Amtsgericht Osnabrück
Beschl. v. 01.11.2007, Az.: 37 III 34/07

Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht durch eine etwaige bestehende gesetzliche Vaterschaft nach ausländischem Recht; Wahl des anwendbaren Rechts bezüglich der Abstammung eines Kindes nach dem Günstigkeitsprinzip

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
01.11.2007
Aktenzeichen
37 III 34/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 54802
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:2007:1101.37III34.07.0A

Fundstellen

  • FStBW 2009, 99-100
  • FStHe 2009, 613-614
  • FStNds 2009, 416-417
  • FamRZ 2008, 1771 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

...wird der Antragsgegner dazu angehalten, dass am ... geborene Kind ... in das Geburtenbuch, die Antragstellerin als Mutter und Herrn ... als Vater des Kindes einzutragen und der Antragstellerin für das vorgenannte Kind eine Geburtsurkunde auszustellen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 ? festgesetzt.

Gründe

1

Der gemäß §45 PStG zulässige Antrag der Antragstellerin ist begründet.

2

Die Beteiligten sind sich zwischenzeitlich einig darüber, dass die Geburt des Kindes sowie die Antragstellerin als Mutter in das Geburtenbuch einzutragen sind. Gemäß §21 PStG ist auch Herr ... als Vater des Kindes in das Geburtenbuch einzutragen.

3

Die Abstammung eines Kindes unterliegt gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend mithin dem deutschem Recht. Da das Kind ... unstreitig nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Kindesmutter mit Herrn ... geboren wurde, bestehen nach deutschem Recht keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung durch Herrn ... gem. §§1594, 1595, 1597 BGB. Eine etwaige gesetzliche Vaterschaft nach ausländischem Recht stünde der Vaterschaftsanerkennung insoweit nicht entgegen; denn der Vorbehalt des §1594 Abs. 2 BGB, wonach ein Anerkenntnis nur wirksam ist, wenn keine anderweitige Vaterschaft besteht, bezieht sich nach herrschender Meinung nur auf eine Vaterschaft, die auf §§1592 oder 1593 BGB beruht, nicht aber auf eine solche nach ausländischem Recht (vgl. Rauscher in Staudinger, BGB, §1594 Rdnr. 26 m.w.N.).

4

Im Verhältnis zu jedem Elternteil kann die Abstammung nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zusätzlich auch nach dessen Heimatrecht bestimmt werden. Da die Kindesmutter türkische Staatsangehörige ist und für ihre durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - ... vom ... - seit dem ... rechtskräftig geschiedene Ehe türkisches Recht anzuwenden war, gilt das am ... geborene Kind gemäß Art. 287 des türkischen Zivilgesetzbuches vom 22.11.2001 als Kind des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter. Gemäß Art. 15 des türkischen IPRG unterliegen die Beziehungen der ehelichen Abstammung dem Recht, das im Zeitpunkt der Geburt für die allgemeinen Wirkungen der Ehe gilt, vorliegend also das türkische Recht. Eine Rückverweisung auf das Recht des Aufenthaltsortes des Kindes kennt das türkische Internationale Privatrecht nicht.

5

Art. 19 EGBGB lässt offen, welches Recht anwendbar ist, wenn die verschiedenen Abstammungsstatute zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die wohl herrschende Meinung, der sich das erkennende Gericht anschließt, lässt bei der Wahl des anwendbaren Rechts das Günstigkeitsprinzip entscheiden, d.h. zur Anwendung berufen ist das Recht, das für das Kindeswohl günstiger ist (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, Art. 19 EGBGB Rdnr. 6 m.w.N.). Das Gericht hat keine Zweifel, dass vorliegend die Anwendung deutschen Rechtes dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Abgesehen davon, dass sich rein tatsächlich Herr ... zu dem Kind bekennt, während dies bei dem geschiedenen Ehemann der Kindesmutter nicht der Fall ist, ist zwischenzeitlich zumindest für die Kindesmutter die Frist zur Anfechtung einer Vaterschaft ihres geschiedenen Ehemannes verstrichen; denn der Kindesmutter war bereits im Zeitpunkt der Geburt des Kindes, mithin seit mehr als zwei Jahren bekannt, dass das Kind nicht von ihrem geschiedenen Ehemann abstammen dürfte. §1594 Abs. 2 BGB findet, anders als von der Stadt ... in der Stellungnahme vom 25.10.2007 geäußert, in diesem Zusammenhang keine Anwendung, da sich §1600 b Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich auf die Anfechtung einer Vaterschaft im Sinne des §1592 Nr. 2 BGB bezieht, d.h. auf einer Vaterschaft, die auf einer Anerkennung beruht. Vorliegend müsste demgegenüber ggf.die Vaterschaft angefochten werden, die in der - geschiedenen - Ehe der Kindesmutter ihre Ursache hat. Hinzukommt, dass das türkische Familienrecht eine Anfechtung der Vaterschaft durch die Kindesmutter nicht einmal kennt (vgl. Art. 286 des türkischen ZGB). Zwar verbliebe sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht die Möglichkeit einer Vaterschaftsanfechtung durch das Kind selbst, insoweit bedürfte es aber - zumindest bis zur Volljährigkeit des Kindes - der vorherigen Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß §1909 BGB durch das Vormundschaftsgericht. Das eine solche Vorgehensweise dem nach dem Günstigkeitsprinzip maßgebenden Kindeswohl eher entspricht als eine unmittelbare Anwendung des deutschen Abstammungsrechtes ist nicht erkennbar.