Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 11.12.1986, Az.: 1 U 121/86

Vertrieb von Torfprodukten für gärtnerische Nutzung; Unterlassung des Vertriebs von Baumrinde in öffentlichen Ankündigungen bzw. auf der Verpackung mit dem Hinweis Rinde statt Torf; Neueinführung bzw. verstärkte Einführung eines bisher nicht sehr bekannten Produkts

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.12.1986
Aktenzeichen
1 U 121/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 23472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1986:1211.1U121.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 16.04.1986 - AZ: 12 O 3971/85

Fundstellen

  • NJW 1987, 1272-1273 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1987, 626 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Unterlassung

In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1986
unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht xxx und
der Richter am Oberlandesgericht xxx und xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. April 1986 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 6.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 40.000,-- DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die im wesentlichen Torfprodukte für gärtnerische Nutzung vertreibt, ist Mitbewerberin der Beklagten, die neben anderem Gartenbedarf auch Rindenprodukte verkauft, vor allem Baumrinde in Pressballen.

2

Dabei handelt es sich um zerkleinerte, fraktionierte und nicht fermentierte Rinde, die ausschließlich zur Bodenabdeckung (Mulchen) verwendet wird. Die Beklagte hat in ihren Werbeprospekten und in sonstigen Veröffentlichungen ersichtlich erstmals im Jahre 1985 als "Devise für das Herbst- und Frühjahrsgeschäft 1985/86" auf diese Baumrinde mit dem Hinweis "Rinde statt Torf" aufmerksam gemacht und auch die Pressballen mit einem entsprechenden Aufdruck versehen. Die Klägerin hält dieses Vorgehen für wettbewerbswidrig und verlangt Unterlassung.

3

Dazu führt sie aus, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Waren Torf und Rinde in dieser Form gegenüber zu stellen, weil es an einer Vergleichbarkeit fehle. Die Baumrinde werde nur zum Mulchen verwendet, während Torf nicht nur als Bodenabdeckung diene, sondern vor allem auch zur Bodenverbesserung und zur Humusanreicherung in den Boden eingearbeitet werden könne. Die schlagwortartige Aufforderung, "Rinde statt Torf" zu verwenden, sei herabsetzend, weil sie pauschal gehalten sei und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen der Warenarten bewußt vermeide. Der auf den Verpackungen und in den Prospekten zu findende Hinweis der Beklagten, daß die Baumrinde "auf den Boden" aufgebracht werden müsse, reiche in Anbetracht des blickfangartigen Slogans "Rinde statt Torf" nicht aus, die im Vergleich zum Torf erheblich eingeschränkte Verwendbarkeit der Baumrinde für den Verbraucher hinreichend deutlich zu machen. Schließlich nutze die Beklagte mit der Art ihrer Werbung ganz bewußt die derzeitige sogenannte Öko-Welle aus, indem sie mit der schlagwortartigen Formulierung "Rinde statt Torf" an das Umweltbewußtsein appelliere und diese gefühlsbetonte Sprache ausschließlich zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil wähle.

4

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, für die von ihr vertriebene Baumrinde in öffentlichen Ankündigungen bzw. auf der Verpackung mit dem Hinweis "Rinde statt Torf" zu werben.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie erwidert, in ihren Werbeprospekten, auf den Verpackungen und in allen sonstigen Veröffentlichungen weise sie mehr als deutlich auf die Verwendung der Baumrinde ausschließlich zum Mulchen hin, so durch den Zusatz "auf den Boden" wie auch durch die bildliche Darstellung der Art und Weise der Bodenabdeckung. Es werde also nicht schlechthin Rinde mit Torf verglichen und als ebenso gut angepriesen, sondern der Vergleich erkennbar auf einen bestimmten Verwendungszweck beschränkt. Deshalb könne von einer Pauschalherabsetzung keine Rede sein. Die Werbung sei weder aggressiv noch in irgend einer Form überzogen. Schließlich sei auch der Vorwurf einer unzulässigen gefühlsbetonten Werbung nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil: Der Hinweis auf die Ersetzbarkeit des Torfes durch Baumrinde trage im Blick auf die fortschreitende Vernichtung der Moore einem dringenden ökologischen Interesse Rechnung.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

8

Mit der Berufung, deren Zurückweisung die Beklagte begehrt, wiederholt und ergänzt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und entsprechend ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

9

Auf das beiderseitige Vorbringen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

11

Die Werbung der Beklagten ist weder unlauter (§ 1 UWG, A) noch irreführend (§ 3 UWG, B).

