Landgericht Hildesheim
Urt. v. 13.02.2014, Az.: 21a Ns 25 Js 34542/12
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 13.02.2014
- Aktenzeichen
- 21a Ns 25 Js 34542/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42720
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 18.11.2013 - AZ: 14 Cs 25 Js 34542/12
- nachfolgend
- OLG - 23.06.2014 - AZ: 31 Ss 38/14
Rechtsgrundlagen
- § 283 Abs 6 StGB
- § 283 Abs 1 StGB
- § 13 Abs 1 StGB
- § 59 Abs 1 StGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Unternehmensbezogene Forderungen, die im Wege der Globalzession einem Kreditinstitut
zur Sicherung abgetreten worden sind, fallen in die Insolvenzmasse; mithin sind sie
auch taugliche Tatobjekte eines Bankrotts
2. Ein Geschäftsherr hat in der Unternehmenskrise zu verhindern, dass seine Angestellten, auch mitarbeitenden Familienangehörige, betriebsbezogene Forderungen auf Privatkonten einziehen. Tut er dies nicht, kann er sich des vorsätzlichen Bankrotts durch Unterlassen strafbar machen.
3. Zu den (hier bejahten) Voraussetzungen, in denen in einem solchen Fall als Sanktion
eine Verwarnung mit Strafvorbehalt angezeigt ist.
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts … wird unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels im Straf- und Rechtsfolgenausspruch teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Angeklagte ist des vorsätzlichen Bankrotts durch Unterlassen schuldig.
Er wird verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je .. € bleibt vorbehalten.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Berufungsverfahren um die Hälfte ermäßigt. In diesem Umfang hat die Landeskasse die Verfahrenskosten der Berufungsinstanz und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil vom .. hat das Amtsgericht .. den Angeklagten wegen Bankrotts in zwei Fällen zu einer, zur Bewährung ausgesetzten, Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt. Die Berufung hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
II.
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der … Angeklagte .. übernahm vor mehr als dreißig Jahren den .. bestehenden Handwerksbetrieb ...
Am 25. April 20.. eröffnete das Amtsgericht .. das bis heute anhängige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten. Hauptgläubigerin sind die Volksbank und das Land .. - Steuerfiskus. Die Volksbank hat - nach Verwertung von zwei zu ihren Gunsten besicherten Eigentumswohnungen des Angeklagten - noch Forderungen in Höhe von etwa 130.000 € gegen ihn.
Nunmehr ist der Angeklagte als angestellter Betriebsleiter in der durch Gesellschaftsvertrag vom 23. März 20.. gegründeten .. UG tätig. Geschäftsführerin dieser Gesellschaft ist seine Mutter.
Am 8. März 20.. (..) verurteilte das Amtsgericht .. ihn wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je .. €. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte .. die Betriebseinnahmen .. nur unvollständig erfasst. …
Im Übrigen ist der Angeklagte bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
2. Hintergrund des mit dem vorgenannten Urteil abgeschlossenen Steuerstrafverfahrens war eine Außenprüfung des Finanzamts ... Die aufgrund der Außenprüfung festgesetzten Steuernachzahlungen konnte der Angeklagte nicht aufbringen.
Das Finanzamt beantragte am 5. Januar 20.. wegen Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten. Er stellte am 23. Februar 20.. einen eigenen Insolvenzantrag, in dem er gleichfalls Überschuldung aufgrund der offen stehenden Steuerschulden als Insolvenzgrund angab. Das Insolvenzgericht ordnete am 29. Februar 20.. die Einholung eines Gutachtens zur Frage des Vorliegens eines Insolvenzgrundes, einer der Verfahrenskosten deckenden Masse und des Erfordernisses vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung der Masse an. Mit Beschluss vom 16. März 20.. wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Letztgenannter Beschluss wurde der Verteidigerin des Angeklagten am 20. März 20.. zugestellt und ihm erst danach bekannt.
