Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 19.08.2004, Az.: 6 A 3109/03

Bildungsauftrag; Bildungsinhalte; Dauerverwaltungsakt; Ergänzungsschule; Lernziele; maßgeblicher Zeitpunkt; Mindestanforderungen; Qualitätsmaßstab; Ruhen; Sach- und Rechtslage; Schulpflicht; Schulwechsel; Untersagung der Fortführung; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
19.08.2004
Aktenzeichen
6 A 3109/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50828
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Feststellung des Ruhens der Schulpflicht (§ 160 NSchG) kommt es materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt des Ergehens der letzten Verwaltungsentscheidung an.

2. Eine Ergänzungsschule, bei deren Besuch die Schulpflicht nach § 160 NSchG ruht, ist gemäß § 141 Abs. 1 NSchG verpflichtet, unter anderem die Regelungen der §§ 5 ff. NSchG über die einzelnen Schulformen und deren gesetzliche Bildungsinhalte einzuhalten (wie VG Hannover, Beschluss vom 24.7.2003 - 6 B 1906/03 -).

3. Für die Beschulung von Kindern im Primarbereich muss eine Ergänzungsschule die in § 6 NSchG festgelegten Lernziele der Grundschule erfüllen, wenn die Schulpflicht beim Besuch dieser Schule gemäß § 160 NSchG ruhen soll.

Tatbestand:

1

Die Klägerin betreibt seit August 2001 in J. unter dem Namen „K. Schule J.“ eine Privatschule, die sie der Beklagten im Jahre 2001 als allgemein bildende Ergänzungsschule mit Grundschulcharakter für die Schuljahrgänge 1 bis 4 angezeigt hatte. Dem Inhalt der Anzeige zufolge soll in der Schule zweisprachiger Unterricht in deutscher und englischer Sprache durchgeführt werden. Der Unterricht soll sich an die K. -Pädagogik anlehnen, ein besonderer Schwerpunkt soll auf die Förderung hochbegabter Kinder gelegt werden.

2

Mit Bescheid vom 7. August 2001 hatte die Beklagte festgestellt, dass für die Schülerinnen und Schüler während des Besuchs der K. Schule J. die Schulpflicht ruht. Nachdem die Schule bis zum Ablauf des Schuljahres 2001/2002 nur Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 1 bis 4 offen gestanden hatte, zeigte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Juni 2002 an, dass sie die Schule zukünftig als Ergänzungsschule mit Grundschulcharakter und zwei Klassenverbänden führen werde, wobei die eine Klasse die Jahrgänge 1 bis 3 und die andere Klasse die Jahrgänge 4 bis 6 umfasse.

3

In einem zwischenzeitlich durchgeführten Klageverfahren hat die Kammer mit Urteil vom 1. März 2004 - 6 A 325/03 - eine Klage der Klägerin auf Feststellung, dass sich das Ruhen der Schulpflicht auch auf Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5 und 6 erstreckt, abgewiesen.

4

Mit Schreiben vom 4. November 2002 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihr bis zum 20. November 2002 einen geeigneten Schulleiter zu benennen, eine geeignete Lehrkraft für den Englisch-Unterricht nachzuweisen und darzulegen, wie das Schulkonzept trotz fehlenden Fachpersonals nach den Sommerferien umgesetzt worden sei. Für den Fall, dass die Klägerin die Aufforderung nicht fristgerecht beantworte und weiterhin gegen das Gebot der Anzeige aller wesentlichen Änderungen verstoße, kündigte die Beklagte die Untersagung der Fortführung der Ergänzungsschule zum 1. Februar 2003 an. In einem Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 19. November 2002 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sie gegen ihre Anzeigepflicht aus § 158 Abs. 3 Niedersächsisches Schulgesetz - NSchG - nicht verstoßen habe und ein etwaiger Verstoß auch nicht die Untersagung der Fortführung der Schule rechtfertigen könne. Zugleich teilte sie der Beklagten mit, dass der Lehrer Herr L. in die kollegiale Schulleitung aufgenommen werden solle. Außerdem ziehe sie eine Beschäftigung von Herrn M., einem ehemaligen Schulleiter, in Betracht. Mit dem vorhandenen Personal könne der Unterricht in englischer Sprache stattfinden. Hierfür stehe Frau N. zur Verfügung. Vorsorglich sei Herr O. für Vertretungsfälle engagiert worden. Das vorliegende Schulkonzept sei seit den Sommerferien 2002 in vollem Umfang ohne Stundenausfall umgesetzt worden.

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Die Beklagte teilte der Klägerin schließlich mit Schreiben vom 2. Dezember 2002 mit, welche Nachweise für die inzwischen vollzogene Einrichtung einer 5. und 6. Klasse an der Schule noch zu erbringen seien. Anschließend fand am 12. Dezember 2002 ein Gespräch zwischen den Beteiligten statt, in welchem die aus Sicht der Schulbehörde klärungsbedürftigen Fragen des Schulbetriebs und Unterrichts erörtert wurden. Mit einem am 19. Dezember 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie mit dem bereits zuvor als Schulleiter avisierten Sonderschulrektor a.D. M. am 13. Dezember 2002 einen Vertrag geschlossen habe. Im Übrigen machte die Klägerin Ausführungen zur Umsetzung des bilingualen Unterrichts, zum Ausgleich des ausgefallenen Deutschunterrichts und zum Inhalt des im September 2002 erstellten Konzepts zum Aufbau der Schuljahrgänge 5 und 6 sowie zur Zusammenarbeit mit Schulen des Sekundarbereichs I.

6

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4. Februar 2003 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass sie beabsichtige, an der Schule eine Kleingruppe für noch nicht schulpflichtige Kinder einzurichten und dass sie eine Erzieherin als Assistentin einstelle. Unter dem 14. März 2003 teilte sie dem (seinerzeit) bei der Beklagten eingerichteten Landesjugendamt mit, dass die Schule zum 5. Februar 2003 eine Kleingruppe zur Frühförderung für noch nicht schulpflichtige Kinder mit zwischenzeitlich 4 Kindern eingerichtet habe. Diese Kinder würden von Montags bis Freitags von der Erzieherin betreut. Dabei handele es sich um ein selbständiges Angebot der K. Schule J.. Die Kleingruppe stelle keine Vorklasse dar und sei inhaltlich nicht auf die gezielte Vorbereitung der Kinder auf die Schule ausgerichtet.

7

Die Beklagte erließ unter dem 3. April 2003 den angefochtenen Bescheid, mit dem sie mit Wirkung vom 1. August 2003 der Klägerin die Fortführung der K. Schule J. untersagte und den Bescheid vom 7. August 2001 über die Feststellung des Ruhens der Schulpflicht widerrief.

8

Die Untersagungsverfügung begründete die Beklagte wie folgt:

9

Die Schulträgerin und die Schulleitung der K. Schule J. entsprächen nicht den Anforderungen, die an sie zum Schutz der Schülerinnen und Schüler zu stellen seien, weil den Geschäftsführern der Klägerin die erforderliche Zuverlässigkeit zum Betrieb der Ergänzungsschule fehle.

