Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.11.2018, Az.: 16 VA 5/18
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.11.2018
- Aktenzeichen
- 16 VA 5/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 68921
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Fundstellen
- EWiR 2019, 281
- InsbürO 2019, 354
- NZI 2019, 160-163
- ZIP 2019, 528-531
- ZInsO 2020, 1017-1021
- ZVI 2019, 195-198
Tenor:
Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antragsteller in die Vorauswahlliste für die Bestellung als Sachverständiger, (vorläufiger) Insolvenzverwalter und Treuhänder aufzunehmen, wenn er dem beim Antragsgegner dafür bestehenden Anforderungsprofil entspricht.
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner das Recht des Antragstellers auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern seit dem 01. Juni 2007 verletzt hat.
Die weiteren Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert: € 5.000,00.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter mit Sitz in H.
Mit Schreiben vom 01. Juni 2007 (Anlage A 1 [Bl. 17 ff.]) bewarb sich der Antragsteller bei dem seinerzeit zuständigen Insolvenzrichter des Antragsgegners darum, in dort anhängigen Verfahren als Insolvenzverwalter/Treuhänder bestellt zu werden. Das Schreiben enthielt Informationen zu seiner Person und zur Struktur der Kanzlei, der er angehört, sowie zu seinen fachlichen Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen als Insolvenz- und Zwangsverwalter. Wenige Wochen später führte der Antragsteller ein persönliches Gespräch mit dem seinerzeit zuständigen Insolvenzrichter. Eine Bestätigung seiner Bewerbung erhielt der Antragsteller nicht.
Mit weiteren Schreiben vom 28. Januar 2013 (Anlage A 2 [Bl. 20 ff. d. A.]) und vom 02. September 2013 (Anlage A 3 [Bl. 24 f. d. A.]) wandte sich der Antragsteller an die nunmehr zuständigen Insolvenzrichterinnen bei dem Antragsgegner und bekräftigte seine Bewerbung mit aktualisierten Informationen im vorgenannten Sinne unter Bezugnahme auf das vorausgegangene Schreiben.
Unter dem 27. September 2013 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er in die Vorauswahlliste des Antragsgegners aufgenommen worden und dort auch weiterhin gelistet sei (Anlage A 4 [Bl. 27 d. A.]).
Eine verkörperte Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter existiert beim Antragsgegner erst seit August 2011. Bis dahin - und auch bei Eingang der Bewerbung des Antragstellers vom 01. Juni 2007 - wurden beim Antragsgegner eingegangene Bewerbungen den für Insolvenzsachen zuständigen Richterinnen und Richtern sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern zur Kenntnisnahme gegeben und anschließend so aufbewahrt, dass diese bei der Auswahl im Einzelfall jederzeit auf die Sammlung Zugriff hatten. Gegenwärtig (Stand Mai 2018) werden 29 Bewerber auf dieser Liste geführt (vgl. Anlage 1 [Bl. 53 d. A.]).
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 bat der Antragsteller den Antragsgegner um Darlegung der Auswahlkriterien für die Auswahl des Insolvenzverwalters (Anlage A 6 [Bl. 30 f. d. A.]), woraufhin die zuständige Insolvenzrichterin bei dem Antragsgegner ihm mit Schreiben vom 11. November 2017 (Anlage A 7 [Bl. 32 d. A.]) mitteilte, dass eine Darlegungsverpflichtung hinsichtlich der im Ermessen des jeweiligen Insolvenzrichters liegenden konkreten Bestellung ihres Erachtens nicht bestehe.
Dem Vorauswahlverfahren legt der Antragsgegner seit Ende 2017 einen Fragebogen (Bl. 154 ff. d. A.) zugrunde, in dem potentielle Bewerber neben Angaben zu ihren persönlichen Daten auch weitere Eintragungen u. a. zu ihren beruflichen und sonstigen Qualifikationen sowie ihrer Berufserfahrung und ihren Verfahrenszahlen machen müssen.
Auf die vom Antragsteller mit Schreiben vom 05. Januar 2018 (Anlage A 9 [Bl. 35 d. A.]) erhobene Frage, ob er den vom Antragsgegner herausgegebenen Fragebogen ausfüllen müsse, um bei Bestellungen berücksichtigt zu werden, teilte die zuständige Insolvenzrichterin ihm unter dem 10. Januar 2018 (Anlage A 10 [Bl. 37 d. A.]) mit, dass er den genannten Fragebogen nicht ausfüllen müsse. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass weitere Auskünfte nicht erteilt und künftige Anfragen nicht mehr beantwortet würden.