12

A.

Eine vergleichende Werbung (im weitesten Sinne), wozu auch die Gegenüberstellung zweier verschiedener Produkte "Rinde statt Torf" - gehört, ist im allgemeinen (u.a.) dann unlauter, wenn

  1. 1.

    sie eine individuell gezielte Bezugnahme auf das Angebot eines oder mehrerer bestimmter Mitbewerber ist (BGH GR 1970, 422; 1972, 553 f; OLG Frankfurt WRP 1977, 272; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. A., § 1 UWG, Rn. 287).

  2. 2.

    sie ohne hinreichenden Anlaß erfolgt (BGH GR 1969, 283, 285),

  3. 3.

    sie anlehnend/bezugnehmend oder vergleichend/kritisierend ist (BGH GR 1972, 553),

  4. 4.

    der Werbende das Wertverhältnis der beiden Warenarten durch Weglassen erheblicher Umstände zum Nachteil der fremden Warenart entstellend wiedergibt, so daß ein unrichtiger Eindruck entsteht, (BGH GR 1967, 30; BGB MDR 1986, 908),

  5. 5.

    sie unsachlich/gefühlsbetont ist (vgl. u.a. LG Hamburg WRP 1986, 58).

13

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

14

1.

Die Beklagte hat die Klägerin nicht als einen bestimmten Mitbewerber in Bezug genommen. Die Klägerin behauptet von sieht selbst auch nur, zu den größten Torfvertriebsgesellschaften in der Bundesrepublik zu gehören, nicht jedoch auch, eine marktbeherrschende Stellung zu haben. Das reicht nicht aus, um sie als bestimmten Mitbewerber der Beklagten und als von dieser gezielt angesprochen anzusehen. (Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt kommt es allerdings dann nicht an, wenn die Werbung der Beklagten als System- oder Warenartenvergleich gewertet wird (vgl. Hefermehl a.a.O.Rn. 291 ff wie das hier nach Auffassung des Senats sachgerecht ist; dazu gleich hier zu 2) und zu 4).

15

2.

Die Werbung der Beklagten erfolgt nicht ohne hinreichenden Anlaß, sondern ersichtlich zur Neueinführung oder doch zur verstärkten Einführung eines bisher nicht sehr bekannten Produkts, so daß angesichts der Neuartigkeit ein großzügiger Maßstab für die Beurteilung ihrer Werbung angebracht ist (vgl. BGHZ 43, 278, 285) [BGH 26.02.1965 - Ib ZR 51/63] und ein Aufklärungsinteresse (BGH GR 1970, 422) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Aufklärungs- oder Fortschrittsvergleichs (Hefermehl a.a.O. Rn. 328-332) daran anzuerkennen ist. Da Rinde etwas anderes als Torf ist, ist die Werbung der Beklagten auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Systemsvergleichs oder eines Warenartenvergleichs zulässig (vgl. Hefermehl a.a.O. Rn. 287-291, 296, 298).

16

3.

Anhaltspunkte dafür, daß die Werbung der Beklagten sich etwa bezugnehmend an eine (voranggegangene) Werbung der Klägerin anlehne (und gewissermaßen deren Werbebemühungen für sich ausnutze), trägt die Klägerin nicht vor. Aber auch ein vergleichendes/kritisierendes Verhalten der Beklagten liegt nicht vor, sondern nur eine Substituierung. Diese ist - auch bei vergleichender Werbung - erlaubt (OLG Frankfurt a.a.O.); es liegt insoweit rechtlich vergleichbar wie bei dem Warenartenvergleich.

17

4.