Trotz des Insolvenzantrages führte er seinen Betrieb, in dem er keine festangestellten Mitarbeiter beschäftigte, bis zur Kenntnis von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und der damit zeitlich weitgehend korrespondierenden Gründung der UG unverändert fort. Er erledigte - nur gelegentlich von Aushilfskräften unterstützt - alle Arbeiten selbst, führte die Kundengespräche, fertigte die Angebote und veranlasste die Materialbestellungen bei Großhändlern. Die Ausgangsrechnungen schrieb er handschriftlich unter Einschluss der mit den Kunden vereinbarten Entgelte vor.
Im Übrigen kümmerte sich der Angeklagte auch im Februar und März 20.. nicht um die kaufmännischen, insbesondere buchhalterischen, Aufgaben seines Betriebes. Auf Grundlage seiner handschriftlichen Aufstellungen schrieb vielmehr - wie auch in den Vorjahren - sein Bruder die Ausgangsrechnungen an die Kunden computergestützt auf Briefpapier.
Die entsprechenden Briefbögen waren unter anderem mit „..meister“ und dem Innungszeichen in dunkelblau bedruckt. Am rechten unteren Ende des Briefbogens war in gleicher Farbe die Bankverbindung „Volksbank Konto: 4..“ aufgedruckt.
Die fertigen Ausgangsrechnungen wurden zunächst in ein Postausgangsfach gelegt. Dort wurden sie von der Mutter oder dem Bruder des Angeklagten in Briefumschläge eingetütet und gemeinsam mit anderen Schreiben zur Post gebracht. Der Angeklagte wurde von ihnen darüber informiert, ob die Rechnungen bezahlt wurden oder nicht.
Auch die Bezahlung von Lieferantenrechnungen die Erledigung anderer finanzieller Verpflichtungen überließ der Angeklagte seiner Mutter und seinem Bruder. Sie hatten Vollmacht für das vorgenannte Betriebskonto des Angeklagten bei der Volksbank und legten ihm auch das Geld für seinen Lebensunterhalt vor. Sein Bruder rechnete seine Tätigkeiten „freiberuflich“ gegenüber dem Angeklagten ab. Seine Mutter begnügte sich mit den Mietzahlungen des Angeklagten für die Nutzung ihres Anwesens .. als Betriebssitz.
Der Angeklagte wusste, dass diese weitgehende Übertragung der kaufmännischen Angelegenheiten seines Betriebes auf seinen Bruder in früheren Jahren zu erheblichen Problemen bis hin zu der unvollständigen Verbuchung von Betriebseinnahmen geführt hatte. Insbesondere hatte sein Bruder - auch aufgrund von dessen Alkoholkrankheit - schwerwiegende Fehler beim Rechnungsschreiben begangen. Da der Angeklagte sich mit den kaufmännischen Belangen seines Betriebs überfordert sah und davon ausging, dass sein Bruder die Alkoholkrankheit überwunden habe, ließ er ihn ebenso wie seine Mutter unkontrolliert weiter gewähren.
Der Angeklagte wusste überdies, dass im Zuge von vor .. ausgebrachten Kontopfändungen die Zahlungen von Kunden auf Ausgangsrechnungen seines Betriebes auf Privatkonten seiner Mutter und seines Bruders geleitet worden waren.
3. Zu den letzten abgerechneten Aufträgen vor der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zählten Dachreparaturarbeiten in einem von T. verwalteten Mietshaus in .. sowie eine Terrassensanierung und weitere Arbeiten am Mietshaus der S.
T. erhielt die auf den 5. März 20.. datierte Rechnung 015/20.. mit einer Endsumme von 1.372,07 €. S. erhielt zunächst die auf den 8. März 20.. datierte (Abschlags-)Rechnung 016/20.. mit einer „Endsumme“ von 4.000 €, später die auf den 20. März 20.. datierte Schlussrechnung 017/20.., mit der eine Restzahlung von 1.000 € gefordert wurde. Alle drei Rechnungen waren auf dem unter 2) näher beschriebenen Briefpapier in schwarzer Schrift, offenbar als Computerausdruck, geschrieben worden.