Seit seiner Bewerbung vom 01. Juni 2007 wurde der Antragsteller von den beim Antragsgegner für Insolvenzsachen zuständigen Richterinnen und Richtern in keinem Fall zum Sachverständigen, (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt.
Der Antragsteller wendet sich zum einen dagegen, dass bei dem Antragsgegner bis in das Jahr 2011 keine (verkörperte) Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter geführt wurde und dass sich die seither geführte Liste auf die Berufsbezeichnung, den Namen und die Anschrift der Bewerber sowie das Datum ihrer Aufnahme in die Liste beschränke. Er rügt, dass eine den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. Beschluss vom 19. Dezember 2007 - IV AR (VZ) 6/07, juris) entsprechende Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Bewerberdaten sowie eine Veröffentlichung der Auswahlkriterien für eine Bestellung bei dem Antragsgegner nicht stattfänden.
Darüber hinaus beanstandet er das bei dem Antragsgegner bestehende (Vor-)Auswahlverfahren als Modell einer "geschlossenen Liste" bzw. als faktisches Delisting. Er hat ergänzend dazu behauptet, die seit 2013 und auch gegenwärtig für Insolvenzsachen zuständige Insolvenzrichterin H. habe ihm bereits in einem Telefongespräch vom 20. September 2013 u. a. "unmissverständlich klar [gemacht]", dass er zwar in die Vorauswahlliste aufgenommen, aber nicht bestellt werde (Bl. 137 [140] d. A. und Anlage A 19 [Bl. 145 d. A.).
Der Antragsteller beantragt,
1. den Antragsgegner anzuweisen, bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob der in die Vorauswahlliste aufgenommen Antragsteller berücksichtigt werden kann.
2. Festzustellen, dass der Antragsgegner das Recht des Antragstellers
a) auf Aufnahme in die Vorauswahlliste sowie
b) auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern durch die unterbliebene Bestellung seit dem 01. Juni 2007, hilfsweise seit dem 27. September 2013,
verletzt hat.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
Er verteidigt sowohl das von den bei ihm für Insolvenzsachsen zuständigen Richterinnen und Richtern angewendete Verfahren zur Aufnahme in die Vorauswahlliste als auch deren Vorgehen bei der Bestellung im Einzelfall als rechtmäßig. Die Bewerbung des Antragsstellers sei nach deren Eingang im Juni 2007 zu der seinerzeit bestehenden Sammlung entsprechender Bewerbungen genommen und von den zuständigen Insolvenzrichtern bei der Auswahl berücksichtigt worden, habe aber nicht zu dessen Bestellung geführt. Sowohl vor Einführung einer verkörperten Vorauswahlliste im August 2011 wie auch danach seien beim Antragsgegner eingegangene Bewerbungen von Insolvenzverwaltern in Papierform gesammelt und so aufbewahrt worden, dass die zuständigen Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter bei der Auswahl auf diese Sammlung Zugriff hatten. Hiervon hätten die zuständigen Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter auch jeweils Gebrauch gemacht und die Eignung des Antragstellers unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, u. a. der Qualifikation und der Ortsnähe, jeweils geprüft. Der Antragsgegner meint, der Antragsteller habe schon keinen substantiierten Vortrag dazu gehalten, "welche Kriterien (...) in die geforderte 'strukturierte Liste' hätten aufgenommen werden müssen und warum das Auswahlermessen allein aufgrund der Nichtnennung dieser nicht näher dargelegten Kriterien nicht pflichtgemäß ausgeübt worden sein soll" (Bl. 151 [153] d. A.).
Den Inhalt des vom Antragsteller behaupteten Telefonats vom 20. September 2013 hat der Antragsgegner bestritten und dazu erklärt, dass sich die Insolvenzrichterin H. aufgrund der seither verstrichenen Zeit weder an ein Telefonat mit dem Antragsteller noch an dessen Inhalt erinnere (Bl. 151 d. A.).
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat auf der Grundlage des Beschlusses vom 25. Juni 2018 (Bl. 116 d. A.) amtliche Auskünfte der für Insolvenzsachen zuständigen Richterin am Landgericht S.-O. und Richterin am Amtsgericht H. sowie der Justizangestellten R. eingeholt. Wegen des Inhalts dieser Auskünfte wird auf dieselben verwiesen (Bl. 125, 126 und 127 d. A.).