10

In der K. Schule J. werde trotz einer Vielzahl von Aufforderungen, Schreiben und Gesprächen mit der Schulbehörde kein organisatorisch, zeitlich und personell gesicherter Schulbetrieb durchgeführt. Abgesehen von dem Zeitraum vom 15. Dezember 2001 bis zum 31. Juli 2002 habe die Schule bisher keine qualifizierte Schulleitung besessen. Ebenso fehle es an einem dauerhaften Bestand an Lehrkräften. Für den Deutschunterricht habe eine Lehrkraft vom 4. Februar 2002 bis zum 22. März 2002 und für den Unterricht in Englisch für die Zeiten vom 16. September 2001 bis 18. Oktober 2001 sowie vom 1. August 2002 bis zum 12. Dezember 2002 gefehlt.

11

Einem Teil der Lehrkräfte der K. Schule J. fehle die erforderliche Qualifikation. Aus diesem Grund und wegen der mangelnden Unterrichtskontinuität würden die im Schulkonzept dargestellten Unterrichtsinhalte nicht umgesetzt, insbesondere nicht die des bilingualen Unterrichts. Die den Eltern der Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. zugesagten Unterrichtsinhalte würden nicht in ausreichendem Maße vermittelt, in wesentlichen Bereichen erreichten diese auch nicht die im Schulkonzept angekündigte Qualität.

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Ein weiterer Hinweis auf die Unzuverlässigkeit der Geschäftsführer der Klägerin sei die Tatsache, dass die Klägerin zum Februar 2003 ihr schulisches Angebot erweitert habe, ohne dieses nach § 158 Abs. 3 NSchG anzuzeigen. Dass es sich bei der eingeführten Förderung noch nicht schulpflichtiger Kinder um ein zusätzliches Angebot der Schule handele, folge aus der Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 14. März 2003, wonach sie keine Kindertagesstätte betreiben wolle und somit keiner Betriebserlaubnis bedürfe.

13

Damit seien zugleich nachträglich Tatsachen eingetreten, die der Feststellung über das Ruhen der Schulpflicht entgegen stünden und Grundlage des Widerrufs des Feststellungsbescheides vom 7. August 2001 seien. Für eine Feststellung des Ruhens der Schulpflicht reiche es nicht aus, dass irgendein Unterricht mit der erforderlichen Mindeststundenzahl erteilt werde. Erforderlich sei vielmehr, dass Unterricht mit inhaltlicher Substanz im Sinne einer planmäßigen Bildungsveranstaltung stattfinde, woran es im Fall der K. Schule J. fehle. Sie, die Schulbehörde, habe insoweit darauf zu achten, dass ein der namentlichen Bezeichnung der Ergänzungsschule als Grundschule entsprechender Bildungsgang erkennbar werde.

14

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 3. April 2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2003 als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheides führte die Beklagte ergänzend aus, dass sie erst durch eine Meldung in der Tagespresse am 24. Januar 2003 von der Einrichtung einer Vorklasse oder einer Kindertagesstätte an der K. Schule J. erfahren habe. Erst auf ihre Veranlassung habe die Klägerin die Aussage im Schreiben an das Landesjugendamt vom 14. März 2003 gemacht, die inhaltlich widersprüchlich sei. Wenn sie als Schulbehörde deswegen bisher von Maßnahmen abgesehen habe, könne dieses nicht als Billigung angesehen werden.

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Die Klägerin hat am 22. Juli 2003 Klage erhoben.

16

Zur Klagebegründung macht die Klägerin geltend, zu der Schließung ihrer Schule nicht angehört worden zu sein. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, dass sich die diesbezügliche Absicht der Antragsgegnerin erledigt gehabt hätte, nachdem mit Ablauf des 31. Januar 2003 keine Maßnahme ergriffen worden sei.

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Der angefochtene Bescheid sei ferner rechtswidrig, weil seine Begründung in wesentlichen Punkten von einem falschen Sachverhalt ausgehe. Weder fehle es der K. Schule J. an einer Schulleitung noch an Unterrichtsversorgung noch an einer Umsetzung der Unterrichtsinhalte.

18

Die Beklagte berufe sich weitgehend auf Vorgänge, die bei Erlass des Feststellungsbescheides vom 7. August 2001 bereits bekannt gewesen seien. Hinsichtlich der wesentlichen Tatsachen, die zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen würden, sei die Jahresfrist für einen Widerruf nicht gewahrt worden, denn die Beklagte habe ausweislich ihrer Verwaltungsvorgänge bereits am 20. November 2001 eine Schließung der Schule erwogen. Weitere vermeintliche Mängel, zu denen ausgesprochen zweifelhafte Vorgänge zählten, seien längst erledigt, wie die Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Juni 2002 und der Beklagten vom 24. Juni 2002 zeigten. Andere Daten seien falsch. Es treffe nicht zu, dass die K. Schule J. seit dem 1. August 2002 keinen Schulleiter habe. Herr P. sei nicht zum 1. August 2002, sondern zu Beginn der Herbstferien 2002 aus dem Dienst als Schulleiter ausgeschieden. Im Übrigen hätten sich die Beteiligten schon im Juni 2002 auf eine kollegiale Schulleitung verständigt, die aus Herrn Dr. D., Frau D. und nunmehr dem Sonderschulrektor im Ruhestand M. als pädagogischer Schulleiter bestehe, wobei Herr M. der Beklagten bereits im November 2002 als Schulleiter avisiert worden sei.

19

Der fehlende Deutschunterricht im Zeitraum Februar/März 2002 sei durch sog. "Leseeltern", den Einsatz von Praktikanten, die Beschäftigung eines Sozialpädagogen mit einem Theaterprojekt und durch die Ferienzeit ausgeglichen worden. Zu der Behauptung der Beklagten, dass Unterrichtsinhalte nicht umgesetzt würden, fehle jede Angabe von Fakten und Daten. Im Übrigen habe die schulfachliche Dezernentin der K. Schule J. in einem Vermerk vom 18. November 2002 eine pädagogisch gute Arbeit bescheinigt. Dasselbe folge aus der von Herrn M. unter dem 25. April 2003 gefertigten bewerteten Darstellung der Umsetzung des Konzepts in der K. Schule J.. An der K. Schule J. falle kein Unterricht aus, und die Billingualität des Unterrichts sei durch den Einsatz von Lehr- und Assistenzkräften einschließlich "native speaker" gesichert.

20

Unzutreffend sei auch die Darstellung der Beklagten, wonach sie, die Klägerin, zum Februar 2003 ihr schulisches Angebot ohne Anzeige nach § 158 Abs. 3 NSchG erweitert habe. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4. Februar 2003 habe sie der Beklagten angezeigt, dass sie beabsichtige, an der Schule eine Kleingruppe für noch nicht schulpflichtige Kinder einzurichten. Wie mit dem Landesjugendamt der Beklagten vereinbart habe sie mit Schreiben vom 14. März 2003 begründet, warum für die Kleingruppe keine Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 8 SGB VIII notwendig sei und dass es sich dabei auch nicht um die Einrichtung einer Vorklasse im Sinne von § 189 NSchG a.F. handele. Eine Reaktion der Schulbehörde sei daraufhin nicht erfolgt. Offensichtlich stellten erst dieser Vorgang und ein vergeblicher Telefonanruf der Beklagten in der K. Schule J. am 27. März 2003 die tragenden Gründe für den angefochtenen Bescheid dar. Dieser Vorfall, der in dem angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht zutreffend wiedergegeben werde, habe dazu geführt, dass sich die Beteiligten am 1. April 2003 telefonisch geeinigt hätten, dass zukünftig Telefonanrufe der Beklagten zunächst an ihren Geschäftsführer und erst dann an Herrn M., ersatzweise an ihren Verfahrensbevollmächtigten, gerichtet werden sollten.