Die aufgedruckte Bankverbindung ist jedoch auf diesen drei Rechnungen in rot - wohl handschriftlich - säuberlich durchgestrichen. Stattdessen ist in schwarzer Schrift am Ende der Rechnungen jeweils zu lesen „Neue Konto-Nr.: Volksbank BLZ .. Kto. 0..“.
Bei dem Konto 0.. handelte es sich um das vor vielen Jahren eingerichtete (Privat-)Girokonto der Mutter des Angeklagten, für das ihm Kontovollmacht erteilt worden war.
Entsprechend der angegebenen „neuen Bankverbindung“ überwies T. 1.372,07 € auf das vorgenannte Konto und Frau S. zunächst 4.000 €. Beide Beträge wurden am 16. März 20.. dem Konto gut geschrieben. Um 12.51 Uhr desselben Tages hob die Mutter des Angeklagten 3.771,23 € in bar ab sowie am 19. März 20.. vormittags weitere 1.372,07 €. Den Verbleib des Geldes hat die Kammer nicht aufklären können.
Die am 22. März 20.. von S. veranlasste Restzahlung von 1.000 € wurde dem Konto 0.. nicht mehr gut geschrieben. Die Volksbank hatte wegen der beiden vorgenannten Überweisungen das Konto gesperrt und sodann gekündigt.
Der Angeklagte hatte auch die vorgenannten drei Rechnungen handschriftlich vorgeschrieben. Er wusste zudem, dass im Hinblick auf das laufende Insolvenzantragsverfahren die finanziellen Mittel knapp waren und deswegen sein Bruder oder seine Mutter geneigt sein dürften, wieder Zahlungen auf betriebliche Forderungen über Privatkonten einzuziehen. Dies war ihm recht; es kam ihm nur darauf an, in gewohnter Weise weiterarbeiten und seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können.
Eine Kontosperre oder Pfändung gab es auf dem Betriebskonto 4.. bis zur Insolvenzeröffnung nicht. Der Angeklagte hatte allerdings, wie er wusste, drei Jahre vor dem hier festgestellten Geschehen alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr, insbesondere aus Lieferung und Leistung, mit Globalabtretungsvertrag zur Sicherung aller Forderungen der Bank aus der Geschäftsverbindung mit ihm an die Volksbank abgetreten. Er hatte sich ferner verpflichtet, die Bank quartalsweise über den Gesamtbestand zu informieren und ihr jederzeit Einblick in die Zahlungseingänge aus diesen Forderungen zu gewähren.
Der Angeklagte war - unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs - ermächtigt, die Forderungen im eigenen Namen einzuziehen. Diese Einziehungsbefugnis widerrief die Volksbank mit Schreiben vom 19. März 20...
III.
1. Die Feststellungen zum Werdegang und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten (II 1) beruhen auf seinen entsprechenden Angaben. Die Kammer hat keinen Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, ..
2. Der Angeklagte hat - teilweise auf Vorhalt von Urkunden aus dem Sonderheft „Insolvenzverfahren“ - die Außenprüfung und ihre Folgen, die Organisation und die Arbeitsabläufe seines Betriebes (II 2) ebenso wie festgestellt geschildert wie den Umstand, dass er die Regelung der finanziellen Angelegenheiten seiner Mutter und seinem Bruder überließ. Die Kammer folgt dieser insoweit gut nachvollziehbaren, detaillierten Einlassung des Angeklagten. Dass bei selbstständigen Handwerksmeistern die kaufmännischen Angelegenheiten häufig von Familienangehörigen ganz oder teilweise erledigt werden und sie sich selbst auf die handwerklichen Aufgaben konzentrieren, ist gerichtsbekannt.
