Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 16.12.2009, Az.: 15 Qs 144 Js 80644/08

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
16.12.2009
Aktenzeichen
15 Qs 144 Js 80644/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 43274
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2009:1216.15QS144JS80644.08.0A

Tenor:

  1. 1)

    Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts O vom 19.05.2009 (Az.: 217 OWi / 08) wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

  2. 2)

    Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe

1

(I)

Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid des Landkreises O ergangen. Auf seinen Einspruch hin wurde er in der Hauptverhandlung vom 19.05.2009 vom Amtsgericht O freigesprochen. Der Tenor lautete: " Der Betroffene wird auf Kosten der Landeskasse freigesprochen" (Bl. 108 d.A.). Am 22.05.2009 stellte der Verteidiger einen Kostenfestsetzungsantrag (Bl. 116 d.A.). Dieser wurde vom Amtsgericht O mit Beschluss vom 20.07.2007 (Bl. 130 d.A.) zurückgewiesen, da in dem freisprechenden Urteil keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen getroffen worden ist. Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger am 23.07.2009 zugestellt (Bl. 132 d.A.). Am 28.07.2009 stellte der Verteidiger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte "gegen die Kostenentscheidung" sofortige Beschwerde ein (Bl. 133 d.A.).

2

(II)

Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts O vom 19.05.2009 ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 464 Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden ist. Die einwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde begann gemäß § 311 Abs. 2 StPO i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1 StPO mit der Verkündung des Urteils. Der Kostenfestsetzungsantrag vom 22.05.2009 kann auch nicht in eine sofortige Beschwerde umgedeutet werden, da sich diesem nicht einmal im Ansatz entnehmen lässt, dass sich der Betroffene bzw. sein Verteidiger gegen irgendeine Entscheidung oder Maßnahme des Amtsgerichts wendet oder mit ihr nicht einverstanden ist.

3

(III)

Dem Betroffenen war auch keine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren, da nicht ersichtlich ist, dass der anwaltlich vertretene Betroffene nicht ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.

  1. 1)

    Dem Betroffenen war nicht bereits deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil nach Verkündung des Urteils - nach dem Vermerk des Herrn RiAG F. vom 07.08.2009 (Bl. 135R d.A.) - keine ausdrückliche Rechtsmittelbelehrung bzgl. der angegriffenen Kostenentscheidung erteilt worden ist. Zwar ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist immer dann als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach §§ 35a, 311 StPO unterblieben ist. Die gesetzliche Vermutung des § 44 S. 2 StPO hebt bei unterbliebener Rechtsmittelbelehrung damit das Erfordernis des fehlenden Verschuldens des Antragstellers auf. Gleichwohl muss sich der Antragsteller aber darauf berufen, dass er die Frist infolge der fehlenden Belehrung versäumt hat ( OLG Düsseldorf NStZ 1989, 242). Dies macht der Betroffene aber nicht geltend. Auch lässt nach dem Zusammenhang seine zum Wiedereinsetzungsgesuch gegebene Begründung nicht erkennen, dass gerade die fehlende Belehrung ihn an der Fristwahrung gehindert hat, da als Grund für den Wiedereinsetzungsantrag ohne weitere Begründung einzig und allein angegeben wird, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben sei.

  2. 2)

    Im Übrigen hat der Verteidiger des Betroffenen schuldhaft die Einlegung der sofortigen Beschwerde unterlassen.

    1. a)