21

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass hinsichtlich der Untersagungsverfügung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens abzustellen sei. Im Übrigen rechtfertige auch der von der Beklagten im Klageverfahren neu vorgetragene Sachverhalt diese Maßnahme nicht. Den Feststellungen der Beklagten anlässlich des Unterrichtsbesuchs am 30. September 2003 habe sie, die Klägerin, widersprochen. Die Maßstäbe, an denen der Unterricht gemessen worden sei, verstießen gegen die rechtlichen Vorgaben aus dem Beschluss der Kammer vom 24. Juli 2003 im Verfahren 6 B 1906/03, und die Anwesenheitszeiten des Schulleiters M. reichten angesichts der Größe der Schule aus. Sie, die Klägerin, habe bereits im Sommer 2003 mit der Stadt J. ein Gespräch über die Verlängerung der baurechtlichen Genehmigung der Nutzungsänderung für das Schulgrundstück geführt. Seinerzeit hätten sich keine Bedenken seitens der Bauordnungsbehörde ergeben. Erst nachdem die Beklagte am 18. November 2003 die erforderliche Zustimmung zur Ausnahme von dem Bauverbot gem. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm aus nicht zutreffenden Gründen versagt habe, habe die Stadt J. die Verlängerung der baurechtlichen Genehmigung mit Bescheid vom 7. Januar 2004 abgelehnt. Dagegen habe sie, die Klägerin, Widerspruch erhoben.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 8. Juli 2003 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte erwidert, dass der Klägerin mehrfach und für einen langen Zeitraum Gelegenheit zur Nachbesserung der beanstandeten und in einem Schreiben an die Klägerin vom 24. Juni 2002 aufgelisteten Zustände gegeben worden sei. Auch im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens sei die Klägerin ihrer Aufforderung zur Anzeige des Bestands der eingesetzten Lehrkräfte und der die Schule besuchenden Schülerinnen und Schüler nicht nachgekommen. Auch sei seitens des Schulträgers immer noch nicht geklärt worden, welcher Schulform die Klassenverbände nach den derzeit geltenden Schulformen zuzuordnen seien. Dieses sei von Bedeutung für die Frage der Befreiung von der Schulpflicht nach § 160 NSchG. In dem 5. und 6. Schuljahrgang liege die Zahl der Schülerinnen und Schüler unter 12, so dass für diesen Bereich der Montessori Schule Langenhagen die Voraussetzung für eine Schule nicht gegeben sei.

27

Bezüglich der vorübergehend fehlenden Schulleitung habe der frühere Schulleiter Herr P. erklärt, dass er seine Tätigkeit als Schulleiter schon weitaus früher als von der Klägerin vorgetragen beendet habe, nämlich zum 1. August 2002. Gerade in diesem Zeitraum zwischen dem Schuljahresende und über den Schuljahresbeginn hinaus bis in die ersten Monate des neuen Schuljahres wäre es wegen der in diesem Zeitraum anfallenden organisatorischen Maßnahmen erforderlich gewesen, einen Schulleiter für den pädagogischen Bereich zu besitzen, zumal die Schulträgerin seinerzeit den Unterricht im 5. und 6. Schuljahr in Gestalt einer Förderstufe eingeführt habe. Dieses habe eine pädagogische Planung und die Entwicklung eines besonderen pädagogischen Konzepts durch einen Schulleiter erforderlich gemacht.

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Die Anwesenheit eines Schulleiters sei insbesondere notwendig gewesen, weil es der K. Schule J. häufig an Lehrkräften fehle. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich des ausgefallenen Deutschunterrichts spräche gerade dafür, dass dieser in dem genannten Zeitraum weder qualifiziert noch bilingual durchgeführt worden sei. Die nur für den Zeitraum von einigen Monaten getroffenen Feststellungen des Herrn M., der erst am 12. Dezember 2002 als Schulleiter benannt worden sei, entkräfteten die Tatsachen, welche die Unzuverlässigkeit der Betreiberin der Schule begründeten, nicht.

29

Die Existenz der Einrichtung für noch nicht schulpflichtige Kinder habe die Klägerin erst auf Nachfrage am 4. Februar 2003 bestätigt, nachdem sie, die Beklagte, davon am 23. und 24. Januar 2003 aus zwei Tageszeitungen erfahren habe. Dem Landesjugendamt gegenüber habe die Klägerin telefonisch bestätigt, dass es sich um eine schulische Einrichtung handele; das habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom 14. März 2003 bestätigt. Auch daran zeige sich, dass die Klägerin Fakten schaffe, ohne ihrer Pflicht zur Information der Schulbehörde nachzukommen. Mit der sogenannten vorschulischen Frühförderung ohne Anzeige oder Antrag habe die Klägerin eine Einrichtung geschaffen, die nicht unter die rechtlichen Formen des Schulgesetzes falle. Wenn von der Klägerin der Betrieb einer Kindertagesstätte verneint werde, so zeige sich daran wiederum der Versuch, eine rechtlich nicht gesicherte Einrichtung schaffen zu wollen und Rechtsvorschriften, die zudem dem Wohle von Kindern dienten, zumindest zu umgehen, wenn nicht gar zu missachten.

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Die Beklagte trägt ferner vor, die Klägerin habe ihr nicht angezeigt, dass sie eine Verlängerung des auslaufenden privatrechtlichen Nutzungsrechts für das Schulgebäude und der auslaufenden Baugenehmigung für die Nutzungsänderung beantragt habe. Der Antrag auf Verlängerung der Baugenehmigung sei inzwischen von der Baubehörde der Stadt J. abgelehnt worden. Der Montessori Schule Langenhagen stehe somit derzeit kein Gebäude zur Verfügung. Auch in der Verhaltensweise der Klägerin und an dem Geschehen im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zeige sich die Unzuverlässigkeit des Schulträgers. Der Antrag auf Verlängerung der baurechtlichen Genehmigung sei nämlich erst unter dem 1. Oktober 2003 bei der Stadt J. gestellt worden, obwohl die befristete Baugenehmigung am 31. Oktober 2003 abgelaufen sei. Dem Schulträger sei aus dem Verfahren auf Erteilung der Genehmigung zur Nutzungsänderung bekannt gewesen, dass es erhebliche baurechtliche Probleme gebe, denn die Genehmigung könne nur mit einer Ausnahme vom Bauverbot gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm erteilt werden. Danach müsse es zur Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Einrichtungen oder sonst im öffentlichen Interesse dringend geboten sein, die Ausnahme vom Bauverbot zu erteilen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Im Gegensatz zum Zeitpunkt im Jahre 2001, als erstmalig eine Ausnahme erteilt worden sei, sei die Versorgung der Bevölkerung mit Grundschulen, die ein Angebot für Hochbegabte vorhielten, inzwischen auf insgesamt acht Grundschulen angestiegen, so dass ein dringendes öffentliches Interesse für diese Schule nicht mehr vorliege. Zudem existierten im Bereich der Region Hannover drei Schulen, in denen nach den K. -Grundsätzen unterrichtet werde, auch in dem Gebiet um die Stadt J.. Weder die seit über zwei Jahren erfolglose Standortsuche, noch andere Gründe rechtfertigten es, Kinder für mehrere Jahre des Schulbesuchs dem Fluglärm an diesem Ort auszusetzen.