Eine Herabsetzung des Torfs ist mit der Werbung der Beklagten nicht verbunden. Zum einen betont die Beklagte auf den Verpackungen des Rindenmulchs und in dem vorgelegten Gartenprospekt, daß die Rinde nur auf den (nackten) Boden gehöre und dessen Abdeckung sowie der Freihaltung von Unkraut sowie der oberflächigen Feuchtigkeitsregulierung diene. Sie greift also ohnehin nur einen Teilaspekt heraus, mit dem sie in Konkurrenz zum Torf tritt, dessen teilweise weitergehenden guten Eigenschaften bei einer Boden einbringung sie nicht leugnet. Aber auch innerhalb dieser so beschränkten Vergleichbarkeit beider Produkte für die Bodenabdeckung nimmt die Beklagte keinen den Torf abwertenden Vergleich vor. Der Satz "Rinde statt Torf" deutet (ähnlich wie die Aussage "Jute statt Plastik" oder "Bahn statt Auto" oder im politischen Bereich der Satz "Freiheit statt Sozialismus") nur auf eine (vermeintlich bisher nicht allgemein bekannte) Wahl möglichkeit (Rinde oder Torf) des Verbrauchers für den genannten gärtnerischen Zweck hin und darauf, daß sich (neben Torf) auch Rinde dafür eigne. Weitergehendes ist der genannten Aussage bei unbefangener Betrachtung nicht zu entnehmen.

18

Soweit diese Aussage gelegentlich verkürzt, d.h. ohne gleichzeitigen Hinweis auf das Mulchen, bei dem Publikum Eingang finden sollte, ist das im Ergebnis deshalb nicht wettbewerbsverzerrend, weil erfahrungsgemäß Gartenbesitzer und namentlich Kleingärtner sich von einem bloßen Werbeslogan bei ihren Besorgungen für den Garten nicht beeindrucken lassen, sondern entweder bereits fachkundig sind und daher die gegenüber dem Torf eingeschränkte Verwendbarkeit der Rinde im Garten für das Mulchen kennen oder sich vor Erwerb des Rindenproduktes der Beklagten, das nicht lose, sondern nur verpackt mit entsprechenden aufgedruckten Hinweisen in Wort und Bild abgegeben wird, fachkundig machen.

19

Ergänzend seien die vom Senat für zutreffend erachteten Ausführungen des Landgerichts hierher wiederholt:

"Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, Baumrinde und Torfrinde gleichgestellt und damit zum Ausdruck gebracht zu haben, Torf sei schlechthin und in jeder Beziehung durch Rinde zu ersetzen. Das vorgelegte Prospektmaterial der Beklagten läßt nämlich erkennen, daß die Pressballen neben den Worten "Rinde statt Torf" an zwei Stellen in ebenso großer und an einer noch deutlicher sichtbaren Stelle den Aufdruck "auf den Boden" tragen. In dem mit der Klageschrift überreichten Prospektkatalog wird darüber hinaus bildlich demonstriert und durch begleitenden Text erläutert, daß und wie die Baumrinde zum Mulchen verwendet wird. Für das mit Schriftsatz vom 04.03.1986 überreichte Werbematerial gilt schließlich nichts anderes:

Auch hier ist zwar der Slogan "Rinde statt Torf" nicht zu übersehen, die Aufforderung, statt Torf Baumrinde zu verwenden, ist deutlich herausgestellt. Gleichwohl lassen Text und Bild vor allem mit dem ebenfalls ständig wiederkehrenden Hinweis "auf den Boden" den eingeschränkten Verwendungszweck in ausreichender Form erkennen. Die Kammer ist deshalb der Überzeugung, daß die Beklagte im vorliegenden Fall keinen unzulässigen Warenartenvergleich vorgenommen hat, weil der interessierte Verbraucher auch bei nur durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht übersehen kann, daß Baumrinde nicht als umfassender Ersatz für Torf angepriesen wird.