Die genaue Beschaffenheit des im Betrieb des Angeklagten Anfang 20.. verwendeten Briefpapieres hat die Kammer durch die Inaugenscheinnahme der Originalrechnung 016/20.. festgestellt. Der Angeklagte hat bestätigt, dass sein Briefpapier die festgestellten dunkelblauen Aufdrucke aufwies und es sich bei dem Volksbankkonto 4.. um sein Betriebskonto handelte, für das er seiner Mutter und seinem Bruder Vollmacht erteilt hatte.
Dass der Angeklagte wusste, dass diese weitgehende Übertragung der kaufmännischen Angelegenheiten seines Betriebes auf seinen alkoholkranken Bruder in den Jahren .. zu erheblichen Problemen geführt hatte und in jener Zeit auch Kundenzahlungen über Privatkonten seiner Mutter und seines Bruders geleitet worden waren, folgt aus entsprechenden Ausführungen in seinem - in der Hauptverhandlung verlesenen - Schreiben an das Finanzamt .. vom ... Er hat in diesem Schreiben auch ausgeführt, dass er seine Kontrollpflichten in Bezug auf die kaufmännischen Angelegenheiten nur sehr eingeschränkt wahrgenommen habe.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung ausdrücklich eingeräumt, dass er dieses Schreiben unterzeichnet habe und darüber hinaus erklärt, dass sein Bruder seine Alkoholkrankheit überwunden habe. Er selbst sei überfordert gewesen, die kaufmännischen Belange seines Betriebes selbst zu regeln, er könne auch nicht mit dem Computer umgehen.
Die Kammer schließt aus dem Inhalt des verlesenen Schreibens und der vorgenannten Einlassung, dass der Angeklagte die Erledigung der kaufmännischen Angelegenheiten seines Betriebes auch im Februar/März 20.. nicht kontrollierte, zumal er in seinem letzten Wort eingeräumt hat, wohl Dinge vernachlässigt und sich um die Rechnungen nicht gekümmert zu haben.
3. Zum eigentlichen Tatgeschehen (II 3) hat der Angeklagte in Abrede gestellt, von der Änderung der Kontonummer auf den Rechnungen 15-17/20.. gewusst zu haben. Er hat ferner erklärt, sich an diese Vorgänge nicht zu erinnern und betont, dass er nichts zur Seite geschafft habe. Er hat aber eingeräumt, dass während des Insolvenzantragsverfahrens kaum Geld da gewesen sei.
Den Inhalt der Rechnungen 15-17/20.. hat die Kammer durch ihre Verlesung festgestellt. Dass es sich hierbei um (mit) die letzten Abrechnungen vor dem Bekanntwerden der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters handelte, schließt die Kammer aus dem zeitlichen Ablauf und den fortlaufenden Rechnungsnummern. Ergänzend ist die Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen T. verlesen worden. Dieser hat vor dem Amtsgericht bekundet, dass er die Rechnung 015/20.. Anfang März erhalten und trotz der abgeänderten Kontonummer bezahlt habe.
Die Zahlungseingänge auf dem Konto 0.. ergeben sich aus der verlesenen Umsatzübersicht vom 16. März 20.. und der gleichfalls verlesenen Überweisungsbestätigung der Kreissparkasse. Dass es sich bei diesem Konto um das Privatkonto der Mutter des Angeklagten handelte, für das er Kontovollmacht hatte, die Barabhebungen am 16. und 19. März 20.. von der Kontoinhaberin vorgenommen wurden und die Restzahlung wegen Kontosperrung nicht mehr angenommen wurde, folgt aus den hierzu verlesenen Urkunden (vorgenannte Umsatzübersicht, Barauszahlungsbelege, Kontoauszüge, Schreiben der Volksbank vom 20. März 20..) und der, durch die Vorlage weiterer Unterlagen unterlegten, glaubhaften Zeugenaussage des Volksbankmitarbeiters ... Dieser hat auch bekundet, dass es eine Kontosperre oder Pfändung auf dem Betriebskonto 4.. nicht gab.
Ferner hat die Kammer den vom Angeklagten unterschriebenen Globalabtretungsvertrag vom .. verlesen, aus dem sich die diesbezüglich festgestellten Vereinbarungen ergeben. Dass das Forderungseinzugsrecht des Angeklagten am 19. März 20.. widerrufen wurde, hat wiederum der Zeuge .. geschildert.