31

Die Unzuverlässigkeit des Schulträgers liege des Weiteren darin begründet, dass die Qualität des Unterrichts nicht den Ansprüchen genüge, die für die Erfüllung des Bildungsauftrages notwendig seien; zudem werde nicht das Konzept für diese Schule verwirklicht. Insofern könnten die Erwartungen der Eltern, die ihre Kinder auf diese Schule gegen Entgelt schickten, nicht erfüllt werden. Die Beklagte legt einen Bericht über Unterrichtsbesuche der Regierungsschuldirektorin Q. und des Regierungsschuldirektors R. in der K. Schule J. am 30. September vor. Darin heißt es unter anderem zusammenfassend, dass der Leistungsstand vieler Schülerinnen und Schüler in der K. Schule nicht dem Stand der Schülerinnen/Schüler gleicher Klassenstufen in öffentlichen Schulen entspreche. Hierzu trägt die Beklagte vor, dass die K. Schule J. mit Herrn M. zwar einen pädagogischen Leiter habe. Jedoch sei dieser nur an einem Vormittag sowie an einem anderen Tag ganztägig anwesend, was für die pädagogische Betreuung selbst einer so kleinen Schule nicht ausreiche. Möglicherweise ergäben sich deswegen auch die Mängel, die in den Vermerken über die beiden Unterrichtsbesuche festgehalten worden seien. Gerade bei der unzureichenden Qualifikation der Lehrkräfte und wegen deren häufigen Wechsels bedürfe es einer intensiven pädagogischen Leitung an dieser Schule. Zudem müsse der pädagogische Leiter auch an den anderen Tagen erreichbar sein, insbesondere für die Eltern. Auch werde in Anbetracht der Berufstätigkeit der Eheleute D. in Zweifel gezogen, dass diese in der übrigen Zeit anwesend seien. Die unzureichende pädagogische Leitung zeige ausweislich des Vermerks über die Nachbesprechung der Unterrichtsbesichtigungen inhaltliche Folgen. Danach seien die bei den Unterrichtsbesichtigungen festgestellten Mängel methodischer Art. Sie seien nicht in dem besonderen Konzept der K. Schule J., sondern darin begründet, dass ein häufiger Lehrerwechsel stattfinde und dass in vielen Fällen die Lehrkräfte nicht hinreichend qualifiziert seien, um die Umsetzung des Konzepts und die Erfüllung des Bildungsauftrages zu gewährleisten.

32

Mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2004 verkündeten Beweisbeschluss hat die Kammer durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben darüber,

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dass der Stand der schulischen Leistung und Entwicklung, insbesondere der Kulturtechniken Lesen, Rechtschreibung und Rechnen, der Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 gegenwärtig sowie bezogen auf die Tatsachenlage am 8. Juli 2003 ausreicht, um den Bildungsweg entweder an einer weiterführenden Schule des Sekundarbereichs I oder nach Abbruch des Besuchs der K. Schule J. in einer öffentlichen Grundschule erfolgreich fortzusetzen.

34

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens des stellvertretenden Leiters des Fachbereichs 3 des Niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) in Hildesheim, S. T., vom 15. Juni 2004 verwiesen.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt die Kammer ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 A 3109/03, 6 A 325/03, 6 B 1906/03 und 6 B 3822/02 sowie der zu diesen Akten beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

37

Der Bescheid des Beklagten vom 3. April 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2003 sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - aufzuheben, weil die mit der Untersagung der Fortführung der K. Schule J. sowie dem Widerruf des Feststellungsbescheides vom 7. August 2001 erlassenen Verwaltungsakte auch in der nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgeblichen Gestalt der Widerspruchsentscheidung rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen.

38

Die Klage hat allerdings nicht schon wegen eines Anhörungsdefizits Erfolg. Die Klägerin hat im Widerspruchsverfahren in ausreichender Weise Gelegenheit erhalten, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -), und die Beklagte hat die Einwände der Klägerin gegen die getroffene Entscheidung im Verlauf des Widerspruchsverfahrens ausweislich ihrer Ausführungen im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz (Schriftsatz vom 19. Juni 2003; Bl. 92 ff. der Gerichtsakte 6 B 1906/03) zur Kenntnis genommen und erwogen.

39

I. Soweit die Beklagte die Fortführung der K. Schule J. durch die Klägerin ab 1. August 2003 untersagt hat, liegen die rechtlichen Voraussetzungen dieser Maßnahme nicht vor.

40

Die Untersagung der Fortführung einer Ergänzungsschule ist in § 159 Abs. 1 NSchG abschließend geregelt. Danach kann die Fortführung einer Ergänzungsschule von der Schulbehörde nur untersagt werden, wenn Schulträger, Leiterin oder Leiter, Lehrkräfte oder Einrichtungen der Ergänzungsschule den Anforderungen nicht entsprechen, die zum Schutz der Schülerinnen und Schüler oder der Allgemeinheit an sie zu stellen sind, und den Mängeln trotz Aufforderung der Schulbehörde innerhalb einer bestimmten Frist nicht abgeholfen worden ist. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.

41

Die persönliche Unzuverlässigkeit der Geschäftsführer eines Schulträgers kann zwar grundsätzlich Anlass für eine auf § 159 Abs. 1 NSchG gestützte Untersagungsverfügung sein, wenn sich die Unzuverlässigkeit in der Vernachlässigung gesetzlicher Pflichten, die dem Schutz der Schülerinnen und Schüler oder der Allgemeinheit dienen, ausdrückt. Dem Schutz der Schülerinnen und Schüler dienen insoweit auch die dem Träger einer Ergänzungsschule nach § 158 Abs. 2 und 3 NSchG gesetzlich auferlegten Anzeigepflichten (Beschluss der Kammer vom 20.9.2002 - 6 B 3822/02 -).

42

Allerdings reicht es nach § 159 Abs. 1 NSchG für die Untersagung der Fortführung einer Ergänzungsschule nicht aus, dass im Betrieb einer Ergänzungsschule Mängel im Sinne von § 159 Abs. 1 NSchG offenbar werden. Vielmehr muss auch die weitere Voraussetzung der gesetzlichen Eingriffsgrundlage erfüllt sein. Danach hat die Schulbehörde zur Beseitigung der festgestellten Mängel aufzufordern, hierfür eine bestimmte Frist zu setzen und innerhalb der bestimmten Frist muss den Mängeln nicht abgeholfen worden sein. Diese weitere Voraussetzung für das Verbot, eine Ergänzungsschule fortzuführen, ist in Bezug auf die zur Begründung der angefochtenen Untersagungsverfügung vom 3. April 2003 von der Beklagten herangezogenen Tatsachen, die eine persönliche Unzuverlässigkeit der Geschäftsführer der Klägerin begründen sollen, nicht erfüllt.

