitung einer Viehdichte von zwei Großvieheinheiten (GV) je Hektar Landkreisfläche. Eine Sonderfallprüfung ist vorzunehmen, sofern die von der gesamten Anlage ausgehende Belastung - nicht nur von der beantragten Erweiterung - am Aufpunkt höchster Belastung eines empfindlichen Ökosystems 5 kg Stickstoff je Hektar und Jahr überschreitet (Abschneidekriterium). Eine dem Stand der Technik entsprechende Grundlage für die Ermittlung und Bewertung der Stickstoffbelastung im Genehmigungsverfahren ist aufgrund der Erfahrungen in mehreren Bundesländern der Leitfaden der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) "Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen in Genehmigungsverfahren". Bei der Anwendung des Abschneidekriteriums ist zu beachten, dass dieses in erster Linie unter immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten erstellt wurde. Aus naturschutzrechtlichen Belangen können weitergehende Anforderungen resultieren.
Nummer 4.8 Abs. 7 TA Luft stellt in diesem Zusammenhang klar, dass das Vorliegen von Anhaltspunkten für erhebliche Nachteile durch Ammoniakemissionen oder Stickstoffdeposition zu einer Einzelfallprüfung führt, deren Ergebnis aber noch nicht bestimmt. Erst im Rahmen der Einzelfallprüfung ist zu klären, ob die möglichen Pflanzenschäden im jeweils konkreten Fall das Gemeinwohl beeinträchtigen oder zu unzumutbaren Vermögenseinbußen für die Waldbesitzer führen können. Da in der TA Luft die Inhalte und Bewertungsmaßstäbe der Einzelfallprüfung nicht konkretisiert sind, ist auf Sachverständigengutachten zurückzugreifen.
Das Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Belastung und der Belastbarkeit des Waldes hat insbesondere die folgenden Merkmale zu beachten:
Bestandsmerkmale (nach Forsteinrichtung),
Kronenzustand und Schadsymptome,
Ernährungszustand der Bestände,
forstlicher Standort, insbesondere betroffene Bodeneigenschaften,
Waldbiotoptypen und Weiserpflanzen,
Belastungssituation,
Gebietsschutz (Naturschutzgebiet, Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, Wasserschutzgebiet).
Die Art und der Umfang des Sachverständigengutachtens richten sich nach der Größe und der jeweiligen einzelfallbezogenen Situation des Vorhabens. Moore und Heiden im Wald (§ 2 Abs. 4 Nr. 3 NWaldLG) werden im Rahmen der Ansprache der Biotoptypen berücksichtigt.