Den Verbleib der am 16. und 19. März bar abgehobenen Geldbeträge hat die Kammer nicht aufklären können. Der Angeklagte hat sich hierzu nicht geäußert.
Seine Mutter und sein Bruder haben auch gegenüber der Kammer schriftlich erklärt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige (§ 52 StPO) Gebrauch zu machen. Weitere Beweismittel sind nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die Einlassung des Angeklagten zur allgemeinen Organisation seines Betriebes im Februar/März 20.. (II 2) und seinen Ausführungen in dem Schreiben vom .. ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte auch die Rechnungen 15-17/20.. handschriftlich vorgeschrieben hatte, auch wenn er sich hieran heute nicht mehr erinnern will oder kann. Im Hinblick auf die von ihm eingeräumte finanzielle Situation im Insolvenzantragsverfahren und die angesichts des formellen Abschlusses des UG-Gesellschaftsvertrages am 23. März 20.. ersichtlich bereits konkret geplante Gründung eines Nachfolgebetriebes liegt es ferner auf der Hand, dass der Angeklagte damit rechnete, dass seine Mutter oder sein Bruder wieder Zahlungen auf betriebliche Forderungen über ihre Privatkonten abwickeln würden.
Aus der Einlassung und dem Umstand, dass der Angeklagte bezeichnenderweise nur zur Frage des Verbleibs der am 16./19. März 20.. abgehobenen Gelder keine Angaben gemacht hat, schließt die Kammer, dass er eine entsprechende Verfahrensweise seiner Mutter oder seines Bruders billigte.
IV.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen war der Angeklagte wegen einer Tat des vorsätzlichen Bankrotts durch Unterlassen zu verurteilen (§§ 283 Abs. 1, Abs. 6, 13 Abs. 1 StGB).
1. Da der Angeklagte seine erheblichen Steuerverbindlichkeiten nicht erfüllen konnte, war er insolvenz- und strafrechtlich überschuldet. Aufgrund der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ist auch die objektive Bedingung für die Strafbarkeit von Bankrotthandlungen (§ 283 Abs. 6 StGB) gegeben.
Bei den von dem Angeklagten gegenüber T. und S. nach Durchführung entsprechender Arbeiten durch die Rechnungen 15 - 17/20.. geltend gemachten Ansprüche handelte es sich um Forderungen aus Lieferung und Leistung, die der Globalabtretung gegenüber der Volksbank unterfielen. Dennoch stellten diese Forderungen Vermögensgegenstände (§ 240 Abs. 1 HGB, § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) des Angeklagten dar, die - wie grundsätzlich das gesamte Schuldnervermögen bis auf pfändungsfreie Gegenstände - im Falle der Insolvenzeröffnung in die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) gefallen wären.
Insolvenzmasse i. S. d. § 283 StGB ist, wie sich zwanglos schon aus dem Wortlaut „zur Insolvenzmasse gehören würden“ ergibt, nicht die tatsächliche Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der späteren Insolvenzeröffnung. Vielmehr ist das gesamte massefähige Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Tathandlung gemeint.
Die vereinbarte Globalzession vermittelte - wie eine Sicherungsübereignung - der Volksbank im Insolvenzfall nur ein Absonderungsrecht (§§ 50 Abs. 1, 51 S. 1 Nr. 1 InsO, vgl. BGH-Urteil vom 29. September 2011, IX ZR 74/09, WM 2011, 2293f.). Vermögensgegenstände, an denen ein solches Recht und kein Aussonderungsrecht besteht, fallen in die Insolvenzmasse; der absonderungsberechtigte Gläubiger ist Insolvenzgläubiger. Werden solche Vermögensgegenstände i. S. d. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB beiseite geschafft oder verschleiert, liegt der objektive Tatbestand des Bankrotts vor (vgl. Urteil der hiesigen 6. gr. WiStrK vom 9. Februar 2011, 25 KLs 5443 Js 93117/10, zit. n. juris; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 3a zu § 283).