43

Bei belastenden Verwaltungsakten, insbesondere Ordnungsverfügungen, mit denen die Behörde eine gewerbliche Betätigung untersagt oder eine diesbezügliche Rechtsposition entzieht, hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich auf die Tatsachenlage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides abzustellen. Insoweit besteht zwischen der Anfechtungsklage der Klägerin und der Rechtslage bei der Anfechtung von Gewerbeuntersagungen, bei denen nach ständiger Rechtsprechung (BVerwGE 65, 1) bei der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzuheben ist, kein entscheidender Unterschied. Allerdings hat dieser Grundsatz in der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.9.1993, NVwZ 1995 S. 185) eine Einschränkung erfahren. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vertritt im Anschluss an sein Urteil vom 15. Januar 1986 (- 7 OVG A 83/85 -, GewArch 1986, 196 [BVerwG 22.08.1985 - BVerwG 3 C 49.84]) zu § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO - die Auffassung, dass die Anfechtungsklage gegen eine Gewerbeuntersagung auch erfolglos bleibt, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 GewO zwar im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch nicht vorlagen, zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Verhandlung aber erfüllt sind. Der Anspruch auf Wiedergestattung in § 35 Abs. 6 GewO verbiete lediglich die Berücksichtigung einer späteren positiven Entwicklung im Anfechtungsstreit, wenn die Untersagungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung gegeben waren. Ansonsten sei eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO wie jeder andere Dauerverwaltungsakt zu behandeln (Nds. OVG, Urteil vom 15.9.1993, a.a.O.). Ob sich dieser Grundsatz auch für eine Untersagung nach § 159 Abs. 1 NSchG, für die das NSchG eine Wiedergestattung der Fortführung einer Ergänzungsschule nicht vorsieht, heranziehen lässt, kann offen bleiben. Jedenfalls sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 159 Abs. 1 NSchG auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht erfüllt, denn die von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren nachträglich vorgetragenen Untersagungsgründe können die angefochtene Maßnahme ebenfalls nicht stützen, weil es insoweit daran fehlt, dass die Klägerin Mängelbeseitigungsaufforderungen der Beklagten nicht fristgerecht nachgekommen wäre.

44

Das gilt zunächst für die Begründung der Beklagten, dass kein organisatorisch, zeitlich und personell gesicherter Schulbetrieb durchgeführt werde.

45

Wäre der frühere Schulleiter P. tatsächlich schon, wie von ihm der Beklagten telefonisch mitgeteilt (Bl. 10 Beiakte A zu 6 A 325/03), am 1. Juli 2002 als Schulleiter ausgeschieden, hätte die Klägerin dieses zwar entgegen § 158 Abs. 2 NSchG der Schulbehörde nicht wahrheitsgemäß mitgeteilt. Auch könnte in einer diesbezüglichen Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht aus den von der Beklagten im Klageverfahren dargestellten Erwägungen zur Notwendigkeit des ständigen Präsenz eines pädagogischen Leiters ein Mangel im Sinne von § 159 Abs. 1 NSchG liegen, denn es liegt auf der Hand, dass eine Ergänzungsschule mit Grundschulcharakter über eine Schulleitung mit pädagogischer Befähigung oder Berufserfahrung verfügen muss. Insoweit hat die Beklagte der Klägerin aber zur Vermeidung diesbezüglicher weiterer Pflichtverletzungen nicht erfolglos eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt.

46

Die Beklagte hatte die Klägerin zwar ursprünglich mit Schreiben vom 4. November 2002 (Bl. 14 Beiakte A zu 6 A 325/03) aufgefordert, bis zum 20. November 2002 „einen geeigneten Schulleiter zu benennen“. Dieser Aufforderung war die Klägerin auch zunächst nicht fristgemäß nachgekommen. Sie hatte mit dem unter dem 30. Oktober 2002 gefertigten Schreiben nur angezeigt, dass Herr U. L. mit sofortiger Wirkung eine Position in der kollegialen Schulleitung übernehme. Damit war der Aufforderung mit Fristsetzung aber nicht Genüge getan, denn aus der Verwendung des Attributs „geeignet“ musste die Klägerin wissen, dass die Beklagte sie nicht nur zu einer Namensnennung, sondern auch zugleich zum Nachweis der Bestellung und der Eignung eines Schulleiters aufgefordert hatte und dass Herr L. wegen seiner fehlenden Leitungserfahrung nicht als geeigneter Schulleiter in Betracht kam, zumal sie hierauf in dem Schreiben vom 4. November 2002 schon hingewiesen worden war. Auf das Fehlen eines geeigneten Schulleiters waren der Geschäftsführer und Herr L. auch anlässlich eines Besuchs der Schule am 15. November 2002 durch die Regierungsschuldirektorin Q. hingewiesen worden (Bl. 19 Beiakte A zu 6 A 325/03). Dennoch lässt sich die Untersagungsverfügung nicht auf die insoweit fehlende Beantwortung des Aufforderungsschreibens vom 4. November 2002 stützen, denn die Beklagte hatte der Klägerin in einer Besprechung am 12. Dezember 2002 in diesem Punkt eine „Frist zur Nachbesserung“ bis zum 19. Dezember 2002 eingeräumt (Bl. 43 Beiakte A zu 6 A 625/03). Sodann ging bei der Beklagten am 19. Dezember 2002 fristgemäß der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin ein, mit welchem der Anstellungsvertrag mit dem Sonderschulrektor M. einschließlich des Nachweises seiner Befähigung vorgelegt wurde. Die Klägerin hat danach diesem Mangel im Sinne von § 159 Abs. 1 NSchG innerhalb der gesetzten Nachfrist abgeholfen.

47

Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin sei während des Klageverfahrens der Aufforderung zur Anzeige des Bestandes der eingesetzten Lehrkräfte und der die Schule besuchenden Schülerinnen und Schüler nicht nachgekommen, lässt sich dieses angesichts des vorliegenden Sachverhalts nicht nachvollziehen. Das diesbezügliche Schreiben der Beklagten vom 2. März 2004 (Bl. 187 der Gerichtsakte 6 A 3109/03) ist innerhalb der gesetzten Frist mit einem Telefax vom 15. März 2004 beantwortet worden. Nachdem die Beklagte die Beantwortung dieses Schreibens sowie eines weiteren Schreibens vom 18. März 2004 als inhaltlich nicht ausreichend angesehen hatte, hatte sie ihre an die Klägerin gerichtete Aufforderungen mit Schreiben vom 31. März 2004 (Bl. 190, 192 der Gerichtsakte 6 A 3109/03) präzisiert und nähere Angaben in Bezug auf die klassenmäßige Zuordnung der Schülerinnen und Schüler, die Qualifikationsnachweise für die mitgeteilten neuen Lehrkräfte sowie dazu, wer tatsächlich für den Unterricht eingesetzt werde, verlangt. In diesem letzten Schreiben, das von der Klägerin unter dem 16. April 2004 beantwortet worden war (Bl. 194 der Gerichtsakte 6 A 3109/03), hatte die Beklagte aber eine Frist für die Antwort nicht gesetzt. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung im Sinne von § 159 Abs. 1 NSchG nicht nachgekommen wäre.

48

Soweit die Beklagte die Untersagungsverfügung darauf gestützt hat, dass kein zeitlich gesicherter und inhaltlich ausreichender Unterricht stattfinde, gilt im Ergebnis dasselbe.

49

Eine ergebnislose Mängelbeseitigungsaufforderung, mit welcher zeitlich oder inhaltlich unzureichender Unterricht beanstandet worden und mit der von der Klägerin innerhalb einer bestimmten Frist ein konkretes Verhalten verlangt worden wäre, ist für den Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nicht ersichtlich. Entsprechendes lässt sich den Verwaltungsvorgängen der Beklagte und dem übrigen bekannten Sachverhalt auch nicht für den Zeitraum nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens feststellen. Insoweit fehlt es sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung des Unterrichts als auch in Bezug auf dessen Überwachung durch einen verantwortlichen Schulleiter an greifbaren Tatsachenfeststellungen der Beklagten. Die Klägerin hat seit Dezember 2002 einen für den pädagogischen Betrieb der K. Schule J. verantwortlichen Schulleiter eingesetzt, dessen fachliche Eignung von der Beklagten bisher nicht in Zweifel gezogen worden ist. Insoweit ist die Feststellung in dem angefochtenen Bescheid, die Schule besitze „über die gesamte Zeit ihrer Existenz keine qualifizierte Schulleitung“, auch für die Entwicklung des Sachverhalts nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht zutreffend.