Unter dieser Voraussetzung vermag das Gericht auch keine pauschale, schlagwortartige Herabsetzung des Produktes Torf und damit der Klägerin als Mitbewerberin zu erkennen. Die Werbeaussage beschränkt sich auf den Hinweis, daß für Zwecke der Bodenabdeckung anstelle von Torf auch Baumrinde verwendet werden kann. Qualitative Unterschiede zugunsten der Baumrinde werden weder ausdrücklich noch in versteckter Form behauptet. Form und Inhalt der Werbung sind weder unsachlich noch überzogen; der beanstandete Slogan wird nicht in übertriebener oder anreißerischer Form im Mittelpunkt gerückt, sondern neben anderen produktbezogenen Informationen aufgedruckt."

20

5.

Die genannte Werbeaussage ist auch nicht als unsachlich/gefühlsbetont wettbewerbswidrig. Der Sachverhalt hier liegt deutlich anders als bei der vom Landgericht Hamburg in WRP 1986, 59 getroffenen Entscheidung. Der Senat macht sich insoweit die folgenden Ausführungen des Landgerichts ausdrücklich zu eigen:

"Die Kammer hält schließlich auch den Vorwurf einer unsachlichen, weil gefühlsbetonten und an das Umweltbewußtsein appellierenden Werbung für ungerechtfertigt. Die insoweit von der Klägerin angezogene Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Aktion Grüner Groschen) gibt für den vorliegenden Fall nichts her. Denn dort hatte der Werbende ausdrücklich die drohenden Gefahren des Waldsterbens hervorgehoben und mit seiner Aktion ganz bewußt irrationale Bereiche angesprochen, um die durch den Appell an das Umweltbewußtsein hervorgerufene Kaufmotivation für geschäftliche Zwecke zu nutzen. Ein vergleichbarer Tatbestand ist vorliegend nicht gegeben. Zwar ist es denkbar, daß der Slogan ''Rinde statt Torf" nicht nur als Hinweis, sondern zugleich auch als Aufforderung verstanden wird, nicht mehr Torf, sondern Baumrinde zur Bodenabdeckung zu verwenden, und dabei auch die gedankliche Verbindung zu den ökologischen Interessen freisetzt, die die Beklagte in ihrer Klageerwiderung angesprochen hat. Das Gericht hält es jedoch aus den dargelegten Gründen nicht für gerechtfertigt, der Beklagten vorzuhalten, die sogeannte Öko-Welle in anstößiger Form und in einem nicht mehr vertretbarem Ausmaß zum Zugpferd ihrer Werbung gemacht zu haben."

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Nichts Gegenteiliges folgt aus dem von der Klägerin beanstandeten Schreiben der Beklagten vom 28.10.1985 mit dem Betreff: "Aktueller Umweltbeitrag Rinde statt Torf!". Auch dort wird nur deren Geeignetheit für den Bereich Abdeck-Mulchmaterial hingewiesen. Der im Schreiben enthaltene Satz, "daß Torf im Moor bleibt", ist nicht unsachlich und gefühlsbetont, sondern entspricht der Wahrheit. Denn ein geringerer Torfverbrauch hat nach aller Erfahrung einen geringeren Torfverkauf und -abbau zur Folge, was jedenfalls auf lange Sicht den Fortbestand der Moore schützt. Im übrigen ist dieses Schreiben, das sich auch nicht an eine breitere Öffentlichkeit richtet, sondern an die ohnehin fachkundigen Gartenbedarfhändler, nicht isoliert zu sehen, sondern in Zusammenhang mit einer der Öffentlichkeit zugänglich gemachten schriftlichen Information der der Klägerin ersichtlich nahestehenden Torfforschung GmbH, in der u.a. die Vorzüge des Torfs sehr deutlich herausgestellt werden und "Rindenhumus" als ein für das Mulchen "problematischer" (also weniger geeigneter) Stoff bezeichnet wird.

22

B.

Aus den obigen Ausführungen - namentlich zu A. 4 und 5 - folgt zugleich, daß die beanstandete Werbeaussage auch nicht unwahr oder auch nur irreführend im Sinne von § 3 UWG ist und keinen falschen Gesamteindruck/ von Rinde im Vergleich zum Torf (bei der Bodenabdeckung und beim Mulchen) im Garten entstehen läßt (vgl. Hefermehl a.a.O. Rn. 337, 338). /über die von der Beklagten angezeigte Verwendungsmöglichkeit

23

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 ZPO.