II.
Die vom Kläger formulierten Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind zulässig (dazu: 1.), in der Sache aber nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet (dazu: 2.).
1. Die Anträge sind im Sinne von §§ 23 ff. EGGVG statthaft, insbesondere gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15, juris [Rn. 15]).
Die Anträge des Antragstellers sind auch nicht verfristet. Da die in § 26 Abs. 1 EGGVG bestimmte Frist von einem Monat nur durch Zustellung oder schriftliche Bekanntgabe des vom Antragsteller angegriffenen Bescheides in Lauf gesetzt wird, gilt diese bei einem Realakt - hier das Nichtführen einer verkörperten Vorauswahlliste und die angeblich ermessensfehlerhafte Nichtberücksichtigung des Antragstellers im Sinne eines "kalten Delisting"- nicht (vgl. Lückemann in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 26 EGGVG, Rn. 3 [m. w. N.]).
Auch in Ansehung des zwischen der erstmaligen Bewerbung des Antragstellers im Jahr 2007 und der danach ab 2013 mit den Insolvenzrichterinnen bei dem Antragsgegner gewechselten Korrespondenz ist das Antragsrecht auf gerichtliche Entscheidung nicht verwirkt. Alleine, dass zwischen der erstmaligen Bewerbung im Juni 2007 und der ersten Nachfrage im Januar 2013 mehr als fünf Jahre vergangen sind, rechtfertigt den Schluss auf eine Verwirkung nicht. Der Antragsteller hatte schon mangels entsprechender Mitteilung des Antragsgegners keine Veranlassung davon auszugehen, dass seine Bewerbung dort grundsätzlich nicht berücksichtigt werde.
Zwischen den einzelnen Erklärungen vom 27. September 2013 (Aufnahme in die Vorauswahlliste [Bl. 27 d. A.]), 17. November 2017 (Bl. 32 d. A.) und 10. Januar 2018 (Hinweis, dass Ausfüllen des Fragebogens nicht erforderlich sei [Bl. 37 d. A.]) bis zu seinen Anträgen im vorliegenden Verfahren vom 04. Mai 2018 liegt jeweils kein Zeitraum, der es als gerechtfertigt erscheinen ließe, den Antragsteller mit seinem Antragsrecht auszuschließen.
2. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung haben jedoch nur teilweise Erfolg.
Nach dem auf der Grundlage des von den Parteien gehaltenen Vortrags und dem Inhalt der Akten feststellbaren Sachverhalt hat der Antragsgegner im relevanten Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis Ende 2017 keine Vorauswahlliste geführt, die den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt, woraus zugleich eine Verletzung des Anspruchs des Antragsstellers auf pflichtgemäße Ermessensausübung bei der Auswahl der im Einzelfall zu bestellenden Insolvenzverwalter folgt (dazu: 2. a)).
Der Antragsteller hat demgegenüber keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Antragsgegner bei der Auswahl von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe (dazu: 2. b)).
a) Der Antragsteller wird seit dem 27. September 2013 auf der beim Antragsgegner im August 2011 angelegten Liste (Anlage 12, Bl. 53 d. A.) geführt.
Als Grundlage für die Ausübung des Ermessens bei der Auswahl eines zu bestellenden Insolvenzverwalters kann die genannte Liste offensichtlich aber schon deshalb nicht dienen, weil in ihr außer des Berufs und der Anschrift (Ortsnähe) als etwaige Kriterien keine für die Bestellung relevanten Daten enthalten sind.