50

Ob die von der Beklagten anlässlich der Unterrichtsbesichtigungen am 30. September 2003 getroffenen Feststellungen ausreichen, um die Annahme zu begründen, dass die Klägerin den pädagogischen Betrieb ihrer Schule gegenwärtig personell nicht gesichert hätte, weil die Anwesenheitszeiten des Schulleiters M. hierfür nicht ausreichten, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Dasselbe gilt für die Beanstandung der Beklagten, die den Eltern der Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. zugesagten Unterrichtsinhalte würden nicht in ausreichendem Maße vermittelt werden, in wesentlichen Bereichen erreichten diese auch nicht die im Schulkonzept angekündigte Qualität, und der Unterricht erfülle auch nicht die Mindestanforderungen an eine Beschulung der Schüler der K. Schule J..

51

Insoweit hat die Beklagte zwar mit der Vorlage des Vermerks über die Unterrichtsbesichtigungen vom 30. September 2003 im Verlauf des Klageverfahrens Ergebnisse schulbehördlicher Ermittlungen, die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides noch nicht angestellt worden waren (Beschluss der Kammer vom 24.7.2003 - 6 B 1906/03 -), vorgelegt. Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, dass sie im Anschluss an die Feststellungen der Regierungsschuldirektorin Q. und des Regierungsschuldirektors R. vom 30. September 2003 hinsichtlich der Mindestanwesenheitszeiten des Schulleiters M. oder in Bezug auf die zu spezifizierenden Mindestanforderungen des Unterrichts an die Klägerin eine Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristbestimmung im Sinne von § 159 Abs. 1 NSchG gerichtet hätte. Die gegebenenfalls im Wege der Beweisaufnahme zu beantwortende Frage, ob die Klägerin bestimmte, unter Fristsetzung von ihr verlangte qualitative Mindestanforderungen des Unterrichts erfüllt, stellt sich somit im Zusammenhang mit der rechtlichen Überprüfung der Untersagungsverfügung nicht.

52

In Bezug auf die Beanstandung von Fehlzeiten der Lehrkräfte der K. Schule J. kann auf die Ausführungen der Kammer vom 24. Juli 2003 (6 B 1906/03) verwiesen werden. Danach lagen die bisher genannten Zeiträume der Erkrankung der Lehrkraft für den Deutschunterricht und das Fehlen einer Lehrkraft für den Unterricht in englischer Sprache bei Erlass der Untersagungsverfügung bereits länger als ein Jahr bzw. ein halbes Jahr zurück. Aus diesem Grund hätte es insoweit besonderer Ermessenserwägungen in Bezug auf die Notwendigkeit einer Untersagung der Fortführung der Schule bedurft, denn die von der Klägerin praktizierte Vertretung der Lehrkräfte im Fach Deutsch durch den Einsatz von sog. "Leseeltern" und Praktikanten wich nicht so wesentlich von dem Standard öffentlicher Grundschulen ab, dass auch nach diesen nur vorübergehenden Zeiträumen schon der Bildungsauftrag der Schule gefährdet sein könnte und sich die dadurch entstandenen Unterrichtslücken nicht mehr schließen ließen. Allerdings gilt auch in diesem Punkt, dass die Beklagte der Klägerin in Bezug auf die Vermeidung von Unterrichtsausfällen und die notwendige Vertretung von Lehrkräften keine Vorgaben im Sinne von § 159 NSchG gemacht hat, der die Klägerin innerhalb einer bestimmten Frist hätte nachkommen müssen.

53

Dasselbe gilt schließlich auch, soweit sich die Untersagungsverfügung darauf stützt, dass die Klägerin es unterlassen habe, die Erweiterung des Angebots der K. Schule J. um einen Betreuungsbereich für nicht schulpflichtige Kinder im Februar 2003 der Schulbehörde gemäß § 158 Abs. 3 Satz 1 NSchG anzuzeigen. Auch in diesem Punkt hat die Beklagte der Klägerin gegenüber bisher keine Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristsetzung erlassen. Vielmehr hatte sie die Klägerin im Verlauf des Verwaltungsverfahrens nur mit Schreiben vom 3. Februar 2003 um Stellungnahme gebeten, ohne insoweit eine Frist zu setzen. Diese Stellungnahme ist unter dem 14. März 2003 erfolgt. Dass die Klägerin daraufhin bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über die vorliegende Klage unter Fristsetzung vergeblich aufgefordert worden wäre, die Einrichtung der Betreuungsgruppe zu unterlassen oder zu modifizieren, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder bestimmte Auskünfte zu konkreten Sachverhalten zu erteilen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Das gilt auch, soweit sich aus den Schriftsätzen der Klägerin im Klageverfahren 6 A 325/03 nunmehr die Vermutung ergibt, dass die Klägerin tatsächlich nicht nur eine Kinderbetreuung eingerichtet, sondern auch ihr schulisches Angebot ohne qualifizierte Anzeige nach § 158 Abs. 3 Satz 1 NSchG um die Einrichtung einer schulischen Eingangsphase für noch nicht schulpflichtige Kinder erweitert hat. Insoweit wird auf die Ausführungen der Kammer in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 1. März 2004 - 6 A 325/03 - verwiesen. Auch hierzu hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie die dadurch begründeten Zweifel an der unveränderten Fortgeltung des Unterrichts- und Förderungskonzepts der K. Schule J. zwischenzeitlich zum Anlass genommen hätte, mit Mängelbeseitigungsaufforderungen verbundene spezifische Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

54

Nichts anderes gilt schließlich hinsichtlich der im Klageverfahren von der Beklagten neu vorgetragenen Gründe für die Unzuverlässigkeit der Geschäftsführer der Klägerin im Zusammenhang mit der nicht rechtzeitigen Verlängerung der baurechtlichen Genehmigung zur Nutzung des Schulgrundstücks. Die Tatsache, dass die Klägerin seit dem 2. November 2003 den Schulbetrieb in dem Schulgebäude V. unter Verstoß gegen das öffentliche Baurecht durchführt, weil die bis zum 1. November 2003 befristete Genehmigung der Nutzung des früheren Kasernengebäudes als Schule nicht verlängert worden ist, hat bisher kein spezifisches schulaufsichtliches Einschreiten der Beklagten nach § 167 Abs. 1 NSchG ausgelöst. Jedenfalls hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie an die Klägerin aus diesem Anlass eine Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristbestimmung nach § 159 Abs. 1 NSchG gerichtet hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie der Klägerin Auflagen gemacht hätte, um die Frage zu klären, ob der gegenwärtige Verstoß gegen das für Schulen im Lärmschutzbereich bestehende gesetzliche Bauverbot (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - Fluglärmgesetz -) im Interesse der in der Schule unterrichteten und betreuten Kinder vorübergehend hingenommen werden kann.

