Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.02.2011, Az.: 1 U 141/10

Recht zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen der Verwendung unwirksamer AGB nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG)

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.02.2011
Aktenzeichen
1 U 141/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 11935
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0219.1U141.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - AZ: 5 O 1560/10

In dem Rechtsstreit

B... gegen EWE AG

Tenor:

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, sehr geehrte Herren Rechtsanwälte,

in der oben genannten Berufungssache zieht der Senat in Erwägung, die zulässige Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel nach dem bisherigen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg hat, die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erforderlich ist.

Gründe

1

Soweit ersichtlich, hat das Landgericht in der Sache zutreffend entschieden. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung dürften keine abweichende Entscheidung rechtfertigen.

2

Aus Sicht des Senats ist nach bisherigem Sachstand von folgenden rechtlichen Erwägungen auszugehen.

3

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG befugt, Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung unwirksamer AGB nach §§ 1, 3 UKlaG geltend zu machen.

4

Der Unterlassungsanspruch, der bei einer entsprechenden (bei Verstoß vermuteten) Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, bezieht sich gemäß § 1 UKlaG ausschließlich auf einen Verstoß gegen §§ 307 bis 309 BGB. Danach geht es allein um eine abstrakte Inhaltskontrolle von AGB nach den genannten Vorschriften.

5

Die hier relevanten Regelungen der AGB der Beklagten dürften jedoch einer solchen Inhaltskontrolle standhalten.

6

Ein Verstoß gegen Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB ist nicht erkennbar und insbesondere auch vom Kläger nicht aufgezeigt worden.

7

Die Regelungen dürften auch der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten.

8

Eine unangemessene Benachteiligung, die aus einer Abweichung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung oder aus einer Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten des Vertrages bzw. der Verträge resultiert (§ 307 Abs. 2 BGB), ist hier nicht ersichtlich.

9

Es wird in den relevanten, vom Kläger beanstandeten AGB nicht von gesetzlichen Vorgaben oder für den Vertrag wesentlichen Regelungen abgewichen.

10

Die hier von dem Kläger beanstandeten Regelungen stellen sich vielmehr als zwingende Konsequenz der gewählten Vertragsgestaltung dar, für die kennzeichnend ist, dass die ´EWE trioVereinbarung´ die Verträge über die Energielieferung (Strom und Erdgas) und über Telefondienstleistungen gerade nicht ersetzt, sondern die einzelnen Verträge fortbestehen und die ´EWE trioVereinbarung´ lediglich eine Regelung über die (vor allem im Interesse der Beklagten liegende) Vereinfachung der Vertragsabwicklung der mehrfachen Vertragsbeziehungen und über eine finanzielle Vergünstigung der Kunden (Nachlass wegen der Mehrfachvertragsbeziehung zur EWEGruppe) enthält.

11

Eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten enthält die ´EWE trioVereinbarung´ in keiner Weise und ist mit dieser Vereinbarung nicht verbunden, da der Kunde die Liefer und Dienstleistungsbeziehungen zur ´EWE´ nach den vertraglich vereinbarten, geltenden Regelungen ohne weiteres beenden kann.

12

Eine Kündigung der ´EWE trioVereinbarung´ kann ohne weiteres mit einer Kündigung der Energielieferungsverträge und/oder des Vertrags über den Telefonanschluss verbunden werden. Es ist eine durch Auslegung zu klärende Frage des Einzelfalls, ob eine vom Kunden erklärte Kündigung sich lediglich auf die ´EWE trioVereinbarung´ oder auch auf einzelne oder alle Energielieferungs und Telekommunikationsdienstleistungsverträge bezieht. Im Hinblick auf die ersichtliche wirtschaftliche Interessenlage wird letzteres nahe liegen.

13

Eine unangemessene Benachteiligung ist aber auch - unabhängig von einer Abweichung von gesetzlichen oder vertraglichen Vorgaben - nicht festzustellen.

14

Dass der Kunde nicht nur die einzelnen Lieferungs und Dienstleistungsverträge, die nach der hier vorliegenden Vertragskonstruktion fortbestehen, nach den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen kündigen kann, sondern darüber hinaus auch ein beiderseitiges Kündigungsrecht hinsichtlich der ´EWE trioVereinbarung´ besteht, beeinträchtigt die Rechtsposition des Kunden nicht negativ. Zumindest kann darin keine unangemessene Benachteiligung des Kunden i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB gesehen werden.

15

Ernsthaft in Betracht kommt allein ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

16

Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Kunden auch daraus ergeben, dass die Regelungen in den AGB nicht klar und verständlich sind.

17

Nach den vorgelegten AGB zum ´EWE trioVertrag´ ist jedoch auch dies zu verneinen.

18

In den AGB zum ´EWE trioVertrag´ kommt die gewählte Vertragskonstruktion mit den fortbestehenden Energieliefer und Dienstleistungsverträgen und dem parallel dazu geltenden ´EWE trioVertrag´ eindeutig und hinreichend klar zum Ausdruck.