Allein der Umstand, dass bei dem Antragsgegner vor August 2011 keine "verkörperte" Liste geführt wurde, ist rechtlich gleichwohl nicht zu beanstanden, weil die Vorauswahlliste keinen Selbstzweck hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - 1 BvR 1351/06 (Beschluss vom 19. Juli 2006, juris) haben die Fachgerichte Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ermessensausübung zu entwickeln. Wie die Fachgerichte diese Vorgaben umsetzen, insbesondere ob sie entsprechende Auswahllisten anlegen, ist allerdings den Fachgerichten überlassen (a. a. O., Rn. [6]). Ob der Insolvenzrichter alternativ zu einer Liste andere vergleichbar geeignete Stoffsammlungsmethoden anwendet, ist ihm überlassen (Ries in: Karsten Schmidt, InsO, 19. Auflage 2016, § 56, Rn. 48). Ob die Liste "verkörpert" geführt wird oder nicht, ist rechtlich grundsätzlich irrelevant. Ausweislich der dienstlichen Auskünfte der Justizangestellten R. (Bl. 125 d. A.) und der Insolvenzrichterin H. - an deren Glaubhaftigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen - wurden beim Antragsgegner bereits vor August 2011 und auch in der Zeit danach von Insolvenzverwaltern dort eingegangene Bewerbungen den zuständigen Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichtern zugeleitet und anschließend so aufbewahrt, dass die zuständigen Personen jederzeit Zugriff darauf hatten. Die vom Antragsteller dagegen erhobenen Einwände ("lebensfremd") greifen - auch unter Berücksichtigung des vom Antragsteller behaupteten Inhalts eines Telefongesprächs vom 20. September 2013 (Bl. 137 [139] d. A.) - nicht durch.
Eine Sammlung der eingegangenen Bewerbungen als Ersatz einer verkörperten Vorauswahlliste kann jedenfalls dann ausreichend sein, wenn sie - wie beim Antragsgegner mit (Stand Mai 2018) 29 gelisteten Bewerbern - einen überschaubaren und in der Praxis handhabbaren Umfang hat. Allerdings genügt die beim Antragsgegner neben der vorgelegten Liste - bereits vor August 2011 - bestehende Sammlung eingegangener Bewerbungen den Anforderungen an eine Vorauswahlliste nicht.
aa) Zu den Anforderungen an die Vorauswahlliste - die grundsätzlich von jeder Insolvenzrichterin und jedem Insolvenzrichter selbst zu führen ist (dazu: Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, 14. Auflage 2015, § 56, Rn. 8 [mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04, juris]) - hat der Bundesgerichtshof u. a. folgende Kriterien aufgestellt (Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15, juris [Rn. 24]):
"(...). Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Für diese generelle Eignung ist ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet (...). Der Insolvenzrichter hat die Auswahlkriterien transparent zu machen, etwa durch Veröffentlichung im Internet oder durch Fragebögen (...). Dabei ist es ihm verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen; darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen (Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfGE 116, 135, 153 f [BVerfG 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03]). Damit die Vorauswahlliste die ihr zukommende Funktion erfüllen kann, darf sich das Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach der eigenen Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung benötigt (...). Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen für den die Vorauswahlliste führenden Insolvenzrichter besteht nicht (...)."
Der Vorauswahlliste kommt danach keine weitergehende Funktion zu, als dem Insolvenzrichter für das konkrete Insolvenzverfahren die Ausübung des Ermessens bei der Auswahl des Insolvenzverwalters zu erleichtern, indem er auf einen Kreis von Bewerbern zurückgreifen kann, auf deren allgemeine Qualifikation er sich verlassen kann, weil deren generelle persönliche und fachliche Eignung bereits geprüft und bejaht worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - IV AR (VZ) 6/07, juris [Rn. 20]).
Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund (Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15 [Rn. 24], juris). Die Kriterien für eine Aufnahme in die Vorauswahlliste ergeben sich zum Teil unmittelbar aus dem Gesetz (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO [z. B.: natürliche Person, generelle persönliche Eignung, Geschäftskunde, generelle Unabhängigkeit]). Im Übrigen muss der Insolvenzrichter das Anforderungsprofil erstellen und - etwa durch Veröffentlichung im Internet oder durch Fragebögen - transparent machen (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15 [Rn. 24], juris). Als Merkmale für die Bestimmung der generellen Eignung eines Bewerbers zur Aufnahme in die Vorauswahlliste sind die Ortsnähe dessen Büros und seine persönliche Erreichbarkeit vor Ort zwar keine sachgerechten Merkmale; sie spielen aber für die Ausübung des Auswahlermessens im Einzelfall eine Rolle (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 3/15, juris [Rn. 24 und 26]).
Es ist schon nicht feststellbar, dass die beim Antragsgegner zuständigen Insolvenzrichter im relevanten Zeitraum - zumindest bis Ende 2017 - überhaupt ein Anforderungsprofil erstellt - geschweige denn ein solches (etwa durch Veröffentlichung im Internet oder durch Fragebögen) transparent gemacht haben. Einen Fragebogen für Bewerber um die Aufnahme in die Vorauswahlliste gibt der Antragsgegner erst seit Ende 2017 heraus.