55

II. Soweit die Beklagte die am 7. August 2001 getroffene Feststellung, dass für die Schülerinnen und Schüler während des Besuchs der K. Schule J. die Schulpflicht ruht, widerrufen hat, ist der angefochtene Bescheid vom 3. April 2003 ebenfalls rechtswidrig.

56

Rechtsgrundlage für einen Widerruf des Bescheides über die Feststellung des Ruhens der Schulpflicht vom 7. August 2001 ist § 49 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG und in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG. Danach setzt der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes voraus, dass die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Eine nachträgliche Änderung der für die Entscheidung über das Ruhen der Schulpflicht nach § 160 NSchG maßgeblichen Tatsachenlage ist nicht eingetreten:

57

Die nach Klageerhebung aufgetretenen Unklarheiten über die pädagogische und organisatorische Eingliederung der „Frühförderung“ nicht schulpflichtiger Kinder (s.o.) in die K. Schule J., ferner die von der Beklagten im Herbst 2003 festgestellten inhaltlichen Unterrichtsdefizite sowie die gegenwärtige formelle und materielle Baurechtswidrigkeit der Nutzung des Schulgebäudes können im vorliegenden Klageverfahren schon grundsätzlich nicht zur Begründung eines Widerrufs der Feststellung über das Ruhen der Schulpflicht berücksichtigt werden. Der Widerruf des Bescheides vom 7. August 2001 stellt sich - anders als die mögliche Beurteilung der Untersagung der Fortführung der Schule (s.o.) - nicht als Dauerverwaltungsakt dar. Für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit kommt es daher nach ständiger Rechtsprechung materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt des Ergehens der letzten Verwaltungsentscheidung an. Die in § 114 Satz 2 VwGO vorgesehene Möglichkeit des Ergänzens der Ermessenserwägungen ermöglicht nur das Nachschieben von Ermessensgesichtspunkten, nicht aber das Heranziehen einer neuen Tatsachengrundlage für die Ermessensentscheidung. Insoweit ist nicht davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber mit der prozessrechtlichen Regelung des § 114 Satz 2 VwGO zugleich eine materiell-rechtliche Regelung getroffen hat (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO - Kommentar -, § 114 Rdnr. 12g).

58

Für den danach entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 hat die Kammer in den Gründen des den Beteiligten bekannten Beschlusses vom 24. Juli 2003 - 6 B 1906/03 - ausgeführt, dass die von der Beklagten gewonnenen Erkenntnisse nicht ausreichten, um die Annahme einer persönlichen Unzuverlässigkeit der Geschäftführer der Klägerin zu stützen. Hieran hält die Kammer auch im Hauptsacheverfahren fest. Nach Erlass des Bescheides vom 7. August 2001 sind bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 auch keine Umstände eingetreten, welche die Annahme begründen könnten, dass in der K. Schule J. nicht die Mindestanforderungen eines schulpflichtkonformen Unterrichts für Kinder im Grundschulalter erfüllt werden.

59

Nach Auffassung der Kammer ist es eine unabdingbare Voraussetzung für die Feststellung des Ruhens der Schulpflicht nach § 160 NSchG, dass die Schülerinnen und Schülern, die im Verlauf ihres schulischen Bildungsweges vorübergehend eine Ergänzungsschule besuchen, nach dem Verlassen dieser Schule ihren Bildungsweg erfolgreich fortsetzen können. Eine Ergänzungsschule, bei deren Besuch die Schulpflicht nach § 160 NSchG ruht, ist gemäß § 141 Abs. 1 NSchG verpflichtet, unter anderem die Regelungen der §§ 5 ff. NSchG über die einzelnen Schulformen und deren gesetzliche Bildungsinhalte einzuhalten. Der Gesetzgeber verknüpft danach mit der Entscheidung über das Ruhen der Schulpflicht untrennbar die rechtliche Bindung der betreffenden Ergänzungsschule an die gesetzlichen Bildungsinhalte der ihr entsprechenden Schulform. Das macht es zwingend erforderlich, dass die Schulbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 160 Satz 1 NSchG prüfen muss, ob und in welchem Maße die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Ergänzungsschule dem Bildungsauftrag der Schule aus § 2 NSchG auch dahingehend Rechnung trägt, dass die in den §§ 6 ff. NSchG festgelegten allgemeinen Lernziele der betreffenden Schulform erreicht werden.

60

Für die Beschulung von Kindern im Primarbereich muss die Ergänzungsschule der Klägerin daher die in § 6 NSchG festgelegten Lernziele der Grundschule erfüllen, wenn die Schulpflicht beim Besuch dieser Schule gemäß § 160 NSchG ruhen soll. Zum Inhalt der Lernziele bestimmte § 6 Abs. 2 NSchG in der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 3. März 1998 (Nds. GVBl. S. 137) dazu lediglich, dass die Grundschule für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten vermittelt und ihre verschiedenen Fähigkeiten entwickelt. Das im NSchG vorgegebene System der Schulformen und Bildungsgänge verlangt, dass es sich dabei um diejenigen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten sowie Fähigkeiten handelt, deren Besitz in weiterführenden Schulen sowie in öffentlichen Grundschulen für eine erfolgreiche Fortsetzung der Schullaufbahn unverzichtbar sind. Die Ergänzungsschule, bei deren Besuch die Schulpflicht nach § 160 NSchG ruht, muss danach die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 NSchG erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Teilnahme am schulischen, gesellschaftlichen und beruflichen Leben so vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler nach dem Verlassen dieser Schule mit Aussicht auf Erfolg am Unterricht einer öffentlichen Schule oder einer Ersatzschule teilnehmen können. Die Ergänzungsschule muss in dieser Weise mit dem öffentlichen Schulsystem kompatibel sein.

61

Unverzichtbar für die erfolgreiche Fortsetzung eines Bildesweges sind im Wesentlichen die Kulturtechniken Lesen, Rechtschreibung und Rechnen, die in der Grundschule Gegenstand des Erstunterrichts sind. Dieses ist nunmehr in § 6 Abs. 1 Satz 2 NSchG in der Fassung des Gesetzes vom 2. Juli 2003 (Nds. GVBl. S. 244) ausdrücklich geregelt und fand im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides seinen Ausdruck in den Bestimmungen unter Abschnitt II Nr. 1 des seinerzeit geltenden Erlasses des Nds. Kultusministeriums „Die Arbeit in der Grundschule“ vom 5. Mai 1981 (SVBl. S. 112, mit späteren Änderungen).

62

Es bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der K. Schule J. diesen Anforderungen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht entsprach. Die Kammer hat bereits in den Gründen ihres Beschlusses vom 24. Juli 2003, die für den Ausgang der Interessenabwägung im Verfahren 6 B 1906/03 entscheidend waren, darauf hingewiesen, dass dazu bis zum Abschluss des Vorverfahrens keine aktuellen Feststellungen der Beklagten aus dem Unterricht der K. Schule J. vorlagen.

63

Während des Klageverfahrens haben sich keine neuen Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass der Unterricht der K. Schule J. die vorstehend beschriebenen Mindestanforderungen im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht erfüllte. Die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretenen Lehrerwechsel, der vorübergehend ausgefallene Deutschunterricht und die vorübergehende Nichtbesetzung der Stelle eines pädagogisch verantwortlichen Schulleiters der K. Schule J. reichen weiterhin nicht aus, um eine solche Annahme zu begründen. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass in der K. Schule J. bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt am 8. Juli 2003 Unterricht durchgeführt worden ist, der in den Gegenständen der Grundlehrgänge der Grundschule (Lesen, Rechtschreibung und Rechnen) grundsätzlich ausreichte, um den Schülerinnen und Schülern der Schule einen Stand ihrer schulischen Leistung und Entwicklung zu vermitteln, welcher sie befähigte, ihre Schullaufbahn entweder an einer weiterführenden Schule des Sekundarbereichs I oder nach Abbruch des Besuchs der K. Schule J. in einer öffentlichen Grundschule erfolgreich fortzusetzen.

