Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.03.2006, Az.: 1 Ws 132/06
Zulässigkeit der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung trotz mit großer Wahrscheinlichkeit zu befürchtender weiterer erheblicher Straftaten auf Grund fortbestehender Alkoholsucht des Verurteilten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.03.2006
- Aktenzeichen
- 1 Ws 132/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 13614
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2006:0320.1WS132.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 15.02.2005 - AZ: 5a StVK 12/06
Rechtsgrundlage
- § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Fundstelle
- BewHi 2006, 282
Verfahrensgegenstand
Diebstahl u.a.
Amtlicher Leitsatz
Sind wegen fortbestehender Alkoholsucht eines Verurteilten weitere erhebliche Straftaten mit großer Wahrscheinlichkeit zu befürchten, so darf eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung jedenfalls nicht deswegen gewährt werden, weil im Falle neuer Straftaten die Strafaussetzung ja immer noch widerrufen werden könnte.
In dem Strafverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 20. März 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... ,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerden der Staatsanwaltschaft Stade wird der Beschluss des Landgerichts Oldenburg, Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Nordenham, vom 15. Februar 2005 aufgehoben.
Die Vollstreckung der nach Verbüßung von 2/3 noch nicht vollstreckten restlichen Freiheitsstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtgerichts Cuxhaven vom 20. April 2005 wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
Der Verurteilte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht Oldenburg, Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Nordenham, hat die Vollstreckung des oben bezeichneten Strafrestes mit Beschluss vom 15. Februar 2005 zur Bewährung ausgesetzt.
Die gegen die bedingte Entlassung des Verurteilten gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die formellen Voraussetzungen für eine bedingte Strafentlassung der nach Verbüßung von 2/3 verbleibenden Freiheitsstrafen liegen zwar vor. Sie kann gleichwohl gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfolgen, weil dem das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit entgegensteht.
Das Landgericht hat bei seiner abweichenden Entscheidung die aus der nicht behandelten und nach wie vor bestehenden Alkoholabhängigkeit des Verurteilten entstehende Gefährlichkeit des Verurteilten nicht ausreichend berücksichtigt. Das Landgericht geht selbst davon aus, dass es, sollte der - als therapieunwillig eingeschätzte - Verurteilte weiter Alkohol trinken, "mit Sicherheit" zu weiteren Straftaten kommen werde, weshalb dann die jetzt gewährte Strafaussetzung zu widerrufen sei.
Damit wird der Allgemeinheit das Risiko von schon als mindestens wahrscheinlich anzusehenden neuen Straftaten während der Bewährungszeit aufgebürdet. Das ist jedenfalls dann nicht im Sinne von § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB verantwortbar, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten zu befürchten sind, durch die Rechtsgüter Dritter massiv verletzt werden.
So liegt es aber hier. Zwar hat der Verurteilte in der Vergangenheit überwiegend nur nicht sehr schwerwiegende Diebstähle begangen. Er hat aber im betrunkenen Zustand auch Werkzeuge und Elektrogeräte einer Vielzahl von Bürgern gestohlen und dabei zusätzlich vandalismusartige Schäden in einer Kleingartenanlage verursacht. Auch hat er noch vor 2 Jahren vorsätzlich alkoholbedingt fahruntüchtig am Straßenverkehr teilgenommen. Bei diesem Delikt ist es zumeist nur dem Zufall zu verdanken, wenn Dritte nicht geschädigt oder verletzt werden.
Bei dieser Sachlage ist eine Aussetzung des Strafrestes im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit nicht zu vertreten, auch wenn hiervon - möglicherweise - ein heilsamer Druck auf den Verurteilten ausgeübt würde, der nach einer Vollverbüßung entfiele.
Auch das beanstandungsfreie Führen des Verurteilten im Vollzug und der günstige Eindruck, den er bei seiner richterlichen Anhörung hinterlassen hat, können eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung entspricht § 465 StPO.