2. Diese Forderungen sind - in Höhe von 5.372,07 € - beiseite geschafft worden. Die Auftraggeber T. und S. haben ihre Verpflichtungen aus den mit dem Angeklagten jeweils abgeschlossenen Werkverträgen durch Banküberweisung auf das ihnen mitgeteilte Privatkonto der Mutter des Angeklagten erfüllt (§ 362 BGB); die Geldleistung konnte von ihnen nicht noch einmal gefordert werden.
Die Überweisungsbeträge (Umsatzerlöse) sind so dem Zugriff des Insolvenzverwalters und der Gläubiger entzogen worden. Das Überweisen(lassen) von Forderungsbeträgen auf fremde Konten stellt ein Beiseiteschaffen dar, erst recht ein Barabheben mit unbekanntem Verbleib. Nur wenn - was hier ersichtlich nicht der Fall ist - so der Zugriff des Insolvenzverwalters und der Gläubiger auf die Vermögensgegenstände dennoch nicht wesentlich erschwert oder vereitelt wird, liegt kein Beiseiteschaffen vor (vgl. BGH-Urteile vom 17. März 1987, 1 StR 693/87, BGHSt 34, 309ff. und vom 29. April 2010, 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107ff.).
Jedenfalls bei Überschuldung besteht im Interesse der Gläubiger strafbewehrt keine Berechtigung mehr, Forderungen ohne äquivalente Gegenleistung einem anderen mit unbekanntem Verbleib zu überlassen. Dass der Angeklagte jedenfalls vor der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters über sein Vermögen berechtigt war, seinen Betrieb fortzuführen und auch über eingehende Zahlungen für betriebliche Zwecke oder einen angemessenen Lebensunterhalt zu verwenden, steht diesem Befund nicht entgegen. Mit § 283 StGB wird dies nicht pönalisiert, sondern zum Schutz der Insolvenzmasse, also der Gesamtheit der Gläubiger, das unwirtschaftliche Verringern, Verheimlichen, Verschwindenlassen und ungerechte Verteilen von Vermögensbestandteilen (vgl. BGH-Urteil vom 4. April 1979, 3 StR 488/78; BGHSt 28,371ff.; Fischer, a. a. O., Rn. 3 Vor § 283).
3. Auch wenn der Angeklagte nicht selbst die Kontoverbindung auf den Rechnungen 15 bis 17/20.. verändert hat, hat er den Tatbestand des Bankrotts vorsätzlich verwirklicht.
Neben der Überschuldung kannte er durch das handschriftliche Vorschreiben der Rechnungen die genaue Höhe der Forderungen. Ferner rechnete er damit, dass seine Mutter oder sein Bruder erneut betriebliche Forderungen auf ihren Privatkonten einziehen lassen würden und billigte dies.
Mithin unterließ es der Angeklagte im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB bedingt vorsätzlich, die Verwirklichung des Straftatbestandes des Bankrotts zu verhindern. Hierzu war er aber rechtlich verpflichtet.
Dies folgt schon daraus, dass jeder Geschäftsherr verpflichtet ist, betriebsbezogene Straftaten seiner Mitarbeiter und Hilfspersonen - wie hier - zu verhindern, gerade wenn die Mitarbeiter originäre Aufgaben des Geschäftsherrn übernommen haben (so schon RG-Urteil vom 28. März 1924, I 818/23; ferner BGH-Urteile vom 17. Juli 2009, 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44ff. und vom 20. Oktober 2011, 4 StR 71/ 11, BGHSt 57, 42ff.; Fischer, a. a. O., Rn. 68 zu § 13). Diese Garantenstellung (Erfolgsabwendungspflicht) betraf den Angeklagten um mehr, als er wusste, dass die Delegation seiner kaufmännischen Aufgaben auf seinen Bruder schon in der Vergangenheit zu erheblichen Problemen geführt hatte und er zudem durch den Globalabtretungsvertrag mit der Volksbank nur noch widerruflich berechtigt war, die betrieblichen Forderungen einzuziehen.