64

Der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte stellvertretende Leiter des Fachbereichs 3 des Niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung - NiLS -, Herr S. T., ist in seinem Gutachten vom 15. Juni 2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass die insgesamt 16 den Jahrgängen 1 bis 4 zuzuordnenden Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. die in den Rahmenrichtlinien für die Grundschule gesetzten Ziele erreichen. Die Mathematikleistungen der Schülerinnen und Schüler der 2. bis 4. Klasse entsprechen danach dem zu erwartenden Leistungsstand, ein problemloser Schulwechsel ist nach Einschätzung des Gutachters mit sehr großer Wahrscheinlichkeit möglich. Bei zwei der sechs Kindern des ersten Jahrgangs, die ausnahmslos „Kann“- Kinder sind, entsprechen die Mathematikleistungen denen der 1. Klasse, die übrigen vier Kinder verbringen einen großen Teil der Zeit in der Kindergartengruppe. Die Leistungen der Kinder in den Jahrgängen 2 bis 4 entsprechen in den Lernfeldern Lesen und Rechtschreibung weitgehend den Anforderungen der Regelschule. Bei drei der sechs Kinder des ersten Jahrgangs ist dieses ebenfalls der Fall.

65

Die Gültigkeit dieser Prognose eines mit großer Wahrscheinlichkeit problemlosen Schulwechsels durch den Gutachter erstreckt sich auch auf die Schülerinnen und Schüler, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt am 8. Juli 2003 bereits die K. Schule J. besuchten. Dabei handelt es sich um eine Schülerin und einen Schüler, die bzw. der altersmäßig dem 1. Jahrgang zugeordnet werden kann sowie die 6 Schülerinnen und Schüler, die sich ihrem Lebensalter entsprechend den Jahrgangsstufen 2 bis 4 zuordnen lassen. Zwar hat eine weitere, im Juli 1993 geborene Schülerin, die nach der vom Gutachter vorgenommenen altersmäßigen Zuordnung im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides als Schülerin des 4. Jahrgangs gelten musste, bei der Überprüfung des Lernstandes in Mathematik ein ungenügendes Ergebnis erzielt. Für einen weiteren, im März 1993 geborenen Schüler, der im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides ebenfalls dem 4. Jahrgang zuzuordnen war, liegen keine Auswertungsergebnisse vor, obwohl er in der Schülerliste auf Seite 17 des Gutachtens (an vorletzter Stelle) als Schüler der K. Schule J. genannt wird. Dennoch ist dieses kein Anlass, das Ergebnis der Überprüfung des Leistungsstandes durch den Gutachter als nicht repräsentativ anzusehen und die Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters in Zweifel zu ziehen. Aufgabenstellung war nach dem Beweisbeschluss der Kammer, den Stand der schulischen Leistung und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. in Bezug auf eine erfolgreiche Fortsetzung der Schullaufbahn zu begutachten. Dieses setzt naturgemäß eine Durchschnittsbetrachtung und -bewertung des zu untersuchenden Sachverhalts voraus. Das ist von dem Gutachter auch umgesetzt worden. Er hat sein Urteil nicht nur auf die Ergebnisse der Tests gestützt, die von ihm und der ihn unterstützenden Lehrerin durchgeführt worden sind. Vielmehr hat er auch Portfolios der Schülerinnen und Schüler ausgewertet und mit den Lernstandsberichten der K. Schule J. verglichen sowie die Art des eingesetzten Unterrichtsmaterials und die Wochenpläne der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt.

66

Soweit die Beklagte dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegensetzt, dass nach ihren eigenen Feststellungen aus Gesprächen mit Erziehungsberechtigten ehemaliger Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. eine große Zahl der Schulabgänger bei dem Wechsel in eine öffentliche Schule wegen des Fehlens der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht altersentsprechend habe eingestuft werden können, sondern eine Klasse tiefer aufgenommen worden sei, ist ihr Vorbringen nicht entscheidungserheblich. Dasselbe gilt, soweit die Beklagte vorträgt, die auch vom Gutachter festgestellte Lehrer- und Schülerfluktuation, die mangelnde Rückmeldung bezüglich der Arbeitsergebnisse und das Fehlen von Lernpartnerschaften wirkten sich negativ auf den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. aus.

67

Die nach Auffassung der Beklagten schlechtere Qualität des Unterrichts und der an der K. Schule J. beschäftigten Lehrkräfte kann allein einen Widerruf der Feststellung, dass bei dem Besuch dieser Ergänzungsschule die Schulpflicht ruht, nicht begründen. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 24. Juli 2003 - 6 B 1906/03 - ausgeführt hat, ist die Schule der Klägerin als Ergänzungsschule nicht an den Qualitätsmaßstab öffentlicher Schule gebunden. Darin unterscheidet sie sich wesentlich von einer anerkannten Ersatzschule (vgl. § 148 Abs. 1 Satz 1 NSchG). Rechtsfolge der Feststellung des Ruhens der Schulpflicht vom 7. August 2001 ist nach § 141 Abs. 1 Satz 1 NSchG zwar, dass die K. Schule J. in Bezug auf den Inhalt ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit an den Bildungsauftrag der Schule nach § 2 NSchG und die Bekenntnisfreiheit und das Toleranzgebot aus § 3 Abs. 2 Satz 2 NSchG gebunden ist. Auch muss sie diesen Bildungsauftrag so weit wahrnehmen, dass die der Schulform entsprechenden gesetzlichen Lernziele erreicht werden (s.o.). Dagegen ist es ist der Ergänzungsschule auch im Fall des § 160 NSchG selbst überlassen, mit welcher Methodik und welchen Unterrichtsinhalten im Einzelnen sie die nach § 2 Abs. 1 Satz 4 NSchG notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung und die Bereitschaft zum Lernen und Erzielen von Leistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 5 NSchG) vermittelt, solange ihre Schülerinnen und Schüler das Lernziel der entsprechenden Schulform erreichen.

68

Aus diesem Grund ist es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 160 NSchG auch nicht entscheidend, ob Schülerinnen und Schüler der K. Schule J. nach Auffassung der Beklagten in ihrer schulischen Leistung und Entwicklung wegen bestimmter Defizite im Bereich ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten bei der Fortsetzung ihres Bildungsweges in ihren individuellen Bildungschancen benachteiligt sind, weil sie etwa beim Übergang in eine öffentliche Grundschule nicht in einen altersentsprechenden Jahrgang aufgenommen werden. Entscheidend ist auch nicht, welche Schwierigkeiten den ehemaligen Schülerinnen und Schülern der Ergänzungsschule beim Wechsel in eine weiterführende Schule des Sekundarbereichs I entstehen, solange sie dort ihren Bildungsweg ohne eine besondere pädagogische Förderung mit Aussicht auf Erfolg fortsetzen können. Das war bei den Schülerinnen und Schülern der K. Schule J. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Vorverfahrens der Fall.