      Sowohl der Betroffene als auch sein Verteidiger waren bei der Verkündung zugegen und haben deshalb mitbekommen, dass keine Entscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen gefällt worden ist. Weder der Betroffene noch sein Verteidiger konnten davon ausgehen, dass der Tenor "Der Betroffene wird auf Kosten der Landeskasse freigesprochen" auch umfasst, dass die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt. Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, ein solcher Tenor könne dahingehend ausgelegt werden, dass die Landeskasse auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Das Gesetz unterscheidet in den §§ 464, 464a, 467 StPO ausdrücklich zwischen den Verfahrenskosten und den notwendigen Auslagen. § 464 StPO verlangt auch eine ausdrückliche Entscheidung über die notwendigen Auslagen. Die Tenorierung "auf Kosten der Landeskasse freigesprochen" kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Freigesprochene mit keinerlei verfahrensbezogenen notwendigen Unkosten aus dem mit seinem Freispruch endenden Strafverfahren belastet werden soll, sondern dass diese insgesamt vom Staat zu tragen sind. Dies folgt schon daraus, dass nicht ersichtlich ist, wie sich aus diesem Tenor eine Beschränkung auf die "notwendigen" Auslagen entnehmen lassen soll. Konsequenterweise müsste man, wenn man von diesem Tenor auch die Auslagen des Freigesprochenen umfasst sieht, sämtliche Auslagen, d.h. auch die nicht notwendigen umfasst ansehen. Außerdem ist nicht ersichtlich, wie im vorliegenden Fall, in dem auch im Urteil keine Kostenvorschrift zitiert worden ist und sich die Urteilsgründe auf den Satz "Von der Darstellung der schriftlichen Begründung des Urteils ist gemäß § 77b Abs. 1 OWiG abgesehen worden", allein anhand des Tenors entschieden werden könnte, ob die notwendigen Auslagen der Landeskasse lediglich versehentlich nicht auferlegt worden sind oder, ob dies eine bewusste Entscheidung gemäß § 467 Abs. 3 StPO war. Aus diesem Grunde kann auch auf eine ausdrückliche Entscheidung darüber, dass die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zu tragen hat, nicht verzichtet werden.

      Soweit das OLG Oldenburg in der Entscheidung StrV 2003, 174 ein Verschulden des Verteidigers und des Freigesprochenen abgelehnt hat, hat es dies insbesondere damit begründet, die Kostenentscheidung sei mit "Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO " begründet worden. Im vorliegenden Fall ist dies gerade nicht der Fall, so dass hier gerade eine die Entscheidung des OLG Oldenburg tragende Voraussetzung fehlt.

    2. b)

      Ob im vorliegenden Fall vom Betroffenen selbst verlangt werden konnte, dass ihm das Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung zu Lasten der Landeskasse auffällt, kann dahinstehen. Zumindest aber von seinem Verteidiger war zu erwarten, dass ihm dieses mögliche Versäumnis des Gerichts auffällt. Dessen Verschulden muss sich der Betroffene zurechnen lassen. Zwar hat grundsätzlich ein Betroffener im Ordnungswidrigkeitenverfahren für das Verschulden seines Verteidigers nicht einzustehen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos, sondern gelangt nur dann zur Anwendung, wenn ein Betroffener durch Versäumung einer Frist durch seinen Verteidiger in die Gefahr einer - unter Umständen ungerechtfertigten - Bestrafung gebracht wird (für das Strafverfahren: BGHSt 26, 126 /127 ); OLG Düsseldorf, NStZ 1989, 242). Soweit das versäumte Rechtsmittel aber nur Kosten oder Auslagen betrifft, es also um wirtschaftliche Fragen geht, ist das Schutzbedürfnis des Betroffenen geringer als bei der Anfechtung des Schuld- oder Rechtsfolgenausspruchs. Der Betroffene ist nämlich in der Lage, bei einem Verschulden seines Verteidigers im Wege des Schadensersatzes nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Wiedergutmachung zu verlangen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, den Betroffenen für ein Verschulden des Verteidigers einstehen zu lassen, wenn es um die Versäumung von Fristen bei Rechtsmitteln gegen Kosten- und Auslagenentscheidungen geht.

      Das Verschulden des Verteidiger entfällt hier nicht deshalb, weil - wie oben ausgeführt - in der Rechtsprechung teilweise auch die Auffassung vertreten wird, der Tenor "auf Kosten der Landeskasse freigesprochen" sei dahingehend auszulegen, dass davon auch die notwendigen Auslagen umfasst seien. Da diese Meinung umstritten ist, hätte sich der Verteidiger nicht darauf verlassen dürfen, sondern hätte zu Gunsten seines Mandanten den sichersten Weg wählen müssen.

4

(IV)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.