Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.12.1983, Az.: 18 WF 236/83

Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die erstinstanzliche Ehesache; Anerkennungsfähigkeit aus der Sicht des betreffenden ausländischen Staates; Erstrebte Auflösung der Ehe nur nach italienischem Recht; Vorliegen einer gerichtlichen Trennung zwischen den Parteien durch rechtskräftiges Urteil

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.12.1983
Aktenzeichen
18 WF 236/83
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 16258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1983:1219.18WF236.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Burgdorf - 19.08.1983 - AZ: 2 F 148/83

Fundstelle

  • IPRspr 1983, 158

Prozessführer

Frau V. V. D. geb. V., S. B., OT S.

Prozessgegner

Herr B. D., F.straße ... B.

Der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 29. August 1983
gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - B. vom 19. August 1983
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht A.,
die Richterin am Oberlandesgericht K. und
den Richter am Oberlandesgericht O.
am 19. Dezember 1983
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert bis 1.600 DM; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluß im Ergebnis zu Recht die Prozeßkostenhilfe mangels Erfolgsaussicht für ihren Antrag versagt, die am 31. März 1978 vor dem Standesamt B. geschlossene Ehe der Parteien, die beide italienische Staatsangehörige sind, zu scheiden bzw. aufzulösen.

2

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist allerdings die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die erstinstanzliche Ehesache gemäß § 606 b Nr. 1 ZPO gegeben, wonach das deutsche Gericht in der Sache selbst nur entscheiden kann, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist und die vom deutschen Gericht zu fällende Entscheidung nach dem Heimatrecht des Mannes anerkannt werden wird. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Anwendung des § 606 b Nr. 1 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden, wo beide Parteien dieselbe ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, nicht, obwohl die internationale Zuständigkeit danach davon abhängig ist, daß die Entscheidung des deutschen Gerichts nach dem Heimatrecht des Mannes anerkannt werden wird (vgl. BGH FamRZ 1983, 1216). Der gewöhnliche Aufenthaltsort beider Parteien liegt in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch anzunehmen, daß eine durch ein deutsches Gericht ausgeurteilte Eheauflösung in Italien anerkannt wird.

3

Im Rahmen der Prüfung nach § 606 b Nr. 1 ZPO, ob die deutsche Entscheidung im Ausland anerkannt werden wird, kommt es entscheidend darauf an, wie die Frage der Anerkennungsfähigkeit aus der Sicht des betreffenden ausländischen Staates zu beurteilen ist (BGH a.a.O. S. 1217). Dabei kann hier die bislang umstrittene Rechtsfrage offenbleiben, ob die deutsche Staatsanwaltschaft, die nach der Änderung des § 607 ZPO a.F. durch das 1. EheRG an Ehesachen nach deutschem Recht nicht mehr zu beteiligen ist, dennoch gemäß Art. 70 Abs. 1 Nr. 1 der italienischen Zivilprozeßordnung (Codece di Procedura Civile) in Ehesachen italienischer Staatsangehöriger in Deutschland beteiligt werden kann (dafür z.B. OLG Köln FamRZ 1983, 922; a.A. OLG Frankfurt FamRZ 1983, 618). Die fehlende Mitwirkung der deutschen Staatsanwaltschaft ist in Fällen wie dem vorliegenden nämlich ohne Einfluß auf die Anerkennung deutscher Eheurteile in Italien (vgl. Tortorici IPRax 1983, 252). Die Anerkennung deutscher Eheauflösungs- und Ehetrennungsurteile durch italienische Gerichte ist nach einem nunmehr vorliegenden Schreiben des Niedersächsischen Ministers der Justiz vom 1. Dezember 1983 - 9123 J 3 - 204.4 -, welches auf Auskünften des italienischen Außen- und Justizministeriums an die Bundesrepublik Deutschland beruht, sicher auch ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft an der Ehesache anzunehmen. Nach diesem Schreiben bedarf es für ein nach italienischem Recht durchzuführendes Trennungs- oder Eheauflösungsverfahren nicht der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft, da insoweit nicht der italienische odre public, sondern das Verfahrensrecht maßgebend ist, das sich nach dem Recht des Landes des entscheidenden Gerichts - lex fori - richtet, hier also nach deutschem Recht.

4

Dennoch wird die Rechtsverfolgung der Antragstellerin nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keinen Erfolg haben. Die Scheidung einer Ausländerehe bestimmt sich nach dem Recht des Staates, dem die Ehegatten gemeinsam angehören (vgl. BGH FamRZ 1983 255), hier also nach italienischem Recht, weil das italienische internationale Privatrecht nicht auf deutsches Recht zurückverweist. Die erstrebte Auflösung der Ehe kann danach nach italienischem Recht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 des italienischen Gesetzes über die Regelung der Fälle der Eheauflösung (Gesetz Nr. 898 vom 1. Dezember 1970) ausgeurteilt werden (vgl. Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht "Italien", S. 19). Die Voraussetzungen dafür sind hier jedoch nicht erfüllt.

5

Die Antragstellerin stützt ihr Begehren allein auf den Vortrag, daß die Parteien seit 5 Jahren getrennt leben und auch der Antragsgegner der Auflösung der Ehe nicht widerspricht. Damit sind die Voraussetzungen für eine Eheauflösung nach Art. 3 Nr. 2 b) des Gesetzes Nr. 898 nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann die Auflösung der Ehe in Fällen erfolgen, in denen eine gerichtliche Trennung zwischen den Ehegatten durch rechtskräftiges Urteil ausgesprochen oder eine einverständliche Trennung gerichtlich bestätigt worden ist oder wenn eine tatsächliche Trennung besteht, sofern diese tatsächliche Trennung wenigstens 2 Jahre vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen hat. Da hier eine gerichtliche Trennung zwischen den Parteien durch rechtskräftiges Urteil nicht ausgesprochen und auch keine einverständliche Trennung gerichtlich bestätigt worden ist, müßte die tatsächliche Trennung der Parteien wenigstens 2 Jahre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 898 erfolgt sein. Das ist jedoch nicht der Fall. Das genannte Gesetz ist am 1. Dezember 1970 in Kraft getreten. Die Parteien haben erst am 31. März 1978 geheiratet und können deshalb nicht als verheiratete Eheleute bereits 2 Jahre vor dem 1. Dezember 1970 getrennt gelebt haben. Danach hatte zwar ein Ehetrennungsverfahren sicher Aussicht auf Erfolg, für das Eheauflösungsverfahren ist das jedoch zu verneinen.

6

Demgemäß war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus §§ 97, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO zurückzuweisen.