Nach dem Vortrag des Antragsgegners wurden (sämtliche?) Bewerbungen um die Aufnahme in die Vorauswahlliste den für Insolvenzsachen zuständigen Richterinnen und Richtern sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern zur Kenntnisnahme gegeben und anschließend in einer Sammlung aufbewahrt, auf die die Genannten Zugriff hatten. Dass einzelnen Bewerbern Absagen erteilt worden sind und wenn ja, mit welcher Begründung solche Absagen erteilt wurden, ist ebenso wenig feststellbar, wie die Kriterien, aufgrund derer Bewerbungen in die Sammlung aufgenommen wurden. Es ist auch nicht feststellbar, ob zu einzelnen Bewerbungen von Seiten des Antragsgegners Nachfragen gestellt wurden und Gelegenheit für etwaig ergänzende Angaben gegeben wurde. Unklar bleibt nach alledem, anhand welcher Kriterien beim Antragsgegner über die Aufnahme in die Liste bzw. in die Sammlung der Bewerbungsunterlagen entschieden worden ist.
Ob dem seit Ende 2017 herausgegebenen Fragenbogen das beim Antragsgegner bestehende Anforderungsprofil zu entnehmen ist, erscheint vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller mitgeteilt wurde, er müsse diesen nicht ausfüllen, zumindest fraglich.
Der Antragsteller hat zwar in seinem Bewerbungsschreiben vom 01. Juni 2007 und dem weiteren Schreiben vom 02. September 2013 Angaben zu seiner beruflichen Qualifikation, Erfahrungen u. a. als Insolvenzverwalter sowie der personellen und technischen Ausstattung seines Büros gemacht und ein Zertifikat vom 28. Juni 2013 vorgelegt, durch das die Erfüllung der VID-Qualitätsstandards bescheinigt wird (Bl. 26 d. A.). Einige der durch den Fragebogen erhobenen Daten z. B. betreffend die EDV-Ausstattung lassen sich - auch aufgrund des Alters des Bewerbungsschreibens - durch die (betagten) Angaben des Antragstellers jedenfalls nicht ohne Weiteres feststellen. Wenn aber anhand des Fragebogens die für das bestehende Anforderungsprofil zur Aufnahme in die Insolvenzverwalter Vorauswahlliste erforderlichen Daten erhoben werden sollen, einzelne dieser Daten - nach Auskunft der zuständigen Insolvenzrichterin H. - vom Antragsteller aber nicht benötigt werden, bleibt jedenfalls fraglich, warum der Antragsteller gleichwohl in die (vermeintliche) Liste aufgenommen worden ist.
bb) Voraussetzung dafür, dass die Insolvenzrichter im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens einen für das betreffende Verfahren im Einzelfall geeigneten Insolvenzverwalter aus dem Kreis der Bewerber bestimmen können, ist aber, dass dafür ein bestimmtes Anforderungsprofil erstellt wurde, nach dem sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet.
Grundsätzlich ist der Fragebogen zur Erhebung der maßgeblichen Daten für eine Aufnahme in die Insolvenzverwalterliste nicht zu beanstanden. Danach werden vielmehr Daten abgefragt, die für die generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelöste Eignung als künftiger Insolvenzverwalter durchaus von Interesse und Bedeutung sind. Die dort abgefragten Kriterien scheinen für eine Prüfung der generellen Eignung und auch zu der von der Rechtsprechung geforderten Strukturierung und Verifizierung der Daten geeignet zu sein.
Die Bestellentscheidung erfolgt nicht nach freiem Belieben, sondern jeder gelistete Bewerber hat ein subjektives Recht auf pflichtgemäße Ermessensausübung (Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, 14. Auflage 2015, § 56, Rn. 38). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die gerichtliche Überprüfung der Auswahl eines Insolvenzverwalters zwar auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessensspielraums des Insolvenzrichters beschränkt (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04, juris [Rn. 46]), sie muss mit dieser reduzierten Kontrolldichte aber auch erfolgen können.
Eine solche Überprüfung ist jedoch in Ansehung der vorstehenden Ausführungen für die Zeit seit dem 01. Juni 2007 (Bewerbung des Antragstellers) nicht möglich und es ist deshalb zugleich festzustellen, dass der Antragsgegner das Recht des Antragstellers auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern seit dem 01. Juni 2007 verletzt hat.