V.
1. Vorsätzlicher Bankrott ist nach § 283 Abs. 1 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Die Kammer hat es für angemessen erachtet, von der ihr durch § 13 Abs. 2 StGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, so dass die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe einem Strafrahmen von Geldstrafe von bis zu 270 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und neun Monaten zu entnehmen war. Der Schuld- und Unrechtsgehalt des von dem Angeklagten begangenen Unterlassendelikts ist gering.
Schon der im Ergebnis beiseite geschaffte Betrag von gut 5.000 € ist für eine Insolvenzstraftat recht überschaubar. Die verbliebenen Forderungen der absonderungsberechtigten Volksbank gegen den insolventen Angeklagten wären nur um etwa 4% geringer, wenn dieser Betrag nicht beiseite geschafft worden wäre. Zudem sind die Tathandlungen, die der Angeklagte pflichtwidrig nicht verhindert hat, recht dilettantisch durchgeführt worden. Die Geldüberweisungen erfolgten auf ein Privatkonto, dass bei derselben Bank wie das Geschäftskonto geführt wurde, so dass dieser Zahlungsfluss binnen weniger Tage auffiel.
Dem Angeklagten kann auch nicht strafschärfend vorgeworfen werden, zur Tatbegehung bereits vorbestraft gewesen zu sein. Zwar ist die Tat zwar erst durch die Geldeingänge bzw. Geldabhebungen am 16./19. März 20.. beendet worden; das für die Verurteilung maßgebliche pflichtwidrige Unterlassen des Angeklagten liegt aber in der Zeit vor der Verkündung des Urteils des Amtsgerichts .., nämlich vor dem Absenden der Rechnungen mit der abgeänderten Kontonummer.
Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass zu diesem Zeitpunkt das Amtsgericht .. bereits einen Strafbefehl gegen den Angeklagten erlassen und Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hatte. Das allein hätte sich der Angeklagte als Warnung hätte dienen lassen müssen. Dies wiegt aber angesichts der ersichtlich auch psychisch belastenden Ausnahmesituation, in der sich der Angeklagte durch das Insolvenzantragsverfahren befand, nicht allzu schwer.
2. Aus diesen Erwägungen folgt zwangsläufig, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) nicht in Betracht kommt. Vielmehr hat die Kammer eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen erachtet.
Die Höhe eines Tagessatzes war hierbei nach den nunmehrigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten unter Berücksichtigung der von seinem Nettoeinkommen noch zu leistenden regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen auf .. festzusetzen (§ 40 Abs. 2 StGB).
Die Kammer hat es im Ergebnis für ausreichend erachtet, die Verurteilung des Angeklagten zu der so verwirkten Geldstrafe vorzubehalten und ihn nur zu verwarnen (§ 59 Abs. 1 StGB).
Als besondere Umstände im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB sieht die Kammer hierbei den unter 1 herausgearbeiteten geringen Schuld- und Unrechtsgehalt der Unterlassenstat des Angeklagten an, insbesondere die belastende Ausnahmesituation des Insolvenzantragsverfahrens nach jahrzehntelanger Tätigkeit. Hieraus folgt auch, dass auch die Verteidigung der Rechtsordnung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB) die (unbedingte) Verurteilung zu Strafe nicht erfordert.
Nach alledem ist die Kammer im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch davon überzeugt, dass der Angeklagte künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Es kommt hinzu, dass er nunmehr als angestellter Betriebsleiter nicht mehr für die kaufmännischen und steuerlichen Angelegenheiten eines Handwerksbetriebes verantwortlich ist.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO.
Angesichts des erheblichen Teilerfolges der Berufung des Angeklagten hat es die Kammer für angemessen erachtet, die Rechtsmittelgebühr zu halbieren und der Landeskasse die dem Angeklagten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen hälftig aufzuerlegen.