Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.03.2006, Az.: 1 Ws 123/06

Versehentlich unterlassenes Auferlegen der notwendigen Auslagen eines Freigesprochenen auf die Staatskasse; Beantragung einer Urteilsergänzung; Zulässigkeit der Nachholung einer unterlassenen Kostenentscheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.03.2006
Aktenzeichen
1 Ws 123/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 13721
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2006:0302.1WS123.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - AZ: 16 Ns 16/05

Fundstellen

  • NStZ-RR 2006, 191 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZJJ 2006, 202 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

gefährliche Körperverletzung

Amtlicher Leitsatz

Das versehentlich unterlassene Auferlegen der notwendigen Auslagen eines Freigesprochenen auf die Staatskasse kann nicht im Wege einer Urteilsberichtigung nachgeholt werden. Ist insoweit - wie im jugendgerichtlichen Berufungsverfahren - eine sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung nicht zulässig, so verbleibt es bei der fehlerhaften Auslagenentscheidung. Eine analoge Anwendung von § 33 a StPO zugunsten des Freigesprochenen kommt nicht in Betracht.

In dem Strafverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 2. März 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Kleinen Jugendkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12. Dezember 2006 (1), durch den eine Ergänzung des Berufungsurteils dieser Kammer vom 29. August 2005 dahin, dass auch die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten in erster Instanz der Staatskasse auferlegt werden, abgelehnt worden ist, wird als unbegründet verworfen.

Von der Auferlegung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

1

Der frühere Angeklagte und ein Mitangeklagter waren vom Jugendrichter der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen auf den früheren Angeklagten war dabei nach § 74 JGG abgesehen worden. Auf seine Berufung ist der frühere Angeklagte von der Jugendkammer mit Urteil vom 29. August 2005 freigesprochen worden. Die Kostenentscheidung des Urteils lautet "Die Kosten beider Berufungen trägt die Staatskasse, einschließlich der den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen".

2

Der Freigesprochene hat am 11. November 2005 beantragt, auch seine in der ersten Instanz entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Nach Hinweis des Vorsitzenden der Jugendkammer, dass eine solche Ergänzung des Urteilstenors nicht zulässig sei, obwohl die Kostenentscheidung betreffend die erste Instanz bedauerlicherweise unterblieben sei, hat der Freigesprochene am 7. Dezember 2005 insoweit eine förmliche Entscheidung beantragt. Die Jugendkammer hat daraufhin den Urteilsergänzungsantrag mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 abgelehnt.

3

Hiergegen wendet sich der Freigesprochene mit der Beschwerde.

4

Das nach § 304 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die beantragte Urteilsergänzung ist zu Recht abgelehnt worden. Nach abgeschlossener Urteilsverkündung dürfen nur Schreibversehen und andere offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden. Eine Nachholung einer (teilweise) unterlassenen Kostenentscheidung ist hingegen auf diese Weise nicht zulässig, vgl. OLG Koblenz, StraFo 2003, 425 [OLG Koblenz 30.09.2003 - 1 Ws 703/03]; OLG Karlsruhe NStZRR 1997, 157.

5

Eine Änderung der Kostenentscheidung wäre hier im übrigen auch nicht auf eine - vom Freigesprochenen nicht eingelegte - sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung möglich gewesen, weil dieses Rechtsmittel gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO i.V.m. § 55 Abs. 2 JGG nicht statthaft ist, wenn die Kostenentscheidung die eines unanfechtbaren Berufungsurteils einer Jugendkammer ist, vgl. OLG Dresden NStZRR 2000, 224; OLG Rostock, Beschluss vom 08.10.2004, Aktz. I Ws 303/04; MeyerGoßner, StPO, 48. Aufl. § 464 Rdn. 17 m.w.Nachw..

6

Eine von der Generalstaatsanwaltschaft im Anschluss an die vereinzelt gebliebene und einen anderen Sachverhalt betreffende Entscheidung des Landgerichts Zweibrücken, JurBüro 1993, 238, erwogene analoge Anwendung von § 33a StPO kommt nicht in Betracht, weil hier auch im weitesten Sinne kein Fall eines verletzten Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, sondern ein schlichtes Versehen des Gerichts bei der Urteilabfassung. Im übrigen führte eine Anwendung von § 33a StPO allenfalls zu einer Neuentscheidung über eine in dem Ergänzungsantrag auch zu sehende Kostenentscheidungsbeschwerde, die aber - wie ausgeführt - im vorliegenden Jugendstrafverfahren ohnehin keinen Erfolg haben kann.

7

Von der Auferlegung von Kosten für das Beschwerdeverfahren hat der Senat in Anwendung von § 21 Abs. 1 GKG abgesehen, weil das Rechtsmittel auf eine unrichtige gerichtliche Sachbehandlung zurückgeht.

(1) Red. Anm.:

Datum des Originals