Amtsgericht Celle
Urt. v. 23.08.2007, Az.: 13 C 926/07

Bibliographie

Gericht
AG Celle
Datum
23.08.2007
Aktenzeichen
13 C 926/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGCELLE:2007:0823.13C926.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 25.11.2008 - AZ: VI ZR 245/07

Fundstelle

  • NZV 2009, 144-145 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16.08.2007 durch den Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2 235,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2007 zu zahlen.

  2. 2.)

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.)

    Der Streitwert wird auf 2 235,29 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

2

Am 02.01.2007 verursachte der Fahrer des Fahrzeugs ..., das durch seinen Halter bei der Beklagten haftpflichtversichert war, einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug der Klägerin einen Totalschaden erlitt. Die Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten über die zutreffende Abrechnung des Fahrzeugschadens.

3

Bei dem Fahrzeug der Klägerin handelte es sich um einen Ford Maverick, Erstzulassung 03/2002. Gemäß einem Gutachten der ... (Bl. 6 d.A.) beliefen sich die Reparaturkosten auf 14 938,09 €, der Wiederbeschaffungswert auf 14 000 € und der Restwert auf 4 500 € (sämtliche Beträge einschließlich Umsatzsteuer, Wiederbeschaffungswert auf der Grundlage der Differenzumsatzsteuer).

4

Die Klägerin erwarb als Ersatzfahrzeug einen Ford Maverick, Erstzulassung 01/2004 zu einem Preis von 15 900 € (Bl. 12 d.A.). Dabei handelte es sich um ein Gebrauchtfahrzeug, das nach der Differenzbesteuerungsmethode der Umsatzsteuer unterlag (§ 25a UStG).

5

Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt.

6

Die Beklagte regulierte den Fahrzeugschaden auf der Basis von Nettowerten des Fahrzeugs wie folgt (s.a. Bl. 20 d.A.):

Wiederbeschaffungswert (brutto 14 000 €)11 764,71 €
Restwert (brutto 4 500 €)3 781,51 €
Fahrzeugschaden7 983,20 €.
7

Mit Schreiben vom 02.04.2007, bei den Bevollmächtigten der Klägerin am 10.04.2007 eingegangen, lehnte die Beklagte eine weitergehende Regulierung des Fahrzeugschadens ab.

8

Die Klägerin behauptet, vergleichbare Fahrzeuge würden nur noch differenzbesteuert angeboten.

9

Die Klägerin meint, dass auch die Umsatzsteuer von 19 % erstattungsfähig sei. Zwar sei sie vorsteuerabzugsberechtigt, aber sie habe im konkreten Fall keine Vorsteuer geltend machen können. Dementsprechend habe sie einen Anspruch in Höhe von weiteren 2 235,29 € (14 000 €-3 781,51 €-7 983,20 €).

10

Sie beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2 235,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2007 zu zahlen

11

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Sie behauptet, dass vergleichbare Fahrzeuge noch zu 30 % regelbesteuert angeboten würden.

13

Sie meint, dass die Umsatzsteuer wegen der grundsätzlich vorhandenen Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug nicht als Schaden ersatzfähig sei.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist begründet.

16

1. Die Klägerin hat auf Grund des Verkehrsunfalls vom 02.01.2007 einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 7 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Beklagte.

17

Hinsichtlich der Schadenshöhe ist im vorliegenden Fall kein Abzug der Umsatzsteuer gerechtfertigt.

18

a) Eine Rechtfertigung folgt nicht aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach ist der Betrag der Umsatzsteuer nur ersatzfähig, wenn die Umsatzsteuer bei der Schadensbeseitigung tatsächlich anfällt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin als Schadensbeseitigung eine Ersatzbeschaffung getätigt, indem sie ein vergleichbares Fahrzeug erwarb.