Dem Antragsgegner ist zwar zuzugeben, dass allein aus der bestehenden Nichtberücksichtigung des Antragstellers - auch über einen Zeitraum von über zehn Jahren - nicht auf eine fehlerhafte Ermessensausübung zu schließen ist. Er verkennt aber, dass die Grundlagen, auf denen die jeweiligen Bestellungen erfolgt sind, nicht - auch nicht ansatzweise - nachvollziehbar feststellbar sind. Ein nachvollziehbares Anforderungsprofil, anhand dessen über die Aufnahme in die Vorauswahlliste bei dem Antragsgegner entschieden wurde, ist aufgrund der vorstehenden Ausführungen nicht feststellbar.
Überdies bestehen Zweifel daran, dass jedenfalls die im August 2011 angelegte Liste bei dem Antragsgegner sorgfältig geführt wurde und zumindest als Inhaltsverzeichnis der in die Sammlung aufgenommenen Bewerber dienen kann, denn der Antragsteller wurde trotz seiner im Jahr 2007 eingereichten Bewerbung nicht bei Einführung der Liste im August 2011 in diese aufgenommen, sondern erst mehr als zwei Jahre später - im Nachgang des Schreibens des Antragstellers vom 02. September 2013.
Zweifel an der Führung der Vorauswahlliste und dem bei dem Antragsgegner praktizierten Auswahlverfahren ergeben sich ferner aus dem vom Antragsteller unter Bezugnahme auf einen von ihm am 20. September 2013 niedergelegten Aktenvermerk über ein an diesem Tag mit der Insolvenzrichterin H. geführtes Telefongespräch (Anlage A 19, Bl. 145 f. d. A.). Der Antragsgegner hat den dazu gehaltenen Vortrag des Antragstellers zwar bestritten und erklärt, die Insolvenzrichterin erinnere sich aufgrund des Zeitablaufs weder an das Telefonat noch dessen Inhalt. Unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags des Antragstellers zu fehlenden Möglichkeiten einer nachträglichen Veränderung des am 20. September 2013 über den Aktenvermerk erstellten Dokuments ist zur Überzeugung des Senats aber davon auszugehen, dass ein Telefonat zwischen dem Antragsteller und der Insolvenzrichterin H. mit dem behaupteten Inhalt stattgefunden hat.
cc) Ob der Antragsteller in die Vorauswahlliste beim Antragsgegner aufzunehmen ist, kann der Senat mangels Feststellbarkeit des beim Antragsgegner dafür bestehenden Anforderungsprofils nicht feststellen.
Anders als bei der Auswahl unter den geeigneten Bewerbern um das Amt des Sachverständigen, Insolvenzverwalters oder Treuhänders in einem einzelnen Verfahren steht dem Insolvenzrichter bei der Entscheidung über die generelle Aufnahme in die Vorauswahlliste kein Auswahlermessen zu (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - IV AR(VZ) 6/07 [Rn. 17 ff.], juris; Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15 [Rn. 24], juris). Bei der Prüfung, ob ein Bewerber die allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung erfüllt, ist ihm allerdings ein Beurteilungsspielraum eröffnet (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 a. a. O.).
Einem Bewerber, der die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen erfüllt, kann die Aufnahme in die Vorauswahlliste nicht versagt werden. Dementsprechend darf ein bereits in die Vorauswahlliste aufgenommener Verwalter, nur dann von dieser gestrichen werden, wenn er die persönlichen und fachlichen Anforderungen nicht mehr erfüllt (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - IX AR (VZ) 1/15 [Rn. 24], juris).
b) Soweit der Antragsteller ferner beantragt hat, den Antragsgegner anzuweisen, bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob der in die Vorauswahlliste aufgenommen Antragsteller berücksichtigt werden kann, hat dieser Antrag keinen Erfolg, weil diese Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 56 Abs. 1 InsO) folgt und ein besonderes Feststellungsinteresse des Antragstellers nicht vorgetragen und auch nach dem Akteninhalt nicht ersichtlich ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19 i. V. m. § 22 GNotKG, § 30 EGGVG. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil der Senat auf Grundlage der bekannten Rechtsprechung des BGH und BVerfG entscheidet.