19

Dies ist bereits vom Landgericht im Wesentlichen zutreffend dargestellt worden (auch wenn auf § 305c BGB als Prüfungsmaßstab wohl nicht zurückzugreifen sein wird).

20

Die vom Kläger beanstandete Regelung unter 4.5 ist im Zusammenhang mit der hier gewählten Vertragskonstruktion zu sehen. Diese Vertragskonstruktion kommt in der ´Produktbeschreibung EWE trio´ eindeutig und klar zum Ausdruck. So ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei aus 1.3, dass der ´EWE trioVertrag´ zwingend voraussetzt, dass der Kunde Einzelverträge mit ´der EWE´ über Strom und Gaslieferungen und über einen Festnetzanschluss bzw. einen DSLAnschluss (DSL Maxi) abgeschlossen haben muss und dass diese Einzelverträge während der Vertragslaufzeit des ´EWE trioVertrags´ auch fortgeführt werden müssen.

21

Dass die Einzelverträge über die Energielieferungen und Telekommunikationsdienstleistungen fortbestehen müssen und diese Einzelverträge für die beiderseitigen Leistungen in den einzelnen Rechtsbeziehungen maßgebend sind oder zumindest noch subsidiär heranzuziehen sind, ergibt sich mit hinreichender Eindeutigkeit aus den Regelungen unter 2. der AGB.

22

Schließlich ist auch die Regelung unter 4. über die ´Vertragslaufzeit/Kündigung´ eindeutig und hinreichend klar. Auch daraus ergibt sich die Selbstständigkeit der Einzelverträge und der auf Vereinfachung der Vertragsabwicklung und Reduzierung der Grundgebühren beschränkten ´EWE trioVereinbarung´. An den dargestellten Vertragsbeziehungen und am beschränkten Regelungsbereich der ´EWE trioVereinbarung´ kann nach den vorformulierten Vertragsregelungen für den Kunden kein irgendwie gearteter Zweifel bestehen.

23

Eine unangemessene Benachteiligung durch nicht klare und verständliche Regelungen kann nach alledem ebenfalls nicht angenommen werden.

24

Danach ist der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 1, 3 UKlaG nicht gerechtfertigt.

25

Es mag zweifelhaft erscheinen und hierzu haben die Parteien - letztlich im vorliegenden Verfahren wohl zu Recht - nicht vorgetragen, ob die hier gewählte (nach den vorgelegten AGB eindeutige) Vertragsgestaltung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch des Vertragsschlusses und der Einbeziehung der AGB, dem Kunden klar ist bzw. klar sein muss. Auch könnten sich evtl. nach den jeweiligen Umständen und dem konkreten Erscheinungsbild des übrigen Vertrages noch Zweifel ergeben, ob nicht die in den AGB enthaltenen Regelungen über die dargestellte Vertragsausgestaltung sich für den Kunden als überraschende Klauseln i.S.d. § 305c BGB darstellen.

26

Auch mag eine Benachteiligung von Kunden durch die Beklagte zumindest theoretisch denkbar sein, soweit es um die Auslegung und Behandlung eingehender unspezifizierter ´Kündigungen´ geht, die nach der zuvor bereits dargestellten Interessenlage der Kunden regelmäßig auf die Beendigung aller Vertragsbeziehungen gerichtet sein dürften. Es ist offensichtlich abwegig, eine ´Kündigung´ eines Kunden dahingehend aufzufassen, dass der rechtsgeschäftliche Wille des Kunden lediglich auf eine Beendigung des ´EWE trioVertrags´, mithin auf den Wegfall der damit dem Kunden gewährten finanziellen Vorteile gerichtet ist und der Kunde die bisherigen Energielieferungen und Telekommunikationsdienstleistungen der ´EWE´ zu für ihn dann höheren Preisen weiterhin in Anspruch nehmen will. Insoweit geht es jedoch um die Auslegung individueller Kündigungserklärungen im Einzelfall. Dies ist nicht Gegenstand der hier relevanten Inhaltskontrolle der vom Kläger beanstandeten AGB und des von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruchs.

27

Auch die zuvor angesprochenen Umstände und die Art der Einbeziehung der AGB in den Vertrag werden von der hier vom Kläger geltend gemachten Inhaltskontrolle und dem Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 3 UKlaG nicht erfasst (vgl. zum insoweit beschränkten Anwendungsbereich der §§ 1, 3 UKlaG Palandt/Bassenge, 70. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 2, m.w.N.). Nach eindeutigem Gesetzeswortlaut und eindeutiger Gesetzessystematik bezieht § 1 UKlaG sich darauf nicht (§§ 305a, b und c BGB werden in der Bezugnahme in § 1 UKlaG nicht genannt).

28

Das Landgericht dürfte nach alledem die Unterlassungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen haben.

29

Die Berufung des Klägers wird demnach zurückzuweisen sein, was nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss auszusprechen ist.