19

Bei einer konkreten Ersatzbeschaffung käme es insoweit an sich darauf an, ob und in welcher Höhe bei dieser Ersatzbeschaffung Umsatzsteuer angefallen ist. Zu berücksichtigen ist aber die originäre Funktion des Schadensersatzes als Wiederherstellung des früheren Zustands. Stellt der Geschädigte durch eine konkrete Ersatzbeschaffung eines gleichartigen Fahrzeugs zu dem vom Sachverständigen genannten (Brutto)Wiederbeschaffungswert wirtschaftlich des Zustand her, der vor dem Unfallereignis bestand, so kann er nach § 249 BGB den tatsächlich hierfür aufgewendeten Betrag unabhängig davon ersetzt verlangen, ob ihm die Regelumsatzsteuer i.S.d. § 10 UStG, eine Differenzsteuer i.S.d. § 25a UStG oder gar keine Umsatzsteuer enthalten ist ( BGH, Urteil v. 01.03.2005 - VI ZR 91/04 = NJW 2005, 2220, 2221, sub II.2.b.bb.; BGH, Urteil v. 09.05.2006 - VI ZR 225/05 = NJW 2006, 2181, Rz. 9). Danach kommt im vorliegenden Fall ein Abzug der Umsatzsteuer weder in Höhe von 19 % noch in Höhe von 2 % in Betracht. Die Klägerin hat im Wege der konkreten Ersatzbeschaffung ein vergleichbares Ersatzfahrzeug sogar gleichen Typs zu einem Kaufpreis beschafft, der über dem geschätzten Wiederbeschaffungswert liegt, sich aber noch in derselben Größenordnung wie dieser bewegt (knapp 14 % höher).

20

b) Ein Abzug der Umsatzsteuer folgt auch nicht aus der grundsätzlichen Berechtigung der Klägerin, die gezahlte Vorsteuer geltend zu machen. Das Gericht ist der Auffassung, dass insoweit eine konkrete Betrachtungsweise jedenfalls dann maßgebend sein muss, wenn der Geschädigte eine konkrete Ersatzbeschaffung vorgenommen hat. Dies folgt nach Ansicht des Gerichts aus der Funktion des Schadensersatzes als Wiederherstellung des früheren Zustands (vgl. BGH, Urteil v. 01.03.2006 - VI ZR 91/04 = NJW 2005, 2220, 2221). Nimmt der Geschädigte danach eine konkrete Ersatzbeschaffung zum Ausgleich des Schadensereignisses vor, so ist in diesen Fällen die Ersatzbeschaffung bis zum Bruttowiederbeschaffungswert ersatzfähig, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist (BGH a.a.O.).

21

Nach Ansicht des Gerichts führt die grundsätzlich bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht dazu, dass bereits der Wiederbeschaffungswert auf einer Nettobasis zu berechnen wäre. Dies wäre nur der Fall, wenn bereits die abstrakte Möglichkeit zum Vorsteuerabzug zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruchs um die Umsatzsteuer führen würde. Dies ist nach Ansicht des Gerichts jedenfalls in Fällen der konkreten Schadensberechnung wegen einer Ersatzbeschaffung eines vergleichbaren Fahrzeugs nicht der Fall.

22

c) Im vorliegenden Fall wäre nach dem Gutachten H. ohnehin nur ein Abzug in Höhe von 2 % gerechtfertigt, da der Wiederbeschaffungswert von brutto 14 000 € auf der Basis einer Differenzbesteuerung ermittelt wurde. Aber auch dieser Betrag von 2 % ist nicht in Abzug zu bringen, weil die Klägerin den nach der Differenzumsatzsteuerberechnung nach § 25a UStG zu ermittelnden Umsatzsteuerbetrag nicht als Vorsteuer gegenüber dem Fiskus in Abzug bringen kann (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl., § 14 Rn. 119). Auch insoweit ist das Gericht der Ansicht, dass es bei einer konkreten Ersatzbeschaffung auf das konkret beschaffte Fahrzeug und dessen umsatzsteuerliche Behandlung ankommt.

23

d) Auf die Frage, ob vergleichbare Fahrzeuge nur noch differenzbesteuert oder noch zu 30 % regelbesteuert angeboten werden, kommt es damit nicht an.

24

2. Der Zinsanspruch folgt aus dem Verzug der Beklagten, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

25

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.